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Im Zauberbann des Harzgebirges – Teil 2

Im Zauberbann des Harzgebirges
Sagen und Geschichten, gesammelt von Marie Kutschmann

Bischof Buko von Halberstadt, der Kinderfreund

Buko von Halberstadt,
bring unserm Kinneken wat!
Wat sall eck ehm bringen?
Rode Schauh’ mit Ringen,
rode Schauh’ mit Gold beschlan,
de sall unser Kinneken han!
Eia, popeia.

Wenn ihr das alte Halberstadt besucht, eine Stadt, die noch so manches Andenken an die Vergangenheit bewahrt, und ihr staunend auf die vielen Spuren verschollener Zeiten blickt, wird euch vor allem der riesige steinerne Roland auffallen, der mit gezogenem Schwert vor dem Rathaus auf dem Marktplatz steht. Still verwundert sieht er auf seine veränderte Umgebung, und könnte er erzählen, was er in den vielen hundert Jahren, während deren er felsenfest, jedem Sturm und Ungemach zum Trotz, seinen Platz behauptet hat, was er da alles gehört und gesehen, viel Wunderbares würde zutage kommen.

Zu seinen Füßen, unter seinen wachsamem Augen wurde in früheren Zeiten Gericht gehalten. Mancher arme Sünder oder gar unschuldig Verurteilte mag in seiner Todesangst verzweifelt zu ihm aufgeblickt und um Hilfe gefleht haben. Sein steinernes Herz aber rührte kein Mitleid. Mit demselben Gleichmut blickte er auf Leid, wie auf Freude, und jedwedes Urteil der gestrengen Schöffen wurde vollstreckt. Viele trauen gar dem steinernen Gesellen übernatürliche Dinge zu, und mancher mag wohl heimlich herbeigeschlichen sein, um der Sage willen, dass der Roland in der Johannisnacht, wenn er es zwölf schlagen hört, einen Fuß erhebt, unter dem ein blitzendes Goldstück liegt. Merkwürdigerweise hat das aber bisher noch kein Mensch finden können.

Im Jahre 1060 nun wurde ein merkwürdiger Mann Bischof und Gerichtsherr zu Halberstadt, Burkhard II., genannt Bischof Buko, ein kriegerischer Fürst und ein tapferer Herr, welcher den größten Teil seines Lebens in Streit und Fehde verbracht und von dem trotz dessen das vorstehende Kinderliedchen gesungen wird. Es hat sich erhalten nicht nur in der alten Bischofsstadt, sondern auch weithin in den sächsischen Landen und im Gebiet des Harzes.

Gegen Kaiser und Reich, gegen Nachbarn und Fremde hat Bischof Buko sein Lebtag gestritten, solchergestalt, dass der Volksmund ihm den Beinamen Schürer der Flammen des Sachsenlandes gegeben hat. Und dennoch hat er sich Frömmigkeit und Menschenliebe in so hohem Grad bewahrt, dass der streitbare Kirchenfürst weit und breit berühmt war durch seine warme Zuneigung zu unschuldigen Kindern.

Kam er von irgendeinem Feldzug oder einer Reise nach Halberstadt heim, gleich liefen die Kleinen von allen Seiten zusammen und fröhlich riefen sie: »Bischof Buko kommt, Bischof Buko kommt!« Wenn er dann aber in seinem bischöflichen Sitz oder Hof war, warf er Geld, Obst und andere Naschereien unter die Kinder; ja zuweilen teilte er auch größere Geschenke aus. Besonders häufig waren es rote Schuhe mit Ringen, so wie es im Liedchen heißt. Dann war der Jubel der Kleinen groß und mit Stolz wurde in der schönen Gabe des Stadtherrn einherstolziert.

Gleich bei dem Regierungsantritt des Bischofs kam großes Unglück über die Stadt. Die ganze nördliche Hälfte derselben und auch der Dom wurden ein Raub der Flammen. Buko half, wo er konnte, und den Dom ließ er alsbald wieder aufbauen, schöner und kostbarer noch, als er vordem gewesen war. Als nach elf Jahren das Werk vollendet war und die Einweihung stattfand, kam selbst der Kaiser zu dem großartigen Fest.

Bald indes wurde Buko in die Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und der Kirsche verwickelt. Als Bevollmächtigter Kaiser Heinrichs schickte man ihn nach Rom, um dem auf Betreiben der Mutter Heinrichs zum Papst gewählten Honorius gegen den Gegenpapst Alexander beizustehen. Trotz dessen aber handelte er, vom Einfluss des schlauen Hildebrandt bestrickt, eines eifrigen Freundes Alexanders, dem Willen des Kaisers entgegen. Später wurde auch wirklich die Wahl Alexanders vom Kaiser bestätigt und Honorius feierlich abgesetzt. Heinrich aber verzieh seinem Abgesandten.

Doch schon im Jahre 1073 lehnte sich Buko offen gegen Heinrich auf und zog an der Spitze des Sachsenheeres dem Kaiser entgegen. Unter seiner Führung wurden die schöne Harzburg und andere Burgen Heinrichs zerstört.

Als jedoch Heinrich 1075 die Unbill, die ihm widerfahren war, blutig gerächt und den Sieg über die Sachsen errungen hatte, beeilten sich die gegen ihn verbündeten Fürsten, mit ihm zu unterhandeln, um einen glimpflichen Frieden zu erlangen. Heinrich ließ denselben denn auch eidlich versprechen, dass er sich mit ihnen versöhnen wolle. Beim Dorf Spira im Schwarzburgischen wurde ein Thron für den Kaiser errichtet. Der Kaiser bestieg denselben und rings umgaben ihn die Herren seines Gefolges. Da kamen der Bischof von Magdeburg, Bischof Buko und andere Edle des Sachsenlandes, warfen sich vor ihm auf die Knie und erbaten Verzeihung.

Heinrich aber ließ sie gefangen fortführen. Buko wurde zuerst dem Herzog von Bamberg in Gewahrsam übergeben, später aber an den kaiserlichen Hof gebracht, wo er erniedrigende Dienste tun musste.

Der Streit zwischen Papst und Kaiser nahm unterdessen immer größeren Umfang an. Deshalb schien es Heinrich geraten, den gefährlichen, streitbaren Bischof ganz aus dem Land zu entfernen. So wurde Buko der Königin von Ungarn, einer Schwester Heinrichs, zu Schiff mitgegeben, die ihn dann weiter fort in die Verbannung führen sollte.

Als die Reisenden auf ihrer Fahrt einst am Ufer eine Kirche erblicktem, bat Buko um die Erlaubnis, das Johannisfest durch eine Messe dort feiern zu dürfen. Der Wunsch wurde ihm gewährt, denn schon häufig hatte man ihm gestattet, an Land zu steigen, und bisher war er immer gleich zurückgekehrt.

Kaum hatte sich der Bischof dieses Mal der Kirsche genähert, als ihm, der Verabredung gemäß, plötzlich sein Freund Uldarich entgegensprengte, ein zweites gesatteltes Pferd am Zügel haltend. Mit einem Satz war Buko im Sattel, und im Umsehen waren die beiden den Blicken der entsetzten Wächter entschwunden.

Der Kaiser hörte mit Unwillen und Schrecken von dieser Flucht, denn er wusste nur zu gut, dass Buko sich furchtbar an ihm rächen werde.

Zu alledem kam, dass Hildebrandt, des Kaisers ärgster Feind, nun als Gregor VII. den päpstlichen Thron bestiegen hatte und in stetem Streit mit ihm lag. Ja, bald ließ der Papst den Kaiser gar nach Rom vorladen, damit er sich wegen der ihm zur Last gelegten Ungerechtigkeiten verantworten möge. Den Kaiser versetzte dieser dreiste Befehl in den höchsten Zorn. Er trotzte nicht allein der Aufforderung, sondern er berief sofort eine Kirchenversammlung nach Worms, setzte Gregor VII. feierlich ab und ernannte einen anderen Papst.

Auf diese Weise gedachte er den verhassten Gregor tief zu demütigen; aber weit gefehlt. Sofort forderte der Papst alle deutschen Fürsten auf, sich einen neuen Kaiser zu wählen. Er sprach die Untertanen vom geleisteten Eid los, verhängte den Bann über Heinrich und erklärte ihn des deutschen und italienischen Reiches verlustig. Des Kaisers Lage war fürchterlich. Seine Freunde wandten sich von ihm ab und verlangten, er solle sich erst vom Bann lösen, seine Feinde benutzten seine Not zu allerhand Übergriffen.

Buko zumal und der Erzbischof von Magdeburg betrieben sofort die Wahl eines anderen Kaisers. Aber als Heinrich vom Bann befreit zurückkehrte, musste der Gegenkaiser Ekbert von Meißen weichen und entkam nebst Buko und dem Erzbischof mit knapper Not nach Dänemark. Erst nach geraumer Zeit wagten sie sich in die Heimat zurück. Buko sah sich von Heinrich seines Amtes entsetzt, aber durch Drohung und geschickte Verhandlungen erreichte er sehr bald seine Wiedereinsetzung.

Im Jahr 1088 hielt Bischof Burkhard mit dem Erzbischof von Magdeburg, dem Grafen Konrad von Beichlingen und anderen Gesinnungsgenossen eine Besprechung in Goslar ab. Es war nämlich Ekbert, dem sie wiederum ihren Beistand zur Erlangung der Königswürde zugesagt hatten, mit ihnen in Streit geraten und hatte sich abermals dem Kaiser unterworfen. Nun war er während der Fasten verheerend in das Halberstädtische eingefallen. Nur mit größter Mühe hatte der Bischof einen Waffenstillstand bis zum Palmsonntag erreicht, um mit seinem Genossen bereden zu können, was bei der veränderten Lage der Dinge zu tun sei.

So war Buko am Palmsonntag in Goslar angelangt. Dieser Aufenthalt sollte für ihn verhängnisvoll werden. Ekbert hatte die Bürger der Stadt gegen den Bischof eingenommen; er sei der Einzige, um dessentwillen ein Ausgleich mit dem Kaiser und der Frieden verhindert werde.

Als nun eine Rede Bukos bekannt wurde, in der er vom Kaiser als von einem Tyrannen sprach, dem er sich niemals unterwerfen werde, da wurde die Wut der Bürger derart gesteigert, dass sie unverzüglich die Halberstädter angriffen und es zum offenen Kampf kam. Kaum waren die Reisigen überwältigt, da stürzte sich der erregte Volkshaufen zur Herberge des Bischofs. Seine Getreuen setzten sich vergeblich zur Wehr. Sie wurden von der Übermacht der Goslarer überwunden und niedergeschlagen. Man brach die Türen auf und suchte nach Buko.

Dieser hatte sich in ein festes, abgelegenes Gemach geflüchtet und dessen Tür mit allerhand Hausgerät fest verrammelt. Man musste vom Untergeschoss aus die Dielen zerbrechen, um zu ihm zu gelangen. Als man endlich ins Zimmer drang, lag der greise Bischof auf dem Boden und sprach inbrünstig sein Gebet. Selbst die Wildesten unter dem tobendem Haufen scheuten sich, den Unbewaffneten in seiner betenden Stellung anzugreifen. Da begannen einige ihn mit Steinen und Holzstücken zu bewerfen, um ihn aufzutreiben, aber als ob die Welt um ihn versunken wäre, so unbekümmert betete er weiter. Endlich drängte ein Schmied dich durch die Menge und stieß seine Lanze durch des Bischofs Leib. Im selben Augenblick trieb heller Feuerschein die Goslarer von dannen. Ritter des Bischofs hatten die Häuser der Stadt in Brand gesteckt. Sie kamen zur rechten Zeit, ihren sterbenden Herrn in einer Sänfte aus der Stadt zu tragen. Im Kloster Ilsenburg erlag am nächsten Tag, dem 7. April, der greise Burkhard seinen schweren Wunden. Im demselben Kloster, inmitten des Chores, wurde seine Leiche beigesetzt. Die gewaltige Volksmenge, welche zur Begräbnisfeier herbeigeströmt war, bewies, dass dieser merkwürdige Mann trotz seiner vielen Fehler doch zahlreiche Freunde und Anhänger sich erworben hatte.

Im Volksmund und im Lied lebt sein Andenken fort bis auf den heutigen Tag.