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Der Welt-Detektiv Band 6

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Drusus an der Weser und Elbe

Historische Denkwürdigkeiten

Drusus an der Weser und Elbe. 9 v. Chr.

Der Name Deutschland soll nach einigen Nachrichten älterer Schriftsteller von einem Donnergott der alten Deutschen, welchen sie Theut oder Thuisko nannten, entstanden sein. Indessen ist aber diese Sage nicht verbürgt, wohl aber wahr, dass man von einem deutschen Völkerstamm, nämlich den Germanen, in der Folge dem ganzen Land den Namen Germanien beigelegt hat.

Die Grenzen des alten Deutschlands werden von den griechischen und römischen Schriftstellern als ein Land zwischen der Donau, dem Rhein, der Nord- und Ostsee und einem Teil Sarmatiens oder dem heutigen Polen angegeben. Sehr genau bestimmt aber der römische Schriftsteller Tacitus, der in der ersten Zeit des römischen Kaisertums lebte, die Grenzen Germaniens so, dass das alte Deutschland beiläufig den nämlichen Umfang hatte, den es noch heutzutage zum größten Teil einnimmt. Dieser Tacitus ist es auch, der die ersten und näheren Nachrichten von Deutschland und seinen Bewohnern mitteilt.

Nach seiner Angabe war dieses Land mit Wäldern, Sümpfen und Morasten angefüllt, in welchen ein kaltes und feuchtes Klima herrschte und beinahe unzugänglich war. Schon der einstige Harz hatte nach seinen Nachrichten eine Länge von sechzig und eine Breite von neun Tagesreisen. Eichen- und Buchenwälder bedeckten den Boden und ließen das Licht der Sonne nur sparsam eindringen.

Im Schatten dieser unermesslichen Urwälder hausten nun unsere Vorfahren, größtenteils vom Krieg, der Jagd und Viehzucht lebend, seltener Ackerbau betreibend; lauter hohe, fast riesige Gestalten mit blauen Augen, blonden Haaren und einer gewaltigen Körperkraft.

Die durchgängige Ähnlichkeit aller damaligen deutschen Völker in Hinsicht der äußeren Gestalt bestimmte Tacitus, sie für ein Urvolk zu halten, welches seit undenklichen Zeiten innerhalb den bereits bezeichneten Grenzen gelebt haben mag.

Was den Charakter dieser Völker betrifft, so lobt Tacitus ihre Keuschheit und eheliche Treue, ihre Gastfreundschaft, Freiheitsliebe und ungestüme Tapferkeit. Besonders führt er aber den Umstand an, dass sie gar nicht wussten, was Stehlen sei. Dagegen tadelt er ihre Spielsucht und vorzügliche Neigung zum Trunk und die daraus entspringenden schädlichen Folgen.

Das weltgebietende Rom war eben in seinem größten Flor, als es die unerwartete und höchst unwillkommene Nachricht erhielt, dass dieses deutsche Volk, von dem es früher keine Kenntnis hatte, sich ihrem Gebiet nähere und mit einem Einfall drohe. Es waren die Kimbern und Teutonen, welche in dem heutigen Schleswig und Jütland an der Ostsee wohnten, und bei ihrer zunehmenden Vermehrung sich in der Absicht vereinigten, für ihren Lebensunterhalt bessere Wohnplätze aufzusuchen. Sie zogen also mehrere Jahre in Deutschland herum, gelangten an den Rhein, den sie überquerten, und drangen endlich in Gallien, dem heutigen Frankreich, ein, wo sie festen Wohnsitz nahmen.

Die römische Republik, von der Ankunft und der einstimmigen Sage der Wildheit und Tapferkeit dieser wandernden Völker erschreckt, schickte ihnen drei Kriegsheere unter den Feldherren Silanus, Manlius und Cäpio entgegen; aber all diese wurden geschlagen. So drangen diese Wanderer schon bis zum heutigen Aire im südlichen Frankreich vor, wo sich ihnen endlich der durch seine Tapferkeit und außerordentlichen Schicksale berühmte römische Feldherr Marius entgegenstellte.

Dieser erfahrene Kriegsheld wusste das weitere Vordringen der deutschen Völker ohne Schlacht solange zu verhindern, bis die darüber unwilligen Kimbern sich von ihren Bundesgenossen, den Teutonen, trennten, in der Absicht, um auf verschiedenen Wegen in Italien einzufallen. Als aber die Kimbern von ihren Landsleuten sich entfernt hatten, um über die tridentinischen Alpen ihren Weg zu nehmen, griff Marius die Teutonen an und brachte ihnen eine völlige Niederlage bei.1

Darauf wandte er sich im folgenden Jahr gegen die Kimbern und versetzte ihnen bei Vercellä in einem günstigen Augenblick und durch die Überlegenheit seiner Kriegskunst ein ähnliches Schicksal wie den Teutonen (101 v.Chr.)

Der Schrecken, der sich von dem Einfall dieser Völker im römischen Gebiet verbreitet hatte, war aber noch nicht ganz vergessen, als auch der größte Feldherr der römischen Republik, Julius Cäsar, der dem Marius sowohl an Tapferkeit als Glück noch weit übertriffst, mit einem anderen deutschen Volk, den Sueven, zu tun hatte.2

In Frankreich stritten sich nämlich zu jener Zeit die Haeduer und Sequaner, zwei mächtige gallische Völkerschaften um die Oberherrschaft, bis zuletzt die Sequaner erlagen.

In dieser Not riefen sie nun den suevischen Heerführer Ariovist (Ehrenfest) zu Hilfe. Dieser demütigte mit ihnen vereinigt die Haeduer, nahm aber für diese Dienstleistung vom besten Teil des Landes Besitz und lud noch viele seiner Landsleute dazu ein, in das schöne Gallien zu kommen.

Beide bisher sich feindselig gegenüber gestandenen gallischen Stämme sahen nun den Missgriff ein, den sie durch Ariovists Herbeirufen zu ihrem gegenseitigen Nachteil getan hatten. Da sie die Eindringlinge auf keine Weise zum Abzug bringen konnten, so wandten sie sich in ihrer Verlegenheit an Julius Cäsar, der eben mit einem Heer an den Grenzen Galliens stand und nur auf eine günstige Gelegenheit wartete, um in diesem Land Eroberungen zu machen. Cäsar fand sich bereitwillig den Galliern mit seinem Heer beizustehen und besiegte durch größere Kriegserfahrung und zweckmäßige Bewaffnung des römischen Heeres den suevischen Heerführer Ariovist in einer entscheidenden Schlacht.

Aber auch von diesem Sieg hatten die gallischen Völker keinen Vorteil, denn Cäsar nahm nun ihr Reich in Besitz und verwandelte es nach wenigen Jahren in eine römische Provinz.

In der Folge schlug er über den Rhein eine Brücke und drang mehrmals in die jenseits dieses Stromes gelegenen deutschen Länder, konnte aber dort keine bleibende Eroberung machen, indem sich die deutschen Völker bei seiner Ankunft immer in ihre undurchdringlichen Wälder zurückzogen und nur dann erst aus denselben hervorkamen, als er wieder abgezogen war.

Indessen bewogen ihm auch wichtigere Ereignisse, die sich inzwischen in Rom zugetragen hatten, Gallien gänzlich zu verlassen, um das Schicksal des Staates in den pharsalischen Feldern wider seinen Nebenbuhler, dem großen Pompejus, zu entscheiden. Hier war es, wo die deutsche Reiterei, die Cäsar in Gallien aus Gefangenen gebildet hatte, den Ausschlag gab und er seine von nun an unbestrittene Oberhoheit über Rom errang.

Durch die Eroberung Galliens wurden die Deutschen die Nachbarn der Römer, beunruhigten aber durch ihre Einfälle fortwährend das römische Gebiet, wodurch sich der schlaue Augustus, der nach Cäsars Ermordung Roms erster Kaiser wurde, veranlasst fand, seinen feurigen und tapferen Stiefsohn Drufus mit einem Heer an den Rhein zu schicken, um in Deutschland einzudringen und dort bleibenden Fuß zu fassen.

Drufus überschritt nun im Jahre 8 v. Chr. mit einem stattlichen Heer den Rhein und fuhr diesen Fluss bis an die Nordsee hinauf, indem er früher den Rhein mit der Yssel durch einen Kanal verbunden hatte. An der Mündung der Ems legte er ein Kastell an  und baute deren noch über fünfzig an günstig gelegenen Orten, um von solchen aus das eroberte Land beherrschen zu können. Die wichtigste unter diesen Festungen war das heutige Mainz wegen seiner Lage, den Ufern des Mains gegenüber, welchen Fluss Drusus als die Hauptlinie seiner Unternehmung gegen Deutschland ansah.

Seinen dritten und letzten Feldzug in Deutschland unternahm Drusus im folgenden Jahr, welcher auch von den Übrigen der merkwürdigste ist. Er ging nämlich durch Hessen längs eines ungeheuren Buchenwaldes bis an die Weser, setzte über diesen Strom und drang zuletzt bis an die Elbe vor. Schon wollte er auch diesen Fluss überschreiten, als plötzlich – so erzählten die Römer – eine Frau von riesenhafter Größe vor ihn trat und ihm zurief: »Wohin willst du, unersättlicher Drufus? Das Schicksal erlaubt dir nicht, alle diese Länder zu sehen. Kehre um, denn das Ende deiner Taten und deines Lebens ist nahe.«3

Drusus sowie seine Umgebung staunten nicht wenig über diese Erscheinung und die weissagenden Worte der riesenhaften Frau. So geschah es, dass er von seinem Vorsatz, über die Elbe zu gehen abließ und dem Heer den Befehl zum Rückzug gab. Bevor aber dieses geschah, ließ er an den Ufern des Flusses einige Siegeszeichen errichten, um nur damit zu beurkunden, dass er bis dahin gekommen sei. Noch hatte er nicht den Rhein erreicht, so traf ihn das Unglück, vom Pferd zu stürzen, infolgedessen er zum großen Leidwesen seiner Armee, die ihn herzlich liebte, auch bald darauf starb. Tiberius führte die Leiche nach Italien, wo in Pavia Augustus ihrer harrte und sie von da nach Rom begleitete.

Die Trauer war so groß und allgemein, dass der Kaiser selbst seinem geliebten Sohn öffentlich eine Leichenrede hielt. Der Senat erkannte ihm große Ehren zu, besonders den Beinamen Germanicus für ihn und seine Nachkommen.

Drusus war bei seinem Tod noch nicht dreißig Jahre alt und hatte das Verdienst, unter den Römern der Erste gewesen zu sein, der bleibende Eroberungen in Deutschland machte. Ihm sind auch die näheren Kenntnisse von den Bewohnern und jener fernen Gegenden zu verdanken.

Rom verlor an Drusus einen tapferen, im Feld wie in Staatsverhältnissen brauchbaren Mann und einen seiner redlichsten und edelsten Bürger.

Show 3 footnotes

  1. Ihr Anführer Teutoboch wurde auf der Flucht gefangen und schmückte den Triumph des Marius dadurch, dass er durch seine außerordentliche Größe über alle Siegeszeichen hervorragte. Im 17. Jahrhundert wollte man sein Grab gefunden haben, doch die darin enthaltenen Knochen, die das Pariser Museum aufbewahrt, gehören einer untergegangenen Tierart der Vorwelt an.
  2. Das Andenken an diese furchtbaren Feinde erhielt sich noch lange unter dem römischen Volk, denn wenn man etwas recht Furchtbares ausdrücken wollte, so sagte man: »Das ist ein kimbrischer Schrecken oder ein kimbrisches Geheule.«
  3. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine jener wahrsagenden Frauen der Deutschen, die vorzüglich hochgeachtet und heilig gehalten wurden, dem Drusus mit diesem drohenden Zuruf erschienen sei.