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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Gespenst im alten Schloss – Kapitel IV

Das Gespenst im alten Schloss
Oder: Ein Verbrecher verrät sich selbst

IV.

Aber plötzlich überfiel alle ein Schrecken, als der verhasste Loisl sich von seinem Lager, auf welchem ihn niemand vermutete, erhob und ein lautes heiseres Lachen anhob, dass es seinen ganzen Leib erschütterte. Er war es nämlich, der während des Ungewitters sich eingeschlichen und bisher unbeachtet geblieben war. Die Frau warf besorgte Blicke um sich, denn sie fürchtete ein Unglück. Caspar stand von Zorn ergriffen und starrte den Frechen wie einen Geist an.

Der Förster sprang auf, griff nach dem Hirschfänger und rief dem Lachenden zu: »Bursche, wer hat dich eingelassen, was gibt’s, was soll dein dummdreistes Gelächter?«

Loisl lachte fort und sagte mit widerlich heiserer Stimme frech heraus: »Was mein Gelächter bedeuten soll? Das bedeutet, dass ich Euch nicht fürchte und Euer Messer auch nicht. Lachen muss ich, weil Eure Erzählung so viel schön und rührend war, aber erlogen ist! Denn Ihr habt meine Mutter nie gesehen, mit keinem Blick. Und dass es so ist, wisst Ihr selber am besten. Lasst doch solche Maulmachereien und Lügen!«

Aufgebracht durch so viel Frechheit und Spott schritt Caspar auf sein Gewehr zu und schien seiner kaum mächtig. »Elender Einschleicher, Holz- und Wilddieb. Jetzt sollst du mir nicht mehr davon. Ergib dich oder es ist deine letzte Stunde.«

Er hatte schon das Gewehr in der Hand, aber die Frau fiel ihm in den Arm und der Förster wehrte selbst ab.

Loisl rief lächelnd: »Weg mit der Flinte. Gebt die Tür frei oder der Herr Förster soll es bereuen. Dass ich da vor dem Gewitter einen Unterstand gesucht habe, kann das Haus nicht verunehren; denn da gib es schon noch Schlechteres. Nicht wahr, Euer Gnaden, Herr Förster? Jetzt hat das Gewitter nachgelassen, darum gehe ich und Ihr seht mich nicht sobald wieder.«

»Aber Loisl«, sagte die Frau, »warum lässt du denn nicht im Guten mit dir reden und musst immer streiten? Warum bist du wie ein Dieb hereingeschlichen? Du weißt es ja, dass du da Unterstand und Unterhalt findest, wenn du deine bösen Weg meidest und als ein Mensch lebst wie andere Leute.«

»Gehorsamster Diener«, entgegnete Loisl lachend, »damit ist’s nichts. Der Wald ist mein Leben, Freiheit mein Alles, Wildschießen meine Seligkeit. Gibt es auch Krieg mit allerlei Bediensteten, es trägt ein schönes Stück Geld und ist eine Lustbarkeit dabei. Bei Euch da ist ein gar ödes Leben – lasst mich aus damit.«

»Und dein Treiben muss ein Ende nehmen«, mahnte nun der Förster mit allem Ernst. »Ich rate es dir im Guten, kehre um, ehe es zu spät ist. Treffe ich dich noch einmal, dann sehe zu – mein Stutzen trifft sicher und meine Hand ist noch fest. Mehr als ein Versteck kenne ich schon und dir und deinen Kameraden will ich’s Handwerk legen und euch zeigen, wer Herr ist in der Gegend da. Lach und spotte, so viel du willst; aber hüte dich, mich aufs Äußerste zu treiben, sonst schieß ich dich nieder wie einen tollen Hund – das ist dir geschworen, so wahr wie zwei mal zwei vier ist.« Drohend erhob er die Hand.

Ohne Aufregung und immer höhnisch lächelnd stopfte sich nun Loisl seine Pfeife, zündete sie an, stellte sich stolz vor den Förster und sprach: »Seid nicht so jähzornig, Euer Gnaden Herr Förster, und denkt doch ein wenig an jene Februarnacht in K… drüben. Nicht wahr, damals war der Loisl gar ein lieber Mensch und Ihr habt ihn umarmt vor Freude, dass er Euch über die Mauer hinübergeholfen hat. Es ist mir noch nicht eingefallen, auszuplaudern, was ich weiß; aber dafür sollt Ihr die Augen zudrücken bei mir – sonst kenne ich auch den Weg zum Gericht. Lasst Euren Zorn aus, an wem Ihr wollt, aber mich lasst in Ruhe. Was ich weiß von Euch, habe ich aufgeschrieben und liegt petschiert bei einem Freund. Es wird Euch nicht schaden, solange ich gut Freund bin mit Euch. Schießt Ihr mich aber nieder wie einen tollen Hund nach Eurer Rede, so wird er Euch beißen, noch wenn er tot ist. Das merkt Euch und somit Gute Nacht alle miteinander.«

Die Frau hatte Tränen in den Augen und faltete die Hände. Was sie da gehört hatte, machte sie wehmütig und betrübt. Der Förster ging finster und rasch auf und nieder. Caspar aber starrte seinen Herrn an und traute kaum seinen Augen, als er sah, dass dieser solche Reden hinnahm und dem elenden Wicht nicht eine Kugel nachsenden wollte.

Förster Simon versuchte, diesem Auftritt den Ernst zu nehmen und Glauben zu machen, dass nichts Wahres an Loisls Gerede sei und als hätte er ihn nur gehen lassen, um ihn desto vertraulicher zu machen, wodurch er ihn mit seiner Kumpane umso sicherer zu finden hoffte. Er zeigte sich zusehends heiterer und Frau und Caspar hatten bald wenig Zweifel mehr an des Försters Worten. Es trat allmählich eine behaglichere Stimmung in dem kleinen Kreis ein.

Die Frau rief nun der neuen Magd in die Küche, das Nachtessen aufzutragen. Vefe hatte kein Wort von den Reden in der Stube verloren und mit hochklopfendem Herzen insbesondere auf den Loisl gehorcht. Wie ein Blitz zündeten seine Andeutungen in ihrer Seele. Heftig begann ihr Blut zu wallen. »Es ist so«, flüsterte sie, »mein armer Vater hat es so erzählt.« In dieser Aufregung kam der Ruf der Frau.

Rasch fasste sie die Schüssel an und stellte sie, ohne aufzublicken, in die Mitte des Tisches. Da rief ihr eine Stimme laut entgegen: »Anna, Anna!«, sodass sie die Augen anhob und dem Förster gerade ins Gesicht sah, der wie versteinert vor ihr stand.

Sein Blick haftete lächelnd an Vefes hübscher Gestalt – er meinte in Wirklichkeit diejenige zu sehen, deren verstaubtes Bild im Ofenwinkel hing.

Der Frau war diese Überraschung ihres Mannes nicht entgangen. Indem sie Vefe zu sich winkte, sagte sie: »Die neue Magd hier heißt nicht Anna, sondern Genovefa oder Vefe.«

Als wollte der Förster ein Traumbild verwischen, fuhren seine Hände über die Augen und sagte halblaut: »Ja richtig, ich habe geglaubt, die neue Magd heißt – also Vefe, Vefe.« Wiederholt richtete er seine Blicke auf die Magd und fragte sie, ob sie den und den und die und die nicht kenne.

Vefe wusste ihre Verlegenheit kaum zu verbergen und sagte endlich: »Ich bin ja weit aus der Fremde und weiß nichts von den Leuten da in den Bergen.«

Auf diese Weise kam die Schlafensstunde. Caspar fand keine Ruhe, denn in ihm tobte der Unwille. Die Frau ging in die Kammer und betete recht inbrünstig, dass der Himmel alles glücklich enden möge. Vefe aber stand lange sinnend am Küchenfenster und beriet sich mit sich selbst, wie sie zu dem Loisl komme, der mehr zu wissen schien, als es für des Försters Geheimnis gut und das aufzudecken ihr sehnlichstes Verlangen war.

Der Förster war allein im Zimmer geblieben, ging lange Zeit auf und ab, sprach mit sich selbst und bewegte aufgeregt sogar die Hand. Plötzlich trat er zum Ofen, nahm das alte Bild hervor, betrachtete es lange mit Teilnahme und sagte: »Ja so war es vor Jahren – wie wird es jetzt sein mit ihr? Die Vefe gleicht ihr ganz. Wie sie gekommen ist, war mir gerade, als käme die Anna in mein Haus, die Anna, die ich so geliebt habe, mehr als mein Leben.« Doch auf einmal, als schämte er sich seiner Weichherzigkeit, presste er das Bild krampfhaft zwischen die Hände, sodass es zerbrach. Mit boshaftem Lachen sagte er: »Fort damit, sie hat mich betrogen, verlassen, verlacht, sie hat einen anderen geheiratet. Was ich den Leuten angetan habe, ist alles nichts gegen die Untreue dieses Weibsbildes. Ich verachte, hasse und verwünsche sie und die ihren. Meinetwegen mag sie elendig verderben und sie soll zu Grunde gehen, gleichwie nun auch ihr Bild zertrümmert ist.«

Boshaft auflachend ging er langsam in sein Schlafzimmer. Stille herrschte in der Försterei wie im alten Schloss. Nur der Wind sauste noch.

Auf diesen stürmischen Tag schien Ruhe zu folgen. Der Loisl und seine Gefährten mochten doch vielleicht vorsichtiger geworden sein oder hatten sich einen entfernten Ort ihrer Diebestätigkeit ausgesucht – kurz, sie waren in der ganzen Umgegend nicht zu sehen. Die Frau und Vefe waren sich immer herzlicher zugetan und Caspar fing bereits an, einen Heiratsplan mit Vefe zu entwerfen.

Ist sie auch eine Waise und ganz arm, so kann doch ich meinen Weg als Jäger machen. Von meinen Pflegeeltern habe ich auch eine kleine Wirtschaft zu hoffen, dachte er her und hin.

Vefe blieb aber gedrückt im Gemüt und wurde oft nachdenklich und traurig, denn mit der Erreichung ihres Zieles ging nichts vorwärts. Loisl war nicht zu sehen, um von ihm Auskunft zu erhalten und sonst wollte sie sich niemand anvertrauen. Auch musste sie es empfinden, dass der Förster, nachdem er das alte Bild zerstört hatte, auch gegen sie mehr hart und abstoßend geworden war, sie oft Minuten lang mit finsteren Blicken anstarrte, als hätte er allen Groll und Hass gegen die Mutter auf die Tochter übertragen. Von einem Eingang in den geisterhaften Schlossgang fand sie auch nichts und selbst alles Gerede davon verstummte. Doch es sollte bald anders werden.

In dem nächsten, bei zweieinhalb Stunden entfernten Marktflecken hatte ein großer Grundbesitzer Hochzeit. Es war dazu auch der Förster Simon mit den seinen geladen, denn er war mit dem Hochzeiter weitschichtig verwandt und hatte auch sonst mit ihm manche Geschäfte. Er nahm seine Frau und den Caspar mit. Auf Fürbitte der Frau sollte auch Vefe daran teilnehmen. Für Herrn und Frau wurde ein hochzeitlich geziertes Gefährte geschickt. Caspar und Vefe hatten auf dem Seitenweg dorthin zu gehen, was ihnen mit ihren jungen und gesunden Füßen gar nicht beschwerlich fiel; umso weniger, da es auf dem Seitenweg viel näher war und sie auf diesem vielleicht eher in den Ort kämen als ihre Herrschaft mit dem Fuhrwerk.

Es war, wie man zu sagen pflegt, eine vornehme Hochzeit: ein feierlicher ernster Kirchgang, unter dem Amt auch zwei Beimessen, eine erbauliche Musik und eine Menge stattlicher Hochzeitgäste. Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen. »So einen Kirchgang«, hieß es, »hat man nicht bald einmal gesehen.« Aber auch die Hochzeitstafel und Tische waren vornehm. Die Gäste waren alle fröhlich, zufrieden und freundlich. Selbst der Förster war schon lange nicht mehr so gut aufgelegt wie bei dieser Hochzeit.

Caspar und Vefe erfreuten sich aber besonders auf dem Tanzplatz, den ein gesetzter Mann in Ordnung und Ehrbarkeit erhielt und der mit einer schönen Musik besetzt war.

Den Nachmittag über ging alles in bester Ordnung vor sich; aber um das Dunkelwerden drängten sich ungeladene Gäste und unliebe Gesichter ein. Dem Caspar besonders stieg der Zorn auf, als er in diesen Gesellen bekannte Wilddiebe und vor allem unter ihnen den Loisl erkannte. Diese rohen und frechen Burschen mischten sich nun mitten unter die tanzenden Paare, als ob sie allein das Recht auf den Tanzplatz hätten. Besonders der Loisl folgte Schritt für Schritt dem Caspar und der Vefe mit allerlei ausgelassenen Possen und Glossen. Endlich wusste er es so anzustellen, dass er dem Caspar den Fuß unterschlug und der Jägerjunge in ganzer Länge auf den Tanzboden hinfiel.

»Wirst du uns noch einmal beim Förster verpetzen?«, fragte Loisl spöttisch.

Vefe war davongelaufen und hatte diesen Auftritt dem Förster gemeldet. Als nun dieser kam, um die Burschen und insbesondere den Loisl zur Ruhe zu ermahnen, sagte ihm dieser die ärgsten Schimpfreden und machte wieder eine Anspielung auf jene Nacht, wo er den Loisl so gut brauchen konnte und der Loisl so brav war. Viele wussten nicht, was der Loisl und der Förster hatten, aber bei denjenigen, die schon früher einmal etwas Zweideutiges davon gehört hatten und das nun verstummt war, mochte die Anspielung Loisls wieder Altes in Erinnerung gebracht haben. Genug, sie war öffentlich geschehen.

Der Förster hatte alle Lust verloren, länger zu verweilen. Er machte Anstalt, mit seiner Frau nach Hause geführt zu werden. Auch für Caspar und Vefe bestellte er ein Gefährte, damit sie zusammen heimkämen, denn er fürchtete besonders für Caspar, dass ihm diese frechen und gegen ihn seines Eifers wegen aufgebrachten Burschen auf dem Heimweg noch etwas Ärgeres antun als auf dem Tanzplatz. So traf auch hier ein, wie es heißt: Das Lachen kann mit Schmerz gemischt sein und auf die Freude Traurigkeit folgen.