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Die Gespenster – Dritter Teil – 24. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Vierundzwanzigste Erzählung

Der vorspukende Traum

Das Vertrauen auf Träume ist eine Liebhaberei, die unter den Menschen aller Stände angetroffen wird. Je zuweilen mag sie die Schöpferin eines Wohlbehagens sein, welches der Vernünftige nicht kennt; aber gewiss viel häufiger ist sie eine Quelle von Unruhe und Besorgnissen und nicht selten verrät sie einen beschränkten Geist.

Auch Traumdeuterei nährt mittelbar die Furcht vor Gespenstern, denn ein Traum, der etwas bedeuten soll, ist dem, der ihm Bedeutungen unterlegt und daran glaubt, im Grunde nichts anders als ein spukhaftes Vorgefühl – eine Ahnung, ein Vorspuk. Mit Recht verdient daher folgender, anscheinend sehr merkwürdige, in Erfüllung gegangene Traum hier einen Platz:

In der Mitte dieses Jahrhunderts brannte in einem sächsischen Dorf die Pfarrwohnung mit der Scheune und allen Wirtschaftsgebäuden ab. Niemand begriff, wusste, wie dieses Feuer entstanden sein könne, und die Ursache des Brandes blieb mehrere Jahre ein Geheimnis. Der Gerichtsherr des Dorfes war abwesend und stand als Offizier an einem entfernten Ort in Garnison. Erst zwei Jahre nach dem Brand kam er auf sein Gut, um einige Monate daselbst zu bleiben. Während seiner Anwesenheit kam einmal eine bejahrte Witwe zu ihm und sagte, sie träume fast alle Nächte, dass ein gewisses Mädchen, welches sie ihm nannte, und welches das schönste und sittsamste Mädchen im ganzen Dorf war, das Feuer in der Pfarrwohnung angelegt habe. Das Mädchen habe damals als Magd bei dem Pfarrer gedient, und da könnte es leicht sein, dass es die Täterin gewesen sei. Sie wenigstens glaube dies gewiss.

Der Gerichtsherr, ein sehr wackerer und menschenfreundlicher Mann, verwies der alten Frau diesen Verdacht als wenig gegründet und sagte, sie müsste sehr wenig Menschenliebe haben, dass sie auf einen bloßen Traum so etwas Arges von einem rechtschaffenen Mädchen vermuten könne. Sie möchte sich wohl einbilden, dass diese Person die Brandstifterin sei. Daher komme es ihr im Traum wieder so vor. Auch verbot er ihr, diese durch einen bloßen Traum veranlasste Beschuldigung weiter bekannt werden zu lassen. Die Frau ging diesmal beruhigt fort und der Gutsherr reiste bald darauf zum Regiment. Allein da er das folgende Jahr wiederkam, so erschien auch die alte Witwe wieder, beklagte sich von Neuem, dass sie den bewussten Traum nicht los werden könne. Sie möchte es auch anfangen, wie sie wolle. Sie wurde auch diesmal abgewiesen und möglichst beruhigt.

Das Jahr darauf kam sie abermals mit ihrer Klage. Da es sich traf, dass der Gerichtsaktuar gerade bei dem Gerichtsherrn war, als die Alte mit ihrer Klage kam, so gab dieser den Rat, dass man das Mädchen wenigstens vernehmen könnte, um die Alte zu beruhigen.

Dieser Verschlag wurde gebilligt und das Mädchen, welches als Magd im Dorf diente, auf den nächsten Gerichtstag vor Gericht geladen. Als der Gerichtsdiener zu der Magd kam, und ihr dieses ankündigte, lachte sie und fragte, was sie da solle. Man würde ihr doch nicht Schuld geben, dass sie das Feuer in der Pfarre angelegt habe. Sie erschien, wurde wegen der Feuersbrunst befragt, und da sie nichts gestand und sich nicht verdächtig machte, für unschuldig erklärt und entlassen. Allein da sie aus der Gerichtsstube kam, sagte der Gerichtsdiener, dem sie durch ihre Äußerung bei der Zitation verdächtig geworden war, zu ihr, es wäre doch besser, wenn sie es bald gestände; sie würde eine leichtere Strafe erhalten und auch ihr Gewissen eher beruhigen. Sie besann sich kurze Zeit und bat um ein nochmaliges Verhör. In diesem gestand sie zum größten Erstaunen aller Anwesenden die Tat und gab als Ursache an, dass sie in ihrer Jugend einige Male zu Feuersbrünsten in benachbarten Orten habe gehen wollen, aber von ihren Eltern jederzeit davon abgehalten worden wäre. Sie hätte daher immer gewünscht, zu sehen, wie ein Haus brenne, und wegen dieses beständigen Wunsches nie ruhig werden können, bis sie sich endlich entschlossen hätte, einen Topf mit Kohlen in die Scheune ins Stroh zu setzen. Dies hätte sie getan; da es aber angefangen hätte, zu riechen, so hätte sie den Pfarrer gerufen und ihn darauf aufmerksam gemacht. Da aber dieser nichts gerochen hätte und wieder in die Stube gegangen wäre, so wäre nach einigen Minuten das Feuer ausgebrochen. Sie wurde ins Gefängnis gebracht und nach einiger Zeit mit dem Schwert hingerichtet.

Welcher denkende Leser wird sich nicht aus der Natur der hier mitgeteilten Anklage überzeugen, dass mancher Traum, so, wie der gegenwärtige, ein bloß vorgeblicher Traum und einzig in der Absicht erdichtet ist, um wegen einer sehr wahrscheinlichen gerichtlichen Aussage, im Fall sie nicht erwiesen werden könnte, nicht verantwortlich zu werden?