Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Maxim Voland – Die Republik

Maxim Voland
Die Republik

Thriller, Hardcover mit Schutzumschlag, Piper Verlag, München, 26. Oktober 2020, 528 Seiten, 22,00 Euro, ISBN: 9783492070713

Europa, 1949: Die neu gegründete DDR umfasst nach einem unglaublichen Coup das gesamte deutsche Staatsgebiet, mit Ausnahme des westlichen Teils von Berlin. Gegenwart: Die DDR ist führende europäische Macht – ein hochmoderner Überwachungsstaat mit einem glücklichen Volk. So scheint es. Während internationale Agentenorganisationen im autonomen West-Berlin ihre Pläne schmieden, wird die DDR von einem furchtbaren Vorfall erschüttert: Über den Platz der Akademie zieht eine Giftgaswolke und fordert zahlreiche Tote. Ein Unfall? Ein Anschlag? Welche Macht steckt dahinter? Ein desillusionierter Stasi-Oberst, der französische Dolmetscher Christopher und die junge DDR-Bürgerin Alicia geraten in eine Verschwörung gigantischen Ausmaßes, die das Ende Europas bedeuten könnte …

Mittlerweile ist die Bombe geplatzt und der Schleier des Pseudonyms Maxim Voland1 gelüftet. Wozu der Deckmantel; was waren die Beweggründe? Möglich, dass die eingehende Analyse des Buches es beantworten kann. Wobei eine Aura des Nebulösen, so etwas passt ja zu einem Spionagethriller. Zu dessen Prämisse gehört eben die Kleinigkeit, dass einer dazumal sehr jungen Deutschen Demokratischen Republik 1949 in einem Coup unter ungeklärten Umständen gelang, das gesamte deutsche Staatsgebiet zu annektieren; exklusive West-Berlin, das heute, in diesem frühen 21. Jahrhundert unter der Bezeichnung Berlin-Deutschland mehr Schein als Sein vortäuscht. Die 89er Revolution? Abgeschmettert. Der Sozialismus obsiegte, es kam nie zur Wende. Vorwiegend umgeben von demokratisch geprägten Staaten, nimmt die DDR eine Ausnahmestellung ein; nicht nur auf politischer Ebene. Es ist die Republik auf dem europäischen Kontinent; Wegbereiter in Sachen Wirtschaft und Technologie – und weiterhin ein Land, das jede Bürgerin und jeden Bürger im Auge behält. Schöne neue Welt? Nicht vollkommen – und bei Weitem nicht mehr Bollwerk gegen den Kapitalismus, wie der desillusionierte Stasi-Oberst Gustav Kuhn aus eigener Erfahrung weiß. Die Verlockungen von harter Westwährung brachte so manche Regierungsleute und Teile des Überwachungsapparats zum Schmelzen. Auch mit der beschworenen Kameradschaft ist es nicht immer zum Besten bestellt; litt Kuhn aufgrund seiner dunklen Hautfarbe stets unter Benachteiligungen. Höchste Eisenbahn, dem Spuk ein Ende zu setzen und im Westen zu verschwinden, bis ein Giftgasangriff im Herzen von Berlin alle Pläne zunichtemacht.

Das ein Anschlag von derlei Ausmaßen sämtliche Geheimdienste aufscheucht, verwundert nicht. CIA, SIS, FSB … Amerikaner, Briten, Russen, die Agentenszene in Berlin-Deutschland ähnelt einem Ameisenhaufen. Verständlich. Mittendrin die Franco-Kanadierin und Endzwanzigerin Antoinette Harper, vordergründig VIP-Stadtführerin und Innenarchitektin. Hinter der Fassade wetzt eine ebenso störrische wie dickköpfige Geheimagentin ihre Krallen – und muss diese einsetzen, denn offenbar sitzen die Drahtzieher an höchsten und höchst mächtigen Stellen.

An Anschläge und Verschwörungen denkt der französische Übersetzer Chris nicht, als ihn ein Trauerfall der entfernten Verwandtschaft zum allerersten Mal gen DDR, genauer gesagt ins saarländische Gebiet verschlägt, bis unerwarteter Besuch vor der Haustür steht und er und die renitente Alicia in einer Affäre mit drinstecken, die weit zurückreicht …

Was-wäre-wenn-Gedankenexperimente sind nicht neu. Erst 2018 spielte Andreas Eschbach mit dem Roman NSA mit der Vorstellung eines Dritten Reiches mitsamt Computern, Handys und Internet als Alltäglichem. Wer Eschbachs Fiktion kennt, der kommt nicht umhin, beim Lesen von Die Republik an ihn zu denken. Gleiches Gewässer, aber nicht dasselbe, wohl aber ein gleichfalls ungemein reizvoller Ausgangspunkt. Die DDR im 21. Jahrhundert; wie würde dieser Staat wohl ausschauen? Dies ist eines der Pfunde, mit dem das Buch wuchert; da wurden definitiv die Hausaufgaben erledigt, mit denen konsequent bis zum Schluss gesponnen wird. Dass die Passagen im Saarland bisweilen und nicht unbedingt grundlos ziemlich Lokalkolorit besitzen – Schwamm drüber. Schwenkgrill und Lyoner for the win. Konsequent auch die Protagonisten, die trotz des bisweilen kinoreifen Drives Tiefe und nachvollziehbare Beweggründe haben. Hervorstehend dabei: Harper, so schnippisch wie rücksichtslos; ein Hybrid aus James Bond, John Wick und Charlize Therons Charakter aus Atomic Blonde (2017). Kein übler Mix. Entsprechend taucht er im routinierten Stil und den sauber choreografierten, aber so gut wie nie unübersichtlichen Actionpassagen auf. Da und dort wird aus der Routine zwar ein Schuh, insbesondere in einer Handlung, die Freunde von Spionagegeschichten kaum aus den Latschen kippen lässt, doch bekanntlich ist ja der Weg das Ziel. Und der macht tierisch Laune!

Fazit:
Ein filmreifer, extrem kurzweiliger Spionageroman in einem alternativen Deutschland, der ohne DDR-Bashing auskommt, dafür aber neutral Pro und Contra von Sozialismus und Kapitalismus offenlegt. Auch Leser*innen der Phantastik dürfte Die Republik gefallen. Mag die Auflösung ein bisschen zu sehr nach Altbewährtem rufen, wäre eine Fortsetzung respektive ein zweiter Auftritt von Agentin Harper dennoch sehr begrüßenswert!

(ts)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Show 1 footnote

  1. Es ist Markus Heitz!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert