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Ein Ostseepirat Band 1 – Zur rechten Zeit

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
X.

Zur rechten Zeit

Als der alte Lotse die Kajüte verlassen hatte, schwiegen die beiden darin zurückgebliebenen Männer mehrere Minuten.

Während dieses Schweigens blickte der Kapitän finster auf den Tisch vor sich hin. Dagegen musterte van Swieten denselben von Zeit zu Zeit mit einem gewissen zweideutigen Lächeln.

»Das scheint getroffen zu haben!«, sagte derselbe endlich langsam, »dieser alte Lotse hat es offenbar faustdick hinter den Ohren und ich will nur hoffen, dass er nicht noch andere als Lotsensignale mit dem Land wechselt!«

Kapitän Dyk hob langsam und mit einem tiefen Seufzer den Kopf.

»Nein, Swieten!«, antwortete er, »deswegen keine Sorge, dieser Alte verrät mich wohl nicht, doch seine Erscheinung sagt mir, dass ich in gewisser Hinsicht zu wenig Vorsicht angewendet habe. Es könnten mich auch noch andere erkennen!«

»Nun, das musste man doch voraussetzen!«, erwiderte der Holländer leichthin, »es lag ziemlich nahe. Aber was ist an der Erzählung des Alten, Kapitän?«

»Sie ist wahr!«, antwortete Dyk ernst, »aber sie musste stattfinden, um mir zu sagen, was ich zu tun habe – weiß es Gott, ich wollte schon so edel sein, das mir anvertraute Gut abzuliefern, wie ich es empfangen habe!«

Van Swieten ließ ein leichtes Lachen hören, legte mehrmals seine fetten Hände übereinander und nickte dann dem Kapitän mit einem spöttischen Lächeln zu.

»Hätte ich auch getan – bei Gott!«, rief er dann fast überlaut, »wir sind ja eigentlich die Kerle Kavaliere zu heißen und nur zu tun, was die Ehre gebietet, die Rechtlichkeit fordert!«

»Schweig – du!«, sagte Dyk, während sein bleiches Gesicht wieder dunkel erglühte. »Befiehl, dass der Tisch abgeräumt wird und halte dich bereit, mit mir an die Arbeit zu gehen!«

Dyk sprach selten aus diesem Ton mit seinem Vertrauten, doch wenn es geschah, wusste dieser, was er davon zu halten hatte und schwieg nun, um der erhaltenen Weisung Folge zu leisten. Der Kapitän stieg auf das Verdeck.

Der Himmel war zwar mit Sternen besät, dennoch war die Nacht dunkel und ein fernes, dumpfes Brausen verkündete, dass eine Änderung des Wetters bevorstehe.

Kapitän Dyk lauschte zuerst diesem Geräusch, blickte dann zum Himmel empor und endlich auf die Umgebung, aus der ebenfalls verschiedene Lichter hervorleuchteten.

Bald jedoch richtete sich sein Blick fest nach Norden. Er versank in tiefes Nachdenken. Woran dachte Dyk?

Es kann nicht eben schwer sein, dies zu erraten. Die Töchter des Majors von der Grieben, besonders die eine derselben, Clara, war es, welche seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Dyk empfand, was er noch nie empfunden hatte. Er hatte sein Herz an eine Dame verloren.

Wir haben Dyk bereits als tüchtigen Seemann kennen gelernt. Sein Verstand war jedenfalls ein nüchterner, sobald nicht eine Leidenschaft, welche ihn fast ganz beherrschte, ins Spiel kam. Er dachte daher auch jedenfalls nicht allein an das Glück einer Begegnung und der Bekanntschaft mit Clara, sondern bedachte vielmehr wohl die Unmöglichkeit, sich mit derselben vereinigen zu dürfen, selbst wenn seine Neigung erwidert werden sollte.

Diesem Umstand galten deshalb auch wohl die Seufzer, welche sich zu Zeiten seiner Brust entrangen, wodurch er einigermaßen allen Verliebten ähnlich wurde.

Neben seinen Seufzern zeigten andere heftige Bewegungen, dass es ihm im Blut lag, durchzusetzen, was er sich einmal vorgenommen hatte. Jedenfalls war er für den Moment von einem Gedanken ganz in Anspruch genommen, was sich zeigte, als ihm Swieten näher tretend seine Hand auf die Schulter legte.

»Es war eine Torheit!«, rief Dyk, zusammenfahrend.

»Wovon sprecht Ihr, Kapitän?«, fragte der Steuermann ruhig, »ich bin seit vierundzwanzig Stunden Zeuge von so vielen Torheiten geworden, dass ich ohne nähere Bezeichnung nicht wissen kann, von welcher die Rede ist.«

Der Kapitän hatte sich schnell umgewendet. Wäre es Tag gewesen, dürften seine Züge ein bedeutendes Erröten gezeigt haben.

»Ihr habt recht, Swieten«, antwortete er lebhaft, »doch ich meinte das ganze Unternehmen, in welches ich mich eingelassen habe.«

»Bah!«, meinte der Holländer leicht, »das muss die Folge zeigen. Schon manche Torheit hat ihrem Urheber den Ruf eines klugen Mannes erworben.«

»Mag sein!«, entgegnete Dyk, »doch ich komme dadurch in eine mir fremde und gänzlich schiefe Lage. Könnt Ihr mir sagen, wie lange ich imstande bin, die Rolle eines gewöhnlichen Schiffskapitäns zu spielen?«

»Nein«, antwortete Swieten lachend, »aber wenn mich nicht alles täuscht, so dürfte sie schon morgen auf der Admiralität zu Ende sein.«

»Ja, ja, morgen«, sagte Dyk langsam. Plötzlich jedoch wendete er sich um.

»Was sagt Ihr vom Wetter, Swieten?«, fragte er, »ich denke, es jetzt um.«

»So gewiss, wie zwei mal zwei vier ist, schon bald nach Mitternacht.«

»Kommt!«

Das Gespräch der beiden Leute hatte auf der Galerie stattgefunden. Man wendete sich nun der Kajütenkappe zu. Beide betraten wieder die Kajüte.

In derselben war aufgeräumt, wie Dyk es befohlen hatte. Nachdem die Depeschentasche sowie die Kiste dem Tisch näher gebracht worden war, holte Swieten eine kleine Kiste mit Handwerkzeug verschiedener Art herbei.

Nach einem Wink des Kapitäns begann er mit verschiedenen Instrumenten zunächst die Depeschentasche zu bearbeiten, bis sich deren Deckel öffnete. Als dies gelungen war, schüttete er die darin befindlichen Papiere auf den Tisch.

Von diesen Letzteren waren verschiedene versiegelt, andere nicht; jedoch die meisten in Ziffern geschrieben.

Dyk sammelte sofort die verschiedenen Schreiben zusammen und schob sie zurück, sortierte dann die anderen und holte zuletzt aus dem Wandgetäfel ein kleines Blatt hervor, welches offenbar einen Schlüssel zu jener Schrift bildete.

Der Kapitän sowie Swieten bemühten sich nun, vermittelst desselben die Depeschen zu entziffern. Einige Zeit hindurch hörte man sie nur abgerissene Sätze miteinander wechseln. Dyk machte verschiedene Notizen.

Die durchgesehenen Papiere wanderten wieder in die Tasche und Dyk betrachtete längere Zeit die versiegelten Depeschen.

»Am besten, ich nehme die ganze Gesellschaft mit«, murmelte er dann, »die Siegel wieder herzustellen sind wir nicht imstande.«

Swieten machte nur eine zustimmende Bewegung mit dem Kopf.

Nachdem die Tasche wieder geschlossen war, kam die Kiste an die Reihe. Auch aus dieser wurden verschiedene Papiere und Karten zurückbehalten, die Kiste wieder verschlossen und sie wie die Tasche fortgeschafft. Dyk schien über etwas nachzusinnen.

»Ja«, sagte er endlich, »Swieten, es führt jeder Weg nach Rom und nun, wo ich habe, was ich haben muss, weiß, was ich erfahren konnte, wird es am besten sein, wenn ich Euch verlasse. Seht zu, wie Ihr weiterfahrt und wie Ihr Colberg erreichen mögt. Ich gehe hier an Land.«

»Mir recht!«, brummte Swieten, »natürlich wollt Ihr unbemerkt verschwinden.«

»Gewiss!«, antwortete Dyk.

Swieten verließ ohne weitere Anweisung die Kajüte und stieg auf das Verdeck. Dort schickte er den einzigen auf demselben anwesenden Mann hinab, zog die am Stern im Schlepptau hängende Jolle näher an das Schiff und begab sich wieder in die Kajüte.

Dyk hatte unterdessen die Papiere verborgen, noch andere hervorgesucht und zu sich gesteckt, sich mit Geld und Waffen versehen und noch einen Rock übergezogen. Es war alles bereit.

Als Swieten dies erkannte, ging er schweigend an das eine der beiden Kajütenfenster, öffnete es und hob es aus. Eine Minute hindurch lauschte er, dann aber schob er seinen Körper dem bereits vorangeschickten Kopf nach und verschwand durch die Öffnung. Dyk verlöschte das Licht.

Der Kapitän nahm hiernach denselben Weg und gleich darauf entfernte sich die Jolle langsam, aber lautlos von dem Schiff, das den beiden dessen ungeachtet bald nur als eine dunkle unförmliche Masse sichtbar blieb.

Sobald man sicher war, vom Schiff nicht mehr gesehen zu werden, ergriffen die Männer die Riemen und trieben das leichte Fahrzeug in der Richtung zur Pommer′schen Küste fort.

Man landete unweit von Barhöft, Dyk schritt nach kurzem Abschied schnell in das Land hinein und Swieten suchte den Rückweg zum Schoner.

Er erreichte denselben und stieg auf dem erst zurückgelegten Weg wieder in das Schiff. Von diesem Moment ab regte sich bis zum Morgengrauen nichts mehr in demselben.

Der Himmel zeigte sich am Morgen trübe. Der Wind war heftig geworden und strich kalt aus Norden daher, indem er Wolkenballen vor sich hinschob; doch war er dem Schoner günstig, und der Lotse ließ deshalb sehr bald den Anker lichten.

Nehls sah sich während der Fahrt bis Stralsund vergeblich nach dem Kapitän um. Er erschien nicht und als er deshalb eine Frage an Swieten richtete, wurde er barsch abgewiesen.

Nehls schüttelte den Kopf und tat fortan schweigend seine Schuldigkeit. Man erreichte Stralsund, doch schon oberhalb der Johannisschanze kam dem Schoner ein bewaffnetes Boot entgegen. Die in demselben befindlichen Offiziere stiegen an Bord, durchsuchten das Schiff und legten Beschlag auf dasselbe. Als das Fahrzeug an das Bollwerk geholt worden war, wurden statt des einen, den man verhaften wollte, jedoch nicht fand, alle darin befindlichen Männer, der Lotse nicht ausgenommen, verhaftet und auf die Kommandantur geführt.

Nehls verzog bei dieser Gelegenheit den Mund und gab bei Gelegenheit Swieten einen Rippenstoß. Swieten nickte ihm nur zu, jedoch diesmal ganz freundlich.

Die Verhafteten wurden auf der Kommandantur vernommen; jedoch ihre Aussagen machten den schwedischen Herren viel Kopfzerbrechen.

Die Papiere des Schoners waren vollständig in Ordnung – doch der fehlende Kapitän schien eine in der Nacht angelangte Anzeige zu bestätigen.

Dagegen konnte man eine solche Bestätigung mit der richtigen Ablieferung der wichtigen Depeschen nicht in Einklang bringen.

Jedenfalls wurde den schwedischen Behörden so viel klar, dass die Leute über die Sachen, von welchen sie aussagen sollten, ebenso verwundert wie sie selbst, also ganz schuldlos waren.

Als deshalb ein Handlungshaus, Schiff und Ladung als an dasselbe gerichtet, jenes beanspruchte, gab man die Verhafteten zugleich mit heraus, umso mehr, als der nachmittags auf der Admiralität erscheinende Klassen über das Fahrzeug und seinen Kapitän Mitteilungen gemacht hatte, welche beide im vorteilhaften Licht erscheinen ließen.

Man glaubte deshalb, dass die Mitteilung aus Stockholm einem Irrtum entsprungen, Dyk aber in der Nacht, ohne dass es jemand wahrgenommen hatte, verunglückt sei. Swietens Aussage machte dies ziemlich wahrscheinlich.

Als jedoch Nehls sich von demselben verabschiedete, sagte er, ihm die Hand herzhaft schüttelnd: »Sagt dem Kapitän, Herr, er könne sich stets und ständig auf den alten Nehls verlassen. Er wäre nur an Jahren, aber nicht am Herzen gealtert.«

»Werde es bestellen – wenn ich ihn wieder sehe«, sagte Swieten mürrisch und wendete sich ab.

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