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Wolfram von Bärenburg – Teil 4

Wolfram von Bärenburg, genannt der Erzteufel
Der verwegenste Raubritter und schrecklichste Mörder, ein Scheusal des Mittelalters, von der Hölle ausgespien zum Verderben der Menschen
Eine haarsträubende Schauergeschichte aus den furchtbaren Zeiten des Faustrechts und des heimlichen Gerichts der heiligen Feme aus dem Jahr 1860
Kapitel 4

Eltern und Kinder

Das festliche Hochamt zur Feier der zweihundertjährigen Stiftung des reichen adeligen Stiftes und Frauenklosters Marienzell war zu Ende, der Segen gesprochen und die vorzüglich geschmückte Kirche von den Andächtigen jeden Alters und Geschlechtes aus der Umgegend verlassen worden. Unter diesen befanden sich auch viele Ritter mit ihren Frauen und Töchtern aus der Nähe und Ferne, darunter auch die Eltern von zwei Töchtern, die in diesem Kloster als Nonnen und bestimmt waren, in ein paar Jahren den Schleier zu nehmen. Als Mitgabe sollten sie eine bedeutende Summe Geldes, und nach dem früheren Tode des Vaters und der Mutter, für deren ewiges Seelenheil sie dann täglich andächtig beten würden, das Kloster die stattliche Burg Alpenfall mit großen Ländereien freieigen erhalten.

Bei dem Festmahl war für die adeligen Ritterdamen an der Tafel der Äbtissin im Inneren der Klausur gedeckt, während die Ritter im Refektorium bewirtet und von den Klosterknechten bedient wurden, die mit Weib und Kindern in Hütten außerhalb der Klostermauer wohnten.

Kurz vor dem Beginn des Mahles ließ sich der Schirmvogt dieses Klosters, der ehrenwerte Ritter Hugo von Klippenberg, am Sprachgitter sämtliche Nonnen, fünfzehn an der Zahl, die meisten noch nicht zwanzig Jahre alt, und die Novizen vorstellen, deren das Kloster zurzeit nur zwei hatte, die eben genannten beiden Schwestern Veronika, 16 Jahre alt, und Elsbeth, ein Jahr jünger.

Der Ritter Hugo, ein noch junger, großer und schlanker Mann von höchstens 34 bis 36 Jahren, von sanfter und freundlicher Miene, brachte den Nonnen, die ihm von der Novizenmeisterin vorgestellt wurden, den wohlwollendsten Gruß seiner Gemahlin, die leider und zu ihrem größten Bedauern am Mitkommen verhindert worden sei, und die er, wie sich selbst, ihrem andächtigen Gebet empfehle. Zugleich ermahnte er sie, in Tugend und Frömmigkeit nicht nachzugeben. Zu dem Schwesterpaar aber sagte er, dass sie, wie jetzt körperlich, so auch weiterhin durch einen gottseligen Lebenswandel im Kloster den Engeln im Himmel immer mehr ähnlich zu werden streben sollten. Die Nonnen und Novizen weinten vor Rührung, und selbst die harte Novizenmeisterin konnte eine innere Bewegung nicht ganz verhehlen.

Als die Eltern der beiden Schwestern an das Sprachgitter kamen, weinten diese wieder, aber dieses Mal nicht aus Rührung, sondern aus inniger Sehnsucht, ihnen in die heimatliche Burg folgen zu dürfen.

»Wie geht es euch, liebe Kinder?«, fragte der Vater.

Nach einigem Zögern und einem strengen Blick der Novizenmeisterin, welcher dem Vater nicht entgangen war, erwiderten die armen Töchter kleinlaut: »Gut!«

»Es fehlt euch doch nichts?«, fragte die Mutter.

»Nein.«

»Warum weint ihr also?«

»Das ist immer so, wenn Novizen hier ihre Eltern sehen«, bemerkte die Novizenmeisterin. »Sie erinnern sich dabei an die häuslichen Freuden ihrer Kinderjahre.«

Nach gegenseitigen Erkundigungen versprachen die Eltern, sie bald wieder zu besuchen, und sie wohl noch vor ihrer Heimreise zu sehen.

Die Schwestern weinten noch heftiger, als Vater und Mutter sich abwendend ihnen mit den Händen Abschiedsküsse zuwarfen. Die beiden Novizen hatten aber allen Grund, betrübt zu sein, da ihre Meisterin streng und feindselig gegen sie verfuhr, sodass sie oft bei jedem geringen Fehler hart gerügt wurden.

Dieser Groll entsprang aber aus der Weigerung der Äbtissin, ihre vermögenslose Nichte als Novize aufzunehmen, solange nicht die beiden Schwestern den Schleier begehrten, wozu noch eine Probezeit von 2 Jahren erforderlich war.