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Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande 28

Friedrich Gerstäcker
Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande
Kapitel 28

Der nächtliche Einbruch und was der Schwarze dazu meinte

Unbeachtet waren sie aber nicht geblieben, denn oben an der Straße, dem Boot gerade gegenüber, in dem dichten Schatten eines laubigen und mit grauem Moos tief überhangenen Pecanbaumes gedrückt, stand Wildau mit Mac Neal, dem er schon die flüchtigen Umrisse seines Verdachts, wie Ursache und Beweise desselben gegeben, sich hier die Überzeugung zu verschaffen, ob Blighton wie sein Gefährte auch wirklich zu diesem Boot gehöre und von dort also seine Hilfe erwartete.

»Und was nun?«, flüsterte Mac Neal, als die beiden an Bord des Bootes in dem inneren Raum verschwunden waren. »Wer jetzt ein Mäuschen wäre, zu hören, was sie da drinnen beraten.«

»Es bedarf dessen nicht«, sagte aber Wildau, seinen Arm ergreifend und ihn mit sich ein Stück zurück über die hinter ihnen liegende Wiese führend, damit ein etwa am Boot aufgestellter Posten nicht merken könne, dass das Fahrzeug beobachtet würde. »Ich weiß, dass die Burschen beschlossen haben, das Geld der Witwe, und zwar noch in dieser Nacht, in ihre Gewalt zu bekommen. Wie, wird ihnen gleichgültig sein, denn ob sie einen Mord dabei begehen oder nicht, die Verfolgung bleibt dieselbe. Jedenfalls werden sie aber einen oder zwei ihrer Leute die Nacht im Hotel lassen, dann zuerst versuchen, den Schwarzen allein abzufertigen und mit dem Geld zu fliehen. Geht das aber nicht, sich mit Gewalt ihre Bahn freizuhauen und mit ihrem Boot, was sie jetzt wahrscheinlich an der Seite hängen haben, zu entkommen.«

»Und dein Plan?«, fragte Mac Neal.

»Ist der folgende«, erwiderte ihm rasch der junge Deutsche. »Wir müssen vor allen Dingen beide das Hotel zu Pferd verlassen. Du reitest dann, so schnell dich dein Pferd trägt, zum Richter hinauf und bittest ihn in meinem Namen dir den Constable und einen Haftbefehl für diesen Bligthon, den früheren Steuermann eines berüchtigten Piraten, mitzugeben, wie denn auch das ganze hier liegende Boot mit Beschlag zu belegen, an dessen Bord sich vielleicht Aufschluss über manches finden möchte. Sieh zu, dass du noch einige unserer Nachbarn triffst und sie zur Hilfe mitbringst. Zu viel können wir nicht sein, denn ist alles so, wie ich fürchte, so dürfen wir auf tüchtigen Widerstand von ihrer Seite rechnen.«

»Und wo willst du bleiben?«, fragte der junge Ire.

»Ich kenne jeden Winkel hier im Haus«, erwiderte Wildau – »oben bei Harpers lass ich mein Pferd stehen und komme durch die Felder hierher zurück. Das kleine Zimmer, wo der Kreole schläft, ist stets offen. Dort kann ich einsteigen, den wecken und mit auf Wache nehmen, bis Ihr kommt. Aber mache um Gottes Willen schnell, denn der Böse könnte sein Spiel haben und die Buben früher zu ihrer Tat treiben, als wir jetzt denken. Was ich übrigens tun kann, sie aufzuhalten, soll natürlich geschehen – und nun ans Werk.«

Und damit betraten sie wieder den Hof, wo Wildau ihre Pferde vorzuführen befahl, dann erst noch, während die mutigen Tiere vor dem Torweg wieherten und scharrten, in dem kleinen Kontor ein paar Zeilen für den Richter schrieb, die Mac Neal überliefern sollte und gerade mit dem Freunde aufsaß, als Blighton mit seinem Begleiter wieder vom Boot zurückkam und bei ihnen einen Augenblick stehen blieb.

»Hallo Mister«, rief der Bootsmann seinem vorherigen Tischnachbar zu. »Schon an Bord? Ich dachte, wir sollten erst noch ein Glas zusammen trinken. Wart vorher ja fort, wie aus einer Pistole geschossen!«

»Danke, danke«, entgegnete ihm aber Wildau, sich im Sattel zurechtsetzend und die Zügel aufgreifend. »Wir haben noch eine lange Strecke Wegs voraus und es wird spät. Gute Geschäfte, Gentlemen.« Dem Tier die Sporen einsetzend, flog er, von Mac Neal gefolgt, mit klappernden Hufen die glatte ebene Straße, die dicht am Ufer des Mississippi hinführte und von diesem nur durch einen aufgeworfenen Damm getrennt war, hinauf.

Die beiden Bootsleute blieben stehen und sahen ihnen nach, bis der Schall der Hufe weit in der Ferne verklungen war.

Blightons Gefährte brummte hinter ihnen drein: »Gute Geschäfte, oh? Ist jedenfalls ein guter Anfang, dass ihr beiden unter Segel gegangen seid.«

Blighton schüttelte den Kopf und sagte finster: »Holt der Teufel den Halunken – sein Gesicht gefällt mir nicht und ich habe die blauen großen Augen auch schon früher einmal gesehen, ja, was noch schlimmer ist, sie haben mich schon einmal getroffen, aber der Teufel weiß wo? Der Eigentümer scheint sich auch nicht mehr so recht darauf zu besinnen. Aber er stutzte, als er mir jüngst ins Gesicht sah und wer weiß, ob wir nicht noch eine alte Bekanntschaft herausgedoktert hätten, wenn wir eben länger zusammengeblieben wären.«

»Nun, sie sind wenigstens jetzt fort«, sagte der andere. »Es ist die Frage, ob Ihr Euch nun im Leben wieder finden werdet.«

»Wollt ich auch einem von uns beiden, nachdem was heute Abend hier vorfallen wird, je unter Umständen nicht wünschen«, knurrte Blighton. »Aber ich traue dem Burschen selbst jetzt noch nicht, wenn er sich zehnmal zu Pferd gesetzt hat und fortgeritten ist. Seine erste Überraschung war zu augenfällig und er hatte nachher viel zu viel mit dem grünen Jungen, dem Irländer, zu schwatzen.«

»Du glaubst doch nicht, dass er eine Ahnung von unserem heutigen Plan haben könnte?«, fragte der andere Bootsmann rasch.

»Das nicht«, entgegnete darauf Blighton lachend, »er wäre sonst wohl nicht solch ein Tor gewesen, fortzureiten, wo wir mit gutem Glück schon vielleicht in einer Stunde unsere Arbeit beendet haben können. Aber er kann morgen wiederkommen, und hat er dann vorher schon Verdacht geschöpft, wird ihm unsere heutige Expedition nur um so mehr bestätigen. Doch was tut’s«, setzte er heiser lachend hinzu und drehte sich um, in das Haus zurückzugehen. »Er findet das Nest leer und die Vögel ausgeflogen. Nur wissen möchte ich, wo ich die großen blauen Augen eigentlich hintun soll?«

Im Hotel war es übrigens noch ziemlich lebhaft. An mehreren Tischen saßen die Gäste beim Kartenspiel, und der Kreole hatte vollauf zu tun, alle mit den verlangten Spirituosen und Weinen zu bedienen. Blighton, der anscheinend zwecklos von einem der Spieltische zum anderen umherschlenderte, benutzte seine Zeit, sich mit der Hausgelegenheit so viel wie möglich bekanntzumachen, nahm ein Licht und ging geradezu die Treppe hinauf, wo ihm jedoch der Kreole schon entgegenkam und ihn, als er angab, sein Zimmer zu suchen, das er vor acht Tagen hier bewohnt hätte, bedeutete, dass oben alles besetzt sei und er sich die Nacht würde unten einzurichten habe.

»Hallo Mister, was haben Sie da oben gewollt?«, fragte ihn der Kreole, der ihm, als er zurückkam, gerade unten an der Treppe begegnete. »Hab’ Ihnen ja gesagt, dass oben alles besetzt ist.«

»Oh, verdamme es«, brummte der Bootsmann. »War so in Gedanken, dass ich mit dem Licht nach oben ging, bis mir dort das schwarze Gesicht quer vor den Bug lief.«

»Wollen Sie zu Bett gehen?«, fragte der Kreole.

»Ja, bald – aber bin noch zu durstig – gebt uns erst noch ein paar heiße Brandys – es schläft sich nachher besser.«

Es wäre gegen das Geschäft des Kellners gewesen, eine derartige Behauptung zu bestreiten, aber das Klingen der Gläser rief ihn wieder nach vorn und er musste den wunderlichen Gast für jetzt sich selber überlassen.

Ganz nach Blightons Wunsch schienen sich die Spielenden den Abend nicht zu lang im Hotel halten zu wollen. Es war noch nicht zehn Uhr und die Letzten hatten schon ihre Pferde bestellt und den Heimweg angetreten. Der mit aufwartende Junge löschte die Lichter aus und verließ das Haus, zu der hinten über dem Hof liegenden Hütte zu gehen. Auch das vorn im Strom befestigte Flatboot wurde lebendig – die Leute lösten ihr Tau, nahmen es ein und stießen vom Land ab in den Strom hinaus.

»Hallo, wohin noch so spät?«, rief ihnen einer der Reiter zu. »Habt Ihr solche Eile?«

»Geht zum Teufel«, lautete die freundliche Antwort der mürrischen Bootsleute und sie legten sich dabei in die knarrenden Finnen, das Boot von der weiter unten vorschießenden Landspitze frei zu bekommen.

»Möchte wissen, weshalb die Burschen noch um diese Zeit der Nacht unterwegs gehen«, sagte der eine Reiter zum anderen, als sie an der Leven hinabritten.

»Dort drüben geht der Mond auf«, meinte der andere, »und die Zeit wollen sie wahrscheinlich benutzen. Bis morgen früh können sie ein tüchtiges Stück stromab kommen.«

Als sich das Boot weiter vom Ufer entfernte und in der Dunkelheit der Nacht verschwand, verklangen die Hufschläge der Reiter, die rasch der Heimat zueilten. Dicht unter das hohe Ufer aber gedrückt lag die von dem großen Fahrzeug zurückgelassene Jolle mit vier Mann Besatzung, die Ruder eingezogen und durch keinen Laut ihre Gegenwart verratend.

Im Hotel selber war alles still und ruhig geworden und der müde Kreole schien seine Gäste ebenfalls auf ihr Lager zu wünschen.

»Gentlemen, wenn Sie zu Bett gehen wollen«, redete er die beiden Männer endlich an, die nur sein eigenes Fortgehen erwartet haben mochten. »So ist hier Ihr Zimmer.« Er öffnete ihnen dabei die links hineinführende Tür. Das Zimmer enthielt fünf Betten, von denen zwei für die Gäste bestimmt waren – die anderen standen unbesetzt.

»Aber wir haben unseren Nachttrunk noch nicht, Willis«, entgegnete lachend Blighton und nahm sein Priemchen Tabak aus dem Mund, sich für den erwarteten Genuss vorzubereiten.

»Ich habe den Schanktisch schon zugeschlossen«, sagte der junge Bursche.

»Wird dir doch nicht zu viel Mühe sein, einen Schlüssel umzudrehen, noch einen Viertel-Dollar zu verdienen«, brummte Blighton. »Ich nehme Brandy, damit ich nicht aus der Gewohnheit komme.«

Der Kreole holte mit einem etwas verdrießlichen Gesicht seinen Schlüssel wieder aus der Tasche und schenkte den beiden Fremden die verlangten Gläser ein, schloss dann wieder zu und ging mit einem Gute Nacht Gentlemen in sein kleines, dem ihren gegenüberliegendes und von ihm durch eine Art Entree getrenntes Zimmer.

Blighton nahm das Licht und schritt, von Willis, wie er den anderen genannt hatte, begleitet, in das ihm angewiesene Schlafgemach, aber es war nur zum Schein.

Totenstille herrschte im ganzen Haus, und die beiden Verbrecher löschten ihr Licht aus und öffneten leise die noch gar nicht ins Schloss gedrückte Tür wieder, ihr dunkles Werk zu beginnen.

»Wollen wir warten, bis der Kreole schläft?«, flüsterte Willis leise dem Kameraden ins Ohr. »Oder gleich so anfangen?«

»Mir wär es lieber, er schliefe erst«, lautete die eben so vorsichtig gegebene Antwort. »Wenn ich nicht fürchtete, wir versäumten zu viel Zeit. Da wir aber nicht wissen können, wie lange uns die Geschichte da oben aufhalten wird, ist es am Ende besser, wir fangen gleich an. Ich will mich an die Tür schleichen und du kannst ihn noch einmal rufen. Wenn er aufwacht, bring ich ihn in Sicherheit.«

»Aber kein unnützes Blut«, sagte Willis, seine Hand auf den Arm des Kameraden legend. »Du bist das noch von deinem Seeleben her gewohnt, und ihr konntet die Leichen dort rasch genug beiseiteschaffen. Hier aber lassen sie böse Blutflecken zurück, die hässliche und oft ganz unnötige Zeugen sind.«

»Es ist aber doch immer das Sicherste«, meinte Blighton.

»Nein, nein«, sagte Willis ängstlich. »Mach ihn nur unschädlich. Es arbeitet sich nachher leichter, wenn man nicht in einem fort unter dem Strang steht.«

»Unsinnige Empfindelei«, knurrte Blighton. »Aber meinetwegen, du hast’s jedoch nachher zu verantworten, wenn uns die Kröte in die Patsche bringt. Sicher ist sicher.« Damit schlich er sich auf den Socken, denn die Schuh hatte er schon vorher ausgezogen zu der gegenüber befindlichen Tür. Willis öffnete dann die seine und rief den jungen Burschen. Keine Antwort – er rief nochmals – alles totenstill. Blighton horchte, konnte aber nicht das Geringste hören.

»Pest und Gift«, murmelte er leise vor sich hin, »die Kanaille wird doch zum Teufel nicht Lunte gerochen haben und aus dem Fenster gesprungen sein?« Er legte leise die Hand auf die Klinke und öffnete die Tür so vorsichtig wie möglich. Als er hineinhorchte, umzog ein spöttisches Lächeln sein Gesicht. Der todesmüde Knabe hatte seine Kleider nur eben abgeworfen und war dann, kaum auf dem Bett ausgestreckt, auch schon sanft und fest eingeschlafen. Der Räuber schlich hinein und stand über seinem Lager.

Willis war ihm dorthin gefolgt und nach ein paar leisen untereinander geflüsterten Worten warfen sie sich plötzlich über ihn, sodass der Schlafende, ehe er imstande war, sich zu ermuntern oder überhaupt zu begreifen, was mit ihm vorging, sicher geknebelt und fest gebunden auf seinem Bett lag und nicht imstande war, sich weder zu rühren noch den geringsten Laut auszustoßen.

Der Kreole wand und sträubte sich am Anfang aus Leibeskräften, denn in solcher Art aus dem ersten Schlaf erweckt, musste er das Schlimmste fürchten. Aber er war in zu sichere und geübte Hände geraten, und all seine Anstrengungen halfen ihm weiter nichts, als dass er sich selber müde und matt arbeitete und zuletzt in lauter Erschöpfung und in sein Schicksal ergeben liegen bleiben musste.

Blighton hatte ihn bis dahin ruhig beobachtet und zu dem Zweck den Fensterladen geöffnet, der sich gerade über dem Bett befand.

Als der Gebundene wieder still lag, wandte er sich von ihm ab und sagte zu seinem Begleiter: »Es mag gut sein für jetzt. Das Sicherste war es aber doch nicht, und ich will nur wünschen, dass wir es nicht zu bereuen haben. Bleib du nun hier unten und horch ein wenig mit hier hinein, ob alles in Richtigkeit bleibt. Ich will gleich hinaufschleichen und sehen, was mit dem Schwarzen anzufangen ist.«

»Du wirst ihn gar nicht allein bewältigen können«, warnte ihn Willis, »und er bringt uns nachher noch am Ende das ganze Haus in Alarm.«

»Da lass du mich sorgen«, meinte Blighton. »Halte du mir nur hier unten reine Bahn, das Übrige will ich schon durchführen. Sind die Leute richtig postiert?«

»Das hat George besorgt. Sie warten draußen an der Tür unter den Tulpenbäumen auf das verabredete Zeichen. Die Tür ist offen.«

»Gut, dann haben wir auch wenigstens nichts für unsere Sicherheit zu fürchten, denn misslänge der Streich wirklich, was aber jetzt unwahrscheinlich ist, können sie uns die Flucht mit den paar Schwarzen hier im Haus gar nicht abschneiden. Also hab Acht!«

Den Kameraden verlassend, glitt er, einer Schlange gleich, über den Boden geräuschlos fort, der Treppe zu, mit deren Biegung er sich vorsichtigerweise schon bekannt gemacht und kroch mehr, als er ging die Stufen hinauf.

Hierbei hatte er aber mit einem Übelstand zu kämpfen, der ihn länger aufhielt, als er gedacht hatte. Die Stufen knarrten hier und da ein wenig, er durfte ihnen sein Gewicht nur mit größter Achtsamkeit anvertrauen, um nicht den oben vielleicht noch nicht einmal Schlafenden aufmerksam zu machen und dann vielleicht den ganzen, so schön und trefflich angelegten Plan vereitelt zu sehen. Nur sehr langsam, nach jedem Knarren eine Zeitlang halten bleibend, um zu horchen, ob sich oben nichts rege, erreichte er endlich den oberen Teil der Treppe und mit ihm den kleinen Vorsaal, wo er das Feldbett hatte stehen sehen. Seine Blendlaterne, die er sich von unten mitgenommen, ließ er aber auf der obersten Stufe noch geschlossen. Der Lichtstrahl hätte ihn zu früh verraten können, und er horchte nur dem regelmäßigen Atmen des Schlafenden.

Es war alles totenstill – kein Laut drang an sein Ohr, das einsame Knappern einer Maus ausgenommen, die sich unter dem Dach irgendwo einen Durchgang nagte.

Sollte der Mann wach sein? Er blieb laut- und regungslos wohl eine Viertelstunde liegen, sich davon zu überzeugen. Da endlich hörte er das leise Atmen eines Menschen. Es klang in regelmäßigen Pausen zu ihm herüber. Dann war wieder alles ruhig, um bald darauf aufs Neue zu beginnen und nun – hol’ den Burschen der Böse – erst jetzt war er wirklich eingeschlafen, denn das Atmen wurde laut und tönend, wie er die Luft durch die Nase zog. Blighton hob mit einem triumphierenden Lächeln sein schweres Messer aus der Scheide, seinen Weg zum Bett hinzufühlen.

Himmel, wie der Bursche schnarchte. Willis musste das unten hören – und so lange Pausen dazwischen, dass man ordentlich erschrak, wenn der klappernde Ton wieder von Neuem begann. Der hatte einen Bärenschlaf. Aber desto besser, der lauernde Räuber griff seine Laterne auf, die er nun ohne Gefahr glaubte, benutzen zu können, und schlich rasch, aber nichts desto weniger fortwährend auf seiner Hut, dem Lager des Schwarzen zu, der jedenfalls erst unschädlich gemacht werden musste. Die Tür der Frauen war dann im Nu aufgebrochen und diese, mit einem blanken Messer vor sich, lieferten nachher auch ohne Weiteres die Kassette aus.

Blighton hatte schlimmere Sachen durchgemacht, lachte ingrimmig in sich hinein, wie glatt und ungehindert ihm alles vonstattenging.

Er sollte sich aber doch in einer Hinsicht getäuscht haben, denn wenn auch der Räuber mit seinem Plan weit rascher vorwärts rückte, wie es selbst Wildau für möglich gehalten hatte, irrte sich Blighton in dem Schwarzen, der keineswegs dermaßen auf seinem Posten schlief, wie jener glaubte, sondern schon das Knarren der ersten Stufen gehört und Verdacht geschöpft hatte. Der Schwarze war auch keineswegs unbewaffnet, denn ein schweres Bowiemesser lag unter seinem Kopfkissen, und dieses aufgreifend, erwartete er ziemlich ruhig den Dieb, der sich übrigens, wie er nicht im geringsten zweifelte, rasch wieder zurückziehen würde, sobald er sähe, dass er entdeckt wäre. Von der wirklichen Gefahr, in der er sowie die beiden Damen schwebten, konnte er keine Ahnung haben, da er den Charakter des Mannes nicht kannte, mit dem er es hier zu tun hatte.

So lag er, bis Blighton den oberen Teil der Treppe erreicht hatte und aufhorchte, das Atmen des Schlafenden zu hören. Wie aber nun alles ruhig blieb und der Schwarze merkte, auf was der nächtliche Besuch eigentlich warte, beschloss er den Dieb dadurch, dass er sich schlafend stellte, heranzulocken. Das glückte ihm auch vollkommen. Hinter das Bett gleitend und seine dicke wollene Decke um den linken Arm geschlagen, den möglichen Stich oder Hieb einer Waffe damit abzuwehren, hielt er den scharfen Stahl in der Rechten und erwartete ruhig das Nahen des Feindes.

Vorsichtig, aber mit fest und entschlossen zusammengebissenen Zähnen nahte der Räuber dem Bett, von dem das ruhige Atmen des Schlafenden zu ihm herüberzutönen schien. Er war so nahe gekommen, dass er die Bettstelle gewiss schon erreichen konnte. Leise streckte er den Arm aus und seine Finger berührten die Matratze. Er war am Ziel. Noch einen Schritt vortretend, öffnete er schnell und geräuschlos die Klappe der Blendlaterne und – fand ein paar große dunkle Augen, unter denen grinsend zwei Reihen hellglänzender Zähne blitzten, auf sich geheftet, die von der anderen Seite des Bettes herüber auf ihm hafteten.

»Hallo Massa!«, rief in demselben Augenblick der Mann, der bei dem plötzlichen Öffnen der etwas schräg gehaltenen Laterne den Burschen vom Abend erkannt zu haben glaubte, in seinem gebrochenen Englisch. »Was Ihr wieder hier? Sucht Bett nochmal? Hoh? Ah, pfui Massa, pfui – schleicht ab jetzt wie begossener Hund, pfui Massa!«

Scipio, wie der Schwarze hieß, irrte sich aber, wenn er glaubte, der entdeckte Dieb schleiche jetzt beschämt zurück, denn Blighton hatte allerdings, wie er sich dem wachenden Auge des Mannes gegenübersah, die Laterne wieder geschlossen, doch nur, um Willis unten das verabredete Zeichen zu geben, der sich ihm dann rasch anschließen sollte.

Kaum aber schallte der leise Pfiff durch das öde Haus, als der treue Sklave, der jetzt wohl merken musste, dass er es mit mehr als einem Angreifer zu tun bekommen würde und dann nicht mehr imstande sein mochte, ihren Angriff abzuwehren, mit einem Satz über das Bett hinübersprang und sich des Diebes zu bemächtigen suchte.

Zu seinem Glück hielt er übrigens noch immer die wollene Decke um dem Arm, denn Blighton hörte kaum den Feind auf sich zukommen, als er mit sicherem Stoß ausholte, dem Mann die breite, haarscharfe Klinge gerade in den Leib gerammt hätte, wäre die Spitze nicht in den weichen, elastischen Falten der Wolle unschädlich geworden und abgeglitten. Scipio fühlte kaum die nach ihm gestoßene Waffe, als er unwillkürlich nach dem Arm griff, einen etwa wiederholten Stoß abzuwehren, und dabei die eigene Waffe fallen ließ. Selber jedoch von kräftigem Körperbau, umschlang er mit beiden Armen den Räuber. Es gelang ihm wenigstens, diesem das Messer aus der Hand zu schlagen, das dicht an der Treppe niederstürzte.

Blighton, den Ruf nach dem Kameraden wiederholend, warf sich in wilder Wut auf ihn. Den Gegner mit Anstrengung aller seiner Kräfte zu Boden drückend, suchte er, wenn auch vergebens, mit der einen ausgestreckten Hand das Messer wieder zu finden, das ihm entfallen war, dem Kampf ein schnelles und blutiges Ende zu machen. Scipio wand sich unter seinem Griff und schrie nach Hilfe.

Da klangen Schritte die Treppe herauf.

»Schnell Willis – schnell!,« rief der Räuber, hierher dein Messer, dass ich dem Schreier die Kehle lüfte – hierher.«

»Wo?«, fragte die Stimme und ein Arm streckte sich aus, die Kämpfenden zu fühlen.

»Hier meine Hand«, rief Blighton.

»Und hier die meine«, lautete die Antwort, von einem Schlag begleitet, der den Räuber bewusstlos über sein Opfer hinweg zu Boden warf.

Es war Wildau statt dem erwarteten Willis, der dem schwer bedrohten Scipio zur rechten Zeit zu Hilfe kam. So rasch er den Weg auch von Harpers wieder zu Fuß zurückgelegt hatte, so wäre er doch fast zu spät gekommen, das Unheil von den Häuptern ihm lieber Menschen abzuwenden.

Wie er sich nämlich dem Haus leise näherte und unbemerkt noch einzuschleichen hoffte, fand er den Platz unter dem Fenster schon von einem der Bootsleute besetzt, der sich hier, wie es schien, auf seinem Posten ausgestreckt hatte und gar nicht die Absicht zu haben schien, ohne weitere Veranlassung sich zu erheben. Vorsichtig zurückweichend glitt er wieder in das Gebüsch, aus dem er gekommen war, erstieg den Baum und ließ sich von diesem auf das Staket hinunter, sich dem Haus von einer anderen Seite zu nähern.

Von außen an der Umzäunung hinschleichend, fiel ihm auf, dass das Flatboot seinen Platz verlassen hatte. Nach dem hohen und eingestürzten Ufer hinkriechend, entdeckte er im Schatten der kleinen Gruppe Pecanbäume das Boot, das hier, nur mit einer dünnen Leine befestigt und nicht weiter beachtet, angebunden lag. Rasch begriff er jetzt die Kriegslist der Männer, die sich das schwerfällige Boot vom Hals geschafft hatten, um nach glücklich ausgeführtem Raub in der kleinen Jolle nachzurudern. Wenn er deshalb dem Feind die Flucht abschneiden konnte, hatte er schon die Buben in seiner Gewalt. Der Zeitverlust war auch nicht so bedeutend. An den von der Flut abgespülten Wurzeln niedergleitend erreichte er bald den Wasserrand und das Boot.

Ein rascher Schnitt seines Messers löste das Tau, er stieß das Boot in den Strom hinaus. Die Wurzeln dann wieder zum Hinaufklettern benutzend, sah er den schlanken Kahn wenige Minuten später mit der scharfen Strömung hinabtreiben.

Damit waren aber auch viele kostbare Minuten vergeudet worden. Schnell und heimlich über die Straße zurück, einem anderen Teil des Gartens zueilend, erreichte er glücklich das Fenster, hinter welchem der Kreole schlief. Das Fenster selber war nur angelehnt, der Laden ganz geöffnet, und auf ein dort stehendes Fass kletternd, gewann er glücklich das Zimmer.

»Jean, Jean!«, rief er mit leiser Stimme und schüttelte den Burschen. »Jean, was zum Teufel hast du?«

Der arme Bursche drehte und wand sich auf dem Bett, aber die festgeschnürten Fesseln hielten. Wildau, mit der Hand über sein Gesicht streichend, fühlte augenblicklich den Knebel und wusste nun, dass die Räuber ihre Arbeit schon und zwar mit Erfolg begonnen hatten. Das Blut schoss ihm in erstickendem Strom zum Herz zurück. Was war geschehen? Kam er überhaupt nicht schon zu spät? Aber in guter Schule gestählt, zwang er jedes andere Gefühl, jetzt, wo es zu handeln galt, zurück. Rasch die Fesseln des Geknebelten fühlend, durchschnitt er die Stricke, die ihn hielten, mit dem Messer. Wenige Sekunden später war er frei, aber Wildaus Hand lag auf seinem Mund. Einen mit Blei gefüllten Stock fester fassend, öffnete er leise die Tür. Er horchte – alles war totenstill. Da tönte plötzlich ein leiser Pfiff von oben und rasch vorgleitend wollte er der Treppe zueilen, als ihm eine Stimme zurief:

»Hier Tom oder Bill – rasch hinauf mit Euch- es ist Zeit!«

»Das merke ich«, rief Fritz und im Dunkeln einen Schlag nach dem Sprecher führend, der ihn wie tot zu Boden warf, war er in wenigen Sprüngen oben an der Treppe, dort gerade dem Schwarzen in der höchsten Not zu Hilfe zu eilen.

Aber damit war der Sieg noch keineswegs gewonnen, denn sowohl der Pfiff als auch der darauf folgende Lärm war nur zu gut auch von den an der Tür harrenden Wachen gehört, die schon lange das Haus betreten hatten und mit ihren Laternen nur nicht so rasch die Stufen finden konnten.

»An die Treppe, an die Treppe!«, rief Scipio, der von unten Stimmen hörte, und nach all dem Vorgefallenen natürlich die zum Ersatz herbeieilenden Helfershelfer der Räuber vermuten musste. »Nur hier oben können wir vielleicht den Platz halten, bis Hilfe kommt.«

In Todesangst dabei nach seinem Messer umhertappend, ergriff er das des Räubers und riss dann in demselben Augenblick sein Feldbett mit der Matratze vorn zwischen das hier aufführende Geländer, als die vier Bootsleute den schmalen Aufgang gefunden hatten und ihren Kameraden zu Hilfe eilen wollten.

»Tod und Pest!«, riefen sie aber, als sie den Widerstand erkannten, der sich hier ihnen bot, während unten im Haus und im Hof die Stimme des Kreolen durch die stille Nacht Mord rief. Einen Augenblick zögerten sie auch wirklich, ob sie den Angriff wagen sollten oder nicht. Blighton aber war jedenfalls in der Gewalt der Feinde. Sollten sie den geduldig den Gerichten überlassen, wo es noch fast in ihrer Macht lag ihn zu retten?

»Vorwärts!«, rief der eine der Gruppe, und die Pistole auf Scipio abdrückend, folgte er mit Blitzesschnelle der Kugel, sich Bahn zu brechen. Scipio war verwundet, aber er hielt stand. Fritz traf den Anführer in eben dem Augenblick über den Schädel, als sich ihm die drei anderen im gleichzeitigen Ansturm entgegenwarfen.

»Umzingelt das Haus! Hurra, meine Burschen, wir haben sie!«, jubelte es in diesem Augenblick draußen von einer Menge fremder Stimmen. Das Wiehern und Stampfen von Pferden tönte zu ihnen herauf.

»Teufel!«, schrien die Angreifer und standen starr vor Schreck. Scipio aber, den Augenblick benutzend, hob die Matratze empor und warf sie mit vollem Gewicht die Stufen nieder auf die Angreifer, diese mit sich die Treppe polternd hinabreißend. Zwei entgingen dem Fall und suchten jetzt in wilder Flucht einen Ausgang ins Freie, während sich Scipio des Dritten bemächtigte. Rings um das Haus hatten sich aber die Nachbarn, von dem Constable angeführt, postiert, verrannten ihnen jeden Weg zur Flucht. Willis allein, von dem betäubenden Schlag wieder auferstanden, sprang über den Weg und erreichte glücklich das dunkle Ufer, wo er das Boot liegen wusste. Aber auch dieser Weg war ihm durch Wildaus Vorsicht abgeschnitten. Eine Viertelstunde später lagen die gefangenen Räuber gebunden in der Veranda des Hauses. Neben ihnen hielt der Constable mit zwei Gerichtsdienern Wache.