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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schinderhannes – Elftes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Elftes Kapitel

Schinderhannes hält sich nimmer sicher auf dem rechten Rheinufer.

Die Baierthaler Geschichte hatte dem Schinderhannes solchen Schrecken eingejagt, dass er, wie schon erzählt worden war, eine größere Reise machte, um sich wieder zu erholen. Nun nahm er sich vor, da auf der rechten Seite des Rheins nicht so gut stehlen sei wie drüben, sich mehr auf der linken Seite zu halten, wo er eine große Menge sicherer Schlupfwinkel wusste. Vorderhand blieb er noch so lange da, bis er auf einigen Märkten seine Waren vollends abgesetzt hatte. Dann aber ging er mit etlichen neu angeworbenen Räubern wieder über den Rhein hinüber. Die Wanderungen wurden meistens bei Nacht gemacht, doch war Schinderhannes keck genug, sich auch bei Tag zu zeigen. Anständig gekleidet, mit Flinte und Jagdtasche versehen, unter dem Namen Johannes Durchdenwald, ging er als reisender Jäger ohne Furcht umher. Man kannte diesen Johannes Durchdenwald recht gut, hatte er doch als Schinderhannes schon manchmal ganze Tage mit Essen, Trinken und Tanzen zugebracht und in größter Vertraulichkeit mit den Leuten auf den Höfen gelebt! Wie er diesseits des Rheins als Jakob Ofenloch freigebig und sogar verschwenderisch anderen die Zeche bezahlte und dafür sehr geehrt wurde, so machte er es auch jenseits des Rheins als Johannes Durchdenwald, wo er bei Trinkgelagen und Tanzbelustigungen öfters fünfzig bis sechzig Gulden auf einmal verschwendete. Während er sich belustigte, stellte er gewöhnlich Wachen auf, die er gut bezahlte. Von Zeit zu Zeit untersuchte er die Wachen und beschenkte sie, wenn sie recht aufmerksam waren.

Zuweilen erhielt er förmliche Einladungen zu einem Essen oder Kaffee, was er schon aus dem Grund gern annahm, weil er da gewöhnlich noch ein Geldgeschenk erhielt.

Einem Juden in Staudernheim wurde nun zunächst ein Besuch bei Nacht gemacht und trug namhafte Beute ein, in Waren bestehend, die zum Teil jenseits, zum Teil diesseits des Rheins verkauft wurden. Dann fielen wieder mehrere Pferdediebstähle vor. Hans ging mit etlichen Pferden über den Rhein und blieb ein paar Wochen da, um seine Frau wieder aufzusuchen, machte sich aber dann gleich wieder auf den Rückweg. Abermals gings auf einen Juden los. Die Räuber machten einen guten Fang und verbargen sich dann in den Wäldern. Hierauf begab sich Schinderhannes mit einer größeren Zahl nach Södern bei Birkenfeld, um bei einem reichen Juden daselbst einzubrechen. Hans und Schmitt von Annaberg forschten alles im Dorf vorher genau aus, begaben sich dann zur Kirche und verstopften das Schlüsselloch der Tür, damit nicht gleich geöffnet werden könne, wenn man allenfalls Sturm läuten wollte. Nun ging die ganze Bande an das Judenhaus und öffnete es mit Gewalt. Aber der Hausbesitzer hatte sich zur Verteidigung mit einer Axt hinter das Fenster gestellt und führte nun einen fürchterlichen Hieb, der beinahe einen Räuber getroffen hätte. Dieser schoss nach dem Juden, ohne ihn zu treffen. Ein zweiter Schuss, wahrscheinlich von Schinderhannes selbst, streckte den Juden tot nieder. Nun wurde alles genau durchsucht, aber außer einigen Waren und Kleidern nichts gefunden. Durch das Schießen war Lärm im Dorf geworden, und Schinderhannes hielt es für ratsam, sich nicht länger aufzuhalten. Die Bande brach auf und begab sich in den hohen Wald. Von da ging Schinderhannes nach Lettweiler, wo immer viele Gauner zusammenkamen. Es war gerade eine Hochzeit im Dorf. Der tanzlustige Schinderhannes war frech genug, sich unter die Hochzeitgäste zu mischen und mitzutanzen, worüber ihm seine Kameraden, die sich inzwischen versteckt hatten, danach Vorwürfe machten. Hans nahm das sehr übel auf und prügelte einige tüchtig durch, worauf ihn die missvergnügten Gauner verließen. Er fuhr fort, sich auch auf den Kirchweihen durch Tanz zu vergnügen. In Fürfeld im Hunsrück war er von den meisten Einwohnern als der berüchtigte Schinderhannes gekannt. Dennoch wagte keiner, ihn der Polizeibehörde zu verraten. Ja, der eigentliche Dorfwächter stand sogar während des Tanzens für ihn Wache, wofür er mit einem schönen Halstuch von Schinderhannes beschenkt wurde. Anstatt diesem gefährlichen Menschen ernstlich zu Leibe zu gehen und seinem verbrecherischen Treiben ein Ziel zu setzen, drängten sich die Leute bewundernd zu ihm hin. Manche rechneten es sich sogar zur Ehre an, in näherer Verbindung mit ihm zu stehen, ließen ihm und seinen Leuten in den Wirtshäusern vom Besten auftragen und beehrten ihn mit schönen Geschenken, um ihn an sich zu ziehen. Ja sogar öffentliche Beamte von Meisenheim machten einen förmlichen Vertrag mit ihm. Sie wollten ihn ungestört lassen, wenn er in ihrem Bezirk nichts mehr unternehmen würde. Der Steuereinnehmer von dort versprach ihm, ihn sogleich zu benachrichtigen, wenn etwas gegen ihn unternommen werden solle, wogegen ihm Schinderhannes das Wort gab, ihn auf seinen Amtsreisen ungehindert zu lassen.

So dürfen wir uns denn freilich nicht wundern, dass dieser Räuber so lange und so ungestört sein Wesen treiben konnte, wenn die Furcht vor ihm so weit ging, dass selbst Beamte, die ihn öfters leicht in ihre Gewalt hätten bekommen können, keinen kühnen Griff gegen ihn zu tun wagten.

Als die französische Regierung Fußjägerkolonnen beorderte, die eher alle Schlupfwinkel untersuchen konnten als die reitenden Landjäger, so hoffte sie, die Spitzbuben in ihre Gewalt zu bekommen. Aber auch diese Anordnung hatte nicht die gewünschte Folge, weil Schinderhannes von seinen zahlreichen Freunden stets vorher gewarnt wurde, wenn Streifmannschaft gegen ihn und seine Bande ausgehoben wurde. Einigen Förstern wurden bedeutende Summen als Belohnung versprochen, wenn sie ihn lebendig oder tot einliefern würden; aber sie wollten nicht Leben und Eigentum auf das Spiel setzen.

Man kannte die Bande des Schinderhannes der Zahl nach nicht so genau, stellte sich aber dieselbe gewiss viel größer vor, als sie wirklich war, besonders auch deshalb, weil der Anführer überall mit so großer Keckheit und Zuversicht auftrat. Freilich mochte die Zahl wohl gegen hundert betragen, wenn man all diejenigen hinzunimmt, mit welchen er irgendeine Unternehmung gemacht hatte.

Schinderhannes ging abermals auf die linke Seite des Rheins, um einige Kameraden aufzusuchen, die ihn in Lettweiler verlassen hatten, denn er wollte nun eine neue und zahlreichere Bande anwerben. Bald hatte er eine namhafte Zahl um sich. Nur Schulz, einer seiner bisherigen treuesten Kameraden, kam nicht, weil er sich erst kürzlich mit seiner Frau in einem pfälzischen Dorf niedergelassen hatte. Schinderhannes lud ihn durch mehrere Briefe ein; vergebens. Da ging er selbst zu ihm, fing Händel mit ihm an, nahm ihm seine Uhr und später bei Nacht noch den größten Teil seiner Waren ab. Hierauf ging er mit seinen Spießgesellen wieder über den Rhein hinüber und erfuhr durch seine Spione bald, wo er Geld holen könne.

Vorläufig verschaffte er sich dieses auf eine für ihn ganz ungefährliche Weise. Er schrieb nämlich da und dorthin nur Briefe, wenn er Geld haben wollte. Es mögen hier einige als Muster stehen.

1.

An J. Schweizer in Rehborn

Gleich aufzubrechen.

Jakob Schweizer! Wir ersuchen Euch um 12 Karolin und wir verhoffen, unser Anspruch wird uns nicht abgeschlagen werden. Denn uns ist bekannt, dass Ihr uns damit helfen könnet und müsst. Darauf aber wollen wir Euch aber bekannt machen, wenn es nicht aus gutem Willen geschieht, dass wir Instrumente gebrauchen, die Euch und Euren Kindern nicht lieb sein werden. Wir wollen Euch zu wissen tun, dass ihr eine halbe Viertelstunde Zeit dazu brauchen dürft und nicht mehr, denn bei uns ist jetzt keine Zeit zum Verzug. Darauf besinnt Euch kurz und gut, dann wir mögen vor diesem keine Gewalt und Grobheiten gebrauchen. Wir wollen Euch auch gewarnt haben, dass Ihr keine Mittel gebraucht, wie Eure Nachbarn, denn darauf erfolgt nichts Gutes bei uns, denn wir leben ohne Furcht. Wie es Euren Nachbarn ergehen wird, wollen wir Euch nicht wünschen. Wenn Ihr nicht wisst, wer Euer Nachbar ist – das sind die Herren Raumbacher. Weiter weiß ich Euch nichts zu schreiben, als: Beachtet diese paar Zeilen, alsdann bleiben wir gute Freunde. Johannes Durchdenwald.

Merkt ††

Jakob Schweizer zögerte keinen Augenblick, die 12 Karolin an den ihm bestimmten Ort zu bringen.

2.

††† Bedenkt das.

Heinrich Zürcher, mein Bester, hier mit diesen paar Zeilen wollen wir Euch an Euer Besprechen erinnern, und wir hoffen, das Tiebel (wahrscheinlich das Tüpfel auf dem i) soll nicht fehlen, von dem Ihr wat nicht raten, dem Überbringer gleich abzufordern, und weiter nichts zu fragen, weiter wissen wir Ihnen nichts zu schreiben.

Johannes Durchdenwald.

3.

Mene Frei. Hier übergib ich Ihnen meine letzten paar Zeilen, um Euer Versprechen zu uns empfangen. Ich hoffe, es wird kein Aufenthalt gemacht werden. Es braucht weiter keinen Umschweif machen, denn wir haben keine Menschenfurcht.

Johannes Durchdenwald.