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Der Welt-Detektiv Band 6

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Guido von Scharfenstein – Kapitel IV

Guido von Scharfenstein, der mächtige Bezwinger der Zauberer und Hexen, und die wunderbare Rose
Eine Ritter- und Zaubergeschichte aus guter alter Zeit
J. Lutzenberger Verlag Burghausen

IV.

In seinem Eulennest saß der Zauberer Gundelbart in seiner scheußlichen unnatürlichen Gestalt, und neben ihm in gleich liebenswürdiger Missgestalt seine Schwester, die Hexe Gundelberta. Er beratschlagte mit ihr, wie es ihm wohl gelingen möchte, die gefangene Utta, des Schlangenritters schönes Weib, in sein Netz zu locken. Nebenbei unterließ das Geschwisterpaar nicht, sich in kräftigen und schmähsüchtigen Worten darüber zu äußern, warum ihre Mutter, die Hexe Kanda, sie in so hässlicher und widernatürlicher Gestalt zur Welt gebracht habe.

Währenddessen zuckte ein fahler Blitz durch die Räume des Schlosses, der Horizont verfinsterte sich und gewaltiger Schwefelgestank erschwerte das Atmen. Dumpf rollte von fern her der Donner. Gundelbart und seine Schwester stürzten ohnmächtig zu Boden. Sie erkannten, dass ihre Mutter, gegen die sie soeben gemurrt hatten, sich näherte. Beide wussten, dass diese in ihrem Zorn sich fürchterlich gebärde. Allmählich umgab ein rötlicher Feuerschein das Schloss; leise winselten die Kröten, Unken und all das übrige Ungetüm, welches die Leibwache Gundelbarts bildete, eingeschüchtert durch das Brausen des Sturmwindes, mit welchem die Gefürchtetste der Hexen herangezogen kam. Endlich flogen krachend die Türen auf und Kanda, auf einem großen schwarzen Kater reitend, brauste herein. Glühend rollten zwei große, rot geringelte Augen in dem unförmlichen Eulenkopf, mit dickem stark gebogenen Schnabel. Dieser Kopf saß auf einem langen, dürren Menschenrumpf mit einer Brust, an der zwei Schläuchen gleich schlaff und spitz die Behälter herabhingen, aus welchen Gundelbart und seine Schwester die erste Nahrung gesogen hatten. Dürr und knöchern waren ihre Arme mit den Händen, deren Finger in starken Krallen endeten. Ebenso gestaltet waren ihre Füße, aus deren Rückseite ein Sporn herauswuchs, wie bei einem Hahn. Mit diesem pflegte sie den Kater, auf welchem sie ritt, zu größerer Eile anzutreiben.

»Wagt ihr es, elendes Gewürm«, krächzte Kanda mit ihrer Eulenstimme, »den Geifer eures Missvergnügens gegen mich zu richten? Das Blinzeln meiner Augen kann euch ja in eine scheußliche Blindschleiche verwandeln, die jedes Geschöpf anspeit! Noch einmal lasst Euch das einfallen, und es geschieht, wie ich gesprochen habe. Wie ihr da liegt, vor Angst zitternd, o erbärmliches Geschmeiß. Auf jetzt! Es ist nicht Zeit zum Winseln, denn der alte Schleicher Leuthold ist wieder tätig. Er hat einen Toren ausfindig gemacht, der unser Reich umstürzen soll. Hört zu, was ich euch sagen will, es wird euch wohl zur Tat anspornen, ihn zu verderben. Noch drei Monde, dann ist Rosamunde unser und unser Reich für ewige Zeiten festgestellt. Dann kann ich euch gewähren, was ihr so sehnlich wünscht – die ewige Schönheit. Doch schweren Kampf wird es noch kosten, denn der Tor, der Rosamunde meinem Lieblingssohn Anselbert entreißen soll, ist vortrefflich ausgerüstet. Er besitzt eine Rose, die ihn gegen unseren Zauber schützt. Du sollst sie ihm entreißen, Gundelberta, und alle deine Künste aufbieten, ihn in dein Netz zu locken. Auf und rüste dich! Noch in dieser Stunde musst du fort. Nach Norden führt dich dein Weg. Damit du ihn nicht verfehlst, will ich eine Krähe vor dir her senden, die dir den Weg zeigt. Deiner eigenen Klugheit überlasse ich es, das Übrige zu ordnen.«

Abermals krachte der Donner, Blitze schlängelten um die Hexe, die sich bald wieder in ihren roten Feuernebel verhüllte. Der Kater ließ sein widerliches Miau vernehmen und fort ging es dann über Stock und Stein.