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Sagen der mittleren Werra 60

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Vom Eisenmann und der wölle (wilden) Eiche

Am Rennsteig nach Brotterode zu steht ein ungefähr tischhoher Gedenkstein von Granit, der Eisenmann genannt. Vor alten Zeiten soll hier ein Fuhrmann dieses Namens ermordet worden sein. Seit jener Zeit spukt es dort droben arg in der Mitternachtsstunde. Viele hörten allda deutlich ein unheimliches Querzen, Knarren und Stampfen, als ob ein mit Sechsen bespannter Frachtwagen vorüberfahre. Andere hörten das Knallen einer Peitsche, noch andere wollen selbst den bespannten Wagen dort gesehen haben. Ein lauter Notschrei verkündet zuletzt, dass der Spuk an dem Stein angelangt und wieder verschwunden ist.

Eine Strecke weiter nach Brotterode hin links am Weg steht die wilde Eiche, die des Nachts ebenfalls gerne gemieden wird, weil es hier Ohrfeigen von unsichtbarer Hand und ähnlichen Spuk gibt.

Wie der Teufel zu seinem Klumpfuß gekommen ist

Zu Steinbach lebte vor Zeiten ein junger Mann mit Namen Wöllewall, der war ein arger Schlemmer und Prasser und dabei so stinkfaul, dass ihm auch die geringste Arbeit zur Last wurde. Als er nun all sein Hab und Gut durchgebracht und nichts mehr zu beißen hatte, legte er sich auf den Holzdiebstahl; aber auch das wurde ihm mit der Zeit zu beschwerlich, sodass er eines Tages, als er droben auf dem Rennsteigstein stand, auf den Gedanken kam, sich von diesem herabzustürzen und so seinem Leben ein Ende zu machen.

Doch als er die Tiefe erblickte, reute es ihn wieder. Da kam er auf den Gedanken, den Teufel herbeizurufen und sich ihm zu verschreiben. Der böse Feind ließ nicht auf sich warten, und beide schlossen nun folgenden Pakt.

Der Böse versprach dem Wöllewall so viel und noch mehr Geld, als er nur durchzubringen vermöge, dagegen sollte ihm der Steinbacher Leib und Seele nach Jahresfrist zu eigen überliefern, es sei denn, dass ihm Wöllewall innerhalb des Jahres auf einer schlanken, jungen Eiche am Rennsteig, allwo sie während des Gesprächs angelangt waren, einen Vogel zeige, wie der Teufel noch keinen gesehen habe.

Wöllewall ging sofort alles ohne Bedenken ein. Der Teufel, nachdem er den Steinbacher nochmals an den Jahrestag erinnert hatte, schaffte diesem nun so viel Geld, dass Wöllewall sein voriges Leben wieder ärger als zuvor treiben konnte. Doch als sich die bedungene Zeit ihrem Ende zuneigte und der Schwelger an die Unmöglichkeit dachte, dem Teufel einen Vogel zu schaffen, den er noch nie gesehen hatte, da wurde ihm bang und immer banger. Er hatte keine Ruhe mehr zu Hause und durchstreifte Berg und Tal.

So kam er auch droben an jene Stelle des Schleifkuttengrundes, wo man es das Fegefeuer nennt. Dort hauste damals ein arger alter Zauberer, namens Melcher. Wöllewall dachte: Siehe, du hast den Teufel angerufen und er hat dir geholfen. Vielleicht hilft dir der alte Zauberer auch wieder von dem Teufel, wenn du ihn ansprichst.

Gedacht, getan. Und bald stand Melcher mit seinem langen, grauen Bart vor dem Steinbacher und sprach: »Wöllewall, ich kenne deine Angst und dein Begehr; wenn du mir die Hälfte des Goldes gibst, das dir der Teufel gegeben hat, so soll dir geholfen werden; denn der hat mich selbst schon manchmal arg getürkt. Er soll einen Vogel zu sehen bekommen, wie ihm noch keiner vor die Augen gekommen ist. Du freilich kannst den nicht schaffen, der Teufel kennt sie alle weit und breit herum. Du musst mir zu dem Streich aber ein Fass Sirup und eine Bettziche voll Federn schaffen; den Vogel habe ich unten in Elmental, für den will ich sorgen. Vergiss aber nicht die Sachen am Morgen des Tages, an dem dein Pakt mit dem Teufel abläuft, hierherzubringen.«

Wer war froher als Wöllewall? Er dankte dem Zauberer und besorgte alles aufs Pünktlichste. Als er nun droben am Fegefeuer mit dem versprochenen Geld, dem Sirupfass und der Bettziche hielt, kam auch bald darauf der Zauberer und schleifte eine alte Hexe aus Elmental herbei. Der riss Melcher darauf die Lumpen vom Leib, schmierte sie von oben bis unten mit Sirup und steckte sie in die Ziche, die er nun dem Wöllewall aufhockte. Er selbst nahm einen schweren eisernen Rock auf die Schulter, und nun ging es hinauf an die junge, schlanke Eiche am Rennsteig. Hier stellte er den Rock nieder und steckte den Wöllewall hinein. Die alte Here ließ er aus der Bettziche heraus, und lachend sagte er zu dem Steinbacher: »Siehe, einen solchen prächtigen Vogel hat der Teufel noch nicht gesehen. Ich will ihm nun erst auf die Eiche hinaufhelfen, dann trete ich beiseite, und wenn nun der Teufel kommt, so zeigst du ihm den Vogel.«

Kaum waren sie mit allem fertig, so entstand ein furchtbares Brausen und Krachen, kurz ein Lärm, als wollte das ganze Gebirge einstürzen. Gleich darauf erschien der böse Feind und trat hohnlachend vor Wöllewall; der aber deutete getrost nach seinem Vogel auf der Eiche.

Als diesen der Teufel erblickte, wurde er wild, schrie: »Verdammter Hund, das kommt nicht aus deinem Schädel, den Streich hat mir wieder einmal der verfluchte Zauberer Melcher gespielt. Wir sind nun quitt, aber einen Denkzettel sollst du doch noch davontragen.«

Er trat mit diesen Worten wütend nach dem Steinbacher, verletzte sich aber dabei an dem eisernen Rock so sehr, dass er davon einen Klumpfuß bekam und auf ewige Zeiten hinken muss.

Die Eiche aber ruinierte und verfluchte er so, dass sie bis zum heutigen Tag als schauriger, knorriger Krüppel dasteht. Sie heißt deshalb die wölle Eiche. Nicht weit davon steht an der Stelle, wo Wöllewall als eiserner Mann gestanden hatte, ein hoher Stein, der wird Eisenmannstein genannt.