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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Wildschütz – Kapitel 25

Th. Neumeister
Der Wildschütz
oder: Die Verbrechen im Böhmerwald
Raub- und Wilddiebgeschichten
Dresden, ca. 1875

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Das Geständnis

Am folgenden Morgen war in der Hauptstadt allenthalben das Gerücht verbreitet, dass im Laufe der vergangenen Nacht der Leichnam des Hingerichteten vom Galgen geholt worden sei. Man erschöpfte sich in Mutmaßungen über dieses eigentümliche Ereignis und die Behörden trafen ihre Anstalten, um den wahren Grund dieser Angelegenheit aufzusuchen.

Den ersten Aufschluss erhielt man jedoch durch den eingebrachten Berthold, dessen Zustand wenig Hoffnung zur Genesung gab. Die Kugel hatte ihn tödlich verlegt und befand sich noch im Körper, auch gaben die Ärzte die Erklärung ab, dass der Verwundete die vorzunehmende Operation nicht überstehen werde.

In dem Gefühl eines nahen Todes begann Berthold einzusehen, dass ihn weder Leugnen noch ein offenes Geständnis retten könne. Dieser Umstand veranlasste ihn zu einem rückhaltlosen Bekenntnis seiner Verbrechen; er gestand alles ein und gab dabei seine Getreuen Georg und Julian als Mitschuldige an, des gefangenen Graveurs Martin gedachte er ebenfalls, versicherte aber, dass derselbe zum Teil durch Vorspiegelungen, teils aber auch durch Gewalt veranlasst worden sei, sich an dem verübten Verbrechen zu beteiligen. Ferner gestand er den verübten Mord an dem Pächter Andreas ein, den sie zuerst im Wald angefallen, dann durch Gewalt bestohlen und endlich in der Wohnung des alten Leonhards ermordet hatten.

Was die Falschmünzerei betraf, so war dieses Verbrechen er­wiesen durch das Gefangennehmen seiner Getreuen, wovon er den mitverhafteten Martin insofern als unschuldig angab, da derselbe mit aller Gewalt dazu gezwungen und in der Höhle zurückgehalten worden sei, um bei dem Verbrechen behilflich zu sein.

Diese Umstände änderten sehr viel in Bezug auf den gefangenen Martin; das Maß seiner Schuld erschien nun weniger voll und er erhielt von Stunde an mehr Freiheit als seine Mitgefangenen.

Die Verbrecher standen nun mit einem Mal entlarvt da; sie konnten nicht länger auf ihrem Leugnen beharren, ohne allzu frech vor den Richtern zu erscheinen. Man brachte sie sämtlich vor das Lager des sterbenskranken Berthold; er erkannte indessen genau seine Getreuen und sagte es ihnen ins Gesicht, was sie miteinander die Zeit bisher verübt hatten.

»Dieser da ist jedoch nicht schuldig, die Strafe zu erdulden, welche jene beiden verdienen«, sagte er mit schwacher Stimme. »Vergib mir«, fuhr er fort, dem zitternden Martin die Hand reichend, »ich habe dir und den deinen übel mitgespielt, und ich bereue es nun aufrichtig. Du warst ein ehrlicher Mann und nur die Ver­zweiflung, in welche wir dich stürzten, ist schuld, dass du nun Ge­fangener bist. Doch fasse Mut, der Richter wird und muss über dich ein milderes Urteil fällen als über uns.«

Ein Blutstrom, welcher ihm aus dem Mund quoll, hinderte ihn, weiterzusprechen. Er sank aufs Kissen zurück und blieb lange Zeit ohne Besinnung liegen.

Als man ihn am folgenden Tag über das Ereignis seiner Ge­fangennahme befragte, wollte er anfänglich nicht mit der Sprache heraus; auf mehrfaches Zureden sagte er Folgendes aus: »Ich hatte von meinem Vater, der ebenfalls wegen verübter Verbrechen im Gefängnis starb, manche Anleitung zu schlechten Handlungen erhalten, die ich auch oft genug befolgte. Wir hielten uns früher zu einer berüchtigten Bande, welche oft sehr kühne Unter­nehmungen ausführte; unter anderen lernte ich denn auch den Gebrauch der Diebsfinger kennen, vermittelst deren Anzünden man er­kennen wollte, ob bei einem auszuführenden Vorhaben alles sicher sei und glücklich ablaufen werde. Da ich nun im Begriff stand, etwas zu unternehmen, so wollte ich mich jenes Mittels bedienen. Ich ging um Mitternacht zum Galgen hinaus, um mir ein paar Finger von der Hand des armen Sünders zu holen, den man am vorhergehenden Tag aufgeknüpft hatte. Während ich dort verweilte, wurde ich durch das Erscheinen zweier hintereinander ankommenden fremden Männer an meinem Vorhaben gehindert. Ich geriet mit ihnen in Streit und als ich mich überzeugte, dass ich besonders dem einen von beiden bekannt sei, den ich übrigens irgendwo gesehen habe, hielt ich es für das Beste, einen gewaltsamen Rückzug zu wagen. Mein Unternehmen missglückte und ich hatte zwischen Tod und Gefangenschaft nur noch eine Wahl; infolge eines misslungenen Schusses traf mich die Letztere, die, wie ich indessen hoffe, nicht zu lange dauern wird. Wer die beiden Männer waren, die mich gefangen genommen haben, kann ich nicht sagen«, fuhr der Kranke nach einer langen Pause in schwachem Ton fort, »ich weiß weder ihre Namen noch Stand an­zugeben; den Jüngeren von ihnen habe ich wohl gesehen, aber wer und was er ist, weiß ich nicht zu sagen.«

Dieses ausführliche Bekenntnis ersparte Herrn John nebst seinem Gehilfen Curt sehr viel Unangenehmes; keiner von beiden trat in dieser Sache als Zeuge auf und sie behielten dasjenige in ihrem Inneren verschlossen, was sie in jener Nacht gesehen und gehört hatten, aber der ehrliche John feierte für sich einen stillen Triumph. Sein Schützling genas und das Bewusstsein, ein junges, unschuldiges Leben gerettet zu haben, gewährte ihm den schönsten Lohn.

Am folgenden Tag zeigte sich der Kranke gegen alle Erwartung besser, der Arzt begann wieder Hoffnung zu schöpfen, und er hatte sich hierin nicht getäuscht. Berthold sollte, wie es sein Schicksal be­stimmte, auf keinem ehrlichen Sterbelager sein fluchwürdiges Leben beschließen.

Diese Wahrnehmung erfüllte den Verbrecher mit innerer Wut, er versuchte sich nun selbst zu entleiben, allein die Wachsamkeit seiner Wächter verhinderten ihn an einem solchen Unternehmen. Zwar ge­lang es ihm einige Mal, den Verband von der Wunde abzuziehen, wodurch sich seine Krankheit verschlimmerte, allein schnelle Hilfe machte den Schaden wieder gut und mit Entsetzen sah der Verbrecher seiner Genesung entgegen.

Unterdessen wurden die Verhandlungen mit den übrigen Gefangenen fortgeführt, sie gestanden auch nach und nach ihre Verbrechen ein, wovon sie überhaupt durch das Zeugnis Bertholds und Martins überführt worden waren.

Der Letztere wurde nach Beendigung des Prozesses, welcher zu damaliger Zeit überhaupt schnell durchgeführt wurde, zu einigen Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Getreuen verurteilte jedoch der Spruch des Richters zum Tode durch den Strang.

Mit Entsetzen vernahm Georg sein bevorstehendes Schicksal, seine Keckheit war bereits gebrochen und die Nachricht, in kurzer Zeit sterben zu müssen, schmetterte ihn vollends zu Boden.

Julian teilte eine gleiche Stimmung mit seinen Gefährten und beide erschöpften sich in Verwünschungen gegen Berthold, den sie als ihren Verführer betrachteten und anklagten.

Wir verlassen diese Szene und führen den Leser zu anderen Ereignissen, welche mit dem oben Genannten fast zu gleicher Zeit stattfanden.