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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 28

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Achtundzwanzigstes Kapitel

Der Präriewolf und der Wolftöter

Als wir den Marais des Cygnes hinter uns hatten, wurde die Gegend lichter. Sie bestand aus einem Gemisch von Wald und Prärieland, welch Letzteres jedoch immer mehr die Oberhand gewann, je weiter wir nach Westen vordrangen. Die lichten Stellen wurden größer, bis sie das Aussehen umfangreicher Wiesen annahmen, die von Baumgruppen eingeschlossen wurden, welche aus der Ferne großen Hecken glichen. Von Zeit zu Zeit sahen wir solche Gruppen, welche abgesondert von den größeren Waldstrecken standen und gleich Inseln auf der Fläche eines grünen Meeres erschienen, wie sie denn auch in der Tat von den Jägern und anderen Bewohnern der Prärie unter diesem Namen bekannt sind. Manchmal war die Oberfläche wellenförmig oder, wie es dort genannt wird, rollend, und unser Pfad zeigte viel Mannigfaltigkeit, da er bald auf, bald ab führte, während wir die sanften Anhöhen überschritten. Die Waldung, durch welche wir bisher gereist waren, bestand aus Eschen, Steineichen, schwarzen Wallnüssen, Kastanien, amerikanischen Ulmen, Hickorybäumen, Preiselbeeren und Sumah, und an niedrigen, feuchten Stellen aus Platanen und langblättrigen Weiden. Diese Bäume machen unter vielen anderen den Hauptbestandteil der großen Waldungen sowohl auf dem östlichen als auch auf dem westlichen Ufer des Mississippi aus.

Während wir nach Westen vordrangen, lenkte Besançon unsere Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass alle diese Baumarten eine nach der anderen aus der Landschaft verschwanden, und dass an ihrer Stelle nur eine einzige Art allein den Hochwald bildete, nämlich der berühmte Baumwollbaum, eine Art Pappel. Ich sage berühmt, weil ihn, als fast den einzigen Baum von beträchtlicher Größe in der ganzen Region der großen Ebenen alle Trapper und Präriereisenden recht gut kennen und ihm eine besondere Verehrung widmen. Ein Hain von Baumwollbäumen ist stets ein erfreulicher Anblick für alle, welche durch die endlosen Ebenen der Prärie reisen. Er verspricht Schutz gegen den Wind oder die Sonne, Holz für das Lagerfeuer und vor allem Wasser, um den Durst zu löschen. Mit ähnlichen Empfindungen des Entzückens, wie der Schiffer des Ozeans nach dem Anblick des willkommenen Hafens trachtet, späht der Schiffer des Präriemeeres in der ausgedehnten Wüstenei nach dem silberglänzenden Laue des Baumwollbaumhaines, den er als seine zeitweilige Heimat, als seinen Ruheplatz und Zufluchtsort ansieht.

Nachdem wir über Hunderte von kleinen Prärien gekommen waren, die durch Haine von Baumwollbäumen voneinander getrennt wurden, gelangten wir auf eine hohe Stelle des Little Osage River, eines Nebenflusses des größeren Stromes gleichen Namens. Bisher waren wir noch nicht auf Büffelfährten gestoßen und fingen bereits an, die Richtigkeit der in St. Louis erhaltenen Nachrichten zu bezweifeln, als wir mit einer Gesellschaft freundschaftlich gesinnter Kansa zusammentrafen, die uns auf das Höflichste aufnahmen. Von diesen erfuhren wir, dass die Büffel in diesem Jahr früher am Little Osage gewesen wären, dass sie sich jedoch, von Jägern verfolgt und gelichtet, viel weiter nach Westen gezogen hätten und sich, dem Vermuten nach, auf der anderen Seite des Noosho oder Big River, eines nördlichen Nebenstromes des Arkansas, befänden. Diese Nachricht war keineswegs angenehm, denn wir mussten wenigstens noch hundert Meilen weiter reisen, ehe wir mit dem Wild zusammentreffen konnten, aber trotzdem dachte keiner von uns daran, zurückzukehren. Nein, alle und jeder erklärte, dass wir eher selbst bis zu den Felsengebirgen ziehen und uns der Gefahr aussetzen wollten, durch feindliche Indianer skalpiert zu werden, als den Zweck unserer Expedition aufgeben.

Hierin lag allerdings nicht wenig Prahlerei, aber wir hatten nun einmal fest beschlossen, nicht ohne unsere Büffeljagd heimzukehren.

Wir dankten unseren Kansafreunden für ihre Gefälligkeit und trennten uns von ihnen, um den Weg nach Westen und zum Noosho einzuschlagen. Als wir weiter vordrangen, wurden die Bäume selten, bis sie sich endlich nur noch an den Ufern der weit voneinander entfernten Flüsse vorfanden. Zuweilen war während der ganzen Tagesreise kein einziger Baum zu erblicken. Wir befanden uns mitten in der Prärie.

Endlich überschritten wir den Noosho, sahen aber noch keine Büffel. Weiter und weiter zogen wir, überschritten mehrere andere große Flüsse, die alle in südöstlicher Richtung dem Arkansas zuströmten, fanden aber immer keine Büffel und fingen in der Tat an, uns außerordentlich nach dem Anblick dieses großen Wildes zu sehnen.

Die wenigen Hirsche, welche von Zeit zu Zeit erlegt wurden, gewährten uns nur geringes Jagdvergnügen und ihr Fleisch reichte zu unserem Unterhalt nicht aus. Auch des Speckes waren wir herzlich müde und es verlangte uns nach frischem Büffelfleisch. Die Lobsprüche, welche unsere Führer dem Wohlgeschmack dieses Fleisches spendeten, ihre Unterhaltung am Lagerfeuer über fettes Kuhfleisch, Boudins (Kaldaunen) und Feistrippen reizte unseren Appetit und wir alle waren begierig, unsere Zähne an den gepriesenen Leckerbissen zu versuchen. Doch immer und immer zeigte sich noch kein Büffel und wir sahen uns gezwungen, noch mehrere Tage länger unseren Speck zu kauen und unsere Ungeduld zu bezähmen.

Es fand nun allmählich eine große Veränderung im Aussehen des Landes statt. Die Bäume wurden noch seltener und der Boden dürr und sandiger. Es zeigten sich Kaktusarten an unserem Weg, nebst mehreren anderen Pflanzen, die den Augen der meisten von uns neu und für Besançon Gegenstände besonderen Interesses waren. Aber am meisten Vergnügen machte uns das Erscheinen eines neuen Graswuchses, der sich von dem bisherigen ganz verschieden zeigte und von unseren Führern mit Freudenrufen begrüßt wurde. Er bestand aus dem berühmten Büffelgras und die Trapper erklärten, dass wir nun nicht mehr weit zu gehen haben würden, bis wir die Büffel selbst träfen, indem, wo dieses Gras reichlich vorhanden sei, die Büffel sich ganz gewiss fänden, wenn sie nicht von den Jägern hinweg getrieben wären.

Das Büffelgras ist kurz, nicht über ein paar Zoll hoch, mit gekrümmten spitzigen Halmen, welche oft Ausläufer treiben, die wiederum Wurzel schlagen, selbst Blätter und Halme hervorbringen und auf diese Art einen ziemlich dichten Rasen bilden. Wenn es blüht oder in Samen steht, ist es mit zahl reichen, einen halben Zoll langen Ähren besetzt, an denen die Körner regelmäßig und zweireihig stehen. Das Büffelgras macht, solange es wächst, das Haupt- und Lieblingsfutter der Büffel aus, und diese Tiere schweifen weit über die Prärie, um es aufzusuchen. Da wir dies wussten, so waren wir nun natürlicherweise in gespannter Aufmerksamkeit. Bei jeder neuen Ersteigung einer Anhöhe der Prärie waren unsere Augen geschäftig und schweiften über die Oberfläche nach allen Seiten rings um uns aus.

Im Verlauf weniger Tage wurden wir mehrere Male durch falschen Lärm aufgeschreckt. Die helle Luft dieser Gegen den bringt nämlich eine eigentümliche Sinnentäuschung hervor. Die Gegenstände werden dadurch nicht nur vergrößert, sondern auch häufig in ihren Umrissen verzerrt, und nur ein alter Jäger vermag einen Büffel, wenn er ihn sieht, als solchen zu erkennen. Von anderen wird oft ein Busch für einen wilden Büffel angesehen, und von uns wurden ein paar Aaskrähen, die auf dem Kamm eines Hügels saßen, für Büffel gehalten, bis sie plötzlich aufflogen und die Täuschung dadurch zerstörten.

Schon lange zuvor hatten wir das wohlbekannte Tier der großen Ebenen, den Präriewolf, angetroffen. Der Präriewolf bewohnt die weiten, noch unbevölkerten Strecken zwischen dem Mississippi und den Küsten des stillen Weltmeeres. Sein Gebiet erstreckt sich noch über die Prärien hinaus. Er findet sich in den waldigen Gebirgsschluchten Kaliforniens und des Gebietes der Felsengebirge. In ganz Mexiko ist er beheimatet und dort unter dem Namen Coyote bekannt. Ich habe sogar eine Menge dieser Tiere auf Schlachtfeldern, so weit südlich, wie das Tal von Mexiko, an Leichen zerren sehen. Sein Name Präriewolf ist daher einigermaßen unpassend und dies umso mehr, da die größeren Wölfe gleichfalls Bewohner der Prärie sind. Er ist ihm nur deshalb gegeben worden, weil das Tier zunächst in der Präriegegend im Westen des Mississippi von den ersten Erforschern derselben beobachtet wurde.

In den Waldgegenden, östlich vom Big River, ist nur der große, gemeine Wolf bekannt.

Welche Ungewissheit auch in Bezug auf die vielen Spielarten des großen Wolfes herrschen mag, so kann doch hinsichtlich des Präriewolfes kein Zweifel stattfinden. Er unterscheidet sich von allen anderen Arten durch die Größe und viele seiner Gewohnheiten. Eher gleicht er dem Schakal als jedem anderen Tier und gilt in der Neuen Welt als der Repräsentant dieses berühmten Tieres.

Zu der Größe steht der Präriewolf gerade zwischen dem Fuchs und dem großen Wolf. Mit dem Aussehen des Letzteren verbindet er die ganze Schlauheit des Ersteren. Er ist meistens von grauer Farbe, je nach den Umständen heller oder dunkler und oft mit einem Anflug von Rot und Braun. Was seine Schlauheit anbetrifft, so reicht ihm der Fuchs nicht das Wasser. Er kann nicht in Fallen gefangen werden, sondern unterwühlt sie und schleppt die Lockspeise davon, ohne die Falle zu berühren. Dem Tellereisen weicht er aus, wenn es auch noch so gut verborgen ist, und auch die Kastenfalle hat sich als nutzlos erwiesen. Ein weiterer Beweis für die Schlauheit des Präriewolfes liegt auch in der Art und Weise, wie er Antilopen und andere Tiere, denen er nachstellt, in seine Nähe lockt. Er ist ein beständiger Begleiter der Karawanen oder Reisegesellschaften, welche durch Prärieland ziehen. Ein Rudel Präriewölfe folgt nicht selten einer solchen Gesellschaft Hunderte von Meilen weit, um sich der im Lager zurückgelassenen Abfälle zu bemächtigen. Auf der Prärie pflegen sie sich gerade außerhalb der Schussweite der Büchsen niederzulegen, beobachten jedoch diese Regel nicht immer, da sie wissen, dass sie nicht viel Gefahr laufen, beunruhigt zu werden. Die Jäger schießen selten auf sie, da sie die Häute nicht des Besitzes wert halten und keine Ladung Pulver an sie verschwenden mögen.

Wenn sie aber einer Karawane kalifornischer Auswanderer folgen, bei welcher es gewöhnlich einen Überfluss von Jagdliebhabern gibt, die stets bereit sind, auf alles zu feuern, beobachten sie mehr Vorsicht.

Die Präriewölfe sind auch die beständigen Begleiter der Büffelherden. Diesen folgen sie Hunderte von Meilen weit und die Umgebung derselben ist in der Tat für den Augenblick ihre Heimat. Sie lagern sich in geringer Entfernung von den Büffeln auf der Prärie, warten und lauern in der Hoffnung, dass eines dieser Tiere verwundet oder von den Übrigen getrennt werden oder dass sich eine Kuh mit ihrem eben geworfenen Kalb unter die Nachzügler begeben möchte. In solchen Fällen sammelt sich das Rudel um das unglückliche Tier und martert es zu Tode. Zuweilen tritt auch ein verwundeter oder altersschwacher Bulle aus und wird angegriffen. In solchem Fall ist der Kampf hartnäckiger und der Bulle wird oft schrecklich verstümmelt, ehe sie ihn niederbringen. Im Verlaufe des Kampfes werden in der Regel auch mehrere Wölfe kampfunfähig gemacht.

Der Präriereisende kann oft um sich blicken, ohne nur einen einzigen Wolf zu sehen, aber er darf nur seine Büchse losschießen, so werden sich wie durch Zauberei zwanzig bis dreißig von ihnen zeigen. Sie verlassen ihre Verstecke und stürzen herbei, in der Hoffnung, von der erlegten Beute einen Anteil zu erhalten. Während der Nacht stören sie das Prärielager durch ihr klägliches Geheul, und die meisten Reisenden würden gern eine solche Musik entbehren. Ihre Stimme besteht aus einem Gebell, dem eines Rattenfängers gleichend, das dreimal wiederholt und dann zu einem richtigen Wolfgeheul verlängert wird. Infolge dieser Eigentümlichkeit ziehen es einige Naturforscher vor, sie bellende Wölfe zu nennen. Die Präriewölfe besitzen die ganze Grausamkeit ihres Geschlechtes, aber es kann keine feigeren Geschöpfe geben als sie. Unter gewöhnlichen Umständen fürchtet sich niemand vor ihnen; gleichwohl hat man sie auf Verwundete und bei strenger Witterung, wenn sie durch Hunger ungewöhnlich wild gemacht werden, auch auf einzelne gesunde Menschen vereinte Angriffe, wie die bereits erwähnten, machen sehen. Aber weder der Reisende noch der Jäger blickt mit Furcht auf sie, und Letzterer verschmäht es, sein Pulver an ein so wertloses Wild zu verschwenden. Unser Führer Ike machte jedoch eine Ausnahme von der Regel. Er war der einzige mir bekannte Jäger, der Präriewölfe schoss, und zwar so oft er einen erblickte. Ich glaube, selbst seine letzte Kugel hätte er fliegen lassen, wenn sich eine Gelegenheit geboten hätte, sie einem Wolf in den Leib zu jagen. Wir fragten ihn, wie viele er wohl in seinem Leben erlegt habe. Er zog einen kleinen gekerbten Stab aus seinem Allerleisack und forderte uns auf, die Einschnitte an demselben zu zählen. Wir taten es und fanden im Ganzen 145.

»Sie haben also 145 erlegt?,« riefen wir, über die Menge erstaunt.

»Ja, allerdings!«, antwortete er mit einem stillen Kichern, »so viele Dutzend, denn jeder von den Einschnitten da zählt zwölf. Ich mache nur dann eine Kerbe, wenn ich das volle Dutzend abgefertigt habe.«

»Einhundertfünfundvierzig Dutzend«, wiederholten wir verwundert, obwohl keiner an der Wahrheit dieser Angabe zweifelte, da der Trapper keine Ursache, uns zu täuschen, und gewiss die volle angegebene Anzahl von Wölfen erlegt hatte.

»Das sind viel, bei Gott!«

Wir waren natürlicherweise neugierig, die Ursache seines Widerwillens gegen die Präriewölfe zu erfahren, welcher ihm den Spitznamen Wolftöter verschafft hatte, und brachten ihn auch nach kurzer Zeit dahin, sich uns mitzuteilen.

»Nun, Freunde«, begann er, »ungefähr vor zehn Wintern reiste ich mutterseelenallein von Bent’s Fort am Arkansas nach Laramies am Platte. Ich hatte die Reise in Geschäften für Bill Bent unternommen, über die Wasserscheide gesetzt und konnte schon die schwarzen Gebirge sehen, als ich für eine Nacht auf der offenen Prärie ohne Busch oder Rain zu meinem Schutz kampieren musste. Es war vielleicht die kälteste Nacht, deren ich mich erinnere, denn es blies ein Wind von den Bergen herüber, der einem eisernen Hund das Haar hätte erfrieren machen. Ich wickelte meine Wolldecke um mich, aber der Wind pfiff durch, als ob sie ein Ringelzaun gewesen wäre. Das Hinlegen half nichts, denn ich konnte nicht schlafen, und so blieb ich sitzen. Sie werden vielleicht fragen, warum ich kein Feuer machte. Ich will Ihnen sagen, warum. Erstens gab es auf zehn Meilen rings herum kein Reisigholz, und zweitens hätte ich nicht wagen dürfen, ein Feuer anzumachen, wenn es auch Holz gegeben hätte. Ich reiste durch das schlechteste Stück Indianerland, was man finden konnte, und hatte am nämlichen Tag zwei bis drei Mal Indianerzeichen gesehen. Es lag allerdings eine ziemliche Menge von leidlich trockenem Büffelmist da, womit ich ein Feuer hätte anmachen können, und endlich zündete ich mir ein Feuer nach ganz besonderer Art auch wirklich an. Das machte ich so: Da ich sah, dass ich bei der verwünschten Kälte kein bisschen schlafen konnte, so las ich etwas von dem Büffelmist zusammen, dann machte ich mit meinem Bowiemesser ein Loch in die Erde. Das war eine schwere Arbeit, aber ich kam endlich doch durch die Kruste und machte eine Art von Ofen zurecht, der ungefähr einen oder anderthalb Fuß tief war. Auf den Grund legte ich etwas trockenes Gras und abgestorbene Salbeistängel, zündete dies an und warf den Büffelmist darauf. Das Ding brannte leidlich, aber der Rauch von dem Büffelmist würde ein Stinktier erstickt haben. Sobald es ordentlich im Gang war, kauerte ich mich nieder, setzte mich so über das Loch hin, dass ich die ganze Wärme unter meine Decke auffing, und befand mich nun so ziemlich behaglich. Natürlicherweise konnte bei Nacht kein Indianer den Rauch sehen und ich meine, es würden überhaupt scharfe Augen dazu gehört haben, das Feuer gewahr zu werden.

Nun, Freunde, das Tier, auf dem ich ritt, war ein junges, ungefähr erst halbdressiertes Mustang-Füllen. Ich hatte es erst in der Woche vorher bei Bent’s Fort von einem Mexikaner gekauft, und das war seine erste Reise, wenigstens mit mir. Ich hielt es natürlicherweise am Zügel, musste aber das Ende des Strickes in der Hand behalten, weil ich an jenem Tag meinen Pflock verloren hatte. Da ich aber dachte, dass ich nicht wieder einschlafen würde, so mochte es wohl auch ohne Pflock gehen.

Mit der Zeit fing ich jedoch an, schläfrig zu werden. Das Feuer zwischen meinen Beinen versprach, mich vor dem Erfrieren zu schützen, und so dachte ich, dass ich ebenso gut ein Schläfchen machen, als wachen könnte. Ich band mir also den Strick um die Knöchel, steckte den Kopf zwischen die Knie und war in so viel Zeit weg, wie eine Ziege braucht, um einmal mit dem Schwanze zu wedeln.

Als ich einnickte, bemerkte ich eben noch, dass sich der Mustang etliche Schritte von mir befand und das trockene Präriegras kaute. Ich denke, ich muss ungefähr eine Stunde oder so etwas geschlafen haben, genau kann ich nicht sagen, wie lange, sondern weiß nur, dass ich nicht von selbst aufwachte. Ich wurde aufgeweckt, und als ich die Augen aufschlug, glaubte ich noch immer zu träumen. Leider war es aber nicht ein unangenehmer Traum, sondern zu meinem Unglück echte Wirklichkeit. Zuerst konnte ich nicht begreifen, was mir geschah, und dann glaubte ich, ich befände mich in den Händen der Indianer, die mich über die Prärie schleppten. Allerdings wurde ich auch darüber hingeschleppt, aber nicht von den Indianern. Zuweilen lag ich ein oder zwei Sekunden still, und dann wurde ich wieder fortgezerrt und über den Boden geschleppt, als ob ich an den Schweif eines galoppierenden Pferdes gebunden wäre. Dabei gellte mir ein Heulen in den Ohren, als ob alle Katzen und Hunde der ganzen Welt auf mich losgelassen wären.

Nun, es dauerte eine geraume Zeit, ehe ich begreifen konnte, was dies alles zu bedeuten hatte. Endlich wurde ich es gewahr. Das Zerren an meinen Knöcheln brachte mich darauf. Mein Mustang war durchgegangen und schleppte mich an dem Strick, den ich am Knöchel befestigt hatte, in vollem Galopp über die Prärie. Das Bellen, Heulen und Kreischen aber, was ich hörte, rührte von einem Rudel Präriewölfe her, die halb verhungert, den Mustang angegriffen und fortgescheucht hatten. Dies alles flog mir auf einmal durch die Gedanken. Sie werden vielleicht sagen, es sei leicht gewesen, den Strick zu ergreifen und den Mustang anzuhalten; aber ich kann Ihnen sagen, dass es mir doch nicht so leicht erschien, wenigstens nicht in meiner Lage. Meine Knöchel befanden sich in einer Schlinge und waren fest zusammengezogen. Solange ich fortgerissen wurde, konnte ich demnach unmöglich auf die Beine kommen; und wenn der Mustang je einmal Halt machte, und ich hatte mich kaum halb aufgerichtet, so stob das  Tier wieder weiter, bevor ich den Strick erreichen konnte, und schleuderte mich der Länge nach auf die Erde. Auch hinderte mich noch etwas anderes. Bevor ich schlafen ging, hatte ich meine Decke nach mexikanischer Sitte umgenommen; d. h. den Kopf durch den Schlitz in der Mitte gesteckt, und als nun das Zerren anfing, schlug sich mir die Decke um das Gesicht und erstickte mich halb. Zugleich, und das fiel mir erst später ein, schützte mich die Decke auch ein wenig, sodass ich nicht ganz zerkratzt und zerschunden wurde.

Endlich brachte ich die Decke herunter, nachdem ich, meiner Berechnung nach, ungefähr eine Meile zurückgelegt hatte, und nun konnte ich mich zum ersten Mal umsehen.

Welchen Anblick gewahrte ich! Der Mond schien und ich bemerkte, dass der Boden von Schnee ganz weiß war, denn es hatte geschneit während meines Schlafes; doch war nicht dies der Anblick, den ich meine, sondern um mich herum wimmelte die ganze Prärie von Wölfen, verwünschten Präriewölfen, denen die Zungen lang aus dem Halse heraushingen, während heißer Dampf aus ihren offenen Rachen strömte. Da mich die Decke nun nicht mehr hinderte, so machte ich so gut wie möglich von meinen Armen Gebrauch. Zweimal erfasste ich den Strick, aber immer, ehe ich mich aufrichten konnte, um mein galoppierendes Tier anzuhalten, wurde er mir wieder aus der Hand gerissen. Nun suchte ich mein Messer in die Hand zu bekommen, und bei der nächsten besten Gelegenheit führte ich damit einen Hieb nach dem Strick, hörte das Knirschen des Messers und lag nun plötzlich ganz still auf der Prärie, so still, dass ich fast glaube, ich war in Ohnmacht gefallen. Jedenfalls dauerte meine Betäubung nicht lange, denn als ich wieder zu mir kam, sah ich den Mustang ungefähr eine halbe Meile entfernt immer noch laufen, so schnell ihn seine Beine tragen wollten, während die meisten Wölfe hinter ihm drein heulten. Etliche von diesen Bestien hatten sich um mich versammelt; aber ich sprang auf, stürzte mit dem funkelnden Messer auf sie los und jagte sie nach allen Richtungen auseinander. Hieraus schaute ich dem Mustang nach, bis er meinen Augen entschwand, und nun war ich in Verlegenheit, was zu tun. Zunächst ging ich zu meiner Decke zurück, hing sie mir um und schritt nun der Spur nach, um auch meine Büchse und die anderen Sachen von meinem Lagerplatz zu holen. Die Spur war im Schnee leicht zu finden, und ich konnte die ganze Furche sehen, wo ich darüber hingefahren war. Nachdem ich meine Habseligkeiten an mich genommen hatte, marschierte ich hinter dem Mustang her und folgte seiner Fährte wenigstens zehn Meilen weit. Trotzdem habe ich den armen Burschen aber in meinem Leben nicht wieder gesehen. Ob ihn die Wölfe niedergehetzt haben mochten oder nicht, kann ich nicht sagen. Ich sah ihre Fährten im Schnee auf dem ganzen Weg hinter ihm her und merkte nachgerade, dass es nichts nützen würde, ihm noch weiter zu folgen. So viel stand fest, dass ich auf der Prärie nicht bleiben konnte, also packte ich mein Zeug zusammen und trabte zu Fuß nach Laramies Fort zurück. Drei Tage hatte ich zu laufen, bis ich ankam, und manche Verwünschung mag ich unterwegs ausgestoßen haben, denn ich war gehörig mitgenommen worden. In meinem ganzen Körper gab es keinen Knochen, der mir nicht weh getan hätte, und meine Haut und meine Kleider waren, sozusagen, in Fetzen zerrissen. Ohne meine Decke und den Schnee hätte es freilich noch weit schlimmer sein können. Genug, am Ende kam ich doch wohlbehalten in das Fort, wo ich sofort wieder mit einem frischen Anzug aus Hirschleder und einem Pferd ausgerüstet wurde. Aber seit jener Zeit habe ich niemals einen Präriewolf in Schussweite meiner Büchse gesehen, ohne auf ihn zu feuern, und Sie sehen selbst, dass ich seitdem einer hübschen Partie den Garaus gemacht habe. Die Bestien!

Nicht wahr, Mark?«

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