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Der Arzt auf Java – Dritter Band – Kapitel 1

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Dritter Band
Kapitel 1

Die Meerzigeuner

Wir ließen Argalenka in den Händen der Diener Thsermais. Diese waren in Verlegenheit, wie sie den von ihrem Herrn empfangenen Befehl ausführen sollten. Seitdem derselbe den Titel als Regent der Provinz Bantam verloren hatte, waren die Gemächer, die früher im Palast zu Gefängnissen bestimmt gewesen waren, anderen Bestimmungen überwiesen. Nicht ein einziges derselben befand sich in dem Zustand, einen Gast aufzunehmen, von so großer Wichtigkeit auch die Person dieses Gastes sein mochte.

Indem die, welche den Gefangenen führten, über den Haupthof gingen, blieben sie stehen, um sich zu beraten. Da machte einer von ihnen die Bemerkung, dass sich ihnen gerade gegenüber befinde, was sie suchten.

In der Tat befanden sich auf diesem Hof zwei eiserne Käfige. In einem derselben war Maha eingesperrt worden, bis seine Erziehung vollendet war. In dem anderen hatte Thsermai einige Zeit lang einen Tiger gehalten. Einige Monate zuvor war der Tiger auf den Gedanken gekommen, an Auszehrung zu sterben. Man gab nun seinen Platz an Argalenka, und indem dies geschah, machten die Leute dem armen Teufel begreiflich, dass dies für ihn eine große Ehre sei.

Man schob ihn durch die enge Öffnung und er ließ sich einsperren, ohne ein Wort zu äußern, dann streckte er sich auf den hölzernen Boden des Käfigs, der jenen scharfen stinkenden Geruch beibehalten hatte, welcher die Aufenthaltsstätte wilder Tiere charakterisiert.

Argalenka vergoss keine Träne, er ließ keine Klage hören, seine Augen waren starr, übermäßig weit ausgerissen, aber sie blickten vor sich hin, ohne zu sehen. Es schien, als hätte der Schmerz aus dieser regungslosen Fleischmasse die Seele entführt, indem sie das Leben darin zurückließ.

Er brachte die ganze Nacht schlaflos zu. Gegen Mitte des nächsten Tages schob einer der Diener des Palastes durch die eisernen Stäbe des Käfigs einen Reiskuchen und einen Krug Wasser. Argalenka wendete den Kopf nicht danach um und berührte nichts von dem, was man ihm gebracht hatte.

Die Diener gingen über den Hof hin und her, ohne die geringste Aufmerksamkeit auf den Gefangenen zu richten. Am Abend des dritten Tages jedoch, in den Stunden des Müßiggangs, blieb einer derselben vor dem Käfig stehen und bemerkte, dass die drei Reiskuchen und die drei Krüge Wasser, die man Argalenka hineingeschoben hatte, noch unberührt waren.

»Beduis«, sagte dieser Mann, »bist du krank? Woher kommt es, dass du deine Nahrungsmittel nicht berührtest?«

Argalenka antwortete nicht.

»Bei Allah, ich glaube, er ist tot!«, sagte der Diener zu einem seiner Kameraden, der zu ihm getreten war.

»Nein, der Hund atmet noch. Als du zu ihm sprachst, sah ich, wie sein Augenlid zitterte; aber er beharrt auf seinem Entschluss, und Dayon wird bald der Mühe überhoben sein, ihm Nahrung zu bringen.«

»Der arme Teufel! Man sagt, er sei der Vater Arroas. Die Tochter herrscht über die Söhne der Soesoenans von Bantam und der Vater verhungert in einem Winkel des Palastes, den sie bewohnt.«

»Es stand so geschrieben.«

»Wenn wir den Herrn benachrichtigten?«

»Ich werde mich wohl hüten, meine Haut eines Muselmannes daran zu wagen, diesen ungläubigen Fleischklumpen zu retten. Hast du denn nicht das Gerücht gehört, welches sich in dem heutigen Dalam verbreitete?«

»Nein, ich brachte die Pferde des Herrn auf die Weide des Berges Gayoh.«

»Der Malaie ist gekommen.«

»Der Malaie?«

»Ja, der Mensch mit dem braunen Gesicht, den keiner von uns kennt, und vor dem der Herr, der so unverschämt und so hochmütig ist, zittert und sich beugt wie ein Kind.«

»Was ist denn vorgefallen?«

»Der ungläubige Gueber allein könnte dir antworten, denn nur er wohnte der Unterhaltung bei. Alles, was ich weiß, ist, dass, als der Malaie sich entfernte, er den Adipati als eine Beute der höchsten Wut des Eblis zurückließ, und dass ich ebenso gern der brennenden Lava des Panderango trotzen möchte wie dem Zorn Thsermais in diesem Augenblick. Hörst du, wie er den Namen Allahs lästert?«

In der Tat hörte man aus den Gemächern, welche Thsermai bewohnte, ein eigentümliches und fürchterliches Gemisch des dumpfen und drohenden Knurrens eines wilden Tieres und das Wutgeschrei sowie die Flüche eines Menschen herübertönen.

Bald darauf flogen die Bambusstäbe, welche eine Tür schlossen, zersplittert auseinander, und Maha, der schwarze Panther des javanischen Prinzen, sprang durch die Öffnung, die er sich gebrochen hatte.

Das Tier schien von dem höchsten Zorn ergriffen und zugleich durch Schrecken beherrscht zu sein. Es sprang zweimal in gewaltigen Sätzen zwischen den erschrockenen Dienern rings um den Hof her. Dann fand es die Tür seines ehemaligen Kerkers offen, stürzte hinein, knurrte sich in dem dunkelsten Winkel mit gesträubtem Fell nieder, die Barthaare zusammengezogen und wechselweise mit dem Ausdruck der Wut und des Schreckens seine großen topasfarbigen Augen öffnend und schließend, indem es, zugleich ein drohendes Knurren ertönen ließ.

Der javanische Fürst folgte dicht auf den Panther. Sein Gesicht trug die Spuren eines Kampfes. Die fünf Krallen des Tieres hatten in die Wange Thsermais fünf Wunden gerissen. Das Blut rieselte an dem nackten Hals herunter und verlor sich in den Falten des Sacong, der um den Leib geschlungen war, denselben mit großen purpurroten Flecken färbend.

Als Maha seinen Gebieter erblickte, zog er sich in sich selbst zusammen, als wollte er sich zu einem Sprung auf seinen Gegner vorbereiten. Seine Augen erweiterten sich und sprühten Blitze. Sein fieberhaft hin- und herbewegter Schweif schlug den Boden wie der Flegel des Dreschers die Tenne. Sein Knurren nahm in einzelnen Augenblicken den Klang des Geheuls an.

Thsermai, welcher mit einer Peitsche von Rhinozeroshaut bewaffnet war, wollte in den Käfig eindringen, allein er betrachtete den Panther, empfand Furcht und wich zurück.

»Ein Gewehr! Ein Gewehr!«, rief er mit erstickter Stimme. »Wollt ihr mich denn durch dieses wilde Tier erwürgen lassen, ihr verfluchten Hunde? Ein Gewehr, dass es sterbe!«

Einer der Diener eilte zum Palast und kehrte mit einem jener Gewehre zurück, welche durch künstliche Schnitzereien und Verzierungen von Gold und Perlmutter ebenso sehr zu Gegenständen der Kunst als zur Waffe gemacht werden. Er reichte dieselbe dem Sohn der Soesoenans. Dieser ergriff es, ohne sich zu überzeugen, ob es auch imstande sei, Feuer zugeben, riss es voll Wut an die Wange und zielte auf den Panther.

Aber in dem Augenblick, als er den Finger an den Abzug legte, schlug ein Mensch, der sich mit Anstrengung einen Weg durch die dichtgedrängten Diener und Sklaven gebahnt hatte, um zu dem Herrn zu gelangen, heftig den Lauf in die Höhe. Statt Maha zu treffen, fuhr die Kugel pfeifend durch die Gipfel der Bäume, welche die Wohnung umstanden.

Außer sich vor Wut, den Panther gerettet zu sehen, warf Thsermai sein Gewehr fort und ergriff seine Peitsche. Nachdem er sie in der Luft geschwungen hatte, schlug er den Menschen in das Gesicht. Der furchtbare Riemen ließ auf dem Fleisch einen bläulichen, blutrieselnden Streifen zurück. Nun erkannte Thsermai den, der es gewagt hatte, sich zwischen seinen Zorn und das denselben veranlassende Tier zu stellen.

»Harruch!«, rief er.

Es war in der Tat Harruch, noch immer in seine Lumpen gekleidet, die er ebenso stolz inmitten der ihn hier umgebenden Pracht zeigte, wie in der Anstalt des Mynheer Cornelis.

Er blieb ruhig, gleichgültig unter dem Schlag, den er empfangen hatte. Ohne das Zeichen, welches sein Gesicht davontrug, würde man geglaubt haben, der Javaner hätte nur eine eherne Bildsäule getroffen.

»Wodurch hat denn Maha den Zorn seines Herrn erregt?«, fragte Harruch kalt.

Thsermai deutete auf seine Wunden. Doch als hätte er sich geschämt, im Angesicht seiner Diener eine weitere Erklärung zu geben, sagte er dann: »Was kümmert das dich? Gehört Maha nicht mir? Übergab ich dir nicht den verabredeten Preis, als du ihn mir brachtest, Gueber? Ich habe das Recht bezahlt, ihn zu töten, und ich will, dass er stirbt. Die Holländer, unsere viel geliebten Herren, haben, soviel ich weiß, die Wohltat ihrer Gesetze über die Sklaven nicht auch auf die Panther der Insel ausgedehnt. Es ist uns nicht verwehrt, über das Leben derselben zu verfügen, wie es uns verboten ist, unsere Sklaven zum Tode zu verurteilen.«

»Du erinnerst mich an die Bezahlung, die ich erhalten habe, Thsermai. Dachtest du wohl je an die Mühseligkeit und die Gefahren, denen ich trotzte, um sie zu erlangen? Höre! Weißt du wohl, dass ich, um Maha zu finden, sieben Tage im Wald von Djivadal umhergegangen bin, den der kühnste Jäger nur zitternd betritt, und in welchem aus jedem Gebüsch, das die Kleidung streift, aus jeder Schlingpflanze, die über dem Kopf hängt, von jedem Baumstamm, den man in dem Schatten nur halb erblickt, unter jedem trockenen Blatt, das unter dem Fußtritt raschelt, irgendein Etwas hervorkriechen, laufen, springen kann, das brüllt, pfeift, zischt und das für uns tausend Namen hat, für den einsamen Reisenden, wie ich es war, aber nur einen — der Tod! Weißt du, dass ich von der Stunde an, wo die Ravenalia ihre wohltätigen Kapseln für den durstigen Reisenden öffnet, bis zu der Stunde, wo sie dieselben wieder schließt, auf einem Ast gekauert habe, schlecht verborgen durch den Stamm eines Baumes, und den Augenblick erlauernd, wo die Mutter ihre Höhle verlassen würde? Weißt du, dass ich sechs tödlich lange Stunden hindurch der Gnade des entsetzlichen Tieres preisgegeben war, und dass weder sein Kris noch sein Mut, an dem du nicht zweifeln wirst, Harruch gerettet hätten, wenn der Wind sich änderte und die Witterung des nahen Feindes in die Höhle des Panthers trug? Und als Harruch dann in die Höhle eingetreten war, wo er bei jedem Schritt auf abgenagte Knochen trat, als er die drei kleinen Panther in eine Falte seines Sacong genommen hatte, und dann die Flucht ergriff wie ein Dieb. Weißt du, dass er nicht eine halbe Stunde seinen Weg verfolgte, ohne hinter sich ein fürchterliches Geräusch zu vernehmen? Es war nicht das Gebrüll des hungernden Löwen, es war nicht der raue Schrei des in seiner Liebe gestörten Tigers, nein, der ferne Donner war entsetzlicher und sein Echo machte die finsteren Laubgewölbe des Djivadal erdröhnen. Es war das herzzerreißende Gebrüll der Mutter, die klagende Stimme, welche dem Echo zurief: »Wehe dir, dass du mir meine Kinder geraubt hast!« Alles war voll Entsetzen in dem Wald. Die Hirsche, die Rebe, die Eber, die Gazellen, vergaßen die Furcht, welche das Erscheinen des Menschen ihnen einflößte. Sie liefen neben mir her. Die Schlangen glitten unter das Moos, die Vögel verbargen sich unter dem Laubwerk, selbst die Blätter schienen zu zittern. Ich entfloh keuchend. Bald verschwanden alle Bewohner des Waldes. Ich blieb allein, denn das Gebrüll kam näher. Ha, Thsermai, ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen, und wenn ich daran denke, so fühle ich noch jetzt die Haare sich auf meinem Kopf sträuben. Hinter mir krachten die Zweige, als ob eine Herde von Büffeln das Dickicht durchdränge. Die Furcht hatte mein Blut erstarrt, eine rote Wolke verschleierte meinen Blick, ich taumelte wie ein Betrunkener und es schien mir, als fühlte ich den heißen Hauch des gewaltigen Tieres meine Schultern verbrennen. Unwillkürlich zog ich meinen Kris aus der Scheide. Dann, um wenigstens nicht ungerächt zu sterben, zog ich eins der Jungen hervor und wollte ihm den Schädel an dem Stamm eines Baumes zerschmettern. Das Kleine stieß einen Schmerzensschrei aus, und die Mutter antwortete darauf durch ein Geheul, bei dem alle Muskeln meines Leibes erbebten wie die Saiten unter der Hand der Bedaja. Meine Finger öffneten sich, und der kleine Panther fiel in das hohe Gras. Ormuzd hatte eins der Kleinen dem Tod entrissen und gesegnet sei sein Name! Statt sich auf mich zu stürzen, raffte der Panther sein Kleines auf. Selbst in seiner Wut noch Mutter, wollte er es in Sicherheit bringen, ehe er die beiden anderen dem Räuber entriss. Ich stürzte in meinem tollen Lauf weiter, aber die Witterung des Tieres führte es sicherer auf meine Spur als das Auge des Tigers, so durchdringend es auch sei, ihn auf der Fährte des Hirsches leitet. Bald trat es seine Verfolgung wieder an. Ich musste auch meine zweite Beute opfern, und wenn der Fluss Tjiliwong nicht auf meinem Weg gelegen hätte, wenn ich nicht, mich in seine Fluten stürzend, den Scharfsinn der Mutter täuschte, so würde selbst die Aufopferung Mahas des Letzten der Jungen, mich vor ihrem Zorn nicht geschützt haben. Glaubst du jetzt noch, Thsermai, dass die wenigen Goldstücke, die du mir zuwarfst, meine Mühe belohnten, und dass ich nicht das Recht bewahrt habe, dir zu sagen: Töte nicht das arme Tier, dessen Gewinnung mir beinahe das Leben gekostet hätte?«

»Wenn der Lohn, den ich dir damals gab, unzureichend scheint, so bestimme selbst, was du verlangst. Der Sohn der Soesoenans will von niemand etwas geschenkt nehmen.«

»Ich fordere von dir das Leben Mahas.«

»Nein.«

»Thsermai, du hast mich in das Gesicht geschlagen, mich, der ich nicht einer deiner ängstlichen und feigen Javanern bin, mich einen freien Sohn des Ormuzd. Begnadige Maha und ich will es vergessen.«

Thsermai sah den Gueber mit Verachtung an, was diesem nicht entging.

»Nein«, entgegnete er, »Maha hat das Blut seines Herrn vergossen, Maha muss sterben und wird sterben. Ich schwöre es bei dem Heiligen Grab in Mekka.«

»Maha hat spielend deine Wange gestreift, Thsermai«, sagte der Schlangenbeschwörer, indem er die Stimme dämpfte. »Bewahre deinen Zorn für den, der ein Gefallen daran findet, in deinem Herzen eine tiefere Wunde offen zu erhalten als die, welche Maha deiner schlug.«

Die Augenbrauen Thsermais zogen sich zusammen; seine Stirn wurde finster. Er schien nachzudenken und entfernte mit einer gebieterischen Bewegung seine Diener.

»Du willst von Noungal sprechen?«, sagte er zu dem Gueber. »Ja, er ist heute zurückgekehrt, wie er es vor einem Monat verkündet hatte. Er ist anmaßender und drohender als je. Vergebens bot ich ihm, was mir von den Schätzen der Soesoenans, meiner Vorfahren, bleibt, vergebens schleppte ich mich zu seinen Knien. Er lachte über meine Verzweiflung, er verschmähte meine Anerbietungen. Er will, dass ich ihm die Blume meines Harems, das schöne gelbe Mädchen mit den schwarzen Augen zurückgebe.«

»Und Thsermai, der treue Beobachter des geschworenen Worts, wird tun, was Noungal verlangt, und sich von der Perle Hindostans trennen?«

»Vielleicht«, sagte der javanische Fürst, welcher nachzudenken schien. »Harruch«, sagte er dann nach einigen Augenblicken, »du hast mir mitgeteilt, dass du, den man jetzt Noungal nennt, und der über die Meerzigeuner gebietet, ein Barkasaham sei, das heißt, einer jener unsauberen Geister, welche mit der Hilfe des Dämons dem Herrn einen seiner Strahlen glorreichen Ruhmes raubten; einer jener Vampire, welche aus dem Blut ihrer Opfer die Fortdauer eines Lebens saugen, das sie dem Bösen widmen. Aber du sagtest mir auch, dass die Kraft, vereint mit der List, den verfluchten Barkasaham bezwingen könnten. Harruch, willst du mir in diesem Unternehmen beistehen?«

»Du hasst Noungal, aber du fürchtest ihn; du bist nicht die Kraft.«

»Nein, ich fürchte ihn nicht. Er hat gedroht, und du sahst, dass er mit leeren Händen fortgehen musste.«

»Was kümmert das Noungal? Heute sagtest du ihm Nein und morgen wirst du zu ihm flehen, das anzunehmen, was du ihm heute verweigert hast. Der Gebieter der Meerzigeuner hat die Zeit für sich und gleicht nicht der Salangane, welche nur eine Zeit der Liebe zu widmen hat.«

Das Gesicht Thsermais wurde leichenblass.

»Nimmermehr!«, rief er, »lieber wollte ich Arroa tot zu meinen Füßen sehen, als sie in den Armen des Barkasaham wissen.«

Bei dem Namen Arroa entstand ein leises Geräusch im Käfig neben dem des Panthers. Argalenka erhob den Kopf, der durch die Annäherung des Todes schon matt war.

»Sei mit mir, Harruch«, fuhr der javanische Fürst fort, »und wir senden Noungal zum Land der unsauberen Geister. Sei mit mir, und ich mache dich zu einem reichen, zu einem mächtigen Herrn, den alle unsere Javanern beneiden werden.«

Der Gueber lächelte auf eine eigentümliche Weise. »Nein«, sagte er mit spöttischem Ausdruck, »ich will Noungal nicht angreifen. Das Oberhaupt der Meerzigeuner ist allmächtig in dieser Welt und in jener. Harruch ist ein Wurm, der im Gras kriecht. Der Barkasaham braucht nur den Fuß zu erheben, um ihn zu zertreten.«

»Wir werden triumphieren, sage ich dir.«

»Ormuzd hat Thsermai verblendet.«

»Was willst du sagen?«

»In dem Augenblick des Kampfes will er die Waffe, die ihm allein den Sieg sichern könnte, in den Abgrund werfen, der sie nie zurückgibt.«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Hast du nicht soeben geschworen, dass dieser Tag der letzte des armen Maha sein sollte?«, fuhr der Gueber fort, indem er auf den Panther deutete.

»Jawohl. Nun?«

»Dieses schwarze Tier allein kann den Sohn der Nacht bekämpfen. Vergebens würdest du mit deinem Kris die Brust eines Barkasaham durchwühlen; vergebens würdest du in seine Adern allen Saft der Bohon-Upas unserer Insel träufeln; vergebens würdest du auf seinen Leib die Felsen unserer Berge wälzen; vergebens würdest du seinen Leichnam in den Eingeweiden der Erde verbergen. Der scharfe Stahl würde stumpf, das Gift verlöre seine Kraft, die Riesenfelsen kehrten von selbst an ihren Platz zurück, die Erde würfe das ihr anvertraute Pfand aus, wie die Mündungen des Banderango die brennende Lava, die ihren Krater sperren will. Hier, hier allein«, fuhr der Gueber fort, indem er die ebenholzschwarzen Seiten des Panther streichelte, der, als hätte er verstanden, dass von ihm die Rede sei, nähergekommen war und seinen Kopf an der Hand rieb, welche Harruch durch die Stäbe gesteckt hatte. »Hier allein ist das Grab, welches Ormuzd den Verfluchten angewiesen hat, die die Erde in Verzweiflung stürzen, solange der Zorn des Höchsten dauert.«

»Ich danke dir, Harruch«, entgegnete Thsermai, indem eine wütende Freude sich in seinen Zügen malte. »Will es Mohamed, so wird Arroa ihren Herrn nicht wechseln. Schließe Maha sorgfältig ein. Ich werde Waffen nehmen, die Pferde satteln lassen, und wir verfolgen dann die Spur Noungals mit dem lebenden Grab, in welches er eingeschlossen werden soll.«

»Und deine Eide?«

Thsermai zuckte die Achseln und kehrte in seinen Palast zurück.

Harruch sah ihm nach, dann wendete er sich um, öffnete das eiserne Gitter und ließ einen leisen Ruf ertönen.

Maha gehorchte diesem Ruf wie ein Hund der Pfeife seines Herrn. Gewandt wie eine Eidechse glitt er auf den Boden nieder und rieb sich an den Beinen des Guebern, indem er den Rücken krümmte wie eine junge Katze.

»Das Geheimnis wird dir sehr unnütz sein«, murmelte Harruch. »Willst du dich auf die Jagd begeben, so wirst du deinen Spürhund nicht wieder finden. Hier hast du dein Gold; ich nehme meine Beute zurück. Komm, Maha!«

Indem er diese Worte sprach, warf er in den Käfig einige Geldstücke und wollte sich entfernen, gefolgt von dem Panther, der dicht hinter ihm herging, als er sich rufen hörte.

Es war Argalenka, der sich in seinem Kerker bis zu den Stäben geschleppt hatte, gegen die er sich nun drückte.

»Bruder, Bruder«, sagte der Greis, »hat das Leiden meinen Geist verwirrt oder träumte ich es? Eben glaubte ich vom Tod Arroas sprechen zu hören! Eine Gefahr bedroht sie! Ha, ha, jetzt will ich leben. Ich bin schwach, ohnmächtig, aber du, du bist stark und kräftig. Verteidige sie, ich beschwöre dich, rette Arroa, und ich werde dein Sklave.«

»Wir haben beide verschiedene Wege verfolgt, Argalenka«, entgegnete Harruch. »Ich arbeitete an meinem blutigen Werk, du wartetest in Schmerz und Ergebung, und Ormuzd führte uns beide zum Ziel, welches wir erreichen wollten. Der Tag der Rache, nach dem ich mich sehne, ist nahe, und bald wirst du die Liebkosungen deines Kindes wieder fühlen.«

»Meine Tochter! Meine Tochter!«

»Noch diese Nacht sollst du sie wiedersehen.«

»Du willst meine Zärtlichkeit verspotten. Harruch, sprich nicht so. Mein armer Kopf, der durch das Fasten geschwächt ist, will zerspringen. Woher weißt du, dass die Lippen Arroas die ihres alten Vaters noch wieder berühren werden?«

»Wer zu warten weiß, wird erfahren; der kleine Skorpion, der in den golddurchwirkten Vorhängen der Paläste verborgen ist, erforscht die Geheimnisse der Sultane.«

»Aber sie liebt mich nicht mehr, sie erkennt den nicht mehr an, der ihr das Leben gab.«

»Was kümmert dich das, wenn sie dich nur zu lieben scheint, wenn sie so tut, als erkennte sie dich? Selbst wenn du nicht den Schein des Glückes gewinnst, musst du wissen, dich mit dem zu begnügen, was Ormuzd dir sendet. Umarme den Traum, ohne dich darum zu kümmern, ob er eine Wahrheit ist oder nicht.«

»Ach mein Kind, mein armes Kind! Weshalb hat Buddha uns den Geistern der Finsternis preisgegeben?«

»Versuche durch die Nahrungsmittel, die du hier hast, Kräfte zu gewinnen. Du wirst ihrer bedürfen, denn Du hast diese Nacht einen langen Weg zurückzulegen.«

»Mit meiner Tochter?«

»Mit deiner Tochter. Ehe noch der Mond die Höhe der Bäume erreicht hat, welche den Palast umgeben, wird sie in deinen Armen liegen.«

»Harruch, wie soll ich dir dafür danken, dass du mir mein Kind zurück gibst!«

»Ach«, entgegnete der Gueber mit einem Ton innigen Mitleids, »ich bin es nicht, der sie dir zurückgibt.«

»Aber nenne mir den, der es tut, damit ich mich ihm zu Füßen werfen und ihn verehren kann wie einen lebendigen Ausfluss Buddhas.«

»Wenn ich ihn dir nennte, so würde dein Herz vor Abscheu erbeben, und nicht vor Dankbarkeit. Es ist der Mann, dem jeder Seufzer, welcher sich deiner Brust entringt, einen Fluch zuschleudert.«

»Du irrst dich, Gueber. Ich verfluche niemand, nicht einmal den Mann, dessen Zaubermittel aus meinem Kind ein unsauberes, verächtliches Geschöpf machten. Buddha allein hat das Recht, zu verfluchen.«

»Wozu nützt es mir, dir seinen Namen zu sagen?«, entgegnete Harruch mit der äußersten Verachtung. »Ihr, die Ihr von den Ufern des Flusses kommt, der die große Erde benetzt, Ihr seid durch Gott schüchtern und schwach gemacht worden, wie Weiber. Weine und bete daher, schweigend wie ein Weib. Die Schuld, die du gegen diesen Menschen eingegangen zu haben glaubst, werde ich bezahlen, wenn der Tag zur Ordnung meiner Rechnung mit ihm gekommen ist. Wenn ich aber der Hilfe bedürfen sollte, die man von einem so furchtsamen Geschöpf, wie du bist, erwarten kann, dann vergiss nicht, dass ich die Hand drückte, die du mir hinhieltest. Lebe wohl. Maha mahnt mich, dass es Zeit zur Flucht ist.«

In der Tat waren seit einigen Augenblicken die gelben Augen des Panthers und seine gespitzten Ohren gegen den Palast gewendet. Sein weiches Haar sträubte sich, seine spitzigen Krallen traten aus ihrer Samtscheide hervor und rissen in den Boden. Er fühlte den Gebieter nahen, von dem er misshandelt worden war und alles verriet seine Furcht.

Harruch zog den Sacong um seine Hüften zusammen. Leicht wie das Tier, das ihm folgte, schwang er sich über die Mauer, die den Hof vom Garten trennte. Maha folgte ihm.

In der Tat erschien in diesem Augenblick Thsermai auf dem Hof. Er trug seine prachtvolle Kriegerkleidung, weite Beinkleider und ein Wams von weißem Stoff, mit Gold gestreift, darüber einen scharlachroten Sacong, bedeckt mit glänzenden Blumen und eng an dem Gürtel anliegend. Auf dem Kopf trug er den Kuluk, eine Art zylindrischer Mütze mit seidenen Borten besetzt. In seinem Gürtel steckten die üblichen drei Kris, und in der Hand hielt er eine Lanze.

Auf den ersten Blick bemerkte er, dass der Käfig, in welchem er Maha gelassen hatte, leer war. Beinahe zu gleicher Zeit erblickte er Harruch und den Panther, welche schon den ersten Abhang des Berges erreicht hatten und zwischen dem Gesträuch verschwanden, mit dem der Abhang bedeckt war.

Der javanische Fürst blieb einen Augenblick regungslos stehen, als vermochte er nicht, sich diese Flucht zu erklären. Er rief Harruch, doch dieser antwortete ihm nicht. Nun erstand der Gedanke, der Gueber möchte darauf sinnen, ihm seine Rache zu rauben, oder derselben Hindernisse entgegenzustellen, zum ersten Mal in seinem Geist. Er stieß einen Schrei der Wut aus, bei dem alle seine Leute herbeieilten.

»Pferde! Pferde!«, heulte Thsermai. »Der Gueber hat den Panther gestohlen. Bewaffnet euch alle, und auf zur Verfolgung!«

Während einiger Minuten war der große Hof das Schauspiel einer unglaublichen Verwirrung. Die Diener Thsermais liefen erschreckt hin und her und ergriffen, was ihnen in die Hände fiel, um den Befehlen ihres Gebieters zu gehorchen. Die Pferde, scheu gemacht durch den Tumult, bäumten sich auf, stießen aneinander, überschlugen sich und rissen die Reiter mit sich nieder. Die Frauen des Palastes waren an die Fenster getreten und vereinigten ihr Geschrei mit dem, welches vom Hofe herauftönte.

Der javanische Fürst versuchte den Lärm zu übertäuben.

»In den Sattel!«, schrie er. »Doch dass keiner von euch, so lieb sein Leben ihm ist, ein Haar an dem Fell Mahas verletzt! Der Kopf des Guebern ist sein Gewicht an Gold wert, und diesen Palast gebe ich dem, welcher mir den Kopf Noungals, des Malaien, bringt, den ihr alle diesen Morgen hier gesehen habt.«

Indem er diese Worte sprach, drückte er seine maureskischen Steigbügel in die Flanken seines Pferdes, um es vorwärts zu treiben, aber in diesem Augenblick ertönte ein Schuss aus den Gebüschen, welche den Palast mit einem grünen Gürtel umgaben. Das Tier, welches Thsermai bestiegen hatte, bäumte sich auf, schlug mit den Vorderfüßen in die Luft und stürzte dann in Todeszuckungen nieder.

Zugleich trat ein Mensch, der die Kleidung der malaiischen Seeleute trug und in der Hand eine europäische, noch qualmende Büchse hielt, aus dem Bananengebüsch hervor und trat auf Thsermai und dessen Leute zu.

Bei dem Anblick dieses Menschen, der offenbar der Urheber des Angriffs war, welcher ihren Herrn seines besten Renners beraubt hatte, senkten alle Diener des javanischen Fürsten ihre Waffen, Schüsse fielen, Pfeile durchflogen zischend die Luft und ein Hagel von Kugeln und Pfeilen schlug rings um den Malaien her in die Erde oder zerschmetterte die Zweige der Gesträuche. Er aber schritt ruhig und stolz vorwärts, ohne dass ein Zug seines Gesichts die geringste Furcht verraten hätte. Die Sklaven wichen zurück, und er konnte sich Thsermai nähern, der von seinem Sturz noch ganz betäubt war.

»Rajah«, sagte er, »Du forderst soeben meinen Kopf. Ich bringe ihn dir und komme den Preis dafür zu verlangen.«

»Noungal!«, rief der javanische Fürst überrascht.

»Ja, Noungal, der selbst kommt, um sein Gut zu holen, das du ihm verweigern willst. Noungal, der es verschmähte, dich den Holländern auszuliefern, wie er dir drohte, denn dein Leben ist wichtig für den Erfolg der Sache, der ich diene, und ich habe in meiner Hand die Mittel, dich zu zwingen, dich meinem Willen zu beugen. Thsermai, gib mir die gelbe Sklavin zurück, die ich dir anvertraute.«

»Unsinniger, ich bewundere dich«, erwiderte Thsermai. »Wir sind unserer Hundert, du bist allein, und du wagst zu drohen! Du bist in die Höhle des Tigers eingedrungen, um von ihm das Lamm zu fordern, das deiner Herde fehlt! Schließt die Ausgänge«, gebot er seinen Leuten, »ergreift ihn, und wir wollen dann wohl sehen, ob ihn die Hölle hart gemacht hat gegen die Tortur!«

Noungal antwortete auf diese Drohung mit jenem schneidenden Gelächter, welches früher Eusebius so entsetzt hatte. Lautes Geschrei antwortete ihm, und aus allen Gebüschen, hinter den Säulen der Verandas, aus allen Winkeln, hinter jedem Gegenstand hervor, der fähig gewesen war, einen menschlichen Körper zu verbergen, liefen eine Menge von Menschen herbei, mit gebräunten Gesichtern, bedeckt mit schmutzigen Lumpen, und stürzten sich auf die Diener Thsermais, indem sie ihre Waffen schwangen.

»Die Meerzigeuner!«, schrien die erschreckten Sklaven.

Das Entsetzen, welches die fürchterlichen malaiischen Seeräuber den Einwohnern im Inneren des Landes einflößten, war so groß, dass alle Diener Thsermais bleich, stumm und zitternd ihre Waffen wegwarfen und die Flucht ergriffen, wie ein Schwarm Tauben beim Anblick eines Geiers.

Der javanische Fürst wollte sie zurückhalten. Er bat, er flehte, er drohte. Er berief sich auf ihre erbliche Treue für ihren Rajah, aber sie achteten nicht auf seine Stimme, sondern rannten in ihrer Verwirrung ihn selbst zu Boden, traten ihn unter ihre Füße und verschwanden dann in alle Richtungen.

Als Thsermai sich allein erblickte, wollte er in das Innere seiner Gemächer zurückkehren. Er hatte die Absicht, seinen Kris Arroa in das Herz zu stoßen und an ihrer Seite zu sterben. Allein auf ein Zeichen ihres Führers warfen vier kräftige Malaien sich über den jungen Mann her, banden ihn an Händen und Füßen, ungeachtet des wütenden Widerstandes, den er ihnen entgegensetzte, und schleppten ihn in der Richtung der Gärten fort.

Als er verschwunden war, trat der Führer der Zigeuner in die Mitte der Piraten und sagte: »Um euch dazu zu bewegen, mir so weit vom Meer fort, auf dem wir herrschen, zu folgen, versprach ich euch Reichtümer. Dieser Palast war der Preis für den Kopf Noungals; Noungal überlässt ihn euch. Geht, Kinder!«

Die Banditen antworteten durch ein Geschrei, welches aus dem Mund von Dämonen zu kommen schien, stürzten sich auf die Wohnung der Soesoenans, und in einem Nu machten sie dieselbe zum Schauplatz entsetzlicher Auftritte der Gewalttat und des Mordes.

Argalenka hatte alles, was vorging, mit furchtbarer Angst beobachtet. Als die Meerzigeuner im Palast verschwunden waren, mischte sein Verzweiflungsgeschrei sich in das Triumphgeheul der Banditen. Er sah hundert Dolche gegen die Brust seiner Tochter gezückt, er erblickte diese keuchend in den Armen der Piraten. In jedem Schrei eines Weibes, welcher ertönte, glaubte er die Stimme Arroas zu erkennen, die ihn zu Hilfe rief. Er versuchte es, die Eisenstäbe zu erschüttern, die seinen Kerker schlossen, aber dieser war für einen Insassen von gewaltigerer Kraft, als der arme Greis besaß, gebaut worden, und er widerstand allen seinen Anstrengungen. Er versuchte es, die Aufmerksamkeit der Zigeuner auf sich zu lenken, und hätte gewünscht, dass sie ihm ihre Schüsse zusendeten, um dieselben von Arroa abzuwenden; aber alles war vergeblich.

Bald drangen leichte Rauchwölkchen durch die Bambusjalousien und glitten an den Verandas hin. Ihnen folgten dünne Feuerzungen, unter denen die glänzenden Ziegel krachten, aus dem Dach hervorsteigend. Der Palast stand in Flammen. Argalenka regte sich wie ein wütender Löwe in seinem Käfig. In seiner Verzweiflung bemerkte er nicht, dass zwei Männer sich dem Ort genähert hatten, an welchem er eingesperrt war.

Der eine dieser Männer war Noungal, der andere Thsermai, seiner Bande zwar entledigt, aber finster und sorgenvoll.

»Beduis«, sagte Noungal zu Argalenka, indem er ihn mit dem Finger berührte, »ich hatte dir gesagt, du solltest deine Tochter auf dem Berg Sadjiva erwarten. Wie kommt es, dass ich dich hier finde?«

»Meine Tochter! Meine Tochter!«, rief der Gueber. »Sie ist hier in den Händen dieses Menschen, sie wird in dem Brand umkommen! Öffnet, öffnet den Käfig, ich beschwöre euch, dass ich mein Kind retten kann!«

Noungal wiederholte kalt seine Frage.

»Kann ich Euch antworten, wenn meine Tochter stirbt? Sie war nicht auf dem Berg Sadjiva, denn sie ist hier.«

»Beduis, die fünf Tage enden erst heute Abend.«

»Ach, wenn es wahr ist, dass mein Schmerz Eure Seele gerührt hat, so rettet sie, ich beschwöre Euch! Ich glaubte, nachdem ich durch sie zurückgestoßen wurde, gäbe es für mich keinen Schmerz mehr auf Erden; aber sie einen so entsetzlichen Tod sterben zu sehen, das ist ein Gedanke, den die Kräfte eines Vaters nicht zu ertragen vermögen.«

»Verlasse den Käfig und gehe dahin, wohin ich es dir geboten hatte. Deine Tochter wird mit dir zugleich dort sein.«

Auf ein Zeichen Noungals öffnete Thsermai gehorsam den Käfig. Argalenka stürzte hervor, aber statt sich zu den Bergen zu wenden, deren bläuliche Gipfel der Malaie ihm mit dem Finger andeutete, versuchte er, in den Palast zu dringen.

Aber in dem leichten Bau, dessen ganzes Holzwerk nur ans Bambusstäben bestand, hatte der Brand sich mit wunderbarer Schnelligkeit verbreitet. Die Piraten verließen den Palast hastig aus allen Ausgängen, die einen beladen mit Beute, die anderen Sklaven sich nachschleppend. Im Inneren hörte man Todesgeschrei, gemischt mit dem Krachen der Wände, welche das Feuer verzehrte. Als Argalenka vor der Tür erschien, aus der die Flammen hervordrangen und eine unübersteigbare Wand bildeten, stürzte das Dach mit entsetzlichem Gepolter ein.

Der Beduis sank nieder auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen. Noungal hob ihn auf.

»Ist der Beduis wahnsinnig?«, fragte er mit minder harter Stimme. »Hat er nicht gehört, dass seine Tochter sich zum Berg Sadjiva begibt? Will er denn, dass sie, in der Wüste allein und verlassen, die Beute der Tiger des Djivadal werde? Hat denn Argalenka für seine Tochter nicht mehr das Herz eines Vaters?«

Die Aufregung des armen Guebern war so stark, dass er nicht antworten konnte. Er erhob sich und schritt dem Punkt des Horizontes, den Noungal ihm angedeutet hatte, so rasch zu, wie seine wankenden Schritte es ihm gestatteten.

Der Malaie kehrte zum javanischen Fürsten zurück, der mit dumpfem Schweigen die Trümmer betrachtete, die unter seinen Augen entstanden.

»Nun, Rajah«, sagte er, »du siehst, dass ich dich nicht getäuscht habe, dass es keine törichte Leidenschaft war, welche meinen Entschluss bestimmte, als ich die gelbe Sklavin von dir forderte. Lass Arroa bei dem, was du nicht zu begreifen vermagst, die Bestimmung erfüllen, die ich ihr vorgeschrieben habe. Ist deine Laune dann noch nicht verschwunden, so wirst du sie bald in deinen Palast zurückführen können.«

»In meinen Palast!«, erwiderte Thsermai mit bitterer Ironie, indem er auf die einstürzenden Mauern und die gleich Fackeln brennenden Säulen deutete.

»Der Palast des Herrschers von Java kann kein anderer sein als der, welchen gegenwärtig die Herren der Insel bewohnen. Wenn du triumphierend in Buytenzorg einziehst, Rajah, wirst du mir danken, dass ich dich dieser Hütte entledigte.«

Noungal stieß einen Ruf aus, um seine Piraten zu versammeln.