Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 6

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer RomanZweiter Band

VI. Eine Sinnesänderung

Der Major von der Grieben hatte sich in sein Schicksal ergeben. Er war darauf gefasst, Unannehm­lichkeiten zu erfahren, hoffte jedoch auf eine standes­gemäße und rücksichtsvolle Behandlung.

Solange er sich in dem Schiff befand, sollte er sich auch nicht getäuscht haben. Die Mitglieder der Kommission, wie der Führer des Ersteren, benah­men sich höflich gegen ihn. Man tat, als sei er ein Passagier des Fahrzeugs.

In Stralsund angekommen, wurde er zuerst auf die Kommandantur geführt, dort oberflächlich ver­nommen und ihm dann ein Haus zum Aufenthalt mit dem Bedeuten, sich nicht zu entfernen, angewiesen.

Der Major war insoweit mit dem Erfahrenen zufrieden, doch er wusste noch nicht, was es heißt, im Kampf der Parteien einer vielfach anders gedeuteten Machtpflege zu unterliegen.

Schon am nächsten Tag wurde er dem Gou­vernement zugeführt, und hier musste er erkennen, dass man ihn für einen Vaterlandsverräter hielt.

Etwas zu spät begriff der Major, dass er doch auf freien Füßen besser daran gewesen wäre als in der Gewalt dieses Gerichts, das um jene Zeit überhaupt nur Missgriffe machte.

Dennoch beantwortete er auch nun noch alle an ihn gestellten Fragen vollkommen ausreichend und suchte sich in glimpflicher Weise von dem gegen ihn vorliegenden Verdacht zu reinigen.

Grieben erfuhr bei dieser Gelegenheit, welche wichtige Person Jacobson im Krieg mit Preußen bereits war und noch werden konnte.

Nach diesem lange dauernden Verhör wurde der Major wieder abgeführt, jedoch nicht wie früher durch einen Zivilbeamten, sondern durch einen Infanterie-Korporal.

Indessen auch dies mochte nichts weiter von Bedeutung sein, und deshalb folgte er dem Soldaten ohne Weiteres.

Dagegen machte ihn der Weg, welchen man nun nahm, bald aufmerksam. Derselbe ging nämlich fast durch die ganze Stadt immer deren Südseite zu.

»Wohin führt Ihr mich? «, fragte der Major endlich.

Sein Begleiter hatte bisher noch kein Wort gesprochen. »Sie werden es sehen«, sagte derselbe nun mürrisch, und Grieben war zu stolz, weiter eine Silbe an den unhöflichen Menschen zu verschwenden.

So kam man bis zu der Bastion am Franken­teich und stand endlich vor dein Frankenturm.

»Was … hier? «, schrie der Major auf. »Mann, seid Ihr nicht bei Sinnen?«

Statt der Antwort pochte der Soldat an die niedrige Pforte. Ein Mensch mit einem schweren Schlüsselbund an der Seite öffnete und trat heraus. Der Soldat übergab jenem seinen Gefangenen.

»Tretet näher!«, sagte der Schließer grob.

Der blaue Turm war ein Festungswerk aus alter Zeit, hoch, massiv und aus mehreren Stock­werken bestehend, in denen zu Zeiten schwere Verbrecher verwahrt wurden.

Der Major wusste dies, denn er hatte früher einmal in der Festung garnisoniert. Noch ganz außer sich vor Überraschung war es ihm nicht möglich gewesen, bisher ein Wort weiter hervorzubringen. Die grobe Anrede des Schließers musste ihn erst wieder ganz zu sich bringen.

»Das muss ein Irrtum sein, Leute! «, rief er lebhaft. »Ich kann unmöglich hier verwahrt werden sollen! «

»Kein Irrtum! «, antwortete der Schließer, »nur herein!«

Der Major konnte nicht länger daran zweifeln, dass es mit seiner Einsperrung in diesen alten Gemäuern Ernst sei. Einen Moment mochte er wohl daran denken, sich diesem Los mit Gewalt zu widersetzen; doch ein Blick auf die wie zum Zugreifen neben ihm be­findlichen beiden Männer ließ ihn leicht anderen Sinnes werden. Außerdem befand sich dicht neben dem Turm auch noch ein Wachtposten.

»Das geht über alle Begriffe!«, murmelte er nach kurzem Besinnen. »Ich werde mir indessen Ge­nugtuung zu verschaffen wissen!«

Der Schließer antwortete nicht, der Major betrat den Gang und die schwere Tür schloss sich hinter ihm. Er wurde zwei Treppen hoch geführt und ihm dort ein enges, finsteres, nur durch offene Schießschar­ten erleuchtetes Gemach ohne alle Bequemlichkeit an­gewiesen. Der Schließer verließ ihn wieder. Was nun alles im Inneren des Majors vorging, dürfte schwer zu sagen sein. Jedenfalls ist jedoch so viel gewiss, dass der Zorn, welcher ohne Frage in ihm aufloderte, ein höchst gerechter genannt werden musste.

Doch der Zorn eines Menschen hinter Schloss und Riegel, zwischen dicken Mauern ist stets ohn­mächtig, das haben schon Kaiser und Könige erfahren, noch mehr, der Zorn legt sich bald, um freilich nur einem fast immer unauslöschbaren Groll Platz zu machen.

Mit dem Schließer, der später wieder erschien, um eine schlechte Suppe zu bringen, ein Gespräch anzuknüpfen, war dem Major vorläufig nicht möglich, und er beschloss deshalb zu warten, was die Zukunft bringen werde.

Am Abend erschien ein Offizier im Dienstanzug zu keinem anderen Zweck, als um zu visitieren.

»Mein Herr!«, redete der Major diesen an, »wissen Sie, wer ich bin?«

»Leider!«, sagte der Mann bedauernd. »Ich weiß, dass Sie der Herr Major von der Grieben sind?«

»So wissen Sie vielleicht auch, aus welchem Grund man mir diese Behandlung angedeihen lässt!«

»Man beschuldigt Sie des Hoch- und Landes­verrats, der Konspiration gegen den Senat und Reichsrat, der Verbindung mit dem Feind!«

»Wie ist das möglich?«

»In Schweden ist jetzt vieles möglich!«, sagte der Mann achselzuckend.

Der Major sah den Sprecher starr an. »Und was spricht man in der Stadt von meinem Fall?«, fragte er.

»Derselbe hat allgemeinen Unwillen hervorgerufen!«, lautete die Antwort.

»Ich danke Ihnen!«, murmelte der Major.

Der Offizier entfernte sich, und der Major be­gann über seine Lage nachzudenken. Es war, als seien ihm plötzlich die Augen klar geworden und erkenne er den ganzen verderblichen Schlund der Parteiumtriebe, die schon so oft Staaten in das Verderben gestürzt haben. Er verwünschte seinen Patriotismus oder das, was er bisher dafür gehalten hatte. Sicher hatte der Reichsrat in diesem Moment keinen ärgsten Feind als ihn. Sein Glaube an das rechte Regiment der Aristokratie hatte plötzlich einen argen Stoß erlitten.