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Der mysteriöse Doktor Cornelius – Band 1 – Episode 1 – Kapitel 1

Gustave Le Rouge
Der mysteriöse Doktor Cornelius
La Maison du Livre, Paris, 1912 – 1913
Erste Episode
Das Rätsel des Creek Sanglant

Anstelle einer Synopsis

»Der mysteriöse Doktor Cornelius, dieses Meisterwerk des wissenschaftlich-kriminalistischen Abenteuerromans, dieser Typus moderner Weltliteratur, in welchem er uns an seinen exotischen Naturschilderungen, seinem kriminalistischen Spürsinn für Intrigen, seiner metaphysischen Neigung und seiner Gabe als wissenschaftlicher Visionär, teilhaben lässt … mein Freund Le Rouge, die Quintessenz der Belletristik des 19. Jahrhunderts, von Bernardin de Saint-Pierre bis Wells, über Poe, Gustave Aymard, den Balzac von Seraphita, den Villiers de L’Isle-Adam, Autor des Science-Fiction-Romans dl’Ève future, die russische naturalistische Schule und das Horrortheater …« So spricht Blaise Cendrars, der Poet auf Reisen und Abenteurer der Worte, über den obskuren und flammenden Gustave Le Rouge, über den Freund Paul Verlaines, den Freund der Zigeuner und Alraunen, über den Pionier der Science-Fiction und den Prinzen der Tatsachen unter den Journalisten.

Wir werden Ihnen nicht mehr über diesen wunderbaren Roman erzählen, den wir Sie  nun entdecken lassen möchten.

Kapitel 1

Der gestohlene Rubin

Gegen Ende des Jahres 190… hatte eine Gruppe von Yankees die Gründung einer Stadt mitten im Wilden Westen, am Fuße der Rocky Mountains, beschlossen. Kaum war ein Monat vergangen, war die neue Stadt, in der es noch keine Häuser gab, bereits durch drei Linien an das Eisenbahnnetz der Union angeschlossen und wurde von Anfang an Jorgell-City genannt, benannt nach dem Vorsitzenden des Trusts, der sie gegründet hatte, dem Milliardär Fred Jorgell.

Die Arbeiter kamen aus allen Richtungen, und schon im zweiten Monat waren drei Kirchen gebaut und vier Theater voll in Betrieb.

Rund um einen Platz, auf dem noch einige schöne Bäume standen, die Hoffnung auf einen malerischen Platz, begannen sich die Stahlgerippe dreißigstöckiger Häuser aufzureihen. Es war ein wahrer Wald aus Stahlträgern, der Tag und Nacht vom Takt der Hämmer, dem Quietschen der Winden und dem Keuchen der Maschinen erfüllt war. In Amerika werden die Mauern von oben begonnen, sobald das Stahlgerüst aufgestellt und die Aufzüge installiert sind.

Es war ein fantastischer Anblick, wie diese luftigen Häuser wie Vogelnester auf den riesigen Stahlträgern thronten, während die Arbeiter fieberhaft die Lücken im Stahlgerüst mit Ziegelsteinen und manchmal sogar mit einfachen Aluminiumplatten füllten.

Weiter entfernt wurden nach Edisons Verfahren in wenigen Stunden ganze Gebäude aus Stahlbeton gegossen.

Von der Terrasse seines Palastes aus, wo er viele Stunden verbrachte, hatte Fred Jorgell ein unsagbares Vergnügen daran, die neue Stadt, die mitten in der Wüste unter der Sonne seiner Milliarden aus dem Boden geschossen war, mit magischer Geschwindigkeit aus dem Boden wachsen zu sehen.

Aus einer Art Aberglauben heraus hatte der Milliardär gewollt, dass der Grundstein für seine Stadt am Geburtstag seiner Tochter gelegt werden sollte, sodass gleichzeitig das erste Jahr von Jorgell-City und der zwanzigste Geburtstag von Miss Isidora gefeiert werden konnten.

Die Feierlichkeiten waren von unerhörter, fast schon extravaganter Pracht, die dem kolossalen Vermögen des Amphitryons angemessen war. Nach dem Abendessen, das im Wintergarten inmitten von Zitronenbäumen, Magnolien, Jasmin und Orchideen serviert wurde, fand auf den Rasenflächen des beleuchteten Parks ein Ball statt. Die Hauptattraktion waren jedoch die Geschenke, die Miss Isidora geschickt worden waren und die in einem kleinen Salon neben dem Wintergarten ausgestellt wurden. Die Geschenke waren von königlichem Luxus und bestanden aus einer Fülle von Juwelen, von denen die kleinsten ein Vermögen gekostet hatten.

Unter all diesen Wunderwerken war ein Taubenblutrubin, der an Größe und Glanz nicht zu übertreffen war. Dieser Edelstein wäre des Diadems einer Kaiserin würdig gewesen; keine der anwesenden jungen Milliardärinnen besaß einen vergleichbaren Edelstein; außerdem sollten geschickte, elegant gekleidete Detektive, die sich unter die Menge der Gäste mischten, über die Schätze wachen, die scheinbar so sorglos ausgebreitet wurden.

Die glänzende Menschenmenge, die sich vor dem großen Rubin drängte, wurde jedoch bald spärlicher. Nachdem man den Edelstein bewundert hatte, dachte man nicht mehr daran, denn die wilden Klänge eines fünfzigköpfigen Orchesters zogen die Gäste unaufhaltsam in Richtung des Balls. Die Bediensteten, die auf die Wachsamkeit der Detektive vertrauten, hatten sich verdrückt.  Bald blieben die vier Polizisten – es waren vier – allein im Geschenkesaal zurück.

Inmitten der allgemeinen Fröhlichkeit und Lebendigkeit begannen sie sich schrecklich zu langweilen: Alle vier gähnten, was das Zeug hielt.

»Ich habe eine geniale Idee«, sagte einer von ihnen plötzlich. »Da hier niemand mehr ist, müssen wir nicht zu viert sein.«

»Was meinst du damit?«, sagten die drei anderen und rückten näher zusammen, da sie sehr interessiert waren.

»Das ist ganz einfach: Zwei von uns können durchaus einen Abstecher zum Buffet machen.«

Der Vorschlag wurde einstimmig und mit Jubel angenommen und ein reges Kommen und Gehen zwischen dem kleinen Salon und dem Buffet, das im Park unter freiem Himmel aufgebaut war, begann. Schnell waren die Detektive in der fröhlichsten Stimmung, sie gähnten nicht mehr, aber dafür wurden ihre Gesichter rötlich und mit jedem weiteren Gang zum Buffet verloren sie ein wenig mehr von ihrer tadellosen Korrektheit.

Nun, mit aufgeknöpfter Weste und schief sitzender Krawatte, pfiffen sie mit vollkommener Schamlosigkeit flotte Melodien.

Irgendwann sahen die beiden, die den Rubin bewachten, nicht mehr, dass ihre Kameraden zurückkamen, um sich zu erfrischen.

Sie machten sich große Sorgen, gingen nach ihnen suchen und kamen natürlich auch nicht mehr zurück.

Der kleine Salon blieb leer.

Das Fest war in vollem Gange und die ersten Raketen des Feuerwerks knallten über dem Teich, als ein Gerücht von einem zum anderen flog und überall Bestürzung auslöste.

»Der große Rubin wurde gestohlen!

»Das ist unmöglich!«, rief ein junger Milliardär, der Ingenieur Harry Dorgan, »hier gibt es nur ehrenwerte Gentlemen.«

Die Tatsache, dass der große Rubin verschwunden war, musste man sich eingestehen.

Ein vertrauenswürdiger Diener, der alte Paddock, hatte den Diebstahl bemerkt und seinen Herrn sofort darüber informiert.

Diese Nachricht brachte das Fest in größte Verwirrung, die Tänze hörten auf und sogar das Orchester spielte nicht mehr. Fragen, Ausrufe der Verblüffung und des Erstaunens kreuzten sich in einem wahren Stimmengewirr.

»Weiß man, wer es getan hat?«

»Wir müssen den Dieb finden!«

»Ja! Ja! Um jeden Preis!«

»Genau, lasst uns den Dieb suchen! Niemand von uns legt Wert darauf, verdächtigt zu werden.«

»Man soll die Türen schließen, man soll uns durchsuchen, wenn es sein muss!«

»Man soll uns sogar ausziehen«, fügte eine alte Dame hinzu und errötete schamhaft.

Bald waren Fred Jorgell und Miss Isidora von einem Kreis von Gästen umgeben, die lautstark eine sofortige Untersuchung forderten.

Man suchte nach den Detektiven und entdeckte sie mit Mühe und Not in den Hainen des Parks, wo sie sich mit Champagner betranken und mit geschlossenen Augen schnarchten. Sie wurden mit Schimpf und Schande vor die Tür gesetzt und Fred Jorgell versprach ihnen zum Abschied, am nächsten Tag persönlich die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ihre Entlassung so schnell wie möglich zu erwirken.

Nachdem er dies getan hatte, wandte sich der Milliardär an die Menge der Gäste und forderte mit einer herrischen Geste Ruhe ein.

»Ladies and Gentlemen«, sagte er, »ich bin mir der hohen Rechtschaffenheit aller hier Anwesenden sicher, und ich bin mir auch der Ehrlichkeit aller meiner Diener sicher. Ich verdächtige niemanden, absolut niemanden. Erlauben Sie mir, diese fröhliche Versammlung nicht durch die Anwesenheit der Polizisten und die schändliche Durchsuchung zu trüben. Vergessen Sie also bitte diesen Diebstahl, der für mich nur von sehr geringer Bedeutung ist.«

Miss Isidora fügte gnädig hinzu: »Es ist ein kleines Unglück, über das ich mich bereits trösten kann. Wir sollten unsere Vergnügungen nicht wegen einer solchen Bagatelle unterbrechen.«

Das Mädchen wandte sich lächelnd an den Dirigenten, der seinen Ebenholzstab hob und den fünfzig Musikern, die auf einer Laubentribüne Platz genommen hatten, das Zeichen gab. Sie begannen sofort mit einem meisterhaften Tango, dessen wilder Rhythmus bald das glitzernde Gedränge der Kavaliere und Tänzerinnen in einem hektischen und wirbelnden Schwall zerstreute.

Miss Isidora hatte den ihr gebotenen Arm eines jungen Milliardärs angenommen, der für seine Eleganz berühmt war, und ging mit gutem Beispiel voran.

Es war noch keine Viertelstunde vergangen, als der Diebstahl des großen Rubins bereits völlig vergessen war. Der Ball wurde mit fröhlichem Schwung und Elan fortgesetzt.

Unter den wenigen Personen, die nicht tanzten, fiel Baruch Jorgell, der Bruder von Miss Isidora, auf. Baruch, der älteste Sohn des Milliardärs, hatte tief betonte Gesichtszüge, starke Kiefer, schmale Lippen und einen verächtlichen Blick. Er machte auf den ersten Blick den Eindruck eines sehr energischen, aber stolzen und wortkargen Mannes.

In diesem Moment genoss er ein Glas Champagner mit zwei ernst aussehenden Personen, denen er eine besondere Ehrerbietung entgegenzubringen schien.

»Also, Herr Doktor«, sagte er zu einem der beiden, »es ist ziemlich sicher, dass Sie morgen von mir besucht werden.«

»Gut«, sagte der andere mit gedämpfter Stimme, »aber ich habe noch ein paar Empfehlungen für Sie …«

»Man ist hier nicht sehr gut aufgehoben, um über seine Angelegenheiten zu sprechen«, sagte der dritte Gesprächspartner.

»Wir könnten in den Park gehen«, schlug Baruch vor.

Die beiden anderen nickten und das Trio verlor sich in einer verlassenen Allee.

In der Zwischenzeit hatten vertrauenswürdige Diener die wertvollen Gegenstände, die sie dem Mädchen geschenkt hatten, in Miss Isidoras Gemächer gebracht. Der kleine Salon im modernen Stil, in dem sie ausgestellt worden waren, war nun leer und verlassen.

In diesem Moment betrat ein nachdenklich dreinblickender junger Mann den Raum. Der Neuankömmling war in Gedanken versunken und sprach mit sich selbst, ohne sich darum zu kümmern, ob er gehört werden könnte oder nicht.

»Es ist unmöglich«, murmelte er, »dass der Dieb keine so einfache Möglichkeit hatte … Wenn ich den Rubin hätte nehmen müssen, wäre ich nicht anders vorgegangen … Mal sehen, es könnte ja sein, dass ich richtig getippt habe …«

Der junge Mann ging vorsichtig weiter und hielt seine Hand unter den schweren, geschnitzten und vergoldeten Tisch, auf dem die Juwelen ausgestellt waren.

Plötzlich stieß er einen Ausruf aus.

»Darauf hätte ich wetten können!«, rief er. »Der Dieb hat den Rubin einfach mit etwas Klebstoff unter dem Tisch befestigt. Er war sich sicher, dass niemand auf die Idee kommen würde, dort nachzusehen!«

Mechanisch hatte er den Edelstein an sich genommen; aber nach all seinen Überlegungen legte er ihn wieder dorthin zurück, wo er ihn gefunden hatte. Mit einem vor Zufriedenheit strahlenden Gesicht rannte er in den Wintergarten.

Eine Minute später sprach er Fred Jorgell an.

»Ich habe Ihnen etwas sehr Interessantes mitzuteilen.«

»Zu Ihrer Verfügung, Mr. Harry Dorgan«, antwortete der Milliardär. »Um was handelt es sich?«

»Um den Rubin!«

»Haben Sie einen Hinweis?«

»Mehr als das: Ich weiß, wo der Edelstein ist … Kommen Sie mit mir.«

Mit einer entschlossenen Geste führte er den Milliardär in den Salon im modernen Stil und zeigte ihm den Rubin.

Mr. Jorgell riss seine Augen weit auf.

»Ich danke Ihnen«, sagte er, »ich freue mich sehr, dass der Stein wiedergefunden wurde, sowohl für meine Gäste als auch für meine liebe Isidora.« Und er fügte scherzhaft hinzu: »Es ist wirklich bedauerlich, dass Ihr Vater, der ehrenwerte William Dorgan, Milliardär ist. Sie wären ein erstklassiger Detektiv geworden.«

»Nicht wahr? Es wäre eine Möglichkeit für den Fall, dass Sie einen Rückschlag erleiden. Aber wir haben erst die Hälfte unserer Aufgabe erfüllt. Der Rubin ist gefunden, jetzt geht es darum, den Dieb zu schnappen.«

»Wie werden Sie das tun?«

»Das ist ganz einfach. Wir müssen den Rubin nur dort lassen, wo er ist. Wenn unser Gauner den Zeitpunkt für günstig hält, wird er kommen und seine Beute abholen.«

»Das ist perfekt! Ich möchte mir das Vergnügen gönnen, selbst zu dieser Verhaftung beizutragen. Verstecken wir uns hinter dem Klavier.«

»So ist es recht, und lassen Sie uns das Licht ausschalten.«

Ingenieur Harry Dorgan drehte den Schalter um und das Wohnzimmer wurde dunkel. Die beiden unfreiwilligen Kriminalisten blieben regungslos stehen und warteten geduldig mit den Händen an den Griffen ihrer Brownings.

Sie mussten nicht lange warten.

Sie lagen kaum eine Viertelstunde im Hinterhalt, als sich eine hochgewachsene Gestalt vorsichtig durch die angelehnte Tür schob, wie ein lautloser Schatten über den Teppich aus hochflorigem Gewebe glitt und sich langsam auf den Tisch zubewegte.

Sein Gang war unsicher und zögerlich; bei jedem Schritt drehte er sich besorgt um und es schien, als würde ihn ein geheimnisvoller Instinkt vor der Anwesenheit derer warnen, die ihn beobachteten. Schließlich, als er sich durch die Dunkelheit und die Stille beruhigt fühlte, wurde er mutiger.

Mit der Geschwindigkeit eines Raubtiers erreichte er den Tisch und beugte sich vor, um seine Hand darunter zu schieben.

»Da ist es! … Ich habe es!«, stotterte er mit rauer Stimme.

Eine Sekunde lang funkelte der große Rubin trotz der Dunkelheit blass und blutig zwischen seinen Fingern.

Doch im selben Moment sprang ihm Harry Dorgan an die Kehle, während Fred Jorgell den Lichtschalter umlegte und das Wohnzimmer mit blendender Helligkeit erstrahlte.

Zwei Schreie gingen gleichzeitig los.

»Baruch!«

»Vater!«

Der Mann, der sich unter Harry Dorgans stählernem Griff wehrte, war kein anderer als Baruch Jorgell.

Mit einer instinktiven Geste hatte Harry seinen Gefangenen losgelassen, und zwischen den drei Männern herrschte einige Sekunden lang ein ergreifendes Schweigen. Der alte Milliardär blieb regungslos liegen, zusammengesunken, mitten ins Herz getroffen.

Baruch war bleich vor Wut und Scham und warf seinem Vater und Harry giftige Blicke zu, dann nahm er plötzlich seine Beherrschung wieder auf, ließ den Rubin, den er noch in seiner verkrampften Hand hielt, über den Tisch rollen und ging zur Tür.

Sein Vater versperrte ihm den Weg.

»So kommst du nicht davon!«, rief er ihm mit schrecklicher Stimme zu. »Nein, du wirst nicht weitergehen! … Mr. Dorgan, bitte klingeln Sie, damit die Polizei geholt werden kann!«

Harry war nach vorne getreten. Er hatte blitzschnell die Möglichkeit gesehen, die Situation zu retten.

»Sir«, sagte er und wandte sich an den alten Herrn, »wir sollten die Tragweite eines vielleicht etwas gewagten Scherzes nicht überbewerten …«

Baruch hatte verstanden, er musste nur die Rettungsleine ergreifen, die ihm entgegengestreckt wurde. Ein süßes Lächeln beruhigte seine Züge, die den Ausdruck von Hass und unnachgiebiger Härte verloren.

»Beruhigen Sie sich, mein Vater«, sagte er mit einem Lachen, das falsch klang, »und lassen Sie bitte die Herren Polizeibeamten, wo sie sind. Wie Mr. Dorgan sofort erraten hat, ist es ein einfacher Streich, den ich Isidora spielen wollte, die wirklich zu eitel mit all ihren Schmuckstücken ist. Ich muss zugeben, dass es vielleicht etwas gewagt war, aber alle Lacher wären auf meiner Seite gewesen. Die Entkleidung der jungen und alten Damen durch eine Detektivin wäre eine durchaus drollige Sache gewesen. Es wäre eine weitere Attraktion gewesen, ein echtes Glanzstück auf Ihrer Party … Wie kann ich mir vorstellen, dass ich – Ihr Sohn – ein wertvolles Kleinod an mich nehmen wollte, das mich nicht interessiert und das ich auch nicht hätte verkaufen können? Das ist einfach lächerlich!«

Er fügte hinzu, dass es die Trunksucht der Detektive war, die ihn auf die Idee zu dieser Scharade gebracht hatte, von der er hoffte, dass sein Vater ihr nicht mehr Bedeutung beimessen würde als er selbst.

Er fuhr lange mit dieser Art von Plädoyer fort, dem Fred Jorgell und Harry geistesabwesend zuhörten.

»Andererseits«, sagte der alte Mann streng, »würde ich Ihnen vielleicht alles glauben, was Sie gerade gesagt haben, aber leider, Baruch, kenne ich Sie zu gut …«

»Mein Vater! …«

»Nun gut«, unterbrach Fred Jorgell in trockenem Ton, »lassen Sie uns die Erklärung, die Ihnen Herr Dorgan so barmherzig geliefert hat, zugeben, aber jetzt bleibt mir die Pflicht, unseren Gästen mitzuteilen, dass der Rubin gefunden wurde …«

»Ich kann doch nicht jedem alles erzählen …«

»Lassen Sie mich Ihnen sagen«, unterbrach der Ingenieur, »dass es einen ganz einfachen Weg gibt, diese Schwierigkeit zu umgehen. Wir müssen nur angeben, dass Miss Isidoras vertrautes Zimmermädchen gleich zu Beginn des Abends die Veranlassung ergriffen hat, den großen Rubin wieder in den Safe zu legen.«

»Ja, das macht alles wieder gut«, murmelte der Milliardär. »Auf diese Weise wird man glauben, dass es sich um ein Missverständnis handelt.«

Dann wandte er sich an Baruch: »Was Sie betrifft«, sagte er in eisigem Ton, »habe ich ein ernstes Wort mit Ihnen zu reden.  Ich werde Sie morgen Abend um neun Uhr in meinem Arbeitszimmer erwarten.«

»Ich werde pünktlich sein, Vater«, antwortete Baruch arrogant.

Nicht ohne Ironie fügte er hinzu, indem er sich an Harry Dorgan wandte: »Auf Wiedersehen, Sir, vielen Dank für Ihre guten Ideen.«

Dann verbeugte er sich und ging hinaus.

Fred Jorgell, der dem Ingenieur herzlich seine Anerkennung ausgesprochen hatte, bat ihn, über die Ereignisse des Abends tiefstes Schweigen zu bewahren, und dann gingen die beiden zurück auf den Ball.

Harry Dorgan bedauerte beinahe, dass er sich in die Sache mit dem gestohlenen Rubin eingemischt hatte. Ihm war klar, dass er nun in Isidoras Bruder einen Todfeind besaß, aber er wollte sich nicht mit diesem Gedanken aufhalten, sondern freute sich darauf, dem Mädchen selbst zu berichten, dass der Edelstein wiedergefunden worden war.

Miss Isidora begrüßte ihn umso herzlicher, da Harry einer der wenigen jungen Männer in ihrer Umgebung war, für den sie eine echte Sympathie empfand.

Als Baruch seinen Vater verließ, ging er zu den beiden Herren, mit denen wir ihn bereits im Gespräch gesehen hatten, in eine verlassene Allee im Park.

»Was gibt es Neues?«, fragte der Ältere mit gesenkter Stimme.

»Nichts!«, murmelte Baruch mit dumpfem Zorn, »die Sache ist gescheitert.«

»Das ist bedauerlich«, erwiderte der andere kühl, »der Stein war schön.«

»In dieser Hinsicht ist nichts zu machen, aber ich habe etwas anderes im Sinn.«

»Worum geht es?«

»Erlauben Sie mir, dass ich bis auf Weiteres Ihr Geheimnis bewahre.«

»Das ist Ihre Sache«, antwortete der zweite Gentleman, »Sie wissen, unter welchen Bedingungen wir bereit sind, Ihnen unsere Unterstützung zu gewähren.«

Mit diesen geheimnisvollen Worten verabschiedete sich Baruch von seinen beiden Gesprächspartnern. Er war gedemütigt und entnervt. Wutentbrannt kehrte er in den kleinen Pavillon am Ende des Parks zurück, der ihm als Labor und Bibliothek diente, denn Baruch Jorgell war ein ziemlich guter Chemiker, obwohl er in anderen Dingen sehr unwissend war.

Kurz nach seiner Abreise standen Harry Dorgan und Miss Isidora am Buffet neben den beiden Herren, die Baruch soeben verlassen hatte.

»Wer sind denn diese beiden?«, fragte er das Mädchen, »ihre schlaue und listige Physiognomie kommt mir nicht so recht in den Sinn, das muss ich Ihnen gestehen.«

»Ich glaube, Master Harry, dass Ihre Vorurteile unberechtigt sind«, antwortete sie. »Diese Herren – es sind die beiden Brüder – sind in Jorgell-City ehrenhaft bekannt; der Ältere, der sein Gesicht vollständig rasiert hat und eine goldene Brille trägt, ist der berühmte Doktor Cornelius Kramm, der Mann, den man den Menschenfleischbildhauer genannt hat.«

»Ich habe von seinen wunderbaren Arbeiten gehört. Man sagte viel Gutes über ihn; aber der andere?«

»Das war sein Bruder Fritz Kramm, ein reicher Händler von Gemälden und Kunstgegenständen.«

Harry Dorgan beließ es bei seinen Fragen.

In diesem Moment brachen die ersten Sonnenstrahlen durch die Kuppel der Blätter, ließen die Beleuchtung verblassen und zeigten die bleichen und müden Gesichter der Tanzenden. Es kam zu einer allgemeinen Massenflucht. Während die erschöpften Musiker ohne Begeisterung ein letztes Stück spielten, eilten die Gäste des Milliardärs zu ihren Autos zurück, die vor der Treppe zum Hauptgebäude des Innenhofs aufgereiht waren.

Das Fest war zu Ende.