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Der Hexer 22

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 14
Dagon – Gott aus der Tiefe

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 15. Oktober 1985, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Peter Eilhardt

Lautlos und elegant wie ein riesiger stählender Fisch glitt der Gigant durch die Wellen. Hier, Meilen vor der steil aufragenden Küste der Insel, regierte Einsamkeit und Schweigen; nur dann und wann durchbrach das Klatschen einer Welle das Raunen der Nacht, blitzte ein verirrter Lichtstrahl auf nachtschwarzen Stahl. Er hatte gewartet. Wochen hatten sich zu Monaten gereiht, während der Riese und die Männer in seinem metallenen Leib auf ihre Stunde harrten, nur dann und wann auftauchend wie Schemen, wenn sie unvermittelt zuschlugen. Er hatte gekämpft, aber all der Schrecken und Tod, den er verbreitete, war nicht mehr gewesen als die Vorbereitung auf die wirkliche Auseinandersetzung. Der eigentliche Kampf hatte noch nicht einmal angefangen. Er begann – jetzt!

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Nur Robert Craven ist aus der Vergangenheit ins Jahr 1885 zurückgekehrt. Shadow hat sich geopfert, um das Tor zu schließen; sie ist gefangen in einer längst vergangenen Zeit. Doch ihr Aufenthalt im Land der GROßEN ALTEN ist nicht ohne Folgen geblieben – sie haben die Zukunft verändert! Die Anbeter der Thul Saduun sind verschwunden, Shub-Niggurath scheint nie erwacht zu sein. Und von Howard und Rowlf fehlt jede Spur.

Allein Dagon, der unheimliche Fischmensch aus der Vergangenheit, ist geblieben. Es scheint, als wäre er noch Jahre vor Robert aus dem Zeitstrom geschleudert worden.

Denn an einem dunklen See in Schottland geschehen seltsame Dinge. Die Bewohner eines nahen Dorfes bringen einem Fischgott, der auf dem Grunde des Lochs lebt, junge Frauen aus ihrer Mitte zum Opfer. Auch das Mädchen Jennifer wird Dagon – denn er ist jener böse Gott – geopfert. Er macht sie zum Fischmenschen, zu seiner Braut …

Auch draußen vor der Küste Schottlands scheint ein Ungeheuer Menschenopfer zu fordern. Ein finsterer Schatten unter dem Meer, über achtzig Yards lang, versenkt in kurzen Abständen zwölf Schiffe – seltsamerweise gehören sie alle der Scotia, einer dubiosen Reederei in Aberdeen. Auch ein Kreuzer der Küstenwache wird zerstört, als er auf das Ungeheuer schießt.

Einer der Scotia-Frachter fuhr unter dem Kommando von Kapitän Bannermann, einem alten Bekannten Cravens. Wie durch ein Wunder überlebte er den Angriff und bittet nun Robert um Hilfe. Gemeinsam statten sie Jameson, dem Besitzer der Reederei, einen Besuch ab. Und in dessen Büro macht Robert eine schreckliche Entdeckung: das Modell eines monströsen Schiffes – der DAGON!

Als die Freunde das Büro verlassen, wird Bannermann von Jamesons Leuten entführt; eine Marineeinheit rettet Robert vor einem ähnlichen Schicksal. Zusammen mit Fregattenkapitän Spears – dessen Bruder auf dem versenkten Küstenwachschiff umkam – sucht er noch einmal die Reederei auf, um Jameson zur Rede zu stellen. Doch die Räume sind leer, der Besitzer der Scotia auf mysteriöse Weise ermordet. Die Spur führt in die Kanalisation. Die unterirdischen Gänge werden beinahe zur tödlichen Falle, als grauenhafte Monstren über die Männer herfallen. Im letzten Moment werden sie gerettet – vom Kapitän des Schiffe mordenden Ungeheuers, das vor der Küste liegt: Nemo. Denn der Gigant ist nichts anderes als die legendäre NAUTILUS …

 

*

 

Der Raum war nicht sehr viel größer als eine Gefängniszelle, zwei Schritte in der Breite und kaum doppelt so lang, dazu so niedrig, dass ich mich nicht einmal vollends aufrichten konnte, wollte ich nicht mit dem Kopf gegen die sanft gekrümmte Decke stoßen.

Aber er war sehr viel behaglicher eingerichtet. Die Wände, aus härtestem Stahl geschmiedet, lugten nur hier und da hinter kostbaren Vorhängen und Gobelins hervor, und auf dem Boden lag ein wolkenweicher Teppich. Ein buntbestickter Diwan nahm fast die Hälfte des vorhandenen Platzes ein, und vor der gegenüberliegenden Wand, gleich neben einer niedrigen, halbrunden Tür, war ein niedriger, kunstvoll gedrechselter Tisch am Boden verschraubt, auf dem noch die Reste des üppigen Mahles standen, das mir einer von Nemos Männern vor Stundenfrist gebracht hatte; dazu eine Flasche des köstlichsten Champagners, der mir jemals untergekommen war.

Auf einem Wandbord daneben standen eine kostbare, goldgeschnittene Bibel und zwei kleine metallene Kistchen, von denen eine eine Anzahl teurer Havanna-Zigarren und die andere drei Lagen likörgefüllter Pralinés enthielt. Mein Gastgeber schien großen Wert darauf zu legen, für mein körperliches und seelisches Wohl zu sorgen.

Was nichts daran änderte, dass die Kammer ein Gefängnis war. Ein sehr komfortables Gefängnis vielleicht, aber trotzdem nicht mehr.

Es gab kein Fenster, und die Tür hatte auf der Innenseite keinen Griff, sondern nur einen runden Knauf, an dem ich ziehen konnte, bis ich schwarz wurde. Es war ein Gefängnis.

Missmutig wälzte ich mich auf dem Diwan von einer Seite auf die andere, knuffte das bestickte Seidenkissen zu einem Ball zusammen und versuchte vergeblich, das Gefühl der Übelkeit zu ignorieren, das in gleichmäßigen Wellen aus meinem Magen emporstieg. Mir war schlecht wie selten zuvor in meinem Leben.

Aber die Übelkeit, die mich quälte, kam weder von dem zu reichlichen Essen noch von der Flasche Champagner, die ich fast zur Gänze geleert hatte, sondern resultierte einzig aus dem beständigen Stampfen und Schaukeln, das begonnen hatte, als ich diesen Alptraum von Schiff betrat und seither – von einer einzigen, kurzen Unterbrechung abgesehen – nicht mehr aufgehört hatte.

Ich war seekrank.

Ich habe Schiffe nie gemocht, sondern ihnen immer ein natürliches Misstrauen entgegengebracht; seit ich denken konnte, ist mir stets alles, was sich nicht auf festem Boden oder wenigstens Rädern oder Schienen bewegt, irgendwie suspekt gewesen. Aber seit ich an Bord der NAUTILUS war, hatte ich angefangen, sie zu hassen.

Dabei war das beständige Schaukeln und Wiegen des Bodens nicht einmal sehr schlimm. Immerhin befanden wir uns gute zehn Faden unter der Oberfläche des Meeres, sodass das Schiff vom Wellengang weitgehend unberührt blieb, aber die Strömung war hier, nahe der schottischen Küste, selbst unter Wasser so stark, dass sich das Boot beständig mit der Kraft seiner Maschinen gegen den Druck des Wassers stemmen musste.

Wenigstens war das die Erklärung, die ich mir selbst zurechtgebastelt hatte, in den Stunden, die ich wach auf dem Diwan gelegen, die Decke angestarrt und versucht hatte, der Übelkeit in meinen Eingeweiden Herr zu werden.

Ich wusste nicht einmal, wie lange ich mich an Bord dieses phantastischen Schiffes befand. Trotz allem war ich eingeschlafen, kaum dass mich Nemo unter Deck gebracht und mir meine Kabine gezeigt hatte, und der Schwere meiner Glieder nach zu urteilen, die ich nach dem Erwachen verspürte, musste es ein sehr langer Schlaf gewesen sein.

Seitdem lag ich hier, starrte die Decke mit der runden, elektrischen Lampe darunter an und wartete; worauf, wusste ich selbst nicht. Kapitän Nemo hatte auf keine meiner Fragen – und es waren ihrer eine Menge gewesen! – wirklich geantwortet, sondern sich in geheimnisvollen Andeutungen ergangen, nach denen ich mich verwirrter fühlte als vorher.

Ein metallisches Schaben von der Tür her ließ mich aus meinen düsteren Gedanken auffahren. Ich blinzelte, setzte mich mit einem Ruck auf dem Diwan auf und sank gleich wieder zur Seite, als mein Magen die unvorsichtige Bewegung mit einem neuerlichen Schub saurer Galle in meinen Mund quittierte. Das wuchtige Schott glitt mit einem hörbaren Quietschen zur Seite, und ein hochgewachsener Mann im blau-weiß gestreiften Bordhemd des Schiffes und schwarzen Hosen trat gebückt durch die Öffnung. Es war der gleiche Mann, der mir vor Stundenfrist das Essen gebracht hatte.

Schweigend wartete er, bis ich mich – weitaus langsamer und vorsichtiger als beim ersten Mal – erhoben hatte, trat zur Seite und machte eine einladende Handbewegung auf den Gang hinaus. Ich trat an ihm vorbei und rammte mir prompt den Schädel an der niedrigen Kante des Schotts an. Die Mundwinkel des Matrosen zuckten verdächtig, aber er verbiss sich mit Macht das Grinsen, das mein Missgeschick ihm aufdrängen wollte, als er meinem finsteren Blick begegnete, sondern beeilte sich, sich an mir vorbeizuschieben und gebückt vorauszugehen.

Trotz meiner Übelkeit, die jetzt, als ich auf dem schwankenden Boden auch noch gehen musste, noch weiter zunahm, erweckte der Anblick sofort meine Neugier. Der Gang war so niedrig, dass auch ein sehr viel kleinerer Mann als ich schwerlich hätte aufrecht gehen können. Alles an Bord dieses phantastischen Schiffes war irgendwie eng und klein. Seine Wände, die leicht einwärts gebogen waren, wie um der Krümmung des Rumpfes zu folgen, waren mit schweren, goldbemalten Tapeten und Stoffen verziert, nur hier und da lugte eine Leitung oder ein sonderbares technisches Gerät hervor, aber auch diese verkleidet und kaschiert, so gut es ging. Wie in meiner Kabine verbreiteten wundersame elektrische Lampen unter der Decke mildes, nahezu schattenloses Licht, und wie dort lagen auf dem Boden weiche Teppiche, gegen die selbst die Bodenbeläge meines gewiss nicht ärmlichen Hauses in London schäbig ausgesehen hätten. Wäre das rhythmische Pochen der schweren Maschinen nicht gewesen, die tief unter uns im Leib des Schiffes wie gewaltige stählerne Herzen schlugen, hätte ich eher angenommen, sich in einem feudalen Landhaus zu befinden, nicht in einem Schiff, das zehn Faden unter der Wasseroberfläche die Meere durchkreuzte.

Der Gang schien wie eine gewaltige stählerne Aorta durch die gesamte Länge des Schiffsrumpfes zu gehen, denn wir legten eine Distanz von gut fünfzig Schritten zurück, ehe der Matrose vor einem weiteren halbrunden Schott stehenblieb und mit einer auffordernden Handbewegung zur Seite wich. Die zollstarke Panzertür glitt nahezu lautlos nach oben, als ich darauf zutrat, und gab den Blick auf eine eng gewundene, metallene Treppe frei, die dahinter gleichzeitig nach unten und in die Höhe führte.

Mein schweigsamer Führer lächelte auffordernd, trat zurück und wies mit einer Handbewegung nach oben, wie um mir mit Gesten zu verstehen zu geben, dass ich weitergehen sollte, ohne auf ihn zu warten. Wahrscheinlich, überlegte ich, war er des Englischen nicht mächtig und versuchte sich auf diese Weise verständlich zu machen.

Die Sicherheitstür fiel hinter mir zu, kaum dass ich den Fuß auf die erste Stufe der Eisentreppe gesetzt hatte. Instinktiv blieb ich stehen, sah kurz nach oben und beugte mich dann über das schmale Geländer, um in die Tiefe zu blicken. Viel gab es allerdings nicht zu sehen. Die Treppe endete nach drei, vier weiteren, engen Windungen in einem winzigen, runden Raum, dessen Wände von vier niedrigen gepanzerten Türen durchbrochen waren, ähnlich der, durch die ich selbst gerade gekommen war. Der Boden war dort unten nackt, und auch an den Wänden sah das unverkleidete Eisen des Schiffsrumpfes hervor, übersät mit einer Unzahl sinnverwirrenden technischen Gerätes. Das rhythmische Pochen des stählernen Pulses dieses Giganten der Meere schien dort unten lauter zu sein, und als ich mich darauf konzentrierte, vermeinte ich ein ganz sanftes Vibrieren unter meinen Füßen zu spüren. Dort unten mussten die geheimnisvollen Maschinen liegen, die die NAUTILUS antrieben. Ich ging weiter. Ganz sicher wartete man oben auf mich, und solange ich nicht wirklich wusste, auf welcher Seite der Herr dieses geheimnisvollen Schiffes stand, hatte es wenig Sinn, sein Misstrauen zu wecken.