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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – 7. – 10. Bändchen – Kapitel XXIV

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Siebentes bis zehntes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

XXIV. Heil der gefallenen Majestät!

Als unsere Flüchtlinge sich dem Haus näherten, sahen sie die Erde zusammengetreten, als ob eine beträchtliche Reitertruppe ihnen vorangegangen wäre. Vor der Tür war die Spur noch mehr sichtbar; die Truppe hatte offenbar hier einen Halt gemacht.

»Bei Gott! Die Sache ist klar«, rief Mousqueton, »der König und seine Eskorte sind hier vorübergekommen.«

»Teufel!«, sprach Porthos, »sie werden alles verschlungen haben.«

»Bah!«, entgegnete d’Artagnan, »sie haben gewiss noch ein Huhn übrig gelassen.«

Er sprang von seinem Pferd und klopfte an die Tür, aber niemand antwortete.

Er stieß die Tür auf, welche nicht verschlossen war, und fand das erste Zimmer leer und verlassen.

»Nun?«, fragte Porthos.

»Ich sehe niemand«, erwiderte d’Artagnan. »Ah, ah!«

»Was?«

»Blut!«

Bei diesem Wort sprangen die drei Freunde ebenfalls von ihren Pferden und traten in das erste Zimmer; aber d’Artagnan hatte bereits die Tür des zweiten geöffnet. Am Ausdruck seines Gesichtes konnte man sehen, dass er etwas Außerordentliches wahrnahm.

Die drei Freunde näherten sich und erblickten einen noch jungen Menschen, der in einer Blutlache auf dem Boden ausgestreckt lag. Man sah, dass er sein Bett hatte erreichen wollen, aber aus Mangel an Kraft vorher niedergefallen war.

Athos war der Erste, der zu dem Unglücklichen trat. Er glaubte eine Bewegung an ihm bemerkt zu haben.

»Nun?«, fragte d’Artagnan.

»Wenn er tot ist«, erwiderte Athos, »so kann er es nicht lange sein, denn ich fühle noch Wärme in ihm. Bei Gott, sein Herz schlägt. He! Freund!«

Der Verwundete stieß einen Seufzer aus. D’Artagnan nahm Wasser in seine hohle Hand und spritzte es ihm in das Gesicht.

Der junge Mann öffnete seine Augen, machte eine Bewegung, um seinen Kopf aufzurichten und fiel wieder zurück.

Athos versuchte ihn auf seinen Schoß zu bringen, als er sah, dass die Wunde etwas oberhalb des kleinen Gehirnes war und ihm den Schädel spaltete. Das Blut floss in reichlichem Maß daraus hervor.

Athos tauchte eine Serviette in das Wasser und legte sie auf die Wunde. Die Frische rief den Verwundeten zu sich und er öffnete zum zweiten Mal die Augen.

Erstaunt schaute er die Menschen an, die ihn zu beklagen schienen und ihm, soweit es in ihrer Macht lag, Hilfe zu leisten versuchten.

»Ihr seid bei Freunden«, sagte Athos auf Englisch, »beruhigt Euch also, und wenn Ihr die Kraft dazu habt, so erzählt uns, was vorgefallen ist.«

»Der König«, murmelte der Verwundete«, der König ist gefangen.«

»Ihr habt ihn gesehen?«, fragte Aramis in derselben Sprache.

Der junge Mann antwortete nicht.

»Seid unbesorgt«, versetzte Athos, »wir sind treue Diener seiner Majestät.«

»Ist es wahr, was Ihr mir da sagt?«, fragte der Verwundete.

»Bei unserem adeligen Ehrenwort.«

»Dann kann ich Euch alles sagen.«

»Sprecht.«

»Ich bin der Bruder von Parry, dem Kammerdiener Seiner Majestät.«

Athos und Aramis erinnerten sich, dass Lord Winter mit diesem Namen den Diener nannte, den sie auf dem Vorplatz des königlichen Zeltes gefunden hatten.

»Wir kennen ihn«, sprach Athos, »er verließ den König nie.«

»Ja, so ist es«, sagte der Verwundete. »Als er den König gefangen sah, dachte er an mich; man kam an diesem Haus vorüber, er bat im Namen Gottes, dass man hier anhalten möchte. Die Bitte wurde bewilligt. Der König, sagte man, hätte Hunger; man ließ ihn in das Zimmer eintreten, in welchem ich mich befinde, damit er speisen könnte, und stellte Schildwachen an die Türen und Fenster. Parry kannte dieses Zimmer, denn er hatte mich wiederholt besucht, während sich Seine Majestät in Newcastle aufhielt. Er wusste, dass in diesem Zimmer eine Falltür war, dass diese Falltür in den Keller führte und dass man von dem Keller in den Obstgarten gelangen konnte. Er machte mir ein Zeichen. Ich begriff. Aber dieses Zeichen wurde ohne Zweifel von den Wächtern des Königs bemerkt und machte sie misstrauisch. Da ich nicht wusste, dass man etwas vermutete, so hatte ich nur ein Verlangen, das, den König zu retten. Ich stellte mich daher, als ginge ich hinaus, um Holz zu holen, denn ich dachte, es wäre keine Zeit zu verlieren, und trat in den unterirdischen Gang, der in den Keller führte, welcher mit der Falltür in Verbindung stand. Ich hob das Brett mit meinem Kopf auf, und während Parry sachte den Riegel der Tür vorstieß, bedeutete ich dem König durch ein Zeichen, er möge mir folgen. Ah! Er wollte nicht, man hätte glauben sollen, diese Flucht widerstrebe ihm. Aber Parry faltete flehend die Hände, ich bat ihn ebenfalls, eine solche Gelegenheit nicht entschlüpfen zu lassen. Endlich entschloss er sich, mir zu folgen. Ich ging zum Glück voraus. Der König kam einige Schritte hinter mir, als ich plötzlich im unterirdischen Gang etwas wie einen großen Schatten sich erheben sah. Ich wollte schreien, um den König zu benachrichtigen, aber ich hatte nicht mehr Zeit dazu. Ich fühlte einen Schlag, als ob das Haus über meinem Kopf zusammenstürzte, und fiel ohnmächtig nieder.«

»Guter, rechtschaffener Engländer! Treuer Diener!«, sprach Athos.

»Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf demselben Platz. Ich schleppte mich bis in den Hof. Der König und seine Eskorte hatten sich entfernt. Ich brauchte vielleicht eine Stunde, um vom Hof hierher zu gelangen; hier aber schwanden meine Kräfte und ich fiel abermals in Ohnmacht.«

»Und wie fühlt Ihr Euch jetzt?«

»Sehr schlecht«, erwiderte der Verwundete.

»Können wir etwas für Euch tun?«, fragte Athos.

»Helft mir auf mein Bett, das wird mich, glaube ich, erleichtern.«

»Habt Ihr jemand, der Euch Beistand leistet?«

»Meine Frau ist in Durham und kann jeden Augenblick zurückkommen. Aber Ihr, braucht Ihr nichts? Wünscht Ihr nichts?«

Wir waren in der Absicht gekommen, Euch zu bitten, Ihr könntet uns etwas zu essen geben.«

»Ach! Sie haben alles genommen, und es ist kein Stückchen Brot mehr im Haus.«

»Ihr hört, d’Artagnan, wir müssen unser Mittagsbrot anderswo suchen.«

»Das ist mir nun gleichgültig«, erwiderte d’Artagnan, »ich habe keinen Hunger mehr.«

»Meiner Treu, ich auch nicht«, sagte Porthos.

Sie trugen den Mann auf sein Bett. Man ließ Grimaud kommen, der seine Wunde verband. Grimaud hatte im Dienst der vier Freunde so oft Gelegenheit gehabt, Scharpie und Kompressen zu machen, dass eine gewisse Färbung von Wundarzneikunde an ihm hängen geblieben war.

Während dieser Zeit kehrten die Flüchtlinge in das erste Zimmer zurück, um zu beratschlagen.

»Wir wissen nun, woran wir uns zu halten haben«, sprach Aramis, »der König und seine Eskorte sind wirklich hier vorübergekommen. Wir müssen die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Ist dies auch Eure Ansicht, Athos?«

Athos antwortete nicht, er dachte nach.

»Ja«, sprach Porthos, »nehmen wir die entgegengesetzte Richtung. Folgen wir der Eskorte, so finden wir alles verzehrt und müssen am Ende Hungers sterben. Was für ein verfluchtes Land ist doch dieses England! Das ist das erste Mal, dass ich nicht zu Mittag gespeist haben werde. Das Mittagsbrot ist meine liebste Mahlzeit.«

»Was denkt Ihr, d’Artagnan?«, fragte Athos, »seid Ihr der Meinung von Aramis?«

»Nein«, erwiderte d’Artagnan, »ich bin ganz entgegengesetzter Meinung.«

»Wie? Ihr wollt der Eskorte folgen?«, rief Porthos erschrocken.

»Nein, aber mit ihr marschieren.«

Die Augen von Athos glänzten vor Freude.

»Mit der Eskorte marschieren!«, rief Aramis.

»Lasst d’Artagnan reden, Ihr wisst, dass er der Mann des guten Rates ist«, sagte Athos.

»Allerdings«, sprach d’Artagnan, »wir müssen dahin gehen, wo man uns nicht suchen wird. Man wird sich aber wohl hüten, uns unter den Puritanern zu suchen. Gehen wir also unter den Puritanern.«

»Gut, Freund, gut; ein vortrefflicher Rat; ich hätte ihn gegeben, wenn Ihr mir nicht zuvorgekommen wärt«, sagte Athos.

»Es ist also auch Eure Ansicht?«, fragte Aramis.

»Ja, man wird glauben, wir wollen England verlassen, man wird uns in den Häfen suchen. Während dieser Zeit gelangen wir mit dem König nach London. Sind wir einmal in London, so kann man uns nicht finden. Unter einer Million Menschen ist es nicht schwer, sich zu verbergen, abgesehen von den Chancen, die uns diese Reise bietet«, fügte Athos mit einem Blick auf Aramis bei.

»Ja«, versetzte dieser, »ich begreife.«

»Ich begreife nicht«, sprach Porthos, »doch gleichviel, da diese Ansicht zugleich die von d’Artagnan und Athos ist, so muss sie die beste sein.«

»Aber werden wir dem Obersten Harrison nicht verdächtig vorkommen?«, fragte Aramis.

»Ei! Gottes Tod, gerade auf ihn zähle ich«, rief d’Artagnan. »Der Oberste Harrison gehört zu unsern Freunden; wir haben ihn zweimal beim General Cromwell gesehen. Er weiß, dass wir von Monsieur Mazarin zu ihm geschickt worden sind, und wird uns als Freunde betrachten. Ist er nicht der Sohn eines Fleischers? Ja, nicht wahr? Porthos zeigt ihm, wie man einen Ochsen mit einem Faustschlag tötet, und ich, wie man einen Stier niederwirft, indem man ihn an den Hörnern packt. Dadurch werden wir sein Vertrauen gewinnen.«

Athos lächelte. »Ihr seid der beste Gefährte, den ich kenne, d’Artagnan«, sagte er, dem Gascogner die Hand reichend, »und ich bin glücklich, Euch wiedergefunden zu haben, mein lieber Sohn.«

Das war, wie man sich erinnern wird, der Name, den Athos d’Artagnan bei großen Ergüssen seines Herzens gab.

In diesem Augenblick trat Grimaud aus dem anderen Zimmer. Der Verwundete war verbunden und befand sich besser.

Die vier Freunde nahmen von ihm Abschied und fragten ihn, ob er ihnen nicht einen Auftrag an seinen Bruder zu geben hätte.

»Sagt ihm«, erwiderte der brave Mann, »er möge dem König zu wissen tun, sie haben mich nicht ganz umgebracht. So wenig ich auch bin, so weiß ich doch, dass Seine Majestät mich bedauert und sich meinen Tod zum Vorwurf macht.«

»Seid unbesorgt«, sprach d’Artagnan, »er soll es vor Abend erfahren.«

Die kleine Truppe setzte sich wieder in Marsch. Man konnte im Weg nicht irren; derjenige, welchen sie verfolgen wollten, war sichtbar durch die Ebene gezogen.

Nachdem sie zwei Stunden schweigend marschiert waren, hielt d’Artagnan, der an der Spitze ritt, an der Wendung eines Weges an.

»Ah! Ah!«, sagte er, »hier sind unsere Leute.«

Es erschien eine beträchtliche Reitertruppe ungefähr eine halbe Stunde von da.

»Meine lieben Freunde«, sprach d’Artagnan, »gebt Eure Degen Monsieur Mousqueton, der sie Euch seiner Zeit und gehörigen Orts wiedergeben wird, und vergesst nicht, dass Ihr unsere Gefangenen seid.«

Dann setzte man die Pferde, welche müde zu werden anfingen, in Trab und bald hatte man die Eskorte eingeholt.

Der König ritt, umgeben von einem Teil des Regiments des Obersten Harrison, ruhig, stets würdig und mit einem gewissen guten Willen vorwärts.

Als er Athos und Aramis erblickte, von welchen Abschied zu nehmen man ihm nicht einmal Zeit gelassen hatte, und als er in den Zügen der zwei Edelleute las, dass er Freunde ein paar Schritte von sich hatte, stieg, obwohl er diese Freunde für Gefangene hielt, eine Röte der Freude in die bleichen Wangen des Königs.

D’Artagnan erreichte die Spitze der Kolonne, ließ seine Freunde unter der Bewachung von Porthos und ritt gerade auf Harrison zu, der ihn wirklich als einen Mann erkannte, den er bei Cromwell gesehen hatte, und so artig empfing, wie ein Mensch von diesen Verhältnissen und von diesem Charakter irgendjemand empfangen konnte. Was d’Artagnan vorhergesehen hatte, geschah: Der Oberste hatte keinen Verdacht und konnte keinen haben.

Man hielt an. Bei diesem Halt sollte der König zu Mittag speisen. Nur wurden diesmal Vorsichtsmaßregeln getroffen, um jeden Fluchtversuch zu verhindern. In dem großen Zimmer des Gasthauses wurden ein kleiner Tisch für ihn und ein großer für die Offiziere aufgestellt.

»Speist Ihr mit mir?«, fragte Harrison d’Artagnan.

»Teufel!«, erwiderte dieser, »das würde mir großes Vergnügen machen, aber ich habe meinen Gefährten, Monsieur du Vallon und meine zwei Gefangenen, welche ich nicht verlassen kann, was Euren Tisch zu sehr überladen würde. Doch wir wollen es machen, so gut es, geht. Lasst einen Tisch in irgendeinem Winkel decken und schickt uns, was Euch beliebt, von dem Euren, denn sonst laufen wir Gefahr, vor Hunger zu sterben. Wir speisen dann immer noch zusammen, insofern wir in einem Zimmer speisen.«

»Es sei!«, sprach Harrison.

Die Sache wurde nach dem Wunsch von d’Artagnan geordnet. Als er zu dem Obersten zurückkam, fand er den König bereits an seinem Tischchen sitzend und von Parry bedient, Harrison und seine Gefährten an einer gemeinschaftlichen Tafel und in einer Ecke die für ihn und seine Freunde bestimmten Plätze.

Die Tafel, an welcher die puritanischen Offiziere saßen, war rund und Harrison, mochte es Zufall oder plumpe Berechnung sein, wandte dem König den Rücken zu.

Der König sah die vier Edelleute eintreten, schien ihnen aber keine Aufmerksamkeit zu schenken.

Sie setzten sich an den ihnen vorbehaltenen Tisch und nahmen ihre Plätze so, dass sie niemand den Rücken zukehrten. Ihnen gegenüber waren der Tisch der Offiziere und der des Königs.

Um seine Gäste zu ehren, schickte ihnen Harrison die besten Gerichte seiner Tafel. Leider fehlte es den vier Freunden an Wein. Diese Sache schien Athos gleichgültig, aber d’Artagnan, Porthos und Aramis machten eine Grimasse, so oft sie das Bier, dieses puritanische Getränk, schlucken mussten.

»Meiner Treu, Oberster«, sprach d’Artagnan, »wir sind Euch sehr dankbar für Eure freundliche Einladung, denn ohne Euch liefen wir Gefahr, des Mittagsbrotes entbehren zu müssen, wie wir das Frühstück entbehren mussten, und mein Freund, Monsieur du Vallon hier, teilt meine Dankbarkeit, denn er hatte großen Hunger.«

»Ich habe noch Hunger«, sprach Porthos, sich vor dem Obersten Harrison verbeugend.

»Und wie hat sich das wichtige Ereignis zugetragen, dass Ihr des Frühstücks entbehren musstet?«, fragte lachend der Oberste.

»Es geschah aus einem ganz einfachen Grund«, antwortete d’Artagnan. »Ich hatte Eile, Euch einzuholen, und um dies zu erreichen, schlug ich denselben Weg ein, wie Ihr, was ich als ein alter Fourier nicht hätte tun sollen, da ich wissen musste, dass da, wo ein gutes und braves Regiment wie das Eure durchkommt, keine Ähren mehr zu lesen sind. Ihr könnt Euch auch unsere Enttäuschung denken, als wir, zu einem hübschen, am Saum eines Waldes liegenden Häuschen gelangend, das von fern mit seinem roten Dach und seinen grünen Läden gar vergnüglich und einladend aussah, statt der Hühner, die wir braten, und der Schinken, die wir rösten lassen wollten, nichts fanden, als einen in Blut gebadeten armen Teufel. Ah! Gottes Tod! Oberster, macht demjenigen von Euren Offizieren, der diesen Streich geführt hat, mein Kompliment; das war gut geschlagen, so gut geschlagen, dass es sogar die Bewunderung von Monsieur du Vallon, meinem Freund, erregte, der doch selbst gar hübsch zu schlagen weiß.«

»Ja«, sprach Harrison lachend und mit den Augen einen am Tisch sitzenden Offizier bezeichnend, »wenn Groslow dieses Geschäft übernimmt, so braucht kein anderer nach ihm zu kommen.«

»Ah! Es ist dieser Monsieur«, sagte d’Artagnan, den Offizier begrüßend. »Ich bedaure, dass der Monsieur nicht Französisch spricht, damit ich ihm mein Kompliment machen könnte.«

»Ich bin bereit, es zu empfangen und zurückzugeben, Monsieur«, sagte der Offizier in ziemlich gutem Französisch, »denn ich habe drei Jahre in Paris gewohnt.«

»Wohl, so beeile ich mich, Euch zu sagen«, fuhr d’Artagnan fort, »der Schlag war so gut geführt, dass Ihr Euren Mann beinahe getötet habt.«

»Ich glaubte, ihn völlig getötet zu haben«, erwiderte Groslow.

»Nein. Es fehlte allerdings nicht viel, aber er ist nicht tot.«

Und bei diesen Worten warf d’Artagnan Parry, der, Todesblässe auf der Stirn, vor dem König stand, einen Blick zu, um ihm anzudeuten, diese Kunde sei an ihn gerichtet.

Der König hatte diese ganze Unterredung, das Herz von unsäglicher Angst zusammengeschnürt, angehört, denn er wusste nicht, worauf der französische Offizier damit abzielte. Die unter einem sorglosen Anschein verborgenen einzelnen Reden empörten ihn.

Erst bei den letzten Worten von d’Artagnan atmete er wieder frei.

»Ah! Teufel!«, rief Groslow, ich glaubte, es wäre mir besser gelungen. Wenn es nicht so weit von hier bis zu dem Haue des Elenden wäre, so würde ich zurückkehren, um ihm den Garaus zu machen.«

»Und Ihr würdet wohl daran tun, wenn Ihr seine Rückkehr befürchtet«, versetzte d’Artagnan, »denn Ihr wisst, wenn die Wunden am Kopf nicht sogleich töten, so sind sie nach Verlauf von acht Tagen geheilt.«

D’Artagnan warf einen zweiten Blick Parry zu, auf dessen Antlitz sich ein Ausdruck so großer Freude verbreitete, dass ihm Karl lächelnd die Hand reichte.

Parry beugte sich auf die Hand seines Gebieters herab und küsste sie ehrfurchtsvoll.

»In der Tat, d’Artagnan«, sprach Athos, »Ihr seid zugleich ein Mann von Wort und von Geist. Aber was sagt Ihr von dem König?«

»Sein Gesicht gefällt mir ungemein«, versetzte d’Artagnan, »er sieht edel und gut aus.«

»Ja, aber er lässt sich gefangen nehmen«, entgegnete Porthos, »und darin hat er unrecht.«

»Ich habe Lust, auf die Gesundheit des Königs zu trinken«, sagte Athos.

»Dann lasst mich die Gesundheit ausbringen«, sprach d’Artagnan.

»Tut es«, versetzte Aramis.

Porthos schaute d’Artagnan ganz verblüfft über die Mittel an, die seinem Kameraden sein gascognischer Geist unablässig lieferte.

D’Artagnan nahm seinen zinnernen Becher, füllte ihn, stand auf und sprach zu seinen Gefährten: »Trinken wir auf die Gesundheit dessen, der bei unserem Mahl den Vorsitz führt. Unserem Obersten und er mag wissen, dass wir ihm bis London und noch weiter zu Diensten sind!«

Da d’Artagnan, diese Worte sprechend, Harrison anschaute, so glaubte dieser, der Toast gelte ihm, erhob sich und begrüßte die vier Freunde, welche, die Augen auf König Karl geheftet, gleichzeitig tranken, während Harrison sein Glas ohne das geringste Misstrauen leerte.

Karl reichte sein Glas Parry, der ihm einige Tropfen Bier eingoss, denn der König wurde gerade bedient wie die anderen, setzte es sodann an den Mund, schaute die vier Edelleute an und leerte es mit einem würdevollen Lächeln der Dankbarkeit.

»Auf, Messieurs«, rief Harrison, sein Glas wieder auf den Tisch setzend und ohne irgendeine Rücksicht für den erhabenen Gefangenen, den er führte, »vorwärts!«

»Wo werden wir Nachtlager halten, Oberster?«

»In Tirsk«, antwortete Harrison.

»Parry«, sagte der König, ebenfalls aufstehend und sich nach seinem Diener umwendend, »mein Pferd. Ich will nach Tirsk reiten.«

»Meiner Treu«, sprach d’Artagnan zu Athos, »Euer König hat mich bezaubert und ich bin ganz zu seinen Diensten.

»Wenn das, was Ihr da sagt, aufrichtig gemeint ist«, versetzte Athos, »so kommt er nicht bis London.«

»Wie dies?«

»Ja, denn vor diesem Augenblick haben wir ihn entführt.«

»Ah! Diesmal seid Ihr bei meinem Ehrenwort ein Narr, Athos«, sprach d’Artagnan.

»Habt Ihr denn einen festen Plan?«, fragte Aramis.

»Ei, die Sache wäre nicht unmöglich, wenn man einen guten Plan hätte«, meinte Porthos.

»Ich habe keinen«, sprach Athos, »aber d’Artagnan wird einen finden.«

D’Artagnan zuckte die Achseln und man begab sich auf den Marsch.