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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 22

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Der amerikanische Hirsch

Auf unserer folgenden Tagereise trafen wir ein paar Hirsche, nämlich einen jungen Bock und eine Ricke, an und erlegten sie. Es waren die ersten Tiere dieser Art, welche wir bisher gesehen hatten, obwohl wir durch eine Hirschgegend gekommen waren. Sie gehörten zu dem Geschlecht der Rot- oder Fahl-Hirsche, welche man in allen Teilen des Gebietes der Vereinigten Staaten antrifft. Beiläufig mag hier bemerkt werden, dass der gemeine, manchmal Rothirsch genannte Hirsch der Vereinigten Staaten der Damhirsch Englands, das amerikanische Elentier der europäische Rothirsch, und das europäische Elentier das amerikanische Mosetier ist.

Es gibt in Nordamerika sechs scharf getrennte Arten von Hirschen, nämlich das Mosetier, das Elentier, das Caribou, den schwarzschwänzigen oder Maultierhirsch, den langschwänzigen und den virginischen oder fahlen Hirsch. Der Louisianahirsch wird von vielen für eine von den vorstehenden verschiedene Art gehalten; ebenso der Mazama in Mexiko. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass diese beiden Gattungen nur Spielarten des falben Hirsches sind und dass der Unterschied in der Farbe und in anderen Beziehungen nur von der Verschiedenheit der Nahrung, des Klimas und ähnlichen Ursachen herrührt.

Von den sechs genau erforschten Arten bewohnt der virginische Hirsch Länderstrecken von größter Ausdehnung und ist am meisten bekannt. Wenn einfach die Benennung Hirsch gebraucht wird, so versteht man nur immer ihn darunter. Er ist der gemeine Hirsch der Vereinigten Staaten.

Die Schwarzwedel und Langwedel sind erst neuerdings mehr bekannt geworden. Ihr Wohnplatz ist der ferne Westen in Kalifornien, Oregon, die hohen Prärien und die Täler der Felsengebirge.

Die geographische Verteilung der anderen vier Hirscharten ist merkwürdig. Jede derselben nimmt eine Breiten-Zone ein. Die des Caribou oder Rentieres erstreckt sich am weitesten nach Norden. Innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten findet er sich nicht vor.

Die Zone des Mosetiers reicht über die des Caribou hinaus, geht jedoch auf der anderen Seite weiter nach Süden, da man diese Art längs der äußersten nördlichen Teile der Vereinigten Staaten antrifft.

Zunächst folgt der Rothirsch. Sein Wohnplatz zieht sich in den des Mosetiers, aber er schweift noch tiefer in die gemäßigten Gegenden, da er sich fast so weit südlich, wie Texas vorfindet.

Die vierte, der gemeine Hirsch, hat ihren Wohnplatz in den gemäßigten und heißen Zonen von Nord- und Südamerika, während sie sich unter keinem hohem Breitengrad als dem der südlichen Grenze von Kanada vorfindet.

Der gemeine Hirsch bewohnt folglich ein größeres Gebiet als irgendeiner seiner Geschlechtsgenossen, und ist auch allgemein bekannt. Er macht die kleinste der amerikanischen Arten aus, da er gewöhnlich nur fünf Fuß lang, drei Fuß hoch und etwas über hundert Pfund schwer ist. Er ist sehr schön und zierlich gebaut. Sein Gehörn ist nicht so groß wie das des Rothirsches, wechselt aber wie dieses alljährlich, indem es der Hirsch im Winter abwirft und im Frühling wieder aufsetzt.

Es erhebt sich aus einer rauen, knochigen Erhöhung auf der Stirn, welche man die Rose nennt. Im ersten Jahr wächst es in Gestalt von zwei kurzen, geraden Spießen, woher die Tiere in diesem Alter den Namen Spießer führen. Im zweiten Jahr erscheint ein kleiner Spross auf jedem Horn. Die Zahl derselben nimmt mit dem Alter des Tieres zu, bis zuweilen 15 bis 16 Enden vorhanden sind. Dies ist jedoch selten. Das neue Gehörn fängt zu wachsen an, sobald das alte im Winter abgefallen ist. Den Frühling und Sommer hindurch ist es mit einer weichen, samtartigen Haut bedeckt. Dann sagt man, dass der Hirsch im Samt oder in Kolben gehe. Das Geweih ist zu dieser Zeit sehr blutreich und äußerst empfindlich, sodass ein Schlag auf das Geweih dem Tier heftige Schmerzen verursacht. Im Oktober hat sich der Samt abgeschält und das Gehörn ist dann in gehöriger Beschaffenheit.

Das Haar des amerikanischen Hirsches ist dicht und glatt. Im Winter wird es länger und nimmt eine mehr graue Farbe an. Der Hirsch heißt dann in der Jägersprache ein Grautier. Im Sommer sieht das Haar rötlich oder kalbsfarbig aus, und dann heißt der Hirsch ein Rottier. Gegen Ende August oder im Herbst hat die ganze Hautdecke einen bläulichen Anflug, und dann spricht man von einem Blautier. Am Hals, am Bauch und der inneren Seite der Beine hat das Tier zu allen Seiten ein weißliches Aussehen. Die Haut ist am zähesten in der Rotzeit, am dicksten in der Blauzeit und am dünnsten bei dem Grautier. In der Blauzeit liefert sie das beste Wildleder und ist daher im Herbst am wertvollsten. Die Jungen dieser Art, schöne kleine Geschöpfe, sind rehfarben und am ganzen Körper mit weißen Flecken übersät, welche gegen Ende ihres ersten Sommers, wo sie nach und nach die graue Winterfarbe annehmen, verschwinden.

Der amerikanische Hirsch ist ein wertvolles Tier. Ein großer Teil des in den Handel kommenden Wildleders wird aus seiner Haut gewonnen, und das Geweih findet eine vielfache Verwendung. Das wohlschmeckende Fleisch ist seit Jahrhunderten fast das einzige Nahrungsmittel ganzer Indianerstämme gewesen, und denselben Stämmen hat seine Haut Zelte, Betten und Kleidung geliefert. Aus den Därmen haben sie Bogensehnen und Schneeschuhe gefertigt, die Jagd dieses Tieres war allzeit fast ihre einzige Beschäftigung und Unterhaltung. Bei den vielen Feinden dieses Hirsches muss man sich wundern, dass er nicht schon lange ausgerottet ist. Nicht allein ist der Mensch sein beständiger und beharrlicher Verfolger gewesen, sondern außerdem hat er auch noch den Kuguar, den Luchs, das Wolverine und den Wolf zu fürchten. Der Letztere ist sein schlimmster Feind. Die Jäger behaupten, dass auf einen von ihnen erlegten Hirsch fünf den Wölfen zur Beute werden. Sie fallen die jungen und schwachen Tiere an und jagen sie, bis sie stürzen. Der alte Hirsch kann dem Wolf durch größere Schnelligkeit entfliehen, aber in entlegenen Gegenden, wo die Wölfe zahlreich sind, vereinen sie sich zu Rudeln von achtundzwanzig Stück und folgen dem Hirsch wie Hunde, selbst mit einem ganz ähnlichen Geheule. Sie laufen der Witterung des Hirsches nach, und wenn dieser nicht Wasser erreichen und ihnen so entfliehen kann, so ermüden sie ihn gewöhnlich und jagen ihn nieder. Wird der Hirsch im Winter so verfolgt, so flieht er oft zum Eis, auf welchem ihn seine hungrigen Verfolger bald einholen. Trotz alledem ist der amerikanische Hirsch in den Vereinigten Staaten noch gemein und in einigen Gegenden sogar zahlreich. Wo auf die Erlegung der Wölfe ein Preis gesetzt ist und wo die Hirsche während der Schonzeit durch Gesetze geschützt werden, wie z. B. in New York, soll ihre Zahl sogar in der Zunahme begriffen sein. Die Märkte aller großen Städte in Amerika werden mit Wildbret fast ebenso billig wie mit Rindfleisch versorgt, und dies beweist genügend, dass die Hirsche noch keineswegs selten sind.

Die Gewohnheiten dieses Tieres sind wohlbekannt. Im Naturzustand ist es gesellig. Das Rudel wird gewöhnlich von einem alten Bock angeführt, der über die Sicherheit der anderen wacht, während sie äsen. Wenn sich ein Feind nähert, stampft dieser, Schildwache und Führer zugleich, heftig mit den Hufen auf den Boden, schnaubt laut und lässt ein gellendes Pfeifen erschallen, indem er fortwährend mit drohend gesenktem Geweih der Gefahr die Stirn bietet. Solange er noch nicht fortläuft, fahren die anderen zuversichtlich fort, zu äsen; in dem Augenblick jedoch, wo der Führer die Flucht ergreift, folgen auch alle Übrigen, wobei sich jedes anstrengt, an der Spitze zu sein.

Für gewöhnlich sind die Hirsche scheu, nur zu gewissen Zeiten werden die Böcke wild, und wenn sie verwundet und gestellt sind, wird man sich ihnen nicht ungestraft nähern. Sie können sowohl mit den Klauen als auch mit dem Geweih furchtbare Schläge und Stöße versetzen. Jäger, die ihnen bei solchen Gelegenheiten zu nahe gekommen sind, sind oft nur mit Mühe dem Tod entronnen.

Die Hirsche sind Feinde der Schlangen und töten die giftigsten, ohne gebissen zu werden. Die Klapperschlange versteckt sich vor ihrem Angriff. Ihre Art des Angriffs gleicht derjenigen der Peccary, d. h. sie springen mit beiden Vorderfüßen zugleich auf ihren Feind und treten ihn tot. Die Feindseligkeit des Peccary gegen die Schlangen ist leicht zu begreifen, da es dieselben verzehrt, sobald es sie getötet hat. Bei dem Hirsch ist dies aber nicht der Fall, da er kein Fleisch frisst. Seine Feindseligkeit gegen die Schlangen kann daher nur durch die Voraussetzung erklärt werden, dass er die gefährlichen Eigenschaften derselben kennt und sie deswegen zu vertilgen versucht.

Die Nahrung des amerikanischen Hirsches besteht aus Zweigen, Baumblättern und Gras. Er zieht die Baumschösslinge dem Gras vor; aber das Leckerste für ihn sind die Knospen und Blüten der Nymphäen, besonders die der gemeinen Wasserlilie. Um diese zu erlangen, watet er wie das Mosetier in das Wasser und ist gleich diesem ein guter Schwimmer. Er zieht den schattigen Wald dem offenen Land vor und bewohnt gern die Nachbarschaft von Flüssen. Diese gewähren ihm Schutz sowie das Mittel, seinen Durst zu löschen. Wenn er verfolgt wird, so ist sein Erstes, zum Wasser zu fliehen, um dem Verfolger zu entgehen. Oft gelingt ihm dies, indem die Hunde oder die Wölfe seine Spur verlieren. Im Sommer sucht er das Wasser auf, um sich abzukühlen und sich von Fliegen und Moskitos zu befreien, die ihn nicht wenig belästigen. Er liebt das Salz und zieht in großer Anzahl zu den Salzquellen, welche sich in allen Teilen von Amerika häufig vorfinden. Hier leckt er mit dem Salzanflug eine Menge Erde auf, bis sich große Aushöhlungen in der Erde bilden, welche Salzlecken heißen.

Die Ricke bringt im Mai oder Juni ein, zwei, äußerst selten drei Kälber zur Welt. Ihre Anhänglichkeit an ihre Jungen ist sprichwörtlich. Die Mütter behandeln sie mit der größten Zärtlichkeit und verstecken sie, wenn sie auf die Äsung gehen. Das Blöcken des Kalbes führt die Mutter sogleich an seine Seite zurück.

Parry erzählt folgendes Beispiel von dieser Mutterliebe: »Da eine Ricke fand, dass ihr Junges nicht so schnell schwimmen konnte, wie sie selbst, so sahen wir sie zu wiederholten Malen anhalten, um das Kalb an sich herankommen zu lassen. Als sie zuerst ans Land gekommen war, blieb sie stehen und beobachtete es ängstlich, während es von unserem Boot zum Ufer verfolgt wurde. Es wurde mehrere Male auf die Mutter gefeuert; aber sie blieb regungslos stehen, bis ihr Junges sicher gelandet war, worauf sie beide im Galopp davon stoben.«

Der amerikanische Hirsch wird wegen seines Fleisches, seines Felles und des Vergnügens halber gejagt. Es gibt mancherlei Arten, ihn zu erlegen. Die einfachste und gewöhnlichste nennt man die stille Jagd. Hierbei ist Jäger mit seiner Büchse oder Hirschflinte bewaffnet und beschleicht den Hirsch wie jedes andere Wild. Bei einer solchen Jagd bedarf man weniger Deckung als tiefstes Schweigen. Der Hirsch ist neugierig und gestattet zuweilen dem Jäger, ihm ganz nahe zu kommen, ohne davonzulaufen; aber das geringste Geräusch, wie z. B. das Rascheln dürrer Blätter oder das Brechen eines trockenen Astes, beunruhigt ihn. Sein Gehör ist außerordentlich scharf, sein Geruch sehr fein. Oft spürt er den Jäger und flieht vor ihm, ohne dass dieser in Schussweite gekommen ist. Bei der stillen Jagd muss man den Hund zu Hause lassen, wenn es nicht ein dazu abgerichtetes Tier ist.

Eine andere Jagdart ist die Fährtenjagd im Schnee.

Diese geschieht entweder mit oder ohne Hunde. Der Schnee muss gefroren sein, sodass er die Läufe des Hirsches verwundet, was ihm so große Schmerzen verursacht, dass der Jäger leicht in Schussnähe kommen kann. Ich bin selbst dabei gewesen, wo auf diese Art an einem einzigen Vormittag zwanzig Stück erlegt wurden, und noch dazu in einer Gegend, wo die Hirsche nicht gerade für sehr zahlreich galten.

Das Treiben des Hirsches ist die unterhaltendste Jagdweise und die einzige, welche des Vergnügens wegen in Anwendung gebracht wird. Sie wird mit Hunden ausgeführt und die Reiter folgen diesen mit den geladenen Flinten. Zur richtigen Ausführung bedarf es mehrerer Personen, meist gewöhnlicher Leute, welche die Beschaffenheit des Landes und alle seine Schluchten und Pfade kennen. Nur einige davon begleiten die Hunde als Treiber, während die Übrigen sich zwischen dem Ort, wo die Hunde das Gebüsch durchspüren, und einem Fluss, auf welchen der Berechnung nach das aufgejagte Wild zulaufen wird, aufstellen. Sie bilden eine lange Reihe, die sich manchmal meilenweit durch den Wald erstreckt. Bei der Ankunft der Jäger auf dem Anstand steigt jeder ab, bindet sein Pferd in einem Busch an und nimmt seinen Platz ein, gewöhnlich hinter einem Stamm oder einem Baum. Die Plätze werden sorgfältig je nach der Beschaffenheit des Bodens, besonders auf Pfaden, welche die Hirsche zu benutzen pflegen, ausgewählt. Sobald sich alle aufgestellt haben, werden die Hunde in einiger Entfernung losgelassen und das Treiben beginnt. Die Jäger auf dem Anstand bleiben ruhig stehen und halten ihre Flinten in Bereitschaft. Das Bellen der Hunde aus weiter Ferne im Wald benachrichtigt sie gewöhnlich, wenn ein Hirsch aufgejagt worden ist. Sie warten nun voll eifriger Begierde, jeder in der Hoffnung, dass das Wild nach seiner Seite kommen werde. Es verfließen zuweilen Stunden, ohne dass der Jäger ein lebendes Wesen außer sich und seinem Pferd sieht oder hört, und er kehrt gar manchen Tag von einer solchen Jagd heim, ohne eine Spur von Bock, Ricke oder Kalb erblickt zu haben. Zu anderen Zeiten wird er jedoch für sein geduldiges Warten reichlich entschädigt. Es kommt ein Bock gesprungen und hinter ihm her die Laut gebenden Hunde. Von Zeit zu Zeit hält das Tier an und wirft sich auf die Hinterbeine zurück, wie ein aufgeschreckter Hase. Seine Augen stehen aus dem Kopf hervor und starren nach hinten. Sein schöner Hals ist vor Furcht und Wut geschwollen, und sein stolzes Geweih ragt hoch in die Luft empor. Nun springt er wieder vorwärts und kommt dem lauernden Jäger näher, der mit klopfendem Herz sein Gewehr im Anschlag hält. Nun macht er wieder Halt; die Flinte wird erhoben, der Drücker berührt, die Kugel fliegt aus dem Lauf und trifft die breite Brust des Wildes, das in der krampfhaften Anstrengung des Todes einen Satz in die Höhe macht. Die Aufregung eines solchen Herganges ist der schönste Lohn des Jägers für sein langes einsames Warten.

Die Fackel- oder, wie sie zuweilen auch genannt wird, die Feuerjagd ist eine andere Art, sich des Hirsches zu bemächtigen. Die Ausführung besteht darin, dass man in einer sehr dunklen Nacht eine Fackel durch den Wald trägt, von dem man weiß, dass er von Hirschen besucht wird. Die Fackel wird von gut getrockneten Kienästen gemacht und in einem eisernen Gefäß getragen. Eine Schmorpfanne mit langem Griff ist, wie schon erwähnt, zu solchem Zweck am besten geeignet. Der Kein wird in der Pfanne angezündet und gibt, wenn er gut ist, eine Flamme, welche den Wald auf hundert Schritte in der Runde erleuchtet. Wenn der Hirsch den fremdartigen hellen Schein erblickt, so kommt er, von Neugierde angetrieben, in Schussnähe. Das Funkeln seiner Augen, die wie zwei glühende Kohlen glänzen, verrät ihn dem Jäger, der mit seiner sicheren Büchse die Beute erlegt.

Während wir von der Fackeljagd sprachen, nahm der Doktor den Faden der Unterhaltung auf und gab uns einen Bericht von einer Fackeljagd, welche er in Tennessee mitgemacht hatte.

»Ich will Ihnen«, sagte er, »von einer Fackeljagd erzählen, bei welcher ich eine Hauptrolle spielte und die auf ungewöhnliche Weise endete. Die Sache begab sich in Tennessee, wo ich mich eine Zeitlang aufhielt. Ich bin, wie Sie alle wissen, kein großer Jäger, aber da ich zufällig in einer Ansiedlung lebte, wo es einige berühmte Schützen gab, in einer Gegend, in deren Nachbarschaft sich ein Überfluss von Wild vorfand, so fing ich an, ein großer Jagdfreund zu werden. Ich hatte unter anderem auch manches Anziehende von der Fackeljagd gehört. Es verlangte mich daher sehr darnach, eine solche Jagd mitzumachen. Endlich bot sich hierzu Gelegenheit. Es fanden sich einige Freunde zusammen, um auf die Jagd zu gehen, und ich gesellte mich zu ihnen. Wir waren im Ganzen unser sechs, kamen aber überein, uns in drei Paare zu trennen, von denen jedes seine eigene Fackel nehmen und einen anderen Weg im Wald einschlagen sollte. Bei jedem Paar sollte einer das Licht tragen, während der andere die Flinte in Bereitschaft hielt. Nach Beendigung der Jagd sollten wir uns alle an einem bestimmten Ort wieder zusammenfinden.

Nachdem diese Vorbereitungen getroffen und die Fackeln zurecht gemacht worden waren, trennten wir uns. Ich drang mit meinem Begleiter tief in den Wald ein. Die Nacht war stockfinster, und als wir in den Wald kamen, mussten wir unseren Weg mit den Händen suchen. Natürlicherweise hatten wir unsere Fackel noch nicht in Brand gesetzt, weil wir noch nicht bei der von den Hirschen besuchten Stelle angekommen waren. Mein Begleiter war ein alter Jäger und hätte dem Recht nach die Flinte führen sollen, aber aus Höflichkeit mir gegenüber, den Fremden, ordnete er es anders an. In der einen Hand trug er die große Schmorpfanne und auf dem Rücken schleppte er in einem Sack einen Scheffel oder noch mehr trockenes Kienholz. Als wir an den Ort gelangten, wo wir Hirsche zu finden erwarteten, setzten wir unsere Fackel in Brand. Nach ein paar Augenblicken warf die Flamme ihren leuchtenden Schein rings umher und überglänzte die Stämme der hohen Bäume mit scharlachrotem Schimmer. Nun drangen wir langsam und mit so wenig Geräusch wie möglich vor, sprachen nur flüsternd miteinander und ließen die Blicke nach allen Seiten schweifen. Bergauf, bergab ging es, nach meiner Ansicht mussten wir schon wenigstens zehn Meilen zurückgelegt haben, aber kein einziges Paar glänzender Augen spiegelte sich in unseren Flammen. Wir hatten das Feuer genährt und nutzlos in Brand gehalten, bis in dem Sack kaum noch ein Stück Kien mehr übrig war. Dieses nutzlose Suchen hatte mich müde gemacht. Meinem Begleiter erging es eben so, und wir fühlten beide Ärger und Verdruss, den wir umso tiefer und nachdrücklicher empfanden, als zwischen uns und unseren Freunden um ein Abendessen gewettet worden war, welche Abteilung die größte Anzahl von Hirschen erlegen würden. Dazu kam, dass wir ein paarmal in der Ferne aus der Richtung, welche die anderen eingeschlagen hatten, Schüsse zu hören glaubten und fürchten mussten, dass wir wahrscheinlich mit leeren Händen zurückkehren würden, während jene ohne Zweifel jeder einen Hirsch, wenn nicht mehrere, mitbrächten.

Wir schlugen den Rückweg zu der Stelle ein, von wo wir ausgegangen waren, und befanden uns beide in höchst unliebenswürdiger Stimmung, als plötzlich ein Gegenstand gerade vor uns meine Aufmerksamkeit auf sich zog und mich auf einmal zum Anhalten brachte. Ich nahm mir nicht die Zeit, eine Frage zu stellen. In der Dunkelheit glänzten ein Paar kleine leuchtende Kreise wie zwei Feuerscheiben. Es waren natürlicherweise Augen und folglich unzweifelhaft die Augen eines Hirsches. Den Körper konnte ich nicht sehen und hielt mich auch nicht damit auf, eine Untersuchung anzustellen, sondern hob das Gewehr an. Ich blickte hastig den Lauf entlang, zielte zwischen die Augen, berührte den Drücker und feuerte. Als ich dieses tat, kam es mir vor, als ob ich meinen Begleiter mir zurufen hörte, aber der Knall hinderte mich, seine Worte zu verstehen. Als das Echo verhallte, drang jedoch seine Stimme hell und klar in den Worten zu mir: ›Höll’ und Tod, Doktor, Sie haben Squire Robins Bullen geschossen.‹ Im nämlichen Augenblick überzeugte mich das Brüllen des Ochsen, das sich mit seinem eigenen lauten Lachen vereinte, dass der Jäger die Wahrheit gesprochen hatte. Er war ein guter alter Kerl und versprach, zu schweigen, aber die Sache musste mit Squire Robins in Richtigkeit gebracht werden. Infolgedessen wurde die Geschichte bald ruchbar und meine Fackeljagd bildete eine Zeitlang einen stehenden Witz in der Ansiedlung.

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