Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jim Buffalo – 3. Abenteuer – Kapitel 2

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922

Der Galgen von Mantinela
Das 3. Abenteuer Jim Buffalos

2. Kapitel

Die Hinrichtung

Schräg sandte bereits die Sonne ihre Strahlen herab und durchbrach die vorüberhuschenden Wolken. Die Zinnen und Türme der Stadt funkelten in einem prächtigen Glanz.

Draußen vor den Toren der Stadt hatte sich das Volk an der Richtstätte versammelt – an dem Galgen, der starr zwischen zwei Mauerpfeilern auf dem Hügel emporragte und wie ein grausiges Wahrzeichen wirkte.

Mit gleichgültiger Miene stand der Henker neben der Leiter. Seinen Körper umhüllte ein rotes Wams, und auf dem Kopf saß die Henkerhaube, von der ein roter Lappen herabhing, der sein Gesicht bedeckte.

Gelassen prüfte er die Haltbarkeit des Strickes und blickte durch die kleinen Augenlöcher ohne eine Spur von Mitleid auf den Mann, der gerichtet werden sollte.

Das Volk ringsherum raunte und flüsterte.

Bel Eberlein sollte gehängt werden! Bel Eberlein, der Mörder! Der Mann, der in finsterer Nacht den Sohn des Goldschmiedes getötet hatte.

Nun verstummte plötzlich das Gemurmel. Der Richter trat vor und entrollte mit feierlicher Miene ein Pergament. Mit lauter, volltönender Stimme las er: »Das Hohe Gericht hat beschlossen, dass der heimtückische Mord, den Bel Eberlein vollführt hat an dem Gesellen der Goldschmiedekunst in unserer Stadt, vor Gott und den Menschen durch den Galgen gesühnt werden soll! Gegeben zu Mantinela, am 16. März im Jahr des Heils 1203!«

Der Verurteilte wankte, dann stürzte er mit einem Schrei zu des Richters Füßen.

»Ich bin unschuldig!«, ächzte er.

Das Volk lachte auf. Der Henker drehte kaltblütig die Schlinge – höhnische und grausame Verwünschungen drangen aus den Reihen der Gaffer. Unter des Henkers roter Maske verzog sich das Gesicht zu einem hässlichen Lächeln.

Wenn die Menschen das Leben verlieren, dann rutschen sie um Gnade winselnd auf der Erde herum. Ein Narr, wer an die Unschuld solcher erbärmlicher Wichte glaubte!

Auf einen Wink des Richters zog er Bel Eberlein die weiße Kapuze über den Kopf und warf dann geschickt die Schlinge um des Unglücklichen Hals.

Das Raunen im Volk verstummte.

Nun kam der Augenblick, da die Nerven auf ihre Kosten kommen sollten.

Wankend stieg Bel Eberlein ein paar Sprossen der Leiter hinauf – schon zog der Henker den Strick an …

Da geschah etwas Unheimliches!

Im selben Augenblick, in dem die Hinrichtung vor sich gehen sollte, tauchte ein grausiges Fahrzeug auf.

Die Wände waren mit gräulichen Fratzen bemalt, die grinsend in die Welt starrten.

Ein Luftdruck, ein Sturm erhob sich. Die Menschen, die dem unheimlichen Gefährt am nächsten standen, wurden zurückgeschleudert.

Gleich darauf klappte auch schon ein Teil des Panzers zurück. Ein Männerkopf tauchte in der Maschine auf, bleich im Gesicht und mit verstörten Augen.

Starr stand das Volk, starr der Richter, starr der Henker.

Dann brach die Panik los.

»Der Teufel – der Teufel!«

In den Menschenhaufen griff das Grauen mit eisiger Hand. Furchtverzerrte Mienen, fliehende und stürzende Menschen, gellende Hilferufe – das war der Inhalt der nächsten Minuten.

Öde und verlassen lag die Richtstätte.

Fort der Henker, fort der Richter, fort die Gaffer! Nur der zum Tode Verurteilte lehnte an dem Galgen. Er hatte sich die Kapuze vom Gesicht gerissen und starrte nun unbeweglich auf das Gefährt des Teufels.

Bel Eberlein erschauderte, als er den Mann aus dem Wagen klettern sah. Aber er kannte keine Furcht, sondern empfand in diesem Augenblick nur ein Gefühl, und das war Dankbarkeit.

Langsam löste er sich vom Galgen los und ging auf den Fremden zu. Dann stürzte er sich ihm zu Füßen.

»Wer Ihr auch sein möget«, röchelte er, »ich bin Euer! Ihr habt mir das Leben gerettet! Es soll fortan nur Euch gehören!«

Jim Buffalo griff sich an den Kopf. Er brauchte erst Zeit zur Sammlung. Dunkel kehrte die Erinnerung zurück.

Er hatte an dem seltsam geformten Griff gezogen, worauf die Maschine ihre Geschwindigkeit verringert hatte, um schließlich ganz stehen zu bleiben.

Da waren auch die Zahlen auf der Tafel zum Stillstand gekommen und standen nun noch genauso wie in dem Augenblick, in dem die Maschine hielt.

1203!

Ein seltsames Gefühl durchrann Jim Buffalos Körper. Der Schauer der Jahrhunderte packte ihn, die er im Zeitraum weniger Minuten wie im Fluge durchrast hatte.

Ja, es war eine Zeitmaschine!

Wie kam es, dass die Natur eine derartige Maschine neben sich duldete? War nicht dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen konnten? War er noch ein Mensch, wenn er sich im Besitz einer Maschine mit derartiger Wirkung befand?

Eine Maschine, mit der man die Zeit durchfliegen konnte, vom grauesten Altertum bis zum Ende der Welt! Eine Maschine, mit der man die Geheimnisse entschleiern konnte, die gleich dicken Teppichen über den Jahrhunderten lagerten!

Und nun?

Nun befand er sich unter Menschen des 13. Jahrhunderts! Ein seltsames Bangigkeitsgefühl beschlich ihn.

Dann jedoch siegte die Abenteuernatur in ihm, zumal als er daran dachte, was für einen Riesenverdienst er sich um die Geschichtsforschung erwerben konnte!

Nein, er blieb! Die geheimen Hebel kannte er jetzt!

Hastig trat er an die Maschine zurück und löste eine Schraube, die er in seinem Anzug verbarg. So – jetzt war es ausgeschlossen, dass ein anderer – ganz gleich, ob mit oder ohne Absicht – die Zeitmaschine benutzen konnte.

Dann erst wandte er sich an den Mann, der einige Meter abwärts stand.