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Der Welt-Detektiv Band 6

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Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel V, Teil 2

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel V, Teil 2

Michel klingelte, ließ ein köstliches Frühstück servieren, das er jedoch allein verzehrte. Unter allerlei Wünschen, die er dem Teufel vortrug, war auch der, dass er wohl wissen möchte, wie es in der Zukunft in der Welt, etwa in hundert Jahren aussehen möge, da doch die Anwendung der Dampfkräfte und die daraus erfolgten neuen Erfindungen, namentlich die Eisenbahnen usw., gewaltige Veränderungen hervorbringen müssten.

»Wenn dir damit ein Gefallen geschieht«, sagte Asmodi, »so will ich dir gleich nach deinem Frühstück mit einigen Bildern der Zukunft aufwarten.«

»Hol der Henker das Frühstück«, rief Michel aufspringend aus, »lass sie mich sogleich sehen, und dann fort nach Wien.«

Asmodi schlug mit seiner Krücke auf einen kleinen Tisch. Dieser verwandelte sich alsbald in einen großen Guckkasten, an dem sich nur ein Guckloch befand.

»Nun sieh hinein«, sagte Asmodi, »ich werde den Explikator machen, wo es nötig ist.«

Michel ließ sich dies nicht zweimal sagen, steckte die Nase und das ganze Gesicht ins Loch und sperrte Mund und Augen auf.

»Mein Gott, die Gegend sollte ich kennen«, rief er aus, »ist das nicht Mainz? Wenigstens sehe ich den Dom und den Eichelstein und unfern herrlichen Rheinstrom. Aber wie ist mir denn, ich muss doch irren, denn ich erblicke keine Festungswerke mehr, und dann sollte man meinen, dort lägen die Ruinen einer Eisenbahn.«

»Ganz recht, doch pass auf, es wird sich dir gleich alles erklären.« Michel sah plötzlich zwei kleine Luftschiffchen etwa ein paar hundert Metres über der Erde schwebend ankommen, die sich gerade über der Stadt Mainz begegneten. Jedes derselben führte einen seltsamen, aber äußerst elegant gekleideten Reisenden. Als sie sich auf ein paar Schritte genähert hatten, schienen sie sich zu erkennen. Durch einen Druck auf eine Feder ließen beide die Flügelräder ihrer Schiffchen anhalten. Sie standen schwebend in der Luft.

Michel, der nicht nur ganz Auge, sondern auch ganz Ohr war, vernahm nun deutlich folgendes Zwiegespräch, das in der Luft gehalten wurde.

»Ei den schönsten guten Morgen, Madame Tiltrina! Woher schon so früh des Morgens?«, sagte ein Berliner Hofkleiderfabrikant zu der im anderen Schiffchen sitzenden Petersburger Hofputzfabrikantin.

»Die Fürstin O… hat mich so früh aus meinen elastischen Sprunghaarbetten gejagt, um ihr schnell einen Sylphidenanzug aus Paris zu besorgen, den sie heute Abend bei einem Fest, das der Hof zu Konstantinopel gibt, anlegen will. Die ganze hohe und schöne Welt von London, Petersburg, Paris, Berlin und Wien wird sich in größter Gala dabei einfinden. Auch muss ich im Vorübersegeln noch ein paar Klapperschlangenarmspangen nach der neuesten Façon, welche die berühmten Variationen auf das God save the king von Adkinson Goddamounth komponiert, aus London für die Prinzessin X… mitbringen. Vor einer kleinen halben Stunde verließ ich St. Petersburg. Aber wo sind Sie denn schon so früh gewesen, verehrtester Herr Dünnspecht?«

»Ich komme daher, wo Sie hinwollen, meine Allerwerteste. Dieselbe Ursache, die Sie nach Paris führt, hatte auch mich schon in aller Frühe dahin gebracht. Ich musste aus der Dampfkleiderfabrik des Herrn Toutpret zwei neue Anzüge für zwei Prinzen besorgen, wie sie ehedem die türkischen Kaiser trugen. Sehen Sie, wie prächtig!« Dünnspecht faltet die Anzüge auseinander und zeigte sie der Dame. »Das Diné dansant wird im Kostüm sein.«

»Mir bekannt; nun da werden Sie auch wieder Ihren gehörigen Schnitt dabei gemacht haben, nicht wahr, mein teuerster Herr Dünnspecht?«

Der Kleiderkünstler lächelte wohlgefällig.

»Aber sagen Sie mir doch, mein Lieber, was sind denn das für Ruinen, die da gerade unter uns liegen?«

»Dies sind die Überreste einer Eisenbahn aus dem vorigen Jahrhundert, die von Mainz nach Frankfurt führte, und die man zum Reisen benutzte, bevor man unsere jetzigen Luftschiffe mit ihren Dampflenkmaschinen erfand.«

»Da muss das Reisen noch recht langweilig gewesen sein.«

»Allerdings, meine Liebe, denken Sie sich nur, man machte kaum vier bis fünf Meilen Wegs in einer Stunde, und unsere guten Vorfahren meinten noch Wunder wie schnell sie reisten.«

»Mein Gott, wie langweilig, eine wahre Schneckenpost! Wann kam man denn auf die kluge Idee der Luftfahrten?«

»Erst vor etwa fünfzig Jahren. Es war im Jahr 1891, also gerade dreiundfünfzig Jahre, da wir 1946 schreiben, dass ein englischer Mechanikus die jetzt gebräuchlichen Luftlenkungsmaschinen erfand, die uns so bequem und sicher wie rasch und fast kostenlos reisen lassen. Sie wurden freilich noch sehr verbessert, bis man es zu der jetzigen Vollkommenheit und dahin brachte, 50 und mehr Meilen in einer Stunde zurückzulegen, und den Flügelrädern die Stärke und Schwungkraft von 10 bis 500 Adlerflügeln zu geben. Je nach den genauesten Berichten haben die großen amerikanischen Kriegsluftschiffe, welche 20 Stück Sturzdampfkanonen und 4 Sturzmörser mit sich führen, eine Kraft von beinahe 800 Adlerflügeln.«

»Was Sie nicht sagen, Herr Dünnspecht. Apropos, man spricht ja von einem Krieg, der zwischen dem Kaiserreich Nordamerika und dem Kaiserreich von Japan ausgebrochen sein soll.«

»Dies hat seine Richtigkeit, meine Beste. Japan ist der einzige Staat, der noch Zölle erheben will, während diese in allen anderen Ländern der Welt schon über ein halbes Jahrhundert als unnütz und den Staaten nachteilig abgeschafft sind, was ebenso vernünftig wie heilbringend war, da sich die Handelsinteressen in der ganzen Welt durch den ungeheuren Umtausch aller Produkte bald ausglichen und die dadurch geschmälerten Einkünfte der Regierungen durch die sich im Verhältnis vermehrten direkten Abgaben zweifach gedeckt wurden.«

»Das mag mir aber auch eine saubere Plackerei gewesen sein, als man sein ehrlich gekauftes Gut, ja sein bisschen Reisegepäck noch der alles untereinander wühlenden Visitation unterworfen sah und besteuern musste. Doch um wieder auf den Krieg mit Japan zu kommen, wie ist es nun geworden?«

»Nachdem die Japaner ein nordamerikanisches Luftkauffahrteischiff, das sich in der Nähe ihrer Hauptstadt Jedda in der Nacht niedergelassen hatte und seine Waren in die Stadt schmuggeln wollte, überfallen, konfisziert und die Schiffer gefangen fortgeführt hatten, lichtete auf die Nachricht davon eine kaiserlich nordamerikanische Luftflotte vor etwa drei Tagen die Anker, flog nach Japan, und heute Morgen wusste man an der Börse zu Paris, dass die Hauptstadt Jedda, die sich geweigert hatte, den Raub und die Gefangenen herauszugeben, durch einen Feuer-, Bomben- und Raketenregen, den die Flotte von 1000 Fuß Höhe auf sie herabfallen ließ, in wenig Minuten vertilgt war.«

»Mein Gott, das ist ja schrecklich. Wenn es nur unserem Geschäft keinen Nachteil bringt. Ich habe zwar wenig mit Japan gemacht, aber dennoch … Ach, sehen Sie einmal, mein werter Herr Dünnspecht, dort in nebelgrauer Ferne zeigen sich mehrere Punkte. Was mag das sein?

»Allmächtiger Gott, das sind ein paar Lufträuber! Geschwind zur Erde hinab, meine Beste, sonst sind wir verloren.«

Beide ließen sich eilig bis auf wenige Metres zur Erde hinab.

»Aber wo sind wir denn jetzt, liebster Herr Dünnspecht, ich kenne die Gegend nicht recht.«

»Gerade über den Boulevards von Mainz. Sehen Sie, da arbeitet man ja noch an den Ebenen einiger Stellen, wo sich ehedem die Wälle befanden. Seit die Luftschifffahrt allgemein geworden ist, sind alle Festungswerke ebenso unnötig und unmöglich geworden wie die Maut. Überall hat man sie bereits abgetragen, und in Paris verschwinden nun ebenfalls die letzten Überreste der Fortifikationen, die man unter König Ludwig Philipp dort erbaut hatte.«

»Mich wundert nur, dass man noch keine Luftfestungen erfunden und gebaut hat.«

»O, dazu kann es wohl noch kommen. Doch, meine beste Madame Tiltrina, die Lufträuber müssen eine andere Richtung genommen haben. Wir haben sie aus dem Blick verloren. Wie wäre es, da wir doch einmal so nahe bei der Erde sind, wenn wir ein kleines Stärkungsfrühstück einnähmen? Ich erlaube mir, Sie gehorsamst dazu einzuladen. Nach solchen Luftfahrten hat man immer Appetit.«

»Sie sind allzu gütig, bester Herr Dünnspecht, doch ich akzeptiere. Wo wollen wir einkehren?«

»Ich dächte in Frankfurt, der zweiten Hauptstadt des Königreichs Hessen; in dem Hotel China daselbst, dem ehemaligen Weißen Schwan, wird man vortrefflich bedient. Herr Kühner hat immer die frischesten Seekrebse und einen köstlichen Schiras.«

»Wie Ihnen gefällig ist, werter Herr Dünnspecht.«

Beide Schiffchen fuhren friedlich nebeneinander her nach Frankfurt zu, das nach dem letzten Frieden zu seinem eigenen Besten und Wohl den zu einem Königreich erhobenen Großherzogtum Hessen einverleibt war, und ließen sich mitten auf dem Komödienplatz nieder, sich in das Hotel China begebend.

»Für dieses Mal hast du genug«, sagte der Teufel, einen Schieber vor das Guckloch riegelnd, »ein andermal mehr.« Auf einen Schlag mit seiner Krücke metamorphosierte sich der Kasten wieder in einen Tisch.

»Nun, das geht toll genug her«, sagte Michel, »wenn du mir anders keinen blauen Dunst vorgemacht hast.«

»Ei bewahre, du hast durch den Spiegel der reinsten Wahrheit gesehen.«

»Da sind unsere Nachkommen hundertmal besser dran als wir. Doch nun fort nach Wien. Mich lüstet es nach den gebackenen Händeln, Rahmstrudeln und Knödeln.«

Beide fuhren durch den Kamin davon.

Sie schwebten gerade in nicht allzu großer Höhe über der Residenz Stuttgart, sodass man sie etwa für ein paar große Raubvögel halten konnte, als Michel unter sich blickte und viele Leute an der einen Ecke des Schlossplatzes versammelt sah, die neugierig dem Abbruch mehrerer Häuser zusahen und sich dabei lebhaft unterhielten.

»Was haben denn die vor?«, fragte Stürmer den fliegenden Hinkenden.

»Sie passen auf einen Schatz.«

»Einen Schatz?«

»Die Häuser, die man niederreißt, wurden für den Kronprinzen angekauft, um auf deren Stelle ein Palais für Seine Königliche Hoheit zu erbauen, da der Prinz bald die schöne Prinzessin Olga heimführen wird.«

»Und der Schatz?«

(Notabene, die beiden Fliegenden hielten in den Höhen schwebend an, sonst wären sie bereits in Wien.)

»Der soll vor alten Zeiten in dem Eckhaus, das schon zur Hälfte demoliert ist, begraben oder vermauert worden sein«, fuhr der Hinkende fort. »Doch am besten wäre es wohl, du ließest dir die schöne Geschichte von einem Stuttgarter selbst erzählen, dann hat es eine andere Art. Lass uns auf einige Minuten die Hauptstadt des Königreichs Württemberg besuchen.«