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Der Mythos Tempelritter – Teil 3.9

Einst waren sie im Hochmittelalter die mächtigste Organisation auf Gottes Erden. Sie waren führend im Bankwesen, sie besaßen die größte Flotte des Abendlandes. Zeugen ihrer schier übermächtigen Größe und ihres Reichtums findet man noch heute: Der Newport Tower in Newport, Rhode Island, der als Leuchtturm der Templer gilt; Santa Mariá de Eunate in Spanien, welche die Templer nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem erbauten; Temple Church in London, die den Templern als englisches Hauptquartier diente; die Klagemauer sowie der Tempelberg in Jerusalem, wobei aufgrund der derzeitigen religiösen und politischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina es dort unmöglich erscheint, umfangreiche Ausgrabungen durchführen zu können. Die Liste der noch existierenden zeitgenössischen Sachzeugen und Bauwerke ist groß und würde den hiesigen Rahmen sprengen.
Wer waren die Templer? Wie waren sie organisiert? Wer waren ihre Führer? Gingen die geheimnisvollen Templer am Freitag, den 13. Oktober 1307 tatsächlich unter? Oder gibt es heute noch Nachfahren der Templer? Fragen über Fragen.
In einer losen Folge möchte ich versuchen, den Mythos der Tempelritter ein wenig zu beleuchten.


Die Großmeister des Tempelordens


Gérard de Ridefort 1185 – 1189

Nach Arnaud de Toroges Tod kam es darauf an, bei der eigentümlichen und gefährlichen Vermittlung der syrischen Zustände einen Großmeister von Weisheit und Energie zu wählen. So sehr sich der Reichsverweser Graf Raimund bemühte, sich dem Konvent der Templer geneigt zu machen, so wenig gelang ihm dies, weil jener danach trachtete, die Würde des Reichsverwesers mit der seines Großmeisters vereinigt zu sehen. Deshalb wählte man in beharrlicher Opposition gegen den Grafen dessen erklärten Feind, den Ritter Gérard de Ridefort zum Großmeister. Dieser war früher Hausmarschall des Königs Balduin IV. gewesen und wollte als solcher die Erbin des Schlosses Botrou heiraten, um so in den Besitz einer Burg zu gelangen. Allein der Lehnsherr von Botrou, Graf Raimund, verweigerte die Einwilligung in diese Heirat, worauf Gérard, voll Missmut dem ehelichen Leben entsagend, in den Orden der Templer trat und fortan des Grafen unversöhnlicher Feind blieb, sodass diese Feindschaft dem heiligen Land großen Schaden, ja Jerusalem wieder in Saladins Hände brachte, was die Templer wenig kümmerte. Da Arnaud de Toroge erst gegen Ende des Jahres 1184 nach Verona ging, so kann Gérard erst spät im Jahr 1185 oder wohl erst Anfang 1186 Meister geworden sein, da ihm erst am 1. August 1186 die Bulle Omne datum optimun vom Papst Urban II. (bestieg den päpstlichen Stuhl am 25. November 1185) bestätigt worden ist.

Am 16. März 1185 war König Balduin IV. gestorben. Der Graf von Tripolis entwickelte als bestellter Reichsverweser während der Minderjährigkeit Balduins eine große Tätigkeit und schloss mit Saladin einen Waffenstillstand, welchen die Barone und auch die beiden Großmeister billigten, da eine Hungersnot das Land in Ohnmacht und Verwirrung stürzte. Graf Raimund öffnete den freien Markt für Lebensmittel in den angrenzenden sarazenischen Länder und erwarb sich dadurch die Zuneigung der Einwohner des Reiches Jerusalem.

Zum Unglück für den Grafen starb Balduin V. schon im August 1186. Alsbald erwachte die Feindschaft der Gegenpartei, an deren Spitze der Großmeister Gérard und der Seneschall Joscelin standen. Ersterer dürstete nach Sättigung seiner Privatrache, mochte auch das Reich untergehen. Die Verhältnisse boten der Kabale ein weites Feld dar. Damit die Großen zur Beschlussnahme über die Thronfolge mit dem Reichsverweser nicht zusammenkommen möchten, beredete Joscelin sowohl den Grafen als auch die Barone, dass sie dem Leichenbegängnis des noch unmündigen Königs nicht folgen möchten. Vielmehr könnten die Templer die Bestattung besorgen und den Leichnam von Akkon, wo Balduin gestorben war, nach Jerusalem bringen und feierlich beisetzen. Der schlaue Raimund ging in die tief gelegte Falle. Das Weitere abzuwarten, begab er sich nach Tiberias. Sogleich setzte sich der listige Seneschall in Besitz von Akkon und Beirut, entbot schleunigst den Grafen Veit von Joppe mit dessen Gemahlin und reisigem Zeug nach Jerusalem. Kaum war der Leichnam in die königliche Gruft am Kalvarienberg beigesetzt, als die Gräfin Sibylle, Veits Gemahlin, da sie als die Mutter des verstorbenen Königs das meiste Recht auf die Krone zu haben vermeinte, von dem Patriarchen und den beiden Großmeistern, welche die Reichsinsignien verwahrten, die Krone begehrte. Der Patriarch sowie der Meister Gérard, beide mit Joscelin im Einverständnis, weigerten sich nicht. Ersterer, weil er mit Sibylle im vertrauten Umgang lebte, Letzterer aus Rachsucht gegen den Reichsverweser. Nur der Meister der Hospitaliter weigerte sich mit der Einwendung, dass zuvor die im Vertrag mit dem Grafen von Tripolis verordneten vier abendländischen Fürsten einen Beschluss über die Thronfolge fassen müssten. Unterdessen bemerkte der Graf von Tripolis den ihm gespielten Betrug und berief sogleich die Barone nach Nablus, um über die Thronfolge zu beraten, da das zerrüttete und großen Gefahren ausgesetzte Land unmöglich von einem buhlerischen Weib und deren schwachköpfigem Gemahl regiert werden könnte. Viele Prälaten und Barone kamen in Kürze nach Nablus, denn weder der wollüstige Patriarch noch die Templer (deren Konvent in Gérards Pläne einging, weil bei einem schwachen Regenten für den Orden mehr zu hoffen stand als im Gegenteil) waren beliebt. Fürst Rainald hatte sich auf Sibylles Einladung nach Jerusalem begeben. Kaum dort angekommen wurden die zu Nablus versammelten Großen zur Krönung der Gräfin und deren Huldigung eingeladen. Diese aber schickten zwei Zisterzienseräbte an den Patriarchen und die beiden Großmeister mit dem Ersuchen, sie möchten bei dem allmächtigen Gott ohne Vorwissen des Papstes, des Kaisers und der Könige von Frankreich und England den Grafen von Joppe nicht krönen. Die Äbte hatten ihre Botschaft kaum ausgerichtet, so wurden aus Furcht vor den zu Nablus versammelten Großen die Tor Jerusalems geschlossen. Hierauf führten Fürst Rainald und der Meister Gérard die Gräfin in die Kapelle des heiligen Grabes, woselbst der Patriarch Letzterem die Schlüssel zu den Reichsinsignien abforderte, der sie willig darreichte. Allein der Meister der Hospitaliter blieb aus, trotz dem, dass man ihn benachrichtigt hatte. Er behauptete, diese Krönung sei wider Eid und Pflicht und müssten erst die zu Nablus versammelten Stände ihre Einwilligung abgeben. Der Patriarch und Gérard eilten zu ihm ins Hospital des heiligen Johannes und drangen so lange in ihn um Auslieferung des von ihm verwahrten zweiten Schlüssels, bis er diesen zur Erde warf und versicherte, er habe an diesem Unternehmen keinen Anteil. Sie aber eilten zur Kapelle zurück, Gérard holte die Reichsinsignien aus dem Schrein, der Patriarch stellte eine Krone auf den Altar, die andere setzte er der Gräfin auf das Haupt und sprach: »Du bist nun Königin, doch das Weib bedarf des Mannes. Wähle, wer soll mit dir die Regierung teilen. Dort auf dem Altar steht noch eine Krone.«

Alsbald setzte sie diese ihrem Gemahl Veit von Lusignan auf das Haupt. So wurde er am 21. August 1186 König von Jerusalem.

Da die Stadt während dieses Hergangs gesperrt war, vernahm man die Kunde von dieser Krönung zu Nablus erst durch einen Ritter, welcher in Mönchskleidung vom Grafen von Tripolis nach Jerusalem geschickt worden war, von den Aufsehern eines Krankenhauses, welches an der Mauer lag, durch eine Pforte in die Stadt gelassen war. Kaum hatte er den versammelten Baronen Bericht erstattet, so rief Balduin von Rames voller Zorn aus: »Der soll kein Jahr König von Jerusalem sein.« Und Veits eigener Bruder, der Bischof Gottfried von Lidda: »Nun, ist er unser König geworden, so kann er auch wohl noch unser Herrgott werden.«

Allerdings war niemand im Reich unfähiger, das Land zu regieren, als Graf Veit. Und da außer dem Patriarchen, dem Fürsten Rainald und dem Meister Gérard es keiner ernstlich mit ihm hielt, so schlug der Reichsverweser den Gemahl der jüngeren Schwester der Gräfin Sibylle, den Grafen Honfroy zum König vor, welcher Vorschlag allen gefiel. Graf Honfroy, ein schwacher, zaghafter Mann, fühlte sich aber der zugedachten Bürde nicht gewachsen, eilte in der Nacht nach Jerusalem und huldigte de Könige Veit. Nunmehr war keiner aus der königlichen Verwandtschaft übrig, welcher jenem die Krone hätte streitig machen können. Demnach erklärten die Barone zu Nablus, da Honfroy sich des Rechts auf die Krone begeben, so müsse man, Ehre und Recht gemäß, sich dem König als treue Vasallen unterwerfen.

Graf Rainald suchte noch durch die Hinweisung auf den Ausspruch der vier vertragsmäßigen hohen Schiedsrichter Aufschub zu erlangen, aber nur Balduin von Rames pflichtete ihm bei, die übrigen huldigten dem König Veit. Balduin ging nach Antiochien zum Fürsten Boemund, der ihn gern aufnahm. Der Graf von Tripolis begab sich, ohne die Huldigung zu leisten, nach Tiberias. Der Meister Gérard riet dem willenlosen König, den Grafen daselbst zu belagern, worauf dieser nach Damaskus zu Saladin ging, dessen Hilfe ansprach, welche auch zugesagt wurde. Schon rückten türkische Reiter in Tiberias ein, und andere Haufen standen nicht weit zur Unterstützung bereit. Da gelang es dem Ritter Balian von Ibelin dem unnatürlichen Kampf vorzubeugen, indem sich der König abmahnen ließ, doch wollte er Beirut nicht herausgeben, weshalb die Ursache des Streites blieb.

Es darf bei solchen zerspalteten Verhältnissen nicht befremden, wenn die Macht des Reiches immer mehr sank und Armut, Ohnmacht und Unglück aller Art es heimsuchte. Unter den Pullanen herrschte die größte Sinnlosigkeit und Niederträchtigkeit. Der Patriarch Heraklius, das Haupt der Geistlichkeit, war ein gemeiner Wollüstling, der nicht einmal den Schein eines klerikalischen Lebens um sich zu verbreiten für nötig erachtete, weil solches Schandleben in der allgemeinen sittlichen Versunkenheit durchaus nicht auffiel. Die öffentlichen Zustände entbehrten aller Haltung und jedes Gedeihens, die fromme Begeisterung wich engherzigem Kleinmut, die Selbstverleugnung der niedrigsten Selbstsucht, der kindliche Glaube dem krassesten Aberglauben und dem frechsten Unglauben, sodass der Pullane auch in kirchlicher Hinsicht dem Muselmann nicht zu fern stand. Vergaß sich doch der Tempelritter, Robert von St. Alban aus England so weit, dass er seines Gelübdes, der Würde seines Ordens und des Ritters, seiner christlichen Geburt und Familie vergessend, zu Saladin überging, den Islam annahm, eine Verwandte des Sultans heiratete und im Jahr 1185 mit einer Türkenschar vor Jerusalem rückte und die Stadt, in welcher, wie er wusste, nur Zwietracht herrschte, in des Sultans Gewalt zu bringen versuchte. Er verwüstete die ganze Gegend von Montroyal bis Jericho und Nablus, bis ihn die christliche Ritterschaft vertrieb.

Durch selche und andere Vorgänge war die öffentliche Meinung gegen die Templer sehr eingenommen. Man erkannte, dass die heftige Rachsucht Gérards und das selbstsüchtige, eigenmächtige Wesen des templerischen Konvents vieles an dem Unglück des Landes verschulde. Nun erinnerte man sich, wie die Templer bereits Jahre zuvor das christliche Heer vor Damaskus schändlich verkauft hatten. Alles Unglück, das König Amalrich in Ägypten erfahren war, sollten sie vornehmlich verschulden, und so eben hätten sie das Reich an den untüchtigen Veit von Lusignan verkauft. So stieg die Erbitterung gegen den Orden, von dem man musste, dass er doch eigentlich zum Nutzen und Frommen des Landes gestiftet war, aber auch gegen Veit, welcher immer mehr als eine Kreatur des herrschsüchtigen Tempelordens erschien. Als Saladin sich erbot, den mit dem Grafen Raimund abgeschlossenen Stillstand auf drei Jahre zu verlängern, nahm Veit auf Zureden der Templer dies Anerbieten gern an, Fürst Rainald jedoch, ein unbesonnener Mensch, störte die Waffenruhe 1187, indem er Saladins Mutter, welche mit ansehnlicher Begleitung und Schätzen durch sein Land zog, beraubte. Auf Saladins Forderung, Genugtuung zu leisten, antwortete er schnöde: »Muhamed möge ihnen helfen.«

Da schwur ihm der Sultan den Tod und sammelte ein furchtbares Heer gegen das Reich Jerusalem.

Unter diesen Umständen schien es den christlichen Fürsten höchst nötig, den Grafen von Tripolis mit dem König auszusöhnen, weil seine Kriegserfahrenheit und Tapferkeit als wesentliches Bedürfnis erschien. Beide Großmeister, der Erzbischof von Tyros, der Bischof von Nazareth, Graf Rainald von Sidon und Balian von Ibelin wurden daher im Namen des Königs an ihn nach Tiberias gesendet. Der Meister Gérard nahm mit Vorbedacht an dieser Gesandtschaft teil, teils um den Ernst der Versöhnung an den Tag zu legen, teils um die Verhandlungen in seinem und dem templerischen Interesse zu überwachen. Noch ehe die Gesandten zu dem Grafen kamen, traf Saladins Sohn, Ali al-Malik al-Afdal Nur, mit 7000 Reitern an der Grenze der Grafschaft Tripolis ein, bat um freien Durchzug, um das Reich Jerusalem mit Krieg zu überziehen. Graf Raimund war unschlüssig, ob er den Durchzug erlaube oder nicht. Schlug er ihn ab, so zerfiel er mit dem Sultan, gab er ihn zu, so trat er als offener Feind gegen die Christen auf. Er ersann den Ausweg, den Türken in der Art den Durchzug zu gewähren, dass sie beim Aufgang der Sonne über den Jordan gehen, aber noch desselben Tages vor Sonnenuntergang zurückkehren und auf dem Durchzug nichts beschädigen sollten. Zugleich setzte der Graf die christlichen Befehlshaber der umliegenden Schlösser von der Türken Zug in Kenntnis, verbot, den Ali al-Malik al-Afdal Nur anzugreifen und ließ die königlichen Gesandten, welche sich auf ihrer Reise in der Burg Faba im Jordantal befanden, ermahnen, an diesem Tage zu rasten.

Sobald der ungestüme Gérard de Ridefort Raimunds Botschaft vernommen hatte, entbrannte sein Zorn furchtbar. Er sandte Eilboten in die vier Meilen entfernte Templerburg Caco und befahl den dortigen Brüdern, alsbald zu ihm zu kommen. Auch der Meister der Hospitaliter, Roger de Moulins, schloss sich mit mehreren Rittern an. Alle lagerten sich vor der Burg Faba.

Am anderen Tag, dem 1. Mai 1187, zogen sie, vereint mit 90 Templern und Hospitalitern aus Faba nach Nazareth, dessen Besatzung aus 40 königlichen Rittern bestehend, von den Zinnen die herumstreifenden Türken mit großem Unwillen bemerkt hatten und gleich bereit zum Kampf waren. Der Haufen bestand nun aus 140 Rittern und 500 Fußknechten. Von Nazareth zog er sieben Meilen nach dem Jordan zu. An der Quelle des Kischon traf man auf das türkische Heer, als es eben mit seiner Beute vertragsmäßig über den Jordan zurückkehren wollte. Ohne zu zögern, unternahmen die Christen, unweit des Meierhofes eines gewissen Robert, den Angriff, die Türken wichen aus, die Ritter setzten ungestüm nach, kamen von ihrem Fußvolk ab. Dieses wurde von den Heiden bald niedergehauen, darauf die Ritter umringt und alle erschlagen oder gefangen genommen. 60 Templer wurden getötet, auch der Großmeister der Hospitaliter blieb auf der Wallstatt. Der Meister Gérard allein entkam mit zwei Templern durch die Schnelligkeit ihrer Rosse.

In diesem Kampf zeigte der Marschall der Templer, Jacques de Mailly aus Tours, eine beispiellose Tapferkeit. Er befehligte eine Abteilung von 50 Rittern, welche insgesamt getötet wurden. Er allein setzte den Kampf unerschrocken fort. Diese ausgezeichnete Tapferkeit bewunderten selbst die Feinde, sie sicherten ihm Erhaltung des Lebens zu, er verschmähte dies Anerbieten und entwickelte eine solche Stärke, dass sich niemand in die Nähe seines totbringenden Schwertes getraute. Er wurde aus der Ferne durch Pfeile, Wurfspieße und Steine getötet. Da er einen Schimmel ritt und der weiße Templermantel ihm ein überirdisches Ansehen gab, so hielten ihn die Türken für den Ritter St. Georg und rühmten sich dessen Besiegung. Dieser furchtbare Kampf fand auf einem Kornfeld statt. Das anhaltende Kampfgetümmel mit diesem Helden hatte die Halme in Staub verhandelt, sodass keine Spur von einem Kornfeld übrig blieb. Es ging die Sage um, den Türken wäre dieser Ritter so wunderbar vorgekommen, dass sie seinen Leichnam mit Staub bestreut und diesen Staub auf ihre Köpfe gelegt hätten, um durch solche Berührung ebenso tapfer zu werden. Andere trieben gar Zauberei mit seinen Geschlechtsteilen, um durch solche sich eine tapfere Nachkommenschaft zu erzielen.

Viele Bürger von Nazareth, zu denen Gérard das falsche Gerücht vom Sieg gebracht und die sich auf seine Aufforderung aufgemacht hatten, wurden von den Türken gefangen, welche nun im Siegeszug Tiberias vorüber, wieder über den Jordan gingen.

Balian von Ibelin, bei Nablus zurückgeblieben, kam am Tage der Schlacht am frühen Morgen zu Sebaste an, wo er sich mit dem Bischof lange besprach und noch eine Messe anhörte, dann ritt er durch die Ebene Esdrelon nach Faba, wo er zu seiner Verwunderung die aufgestellten Zelte der Templer leer, in der Burg aber nur zwei Kranke fand, die nichts berichten konnten. Nicht weit von der Burg auf dem Weg nach Nazareth begegnete ihm ein Templer, welcher ihm die erste Kunde gab. Unfern davon kamen ihm die aus dem Treffen entronnenen Servienten der Templer entgegen, worauf er nach Nablus zurücksandte und seinen Rittern gebot, unverweilt nach Nazareth zu ihm zu eilen. Dort fand er die Einwohner sehr niedergeschlagen. Der Meister Gérard war in einem Jagen bis hierher geeilt und noch so erschöpft, dass er nicht zu Pferde zu steigen vermochte. So ging denn der zu Nazareth anwesende Erzbischof von Tyros mit Balian nach Tiberias, wo die anderen Gesandten außer den beiden Großmeistern eingetroffen waren. Sie fanden den Grafen Raimund, welcher wegen des Einfalls der Türken ein böses Gewissen hatte, sehr geneigt zur Versöhnung. Er folgte den Gesandten zum König Veit und huldigte diesem. Nun beratschlagte man, was gegen Saladin zu beginnen sei. In dieser Veranschlagung erbot sich Gérard, ebenfalls von seinem bösen Gewissen angetrieben, den von König Heinrich II. von England den Templern anvertrauten und zum Besten des heiligen Landes bestimmten Schatz, welcher sich durch neue jährliche Sendungen bis auf 30.000 Mark vermehrt hatte, dem König Veit zu übergeben, um damit Truppen in Sold zu nehmen, worauf die Rüstungen begannen und sich bei der Quelle Sepphoris ein stattliches Heer versammelte. Zu diesem stellte der König mithilfe des englischen Schatzes viele Scharen. Templer und Hospitaliter kamen zahlreich herbei, alle syrischen Fürsten boten ihre Kräfte auf, sodass das Heer aus 2000 Rittern, sehr vielen Bogenschützen und gegen 20000 Fußknechten bestand. Saladin rüstete ein nicht minder zahlreiches Heer, sandte eine starke Schar über den Jordan bis nach Akkon, welche Stadt aber mithilfe der Templer widerstand, doch verwüstete er das Land zwischen Nazareth und Tiberias furchtbar.

Fünf Wochen standen die Christen in ihrem Lager bei Sepphoris, ohne sich zu rühren, denn unter den Großen herrschte Misstrauen, Besorgnis, bei vielen auch heimlicher Groll. Als Saladin jetzt vor Tiberias rückte, sandte Graf Raimunds Gemahlin, welche sich in der Stadt befand, und bat um Hilfe. Der Graf riet in dem zusammenberufenen Kriegsrat von der Hilfeleistung ab, weil er wusste, dass Zögern die Türken ermüde. Er begehrte den Angriff im Lager zu Sepphoris zu erwarten und wies darauf hin, dass das Gelände nach Tiberias zu sehr felsig, für Rosse schwer zu passieren, zu Hinterhalten für die leichten türkischen Scharen geeignet und wasserarm sei, Saladin also hier sehr gern den Kampf annehmen würde. Den Angriff im Lager abzuwarten, könne den Christen nur von Vorteil sein, weil sie hier alles, was der Marsch ihnen entzöge, Ruhe, Kühle, Nahrung, Wasser, geschützte Stellung und im Falle unglücklicher Ereignisse einen sicheren Rückzug ins Gebirge hätten.

Der weise Rat Raimunds leuchtete allen ein, nur dem ihm feindseligen Großmeister Gérard nicht. Ungestüm unterbrach er des Grafen Rede mit der gehässigen Bemerkung: »Man merke noch den Wolf im Schafskleid.«

Raimund achtete auf diese Beleidigung nicht, er suchte vielmehr seine Ansicht noch mehr zu erhärten, bot seinen Kopf zum Pfand, dass ihre jetzige Stellung die beste, sie zu verlassen ganz untunlich sei. Er fügte hinzu, zwar werde er, wenn man seinen Rat befolge, Tiberias und seine Gemahlin in die Hände der Ungläubigen verlieren, aber er wolle lieber diese aufopfern, als das ganze heilige Land in der Gewalt der Türken zu sehen, was gewiss geschehen werde, wenn man das Lager verlasse. Der Eifer, die Uneigennützigkeit und das Einleuchtende der Behauptung des Grafen gewannen trotz Gérards erneutem Widerspruch bei den Fürsten und Baronen die Oberhand, man beschloss, im Lager ferner zu verharren. Da begab sich der Großmeister um Mitternacht zum König und sprach: »Ich bitte dich, gib den Worten des verräterischen Grafen kein Gehör. Er beneidet dein Glück, trachtet nach deinem und der Deinigen Untergang. Es kann dir nur immerwährende Schmach bringen, wenn du gleich zu Anfang deiner Regierung die Stadt Tiberias, nur sieben Stunden von deinem Heer entfernt, in die Hände der Sarazenen fallen lässt. Die Templer wenigstens würden eher ihr Ordenskleid wegwerfen, ja alles das ihre daran setzen, als solchen Schimpf auf sich laden. Lass daher durch das ganze Heer den Befehl zum Aufbruch ergehen.«

Der König, ein schwacher Mann, bedachte, wie er dem Großmeister die Krone sowie die Mittel zur jetzigen Ausrüstung verdankte, er gab nach. Plötzlich ertönt im Lager das Zeichen zum Aufbruch. Die erstaunten Barone wurden von der Ursache des veränderten Entschlusses nicht unterrichtet, das Heer rückte aus. Graf Raimund erhielt, weil der Heereszug in seinem Gebiet stattfand, die Vorhut, der König die Mitte, die Templer und Balian von Ibelin die Nachhut, die leichten Scharen deckten die Seiten. Wegen der übergroßen Hitze und des gebirgigen Weges war der Zug überaus beschwerlich. Es fehlte an Wasser, die Angriffe der Türken wurden sehr lästig. Schon Morgens 9 Uhr konnte das Heer vor Ermattung, Durst und unaufhörlichen Neckereien der Türken nicht weiter. In dieser bedrängten Lage hielt man Kriegsrat. Mehrere beantragten einen ungesäumten Angriff vor gänzlicher Ermattung des Heeres, andere rieten zu dem nicht weit entlegenen See von Tiberias zu ziehen. Der Graf von Tripolis, welcher seinen früheren gut gemeinten Rat so schändlich hintenangesetzt sah und sich deshalb sehr verletzt fühlte, gab jetzt den schlechten Rat, zu lagern, sich auszuruhen und am nächsten Tag den Kampf zu beginnen. Allein die Lagerstätte war felsig, unfruchtbar, wasserleer, ohne Schutz vor den glühenden Sonnenstrahlen. Leider befolgte der König diesen Rat.

Es folgte eine schreckliche Nacht, die Sarazenen schlossen das Lager ein, steckten das niedrige Gebüsch und trockene Heidekraut ringsum an, sodass die Christen vor Hitze, Rauch, quälendem Durst, steter Angst vor feindlichen Angriffen, Störung der nächtlichen Ruhe und unbezwinglicher Müdigkeit ganz erschöpft wurden. Zum Glück besorgten auch die Türken einen Angriff der Christen und hatten bei gänzlicher Ermattung ebenfalls eine beschwerliche Nacht, sodass sie noch am anderen Tag sich vor einem Angriff fürchteten.

Am Sonnabend, den 5. Juli, brach für die Christen der schrecklichste Morgen an. Zwar rückten sie geordnet zum Kampf aus, aber der Feind enthielt sich dessen, wohl wissend, dass je länger er zögere, die Kraft der christlichen Streiter schwinden müsse.

Diese zogen auf einem hohen, felsigen Weg einher. Es war Mittag, senkrecht warf die Sonne ihre sengenden Strahlen auf die Häupter der dem Untergang geweihten Christenscharen. Von den nackten Felsen prallte die Glut wie verzehrende Lohe zurück, und noch immer ließ Saladin Gras und Stoppeln in der Ebene anzünden. Unter unsäglichen Beschwerden gelangten die Christen am Berg von Hattin im Angesicht von Tiberias und dem reizenden See von Genezareth an, in welcher lieblichen Gegend der Heiland den Schauplatz seines heiligen Wirkens zumeist gefunden hatte.

Jetzt begannen die Sarazenen heftiger zu drängen, der felsige Boden erschwerte den schwer gepanzerten und ermüdeten Rittern und Rossen den Kampf. Gleich beim ersten Anzeichen einer Schlacht gingen fünf Ritter von des Grafen Raimund Schar zu Saladin über, schilderten die traurige Lage des christlichen Heeres und ermahnten, mit dem Angriff nicht länger zu zögern. Die Überläufer mehrten sich, da keine andere Rettung möglich schien. Durch Erschöpfung, Mutlosigkeit und Verräterei entstand eine furchtbare Verwirrung. Templer, Hospitaliter und Turkopolen kämpften tapfer, bis sie sich der Feinde nicht mehr zu erwehren vermochten, da baten sie den König um Unterstützung. Das Fußvolk vermochte vor Durst und Hitze nicht zu kämpfen, Viele warfen ihre Waffen weg und gaben sich gefangen, der größte Teil zog sich in verwirrtem Knäuel auf einen Berg. Zu diesem sandte der König jetzt den Befehl zum Angriff, um jenen Rittern in ihrer verzweifelten Lage beizustehen. Aber sie wagten sich nicht vom Berg herab. So gebot denn der König nicht weiter zu ziehen und sich zu lagern. Da löste sich die Ordnung auf, ein furchtbarer Pfeilregen der Heiden raffte die wackersten Streiter hinweg. Es fiel der Bischof von Akkon, welcher das Kreuz trug. Verzweiflung und sicherer Untergang zwangen zum neuen Kampf. Graf Raimund erhielt Befehl zum Angriff, er sprengte gegen die Sarazenen an, aber diese öffneten unter Takiseddin, Fürst von Hama, ihre Reihen, weil sie wussten, dass er mit dem Sultan im Einverständnis gestanden, mit dem Christen aber zerfallen war. Graf Raimund, Balian von Ibelin, Graf Rainald von Sidon mit ihrer Ritterschaft ergriffen auf diese Art die Flucht und eilten nach Tyros. Als so ein guter Teil der Ritter der Niederlage entronnen war, sahen sich die übrigen von den Heiden eingeschlossenen Scharen trotz aller Gegenwehr der Verzweiflung preisgegeben. Das Fußvolk wurde auf dem Berg größtenteils gefangen, 230 Tempelherren kamen ums Leben, die übrige Ritterschaft nebst Templern und Hospitalitern mussten sich ergeben, so auch König Veit, Fürst Renaud de Châtillon, der alte Markgraf Bonifaz von Montferrat, der Seneschall Joscelin, der Connetable des Reichs, Aimerich, der Großmeister Gérard, Graf Honfroy von Toron, der Bischof Gottfried von Lidda mit dem heiligen Kreuz.

Saladin empfing die gefangenen Fürsten in seinem Zelt mit Achtung. Er ließ den König Veit neben sich setzen und ihm ein kühlendes Getränk reichen. Als dieser den Becher weiter an den Fürsten Renaud de Châtillon gab, da gedachte der Sultan, dass nach arabischer Sitte jeder Gastfreund des Lebens sicher sei und sprach zum König: »Du reichst ihm den Becher, nicht ich.« Hierauf wurden die Gefangenen an einen anderen Ort geführt und außer Renaud de Châtillon durch Speise und Trank erquickt. Dann führte man sie in das Vordergemach des Zeltes zurück, wo der Sultan den Fürsten Renaud grimmig anredete.

»Siehe, durch Muhameds Hilfe bin ich Sieger, sterben musst du auf der Stelle, so du nicht des Propheten Lehre annimmst, denn ich habe geschworen, dich deines Friedensbruches wegen zu töten.«

Renaud erwiderte: »Durch solche Niederträchtigkeit erkauft kein Christ sein Leben.«

Da zog der Sultan sein Schwert und hieb es ihm zwischen Hals und Schulterblatt, die übrigen Türken köpften ihn und warfen den Leichnam vor das Zelt.

Die christlichen Fürsten, besonders der König, gerieten bei solchem Anblick in große Furcht vor ähnlicher Begegnung, doch Saladin beruhigte Veit und sprach: »Es ist nicht Sitte bei den Verehrern Muhameds, dass ein König den anderen umbringt. Nicht Könige, sondern nur Missetäter haben solche Behandlung zu befürchten. Aber es befinden sich unter Euren Rittern noch mehr Friedensbrecher und Mörder.«

Die geistlichen Ritter außer dem Großmeister Gérard wurden insgesamt getötet, weil er in ihnen seine größten Feinde erkannte. Vorzüglich wurde der Tempelritter Nikolaus wegen seiner Freudigkeit gerühmt, mit welcher er dem Tod entgegenging. Er konnte den Augenblick nicht erwarten, in welchem man ihn tötete. Drei Nächte hindurch sollte man dem Aberglauben jener Zeit nach ein himmlisches Licht über dem Leichnam dieses Märtyrers gesehen haben, bis er am vierten Tage mit den übrigen Erschlagenen verscharrt wurde. Viele Gefangene, ewige Sklaverei und langsamen Tod fürchtend, drängten sich hinzu, um sich für Templer auszugeben, um schnellen Todes zu sterben. Die übrigen vornehmen Gefangenen führte Saladin nach Damaskus, unter ihnen den Meister Gérard.

So war nun die ganze streitbare Mannschaft des Reiches Jerusalem vernichtet. Tiberias, Akkon wurden in den nächsten Tagen den Sarazenen übergeben. Malet al Adel nahm alle Burgen von Darum bis Jerusalem und hinauf nach Cäsarea nebst der Stadt Joppe ein. Nur Askalon und die Templerburg Gazaris widerstanden, die Einwohner des platten Landes flohen nach Jerusalem, alles wurde vom Feinde mit Feuer und Schwert heimgesucht. Nazareth, Sebaste, Nablus wurden geplündert, die heiligen Orte geschändet, die Templerburg Maledoin auf dem Berg Tabor eingenommen, denn nirgends fanden die Türken Widerstand. Graf Raimund, welcher für sein Land fürchtete, begab sich von Tyros zur See mit seiner Ritterschaft nach Tripolis, wo er kummervoll wegen seiner zweideutigen Lage und seines dunkeln Geschicks, schwankend, ob er sich dem Sultan gänzlich ergeben sollte oder nicht, eines Tages von seiner Gemahlin tot im Bett gefunden wurde. Fortan bezeichnete man ihn als den Verräter des christlichen Heeres und die öffentliche Meinung behauptete, er sei insgeheim zum Islam übergetreten. Der Sohn des Fürsten von Antiochien, Rainald, der Gefährte seiner schimpflichen Flucht, folgte ihm in der Herrschaft. Tyros allein, wohin sich alle Flüchtlinge vom Schlachtfeld bei Hattin begeben hatten, widerstand dem Feind. Sarepta, Sidon, selbst das starke Beirut fielen in des Siegers Hände.

Im August des Jahres 1187 zog Saladin gegen Askalon. Er überkam diese feste Stadt gegen Freilassung des Königs Veit, seines Bruders und anderer vornehmer Gefangenen, doch so, dass der König bis zum März des nächsten Jahres in sarazenischem Gewahrsam zu Nazareth verbleiben sollte. Alle übrigen kleinen Städte und Burgen um Askalon und Jerusalem fielen darauf samt dem tapfer verteidigten Krak dem Sultan anheim. Das christliche Reich schien seinem Ende nahe zu sein. Nur Bethlehem hielten die Hospitaliter noch. Die Bewohner Jerusalems sahen mit Schrecken die Verwüstung ringsum. Bethanien, die Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg, die der Himmelfahrt Mariä im Tal Josaphat wurden verwüstet. Gern hätte der Sultan die auch den Muselmännern heilige Stadt Jerusalem durch Unterhandlangen gewonnen, zu welchem Behuf er große Anerbietungen machte, aber die Bürgerschaft ging nicht darauf ein. Balian von Ibelin führte den Oberbefehl. Obschon dieser zu Beirut in türkische Gefangenschaft geraten war, so war er durch die Übergabe seiner Burg Ibelin auf sein Ehrenwort, nie wieder gegen die Muselmänner die Waffen zu führen, freigelassen und vom Patriarchen Heraklius seines Eides entbunden worden.

Balian hatte einen schweren Stand in der mit Flüchtlingen zwar überladenen, gleichwohl wehrlosen Stadt, da die ganze Ritterschaft bei Hattin vernichtet war und sich in Jerusalem nur zwei Ritter befanden. Balian, ein tüchtiger Mann, tat alles, was die dringenden Umstände erheischten, er rüstete sich mit Umsicht und Eifer. Am 20. September schlug Saladin mit einem furchtbaren Heer sein Lager vor Jerusalem auf und begann des anderen Tages den Kampf, dem sich auch die Belagerten mannhaft unterzogen, da das Gelände auf der Südseite der Stadt sie begünstigte. Nachdem aber die Türken sich auf die Nordseite gezogen und in der Belagerung große Fortschritte gemacht hatten, sah sich Balian zu Unterhandlungen mit dem Sultan genötigt. Derselbe forderte schweres Lösegeld für das viele Volk, welches in Jerusalem Schutz gesucht hatte. Obgleich der Komtur des Hospitals St. Johannes den noch übrigen Teil der vom König von England geschenkten Gelder als Lösegeld verwendete, auch die Templer einen Teil übernahmen – jedoch warf man diesen vor, viel englisches Geld unterschlagen zu haben – so wäre doch ohne Saladins Edelmut das meiste Volk in schmähliche Knechtschaft geraten. Aber der Sultan ermäßigte mehrmals das Lösegeld und erließ es vielen ganz.

Am 8. Oktober hielt er seinen feierlichen Einzug in Jerusalem und hierauf war das ganze Reich in den Händen der Ungläubigen. Die muselmanischen Priester weihten den Tempel zu ihrem Gottesdienste ein, und besprengten ihn mit Rosenwasser, welches in vier Kamellasten von Damaskus herbeigebracht worden war. Überall gab man die heiligen Stätten Christi dem Gottesdienst des Islam oder lärmenden Freudengelagen und der Zerstörung preis. Vom Tempel Salomos wurden das goldene Kreuz sowie die Kreuze von den übrigen Kirchen herabgenommen und unter Hohn im Kot umhergezogen. Da brach unter den Christen lauter Jammer aus, der edelmütige Saladin milderte ihr trauriges Los nach Kräften. Als die christliche Bevölkerung aus Jerusalem zog, sorgte er für ihr Weiterkommen, teilte sie in vier Haufen, deren Leitung er den Tempelherren, Hospitalitern, Balian und dem Patriarchen Heraklius anvertraute, denen er türkische Reiter als Schutzwache gab, sodass die Christen in der Grafschaft Tripolis weit härter mit ihren unglücklichen Mitchristen verfuhren, als die Verehrer Muhameds.

Zunächst der heftigen Zwietracht zwischen Raimund und Gérard musste dieses Unglück des heiligen Landes beigemessen werden. König Veit hörte auf Gérards üblen Rat, Gérard hasste den Grafen Raimund, welcher, als Gérard den König zu einem Angriff gegen den Grafen veranlasste, die Türken in das Land rief, das nach der Schlacht bei Hattin sich nie wieder von seinem Fall erholte. Selbst nachdem Saladin herbeigekommen war, wäre er durch das stattliche Heer der Christen zu besiegen gewesen, wenn man Raimunds Rat, am Quell Sepphoris zu verweilen, befolgt hätte. Sein späterer unglückseliger Rat, unweit Hattin zu lagern, ging aus Zorn gegen Gérards Anordnung und aus Verzweiflung über den bevorstehenden Untergang der christlichen Streitmacht hervor.

Da fast der ganze Konvent der Templer entweder bei Hattin geblieben oder in die Gefangenschaft der Türken geraten, dann getötet, der Großmeister noch in Gefangenschaft war, so wählten die übrigen Brüder den Ritter Terricus, welcher schon nach des Meisters Arnaud von Toroge Tod Großkomtur gewesen und vielleicht Komtur von Jerusalem war, wiederum zum Großkomtur. Er berief aus den Komtureien des Abendlandes alsbald eine neue Ritterschaft nach Palästina und hatte zu diesem Behuf bereits vor dem Fall Jerusalems, während der Belagerung von Tyros, Schreiben an die abendländischen Brüder und an den Papst erlassen, in welchen er sich als Großkomtur nennt und meldet, dass der Konvent fast ganz vernichtet, 230 Tempelbrüder geblieben, das heilige Kreuz verloren gegangen, der König und der Großmeister gefangen seien. Kaum habe er mit dem Grafen von Tripolis, Rainald von Sidon und Balian sich durch die Flucht retten können, komme nicht schleunige Hilfe, so sei alles verloren.

Nach dem Fall Jerusalems wandte sich Terricus an den König von England um Hilfe. Der Patriarch Haimerich von Antiochien schrieb ebenfalls sehr beweglich an den König. Das gesamte Abendland durchzuckte ein tiefer Schmerz bei der Nachricht von der Schlacht bei Hattin, von ihren Folgen, besonders vom Fall Jerusalems. War doch die heilige Stadt seit beinahe einem Jahrhundert in den Händen der Christen gewesen, somit die ungestörten Pilgerfahrten nach dem heiligen Land zur Gewohnheit, ja diese die Ursache eines weitverzweigten, in alle öffentliche Verhältnisse tief eingreifenden Verkehrs geworden. Daher entstand eine allgemeine Aufregung bei diesen traurigen Nachrichten aus dem Orient.

Noch im Jahre 1187 erlaubte der Papst den Templern, eine Kollekte in Ungarn zu sammeln. Schon am 18. Januar 1188 hielten Heinrich II. von England und Philipp August von Frankreich eine Zusammenkunft unter dem berühmten Ulmenbaum in der Ebene zwischen Gisors und Trie und beratschlagten, wie der traurigen Lage des gelobten Landes schleunig und kräftig abzuhelfen sei. Beide Fürsten nahmen das Kreuz. Sofort entzündete sich die alte Begeisterung für das Land des Herrn in vielen Tausend Gemütern. Eine zahlreiche Ritterschaft sowie die angesehensten Prälaten folgten dem Beispiel jener mächtigen Herrscher. In dem französischen und englischen Volk regte sich allgemein ein brennender Eifer für Christi Sache. Auch in Italien zeigte sich gewaltige Aufregung. Papst Urban III. wurde von der Nachricht über die traurigen Ereignisse in Syrien so ergriffen, dass er wenige Tage danach am 20. Oktober 1187 starb. Alles rüstete in Frankreich, England, Italien, Dänemark, Friesland, auf Sizilien, zumeist aber in Deutschland, wo Kaiser Friedrich I. mit vielen geistlichen und weltlichen Großen das Kreuz nahm, also dass der folgende Kreuzzug der gewaltigste war, welchen das Abendland unternahm. In allen Landen wurde eine Steuer, unter dem Namen des Saladinszehnten , zur Bekämpfung der Ungläubigen erhoben. In England übertrug man deren Erhebung einem Verein in jeder Pfarrei, welcher aus dem Erzpriester, dem Pfarrer, einem Templer, einem Hospitaliter, einem Beamten des Königs, einem Diener des Barons und einem Kleriker des Bischofs, in dessen Sprengel die Sammlung stattfand, bestand. Leider kamen alle diese Bemühungen ins Stocken, als im August 1188 die Könige von Frankreich und England miteinander in Krieg gerieten, in welchem auch die alte schöne Ulme bei Gisors gefällt wurde. König Heinrich starb kurz nach dem Friedensschluss des Jahres 1189. So verzögerte sich die dem heiligen Lande höchst nötige Hilfe längere Zeit.

In Palästina herrschte allgemeine Mutlosigkeit, nur Antiochien, Tyros und Tripolis befanden sich noch in den Händen der Christen. Tyros, wo sich die Überbleibsel der syrischen Ritterschaft, die Konvente der Templer und Hospitaliter aufhielten, behauptete der Markgraf Konrad, Sohn des in der Schlacht bei Hattin gefangenen Markgrafen Wilhelm, mit vieler Tapferkeit und Umsicht. Dieser heldenmütige Mann kam kurz nach jener Schlacht vor dem Hafen von Akkon, welchen er noch in christlichem Besitz wähnte, an, entrann jedoch durch scheinbare Unterhandlangen der Gefangenschaft und landete zur rechten Zeit zu Tyros, um diese reiche Stadt vor den Ungläubigen zu schützen, da Rainald von Sidon und der Burgvogt von Tyros mit Saladin wegen der Übergabe schon unterhandelten. Konrad nahm sich sogleich als Fürst von Tyros des Regiments an. Rainald entwich des Nachts mit seinem Anhang. Am 2. November 1187 erschien der Sultan selbst vor Tyros, aber er konnte nichts aus richten, denn der Markgraf kämpfte unverdrossen zu Lande und zu Wasser, bis Saladin, des nutzlosen Kampfes überdrüssig, die Belagerung aufhob, sie aber im folgenden Jahr mit erneuter Anstrengung wieder begann. Nun kam bereits stattliche Hilfe aus dem Abendland, wo die rühmliche Verteidigung des Markgrafen allgemeine Freude erregte, daher Saladin abließ, Paneas, Dschabla, Laodikeia einnahm, Nordsyrien schwer heimsuchte und tiefer in das Fürstentum Antiochien drang. Gegen Ende des Jahres brachte er das von den Templern besetzte Safed in seine Gewalt, nebst Krak und am 3. Januar 1189 die in der Nähe von Tiberias gelegene Burg Kauteb sowie Montroyal. Er stand vor Belfort, als er plötzlich in seinem Siegeslauf durch die Nachricht gestört wurde, die Christen hätten wiederum ein Heer gesammelt und verwüsteten die Gegend von Sidon mit Feuer und Schwert.

Im Mai 1188 nämlich hatte der Sultan den König Veit für die Übergabe von Askalon aus seiner Gefangenschaft entlassen. Veit wählte noch den Bischof von Lidda, den Connetable Aimerich, den Marschall des Reichs sowie den Großmeister Gérard, welche ebenfalls freigelassen wurden, doch mussten für Letztere die Templer noch einige feste Plätze überliefern. Zwar schworen alle Freigelassenen, selbst der König, niemals wieder die Waffen gegen den Sultan zu führen, allein jener Bischof entband sie alle dieses Eides.

Sobald König Veit aus Damaskus in Tripolis angekommen war, wurde diese Stadt der Mittelpunkt der christlichen Macht. Hier befanden sich 1189 beim König die Königin Sibylle, der Meister Gérard, Graf Honfroy von Toron und alle jene Barone, welche durch die Wahl des Königs aus der Gefangenschaft befreit worden waren oder sich durch Übergabe ihrer Burgen an den Sultan die Freiheit erkauft hatten. Zuerst rieten der Patriarch von Jerusalem und Gérard dem König, sich nach Tyros zu begeben, weil diese Stadt fester und ansehnlicher als Sitz der Regierung war, aber meistens wohl, um sie dem Markgrafen Konrad zu entziehen. Dieser, welchem allein die Stadt ihre Erhaltung verdankte, war nicht gewillt, die Beute seines Schwertes der entkräfteten Macht und Untüchtigkeit des Königs und den eifersüchtigen Baronen zu überliefern. Er verwehrte dem König samt dessen Kriegsschar den Eingang in die Stadt, worauf Veit vor Akkon zog, um es zu belagern. Ein kühnes Unternehmen, dem Veits Macht bei Weitem nicht gewachsen war, indem sich gegen Ende August nicht mehr als 700 Ritter und Fußtruppen um ihn versammelten, außer der pisanischen Flotte, welche den Hafen der Stadt einschloss. Doch war die Unternehmung nicht übel, da sie den Sultan von der ferneren Verwüstung des Landes abzog und den immer zahlreicher ankommenden Kreuzfahrern einen Sammelplatz und ruhmreiche Bestimmung darbot.

Die Nachricht von diesem Entschluss der Christen traf den Sultan vor Belfort. Sie beunruhigte ihn sehr, zumal, da er schon in mehreren kleinen Gefechten die Erfahrung gemacht hatte, dass die christlichen Streiter mit vielem Mut kämpften. Der Besitz von Akkon war sowohl für der Türken Verstärkung aus Syrien als auch für die Pilgerfahrten aus dem Abendland sehr wichtig. Die Stadt an sich sehr fest, war von Saladin noch mehr befestigt und leider konnten sie die Christen nur vom Meer bis zum Berg Turon einschließen. Am 28. August unternahmen sie den ersten Sturm, und dieser wäre wahrscheinlich gelungen, wenn nicht das falsche Gerücht vom Heranzug des Sultans das Unternehmen gestört hätte. Bald darauf kam er wirklich herbei, lagerte am Hügel Kaisan, wo die Ebene von Akkon beginnt, und umschloss so das ganze Lager der Christen, welche jedoch von der Seeseite her reichliche Zufuhr erhielten. Ihrer geringen Anzahl wegen konnten sie es nicht wagen, den Sultan anzugreifen, ohne den Angriff der Belagerten zu fürchten. Da kamen auf 50 Schiffen 1200 Dänen, Friesen, Engländer und Flanderer, die lagerten zwischen dem Berg Turon und der Stadt. Dann kam der tapfere Jakob von Avesnes aus Flandern und stellte sich dem verfluchten Turm gegenüber auf. Ihm reihten sich die Scharen der Templer an. Obgleich die Stadt noch nicht völlig eingeschlossen werden konnte, begann die Belagerung mit allem Eifer, und immer mehr wurde Akkon durch französische Pilger, durch den Landgrafen Ludwig den Wilden von Thüringen, seinen Bruder, Pfalzgraf Hermann von Sachsen, und den Markgrafen Konrad von Tyros eingeschlossen.

Saladin griff einige Male, aber vergeblich an, häufige Ausfälle fanden statt, bei einem derselben wurden die Hospitaliter auf die Templer geworfen, hielten aber mit deren Hilfe Stand. Nachdem durch immerwährende Verstärkungen das christliche Heer sich so vermehrt hatte, dass König Veit meinte, einen entscheidenden Kampf wagen zu können, bot er am Mittwoch, den 4. Oktober, dem Sultan die Schlacht an, indem die Kreuzfahrer vom Berg Turon in die Ebene hinab gegen die Anhöhe zogen, auf welcher Saladin stand. Voran die Bogenschützen und alle leichten Truppen, dann im ersten Treffen unter König Veit die französischen Ritter und die Hospitaliter, im zweiten der Markgraf Konrad und die Italiener, im dritten unter dem Landgrafen Ludwig die deutschen und Pisaner, im vierten die Templer und die Spanier. Des Königs Bruder Gottfried von Lusignan bewachte das Lager.

Die Muselmänner erwarteten den Angriff in rühmlicher Ordnung. Morgens 9 Uhr stürmte die erste Schar durch die leichten Truppen, welche mutig im Kampf verharrten auf den Feind. Der Sieg neigte sich auf die Seite der Christen. Die Templer namentlich stritten mit ausgezeichneter Tapferkeit und schlugen die ihnen gegenüberstehenden Scharen in die Flucht, sodass der rechte Flügel des Feindes unterlag, aber der linke stand unbeweglich. Da reißt sich ein Pferd im christlichen Lager los, darüber entsteht großes Getümmel, Verwirrung, endlich das Gerücht, der rechte Flügel der Christen fliehe. Zugleich machen 5000 Mann aus Akkon einen Ausfall. Saladin sammelt die Flüchtigen seines rechten Flügels, fällt den von der Verfolgung zurückkehrenden Templern und Spaniern in den Rücken, und nach einem harten Kampf müssen sie, da ihnen keine Unterstützung zuteilwurde, unterliegen. Der Großmeister Gérard, eingedenk, was er sich und seinem Orden nach allen vorhergegangenen Ereignissen schuldig sei, kämpfte und fiel als Held. Schwer verwundet geriet er in Saladins Hände, der ihn, weil er den geleisteten Schwur gebrochen hatte, gleich auf der Wallstatt erwürgen ließ. Verwirrung und Schrecken werden größer und viele der angesehensten Ritter getötet. Mit genauer Not hielt Gottfried von Lusignan, welcher mit Hilfe herbeieilte, die vordringenden Türken auf, sodass die fliehenden Christen das Lager erreichen konnten.

Der Großmeister Gérard war zwar ein tapferer, energischer und unternehmender Mann, aber selbstsüchtig und leidenschaftlich hat er viel Leid über das heilige Land durch seinen Groll gegen den Grafen von Tripolis gebracht, wie nicht minder durch den Einfluss, welchen er auf den König Veit ausübte. Unter ihm stiegen die Macht und das Ansehen des Tempelordens in Syrien sehr, während der Orden der Hospitaliter mehr in den Hintergrund gedrängt wurde.