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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer … – Teil 2

Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer aus Passeier in Tirol und der Tiroler Freiheitskampf im Jahr 1809
Verlag der J. Lutzenbergerʼschen Buchhandlung, Altötting und Burghausen, 1860

2. Andreas Hofer und sein Tal

Ziemlich in der Mitte Tirols, zwischen Meran und einem hohen Berg, der Jaufen genannt, liegt ein Tal – das der Passeier – unbeschreiblich und malerisch zugleich. Keine Fahrstraße führt hinein; nur ein Wanderer oder ein Saumross betritt es. Das Flüsschen, die Passeier, vom Eis des Ötzberges herabkommend und der Etsch sich zuwendend, ist ein wüster Geselle, der das Tal mit Geröll von Steinen und Sand überschwemmt und somit alles unfruchtbar macht. Nicht viele wagten es, sich hier anzusiedeln, denn auch die steil und hoch hinaufstrebenden Seitenwände des Tales sind schrecklich zerrissen. Dunkler Föhrenwald, wundersam gestaltete Felsmassen vollenden das eigentümliche Bild dieses Herzens von Tirol, das in der ältesten Zeit schon eine wichtige Rolle spielte, in dessen Nähe auch Margaretha Maultasche, die im 14. Jahrhundert als Herrin des Landes erscheint, ihre Lieblingsburgen liegen hatte und die namentlich die Bewohner des Passeier Tales in vorzüglicher Art begünstigte.

In diesem engen fernen Felsental nun wurde am 22. November 1767 der Knabe geboren, der als Mann das Vertrauen des gesamten Tiroler Volkes in einer der schwierigsten und eigentümlichsten Lagen wie durch ein Zauberwort gewinnen sollte. Dieser Mann war Andreas Hofer, von dessen Leben und traurigem Ende diese Geschichte handelt. Sein Vater war, wie auch er späterhin, ein Wirt. Das Wirtshaus selbst liegt im ödesten Teil des Tales, eine halbe Stunde vom Dorf St. Martin nach Norden, südöstlich ebenso weit vom Dörfchen St. Leonhard. Wegen des nahen Bergbaches, der Passeier, muss alles, Wohnhaus, Gärtchen und Stallung, mit einer starken Mauer gegen ihre Verheerungen gesichert werden. Und da die Erde ringsherum nichts als unfruchtbaren Sand bietet, so hieß der Wirt ganz natürlich von jeher der Sandwirt, das Wirtshaus aber auf dem Sand, an dem Sand. Selten fanden sich in diesem Wirtshaus trinklustige Gäste ein, denn der Tiroler zieht Wirtshäuser vor, wo eine Kirche in der Nähe ist. Noch seltener kamen Fremde hin. Von jeher war der Sandwirt genötigt gewesen, noch ein Nebengeschäft zu betreiben, was gewöhnlich auf Pferdehandel oder Warentransport über den Jaufen hinauslief.

Immer viel, dass der junge Andreas Hofer in dieser Einöde in jener Zeit, wo der Unterricht aller Orten äußerst dürftig war, doch eine bessere Ausbildung erhielt als tausend andere junge Tiroler. Er lernte Lesen, Schreiben und Rechnen; wenn auch alle diese Elemente nur bis zu einem dürftigen Grad.

Obwohl der junge Sandwirt Hofer, nachdem er das väterliche Anwesen übernommen hatte, so wenig ein reicher Mann genannt werden konnte, wie je einer seiner Vorfahren, die seit undenklichen Zeiten am Ufer des reißenden Bergwassers gehaust hatten, so fehlte es ihm doch nicht an Gelegenheit, sich in Dingen, welche Tirol betrafen, schon frühzeitig das Vertrauen der Talbewohner zu erwerben, sei es nun, dass seine Stellung als Wirt oder seine natürliche Beredsamkeit oder jene bessere Ausbildung dazu beigetragen hatten.

Der Erste, welcher sich in Tirols Verfassung einen Eingriff erlaubte, war bekanntlich Kaiser Joseph II. Die Stände Tirols traten zu einem Landtag in Innsbruck zusammen. Hofer erschien hier zum ersten Mal als Abgeordneter des Passeier Tals und spielte bei den stürmischen Auftritten, die Joseph II. veran­lasst hatte, eine nicht unbedeutende Rolle. Der junge Erzherzog Franz, nachdem als Kaiser, Tirols Liebling, vermittelte zwischen dem aufgeregten Völkchen und seinem Onkel, dass dieser in der Tat durch Nachgeben den beginnenden Sturm stillte. Des Letzteren bald nachher erfolgter früher Tod zerstreute vollends noch alle etwa übrig gebliebenen Besorgnisse.

Andreas Hofer hatte sich um diese Zeit mit Anna Gertraud Laburner verheiratet, die bis zu ihrem Ende, durch den tragischen Tod ihres Gatten in Europa bekannt geworden, oft Besuche von den vornehmsten Reisenden erhielt. Hofer lebte mit ihr in glücklichsten Ehe und strebte danach, seine vier ihm geborenen Kinder, einen Sohn und drei Töchter, auf eine ehrliche Weise zu ernähren, indem er am Jaufen noch ein zweites Wirtshaus zur Beherbergung von Maultiertreibern hielt und bald nach Italien, bald nach Norden hin Pferde-, Wein- und Kornhandel trieb, sodass er sich ein ziemliches Vermögen sowie eine ausgebreitete Bekanntschaft und den Ruf eines rechtschaffenen und verständigen Mannes erwarb.

Auch einen Gang zu mancherlei Sonderbarkeiten zeigte Hofer früh. So stammte sein großer schöner Bart, der ihm nach Italien hin den Hamen des Barbone gegeben hatte, aus einer Wette her, zu welcher er ein Jahr nach seiner Verheiratung genötigt wurde. Als er nämlich einst mit einigen Freunden fröhlich und wohlgemut aß und trank, erschien ein Bettler mit einem ungemein langen Bart.

Einer der Freunde neckte den jungen Ehemann. »Möchtest du dir wohl auch den Bart so lang wachsen lassen?«, fragte er

»Warum nicht!«, sagte Hofer.

»Ach, das darfst du gar nicht, Anderl!«, hieß es, »das würde deine Frau nicht leiden!« So sehr Hofer der jungen Frau angetan war, so wenig wollte er sich nachsagen lassen, dass er unter ihrem Befehl stehe, und so erwiderte er hitzig: »Meine Frau hat mir nichts zu befehlen! Was gilt die Wette, und ich lasse meinen Bart stehen bis künftiges Jahr um diese Zeit!«

»Zwei Stück Ochsen!«, rief der Gegner.

Hofer schlug ein, hielt Wort und trug den ihm lieb gewordenen Bart bis an sein Ende. Ebenso zeichnete er sich in seinem Äußeren aus. Er trug, ganz der Sitte der Passeier entgegen, die wie alle Bewohner der verschiedenen Täler auch mancherlei Eigentümliches in der Tracht haben, einen grünen Rock, ebenso grüne Hosenträger, statt der hier gewöhnlichen ledernen, und daran ein Muttergottesbild als Amulett. Bereits schon 1796 war der Sandwirt Andreas Hofer als Hauptmann der Passeier Schützen gegen die Franzosen zum Gardasee hingezogen und in den folgenden Jahren war er in gleicher Art tätig. Ausgezeichnetes von seinen Streifereien finden wir zwar nicht berichtet; wenn er sie aber als Hauptmann befehligte, so ergibt sich daraus, dass er die Aufmerksamkeit seiner Landsleute schon damals erregt haben musste, denn der Tiroler ernannte durch Stimmenmehrheit ebenso gut seine Abgeordneten zum Landtag, wie seine Hauptleute im Felde.