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Nick Carter – Band 13 – Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs – Kapitel 3

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Der geheimnisvolle Nachbar des Detektivs
Ein Detektivroman

Der gefälschte Scheck

Der Weg Nick Carters führte diesen zur 5th Avenue und zum Haus von Mr. William Barton, dem Präsidenten der größten und reichsten Bank der Stadt.

Als er das Haus erreicht und seine Karte abgegeben hatte, wurde er direkt in die Bibliothek geführt, wo er nicht nur Mr. Burton, sondern auch den Kassierer der Bank und zwei der Direktoren antraf.

»Sie kommen wie gerufen, Mr. Carter«, sagte Mr. Barton. »Sie werden imstande sein, etwas Licht in eine Angelegenheit zu bringen, der wir ratlos gegenüberstehen.«

»Bitte, erzählen Sie mir den Fall«, sagte Nick ernst, indem er der Aufforderung, sich zu setzen, folgte.

Mr. Barton ging zu seinem Pult und entnahm diesem ein längliches Stück Papier und reichte es Nick hin.

Als dieser es in die Hand nahm, sah er, dass es ein Scheck auf die Bank war, der Mr. Barton präsidierte – die Pearl National-Bank – richtig signiert mit der Firma Wilmot, Dewey und Co. Der Name und die Adresse waren gedruckt, und der Scheck war mit der üblichen Stempelmarke versehen.

Nick wendete den Scheck, um nach dem Betrag zu sehen, und bemerkte, dass gar keine Summe genannt war.

Die Linie, auf die der Betrag gewöhnlich geschrieben wurde, war leer, und der Platz, wo die Summe in Buchstaben wiederholt werden musste, war ebenfalls leer.

Nick blickte, eine Erklärung erwartend, auf und sah die Augen der Finanzleute ernst auf sich gerichtet.

»Well«, sagte Mr. Barton, »was denken Sie darüber?«

»Ich kann vorläufig nicht viel darüber sagen«, erwiderte Nick, »solange ich keine weiteren Erklärungen bekommen habe. Ich vermute, es ist keine Fälschung.«

»Nein«, sagte Mr. Barton, »es ist auch keine. Die Aufschrift, der Stempel und das Entwertungszeichen sind ganz richtig, der Scheck ist abgehoben. Er wurde auf 115 Dollar ausgestellt, und als er ausbezahlt wurde, lautete er auf 10.082 Dollar und 56 Cent. Die Summe wurde vom Kassierer ausgezahlt, und die Pearl National-Bank ist der Verlustträger derselben.«

»Aber«, sagte Nick, »die abgehobene Summe ist doch hier gar nicht genannt.«

»Das ist ja das Merkwürdige an der Sache«, antwortete Mr. Barton. »Die abgehobene Summe war noch darauf, als der Scheck eingelöst wurde, ist aber plötzlich verschwunden, wie Sie sehen.«

»Präparierte Tinte«, sagte Nick lakonisch.

»Wissen Sie, dass es tatsächlich eine solche gibt?«, fragte einer der Direktoren.

»Es gibt viele Sorten«, war Nicks Antwort. »Einige, die in der Zeit von einer Stunde verschwinden, und einige, die es in wenigen Tagen tun.«

Nick nahm den Scheck mit zum Pult, über dem eine elektrische Lampe hing, und untersuchte ihn noch einmal mithilfe eines Vergrößerungsglases.

Dann kam er zu der Gruppe zurück und bemerkte: »Mein Glas ist nicht scharf genug, um mir Gewissheit zu verschaffen, aber ich möchte behaupten, dass wir hier ein neues Verbrechen entdeckt haben. Es scheint mir, als ob der Scheck mithilfe eines chemischen Präparates sorgfältig abgewaschen wurde, welches die Tinte entfernte, ohne die kleinste Spur zu hinterlassen, was vorher darauf geschrieben stand.«

»Das war auch meine Meinung«, ließ sich Mr. Barton hören.

»Wenn das so ist«, fuhr Nick fort, »so ist das der erste Fall, der mir begegnet ist, wo die Entfernung der Tinte durch ein chemisches Präparat das Papier nicht verdorben hat.«

»Und Sie meinen, dass Sie hier einen Fall angetroffen haben, wo ein solches Mittel angewandt wurde, das Sie noch nicht kannten?«

»Allerdings«, sagte Nick. »Jedoch könnten doch noch Spuren eines solchen Mittels entdeckt werden, wenn man den Scheck durch das Mikroskop betrachtet. Wie steht es mit der Firma, die den Scheck ausstellte?«

»Es ist ein sehr angesehenes Haus, welches eine ausgebreitete Fabrikation von Tauen betreibt.«

»Wie kommt das«, fragte Nick, »dass eine solch große Firma keine dieser Stempelmarken besitzt, auf denen der Betrag in perforierten Zahlen sichtbar ist?«

»Hier berühren Sie den geheimnisvollsten Punkt in dieser Sache, den einzigen, in welchem wir den Kassierer, der den Scheck auszahlte, tadeln können. Wilmot, Dewey & Co. haben solche Marken und benutzen sie stets. Was noch mehr ist, sie benutzten sie auf diesem Scheck, und doch war sie nicht vorhanden, als der Scheck dem Kassierer präsentiert wurde. Dieser wusste, was er zu tun hatte. Er würde den Scheck nicht ausgezahlt haben, wenn der Stempel nicht vorhanden gewesen wäre.«

»Sie meinen«, fragte Nick, »dass der Scheck, der auf 115 Dollar ausgestellt war, diese durchlöcherte Marke trug?«

»Das ist sicher!«

Nick nahm den Scheck noch einmal zum Licht und beobachtete ihn nochmals durch das Glas.

»Es sind einige Anzeichen vorhanden, dass der Scheck eine Veränderung erfahren hat.«

Dann legte er denselben auf das Pult und kehrte zu seinem Platz zurück.

»Erzählen Sie mir die Umstände, unter denen der Scheck ausgestellt wurde«, bat der Detektiv.

»Er wurde bei Wilmot, Dewey & Co. an einen Gasrohrleger vergeben, der einige Arbeiten in dem Geschäft ausgeführt hatte. Der Röhrenleger ist ein Mann, der kein Bankkonto hat, und da er das Geld brauchte, ging er zu einem Bier-Saloon in der Nachbarschaft und bat den Besitzer, den Scheck einzulösen.

Ein Mann stand dabei, der sich das Papier ansah, als der Besitzer des Saloons erklärte, dass er augenblicklich nicht genug Geld bei sich hätte. Da nahm es der Fremde in die Hand, gab dem Röhrenleger das Geld und behielt natürlich den Scheck zurück. Das Einzige, was wir nun noch wissen, ist, dass der Scheck bei uns auftauchte und dann auf 10.082 Dollar und 56 Cent lautete. Bei dieser Gelegenheit wurde nun die Beglaubigung, die sogenannte Zertifikation, verlangt. Nun fanden wir heraus, dass eine Stunde nach dieser Beglaubigung eine Person, bekannt als James Devereaux, zu Mr. Charles Ansel kam und diesen bat, den Scheck zu Geld zu machen.

Mr. Ansel war bekannt mit diesem Devereaux. Die Bekanntschaft war mehr freundschaftlich als geschäftlich. Trotzdem trug Ansel einige Bedenken, aber da Devereaux angab, dass er nach Europa reisen müsse und überdies ein Fremder in New York sei, nahm er den Scheck und gab dem Mann eine Anweisung auf dieselbe Summe bei seiner eigenen Bank.

Er ging sogar mit ihm zu jener Bank und half ihm das Geld abheben. Etwas später kam Mr. Ansel mit jenem beglaubigten Scheck auf unsere Bank, und das Geld wurde ihm ausgezahlt. Er deponierte das Geld bei seiner eigenen Bank, um von dem Scheck, den er eingetauscht hatte, Nutzen zu haben. Devereaux verschwand von der Bildfläche.«

»War es dieser Devereaux, der in der Bank erschien, um die Beglaubigung zu verlangen?«, fragte Nick.

»Das ist natürlich etwas, was wir nicht wissen«, sagte Mr. Barton. »Der Kassierer behauptet, dass die Beschreibung, die Mr. Ansel von Devereaux gegeben hat, nicht auf den Mann passt, welcher die Beglaubigung einholte.«

»Wie wurde dieser Devereaux beschrieben?«

»Ein Mann von Mittelgröße, ungefähr vierzig Jahre alt, schwarzes Haar und Schnurrbart, dunkle Augen und elegant gekleidet.«

»Und wie sah der Mann aus, der die Beglaubigung einholte?«

»Ein kleiner, älterer Mann, schäbig und nachlässig angezogen.«

Nick hörte diese Beschreibung an und dachte dabei an seine Unterredung mit dem Chef der Kriminalpolizei und den Mann, der mit der Erpressungsgeschichte in Verbindung stand.

Jedoch konnte ihm keiner von den Anwesenden weitere Einzelheiten zur Beschreibung der beiden Männer mitteilen. Nick ließ sich die Adressen von Mr. Ansel und dem Kassierer der Bank geben und fragte dann: »Haben Sie mir außer der Geschichte, die Sie mir erzählt haben, noch etwas hinzuzufügen?«

»Nein«, antworte Mr. Barton, »außer, dass wir Grund haben, zu glauben, dass an zwei anderen Banken der Stadt derselbe Betrug verübt worden ist, wenn auch nicht mit so großen Summen wie hier bei uns.«

Nick notierte sich die Namen der betreffenden Institute sowie diejenigen mehrerer Bankbeamter und sagte dann: »Ich werde diesen Fall untersuchen, aber zuerst muss ich mir den Scheck ausbitten, um ihn einer genauen mikroskopischen Untersuchung zu unterziehen.«

Der Präsident, Mr. Barton, reichte ihm diesen, und der Detektiv ging.

Er hatte erfahren, dass Mr. Ansel Mitglied eines Klubs war, in dem er seine Abende verbrachte.

Mr. Ansel war zwar bereit zu sprechen, aber was er dem Detektiv mitteilte, konnte für diesen nicht von Wichtigkeit sein.

Von Mr. Devereaux war alles, was er sagen konnte, dass dieser in seinem, Ansels Klub in New York als Fremder eingeführt worden sei und gute Empfehlungen gehabt habe. Er habe im Klub einen guten Eindruck gemacht. Wie es schien, sei er ein wohlhabender Mann gewesen, der sich an großen Spekulationen beteiligt gewesen sei und sich nur auf seinem Weg nach England in New York aufgehalten habe.

Mr. Ansel hatte keinen Zweifel gehegt, dass dieser Devereaux tatsächlich das war, wofür er sich ausgab, bis nach der Scheckgeschichte. Dann, infolge der Scheckfälschung, wurden natürlich Erkundigungen eingezogen, welche allerdings ziemlich resultatlos verließen.

Mr. Ansel gab Nick eine sorgfältige Beschreibung von Devereaux, und dem Detektiv gab die Tatsache zu denken, dass hier eine große Ähnlichkeit mit dem kühnen und gefürchteten Hochstapler Alexander Devereaux vorhanden war, der in Chicago und New Orleans ein schlechtes Renommee hatte. Nick erfuhr später, dass vor ca. sechs Monaten Devereaux von seinem vorherigen Aufenthaltsort verschwunden und man dort der Meinung war, dass er sich nach China eingeschifft hätte.

Nachdem Nick Carter Mr. Ansel verlassen hatte, ging er zu dem Kassierer der Bank, um von ihm eine Beschreibung des Mannes zu verlangen, welcher den Scheck hatte beglaubigen lassen. Die Beschreibung war eine genaue. Der Kassierer hatte sich den Mann gut angesehen, erstens wegen der hohen Summe und dann der eigentümlichen Erscheinung des Mannes wegen.

Der Aussage des Kassierers gemäß war der Betreffende klein und schäbig gekleidet. Bei genauerem Betrachten hatte der Beamte jedoch bemerkt, dass der Mann von gewöhnlicher Größe war, er hatte aber alt und klein ausgesehen durch seine nachlässige Haltung und seine schäbige Kleidung, die aber trotzdem von gutem Stoff gewesen sei.

Das war beinahe dieselbe Beschreibung, die der Chef der Kriminalpolizei von dem Mann, der in die Erpressungsgeschichte verwickelt war, gegeben hatte, sodass Nick glauben musste, dass es sich hier um ein und dieselbe Person handelte.

Obwohl es schon spät am Abend war, ging Nick, um den Röhrenleger aufzusuchen, der den Originalscheck für 115 Dollar erhalten hatte.

Der Detektiv traf ihn auch an. Dieser konnte ihm aber wenig über den alten Mann sagen, denn er hatte ihn nie zuvor gesehen, noch ihn an jenem Abend, als er den Scheck eingelöst hatte, genau betrachtet.

Der Weg zu dem Röhrenleger hatte Nick zur Columbus Avenue in der Nachbarschaft der 66th Street geführt, und Nick sah, dass er sich in dem Stadtteil befand, wo der Kinderraub in Szene gesetzt worden war.

Der ehrliche Handwerker war nicht wenig erschrocken, als er hörte, was mit dem Scheck vorgegangen war, nachdem er ihn aus der Hand gegeben hatte. Er schlug vor, mit Nick zu dem Saloon zu gehen, wo er seinen Scheck an den alten Mann losgeworden war.

Nick war darüber sehr erfreut, und die beiden gingen zum Saloon.

Der Besitzer desselben konnte sich gut des Vorfalles und jenes alten Mannes erinnern. Er konnte sogar den Namen des Mannes angeben. Er hieß Andrew Tygert, und war ein Gast des Saloons, der aber sehr unregelmäßig erschien. Weiter meinte der Gastwirt noch, dass der Mann in der Nachbarschaft wohne und dass Nick ihn hätte antreffen können, wenn er eine Stunde früher gekommen wäre.

Befriedigt, dass er wenigstens etwas vorangekommen war, suchte Nick Carter einen Bekannten auf, der ein Mikroskop besaß, und nun wurde der Scheck ganz genau geprüft.

Unter dem Glas waren die Veränderungen, welche mit dem Papier vorgenommen worden waren, deutlich sichtbar. Die Originalschrift der Summe war durch ein chemisches Mittel entfernt worden, die Oberfläche mithilfe einer Satiniermaschine wieder geglättet, und der durchlöcherte Teil des Schecks war durch Einsetzen eines neuen Stückes ersetzt, in einer Weise, die Nick völlig neu war. Auch stellte es sich heraus, dass man zur Vernichtung der Schrift ein chemisches Mittel genutzt hatte, welches im Handel unbekannt war.

Es war schon spät am Abend, und der große Detektiv beschloss, nachdem er vergebens nach Chick gesucht hatte, für heute die Sache ruhen zu lassen.

Als er seine Schritte nach seinem Heim lenkte, murmelte er nachdenklich vor sich hin: »Die zwei Fälle, die ich augenblicklich in der Hand habe, scheinen sich tatsächlich zu einem einzigen zu verbinden.«