Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sir Henry Morgan – Der Bukanier 12

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Zwölftes Kapitel

Ein Stückchen von Gastronomie. Morgan kommt zu großem Wohlstand. Er ahnt einen Glückswechsel, welcher auch eintrifft, obwohl er die Insel als reicher Mann verlässt.

Wir müssen nun rasch über drei Jahre in dem Leben unseres Helden hingehen, indem wir bloß andeuten, dass er, weil ihm jedermann an die Hand ging, sein Land oder vielmehr ihr Land bald anstocken konnte. Die Verleihungen, die an ihn und Joseph Bradley abgegeben worden waren, lagen nämlich dicht nebeneinander. Sie bearbeiteten die Güter nur als ein einziges, weil sie unter dieser ökonomischen Maßregel nur eines einzigen Wohnhauses und Ingenios samt dessen Zugehör bedurften. Nach dem Brauch der guten alten Zeiten kauften sie Neger und weiße Sklaven und stahlen Indianer. Sie wurden reich; aber ihre Herzen gehörten damals nicht jener sonnenverbrannten Insel an. Ebenso wenig gefiel es ihnen unter den stolzen, durch ihren Wohlstand verdorbenen Einwohnern. Sie dachten an eine schleunige Rückkehr zu dem guten alten Wales, seinen kühlen Winden und seinen nebligen Bergen. Ihr Eigentum musste, wenn es dorthin verpflanzt wurde, ungeheuer erscheinen, und wie Joseph in Ägypten glühten sie danach, zu erfahren, ob ihre Väter noch lebten. Die Umstände trugen bald dazu bei, dieses Heimweh zu verstärken.

Wir wollen nun, da sich die Mehrzahl meiner Leser dafür interessieren dürfte, eine Schilderung von der Art und Weise geben, wie unser Held lebte. Die Morgen wurden einer fleißigen Beaufsichtigung aller Fortschritte auf der Pflanzung, in den Zuckerwerken und in den Brennereien geweiht. Die beiden Freunde behandelten alle ihre Abhängigen mit der größten Menschlichkeit, welche sich mit der Stellung derselben und der zu verrichtenden Arbeit vertrug. Hierin lag vielleicht das große Geheimnis ihres beispiellos schnellen Gedeihens.

Die Abende wurden gewöhnlich Festlichkeiten geweiht, welche von den Pflanzern abwechselnd gegeben wurden. Sie soupierten um Sonnenuntergang – eine Mahlzeit, die unserem modernen Diner entsprach, da ihr Mittagessen, was die substanzielle Kost betraf, kaum unserem Lunch entsprach. Denken wir uns nun die Gesellschaft, bei Obrist Modiford in einem langen einstockigen Holzhaus mit so niedrigem Dach, dass man kaum aufrecht darunter stehen kann. Keller sind nicht vorhanden. Das Hauptgemach ist natürlich dem Festmahl geweiht; aber die Fenster sind ohne Scheiben und ohne Blenden; denn erst viele Jahre danach wurden die kühlen Jalousien erfunden. Da solche Fenster stets nach Westen hinausgingen, so traf man in den Zimmern beim Eintritt in der Regel auf eine Temperatur, die kaum kühler war als in einem zum Backen vorbereiteten Ofen. Wenn jedoch die Lichter gebracht wurden und der Abendwind zu wehen begann, milderte sich auch das Drückende der Hitze.

Denken wir uns in einem derartigen Zimmer ungefähr zwanzig Pflanzer versammelt, die sich gegenseitig wie Brüder lieben und trotz ihrer verschiedenen Glaubensbekenntnisse aufs Bewunderungswürdigste harmonieren. Damengesellschaft traf man damals durchaus nicht auf der Insel, denn jeder Eigentümer gedachte nur möglichst kurze Zeit an Ort und Stelle zu bleiben. Keinem fiel es ein, auf Barbados zu heiraten oder zu sterben. Man kann sich daher die Sexualimmoralität dieser guten Gentlemen, mochten sie nun Puritaner, Royalisten oder was immer sein, leicht vorstellen. Ihre Pflanzungen lieferten ihnen nicht nur Vermögen, sondern auch Harems. Dieser gesellschaftliche Zustand erhielt sich lange auf allen westindischen Insel.

Als erster Gang wurden wahrscheinlich zwei Fleischgerichte aufgetragen – am oberen Ende etwa ein gesottenes, am unteren ein gebratenes Lendenstück, und zur Seite befanden sich gebackener Schweinskopf, ein Stückchen geröstete Brust, die Zunge und die zu Pastetchen verarbeitete Leber. Da jedoch die Tafel sehr groß und geräumig war, so standen, wo sich für eine Schüssel Platz finden ließ, Seebarben, Makrelen, Papagaienfische, Schnapper, rote und graue Cavallos, Terburns, Krabben, Hummer und noch viele andere Dinge umher, für welche die Barbadianer noch keinen Namen erfunden hatten. Die verschiedene Fische waren zwar durch ihre mannigfaltige Bereitungsweise appetitreizend genug gemacht worden, zogen aber doch selten die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich und wurden gewöhnlich wieder abgetragen, um dem Hausgesinde, den Kranken und den Kindern auf der Besitzung zu Gute zu kommen. Das zweite Gericht des ersten Ganges bestand aus zerhacktem Fleisch, mit angenehmen Kräutern, Fett, Gewürz und Korinthen zubereitet; dann kamen die Knöchelchen und anderes Zugehör; dann ein Olio Podrido, eine Schüssel mit Markbeinen, Schildkrötensuppe und Schildkröten verschiedenartig zugerichtet. Diese späteren Gerichte wurden schon schärfer bearbeitet, während an den ersteren die Gäste nur rekognoszierten. Dann kam der zweite Gang, bestehend erstlich aus einem Schweinsbug, der wohl nirgends in der Welt seinesgleichen finden konnte, einem gefüllten Zickelchen, der Schulter einer jungen Ziege, welche mit einer Soße aus dem eigenen Blut und Thymian angerichtet war, und einem Spanferkel, das wohl kein anderes Land fetter, saftiger und wohlschmeckender hervorbringen konnte, nebst einer trefflichen Soße aus dem Gehirn des Tieres, Salz, Salbei, Muskatnuss und Claret. Vielleicht kam auch eine Hammelschulter, obwohl dies ein etwas ungewöhnliches Gericht war, welches noch obendrein nicht sehr vermisst wurde, da es an Güte dem englischen unendlich nachstand.

Ich muss hier bemerken, dass für jedes Gericht zahlreiche Vegetabilien auf den Seitentischen aufgelegt waren, welche nur auf Verlangen dargeboten wurden. In dieser Periode des Mahles begannen die Gäste allen Ernstes.

Die zweite Abteilung des zweiten Ganges war noch vielfältiger und der Angriff steigerte sich hier auf die höchste Höhe. Sie bestand aus Ziegen-und Kalbfleischpasteten, gut mit Pfeffer, Salz und Muskatnuss gewürzt, Kalbsnierenbraten, einem Kartoffelpudding, schottischen Collops, gebratenen und frikassierten Hühnern, drei jungen Indianen in einer Schüssel, zwei großen, fetten gebratenen Kapaunen, ein paar Hähne, vier Enten, acht Turteltauben, zwei gespickten Muscovy-Enten und drei stark gewürzten Kaninchen.

Aber die Erfahreneren bewahrten alle ihre Energie für den letzten Gang auf, welcher dem Geschmack in tropischen Zonen stets am besten zusagte. Es kamen westfälische und spanische Schinken, englisches Schweinefleisch, geräucherte Zungen, Botargo, gepickelte Austern, Kaviar, Anchovies, geschlagenes Ochsenfleisch, wie es die Bukkanier bereiteten, ehe dieser Name noch auf die Piraten angewendet wurde, und eingesalzter Stör. Alles dies reizte den Appetit nicht zu Überfüllung und diente vortrefflich dazu, den Durst anzuregen und denjenigen einen Vorwand zum Trinken zu geben, welche ohnehin schon durstiger Natur waren.

Es würde unmöglich sein, die verschiedenen köstlichen Früchte aufzuzählen, aus denen der Nachtisch bestand. Indes kann man sich denken, dass es nicht an Paradiesfeigen, Bananen, Gujaven, verschiedenartigen Melonen, Kaktusfrüchten, Liebes- und Ochsenherzäpfeln, namentlich aber nicht an jener Königin aller Früchte, der herrlichen Ananas fehlte.

Dazu kommen noch alle mögliche Arten von Weinen und sonstigen geistigen Getränken, welche der Handel nach diesen Ufern führte und die unter den Namen von Keres, weißen Weinen, Rheinweinen, Kanariensekt, Claret, rotem Sekt und Wein von Scall bekannt waren – des auf eigenem Boden erzeugten Palmwins, des Mobby, Beverage und einiger anderen gegorenen Getränke, vor allem aber des damals als Lebenselexier geschätzten Teufeltöters nicht zu gedenken.

Wir haben die gewöhnliche Art, in jener Zeit zu leben, so ausführlich angegeben, weil die Pflanzer keine andere Unterhaltung oder Erholung hatten, als die, welche ihnen die Anwendung der Gastfreundschaft bot. Doch nein, es gab auch noch einen anderen entzückenden Zeitvertreib: Wir meinen das Hetzen der entlaufenen Sklaven und christlichen Diener vermittelst der Bluthunde, welche man damals Siamhunde nannte, und die Ausflüge schnell segelnder Piroguen nach einer der virginischen Inseln, um daselbst die Indianer zu überfallen und ein Häuflein derselben in die Sklaverei zu entführen.

Wir bedauern, sagen zu müssen, dass Morgan trotz seiner sonstigen Menschlichkeit eine große Freude an derartigen Ausflügen hatte und mehr Indianer auf seinem Gut beschäftigte, als irgendein anderer Pflanzer. Aber obwohl er sie in so ungerechter Weise gewonnen hatte, behandelte er sie doch so gut, dass sie sich bald mit ihrer Gefangenschaft versöhnten und dieselbe sogar gewissermaßen ihrer Freiheit vorzogen.

Um diese Zeit fiel die so berühmt gewordene Geschichte Incles und Maricos vor. Dieselbige Marico wurde von Morgans bestem Freund, dem Obristen Modiford gekauft und wird von einem, der sie gut kannte, folgendermaßen geschildert.

»Wir hatten eine Indianerin als Sklavin im Haus, welche von vortrefflicher Gestalt und Farbe war. Ihr Teint bestand aus einem reinen Lichtbraun. Die Brüste waren klein und die Wärzchen von Porphyrfarbe. Diese Frau wollte sich durchaus nicht bewegen lassen, Kleider zu tragen.«

Wir wollen nichts von ihrer Züchtigkeit und ihrer Treue sagen – fern sei es von uns, einen hübschen Roman verderben zu wollen. Damit das Gefühl zu ihren Gunsten unbeeinträchtigt bleibe, wollen wir den Spötteleien gegenüber, von denen Edwards in seiner Geschichte Westindiens Gebrauch macht, angeben, dass das arme verblendete Mädchen wirklich das Leben des Schurken rettete, der sie als Sklavin verkaufte, und dass der tapfere Offizier, im meisten Betracht ein menschenfreundlicher und gerechter Gentlemen, sie kaufte, obwohl er wohl wusste, wie mein Gewährsmann sich ausdrückt, dass »dieser Incle (wir halten den Namen für falsch), als er zu Barbados an Land kam, das Wohlwollen des armen Mädchens, welches ihr Leben für seine Rettung gewagt hatte, vergaß und eine Person, welche so frei geboren war, wie er, als Sklavin verkaufte. Und so verlor die arme Marico um ihrer Liebe willen die Freiheit.«

Wir erlaubten uns diese Abschweifung, nur um zu zeigen, in welcher moralischen Atmosphäre Morgan lebte. So werden wir wohl seine künftigen Handlungen auch etwas milder beurteilen müssen. Er sah überall, dass Gewalt und Recht als gleichbedeutend behandelt wurden und das Unrecht nur auf Seiten der Schwachen lag. Zwar ist der Anschein heutzutage geschmeidiger; aber wenn man reiflich darüber nachdenkt – ist es so viel anders, als damals, sobald die Maske einer lieblicheren Einkleidung gefallen ist. Lasst uns daher weder Morgan noch uns selbst allzu streng richten.

Morgan hat jetzt sein dreiundzwanzigstes Jahr zurückgelegt. Er ist reich, geachtet und in Besitz einer Persönlichkeit, die, wenn ihm die Wahl freistünde, ein Held sich auslesen würde, um sowohl in der Liebe als auch im Krieg sich Erfolg zu sichern. Sein Geist hatte sich womöglich noch höher entwickelt als sein Körper. Von seinem Herzen wollen wir nichts sagen, denn dieses konnte nur Gott und ihm selbst bekannt sein. Sein Verkehr mit der Gesellschaft hatte seinen Manieren viel weltliche Politur gegeben. Barbados war ein Freihafen und wurde von Schiffern aller Nationen besucht. Diesen lernte er mit einer Leichtigkeit, welche an ein Wunder grenzte, ihre Sprachen ab. Er war von Natur beredt und bei allen Gelegenheiten kaltblütig und besonnen. In allem schien er weiter und schneller zu gehen als die übrigen Menschen, ohne dass er sich selbst dabei anzustrengen brauchte.

Wir wollen nun versuchen, eine kurze Skizze der damaligen Geschichte von Barbados zu geben. Nach der Enthauptung Carl I. unterwarf sich die Insel nach kurzem Widerstand dem Staat, und Lord Willougy, im Herzen ein Royalist, wurde zum Gouverneur ernannt. Diese Unterwerfung tat dem Wohlstand der Insel bedeutenden Eintrag, denn Cromwell erließ nun die berühmten Schifffahrtgesetze, die er zur Überraschung und zum Ärger der Westindier nachdrücklich handhabte. Früher waren, was auch in Europa vorgehen mochte, alle Nationen in Barbados willkommen gewesen. Aber jetzt sollten die Bewohner an die Engländer verkaufen und ihre Produkte nur in englischen Schiffen verführt werden.

Morgan erkannte die unseligen Wirkungen dieser Gesetze vor den Übrigen und beeilte sich, die ihm und seinem Freund gemeinschaftlich angehörige Pflanzung zu verkaufen. Dies ging leicht, und er errang sehr vorteilhafte Bedingungen. Die erlöste Summe legte er in den wertvollsten Inselprodukten an, mietete ein schönes Schiff von sechshundert Tonnen und bereitete sich unter den Glückwünschen und dem Bedauern seiner alten Freunde vor, die Insel zu verlassen. Es stand ihm jedoch noch eine Gefahr, bevor, die er übrigens für so unbedeutend hielt, dass er sie entweder durch seine Klugheit umgehen oder durch seine Tapferkeit überwinden zu können hoffte.

Ein verzweifelter Kerl, welcher durch den Marquis von Ormonde eine Bestallung von König Carl II. erhalten zu haben vorgab, strich mit einer für jene Zeit sehr schönen Fregatte und einer lateinisch aufgetakelten Schaluppe um die Insel her, jedes Schiff zur Prise machend, welches von den Ufern abstieß. Zwar war er von vielen Kriegsschiffen des Staates mehrere Male abgetrieben worden, aber um seiner überlegenen Segelgeschwindigkeit willen stets wieder entronnen. Sein Verfahren war höchst grausam, denn er verkaufte seine Gefangenen stets an die Spanier als Sklaven. Er nannte sich Sir Paul Plunket und war ein so schurkischer Pirat, wie nur je einer existierte.

Als sich Morgan und Bradley in dem von ihnen gemieteten Schiff, welches der Barbadier hieß, eben einschiffen wollten, steckte Plunkets unverschämter kleiner Begleiter sein Bugspriet in die Carlisle Bai herein und es fehlte nicht viel, dass er unter dem Stern des Kauffahrers vorbeigegangen wäre. Aber noch ehe die Batterien gerichtet werden konnten, war die Schaluppe schon wieder außer Schussweite.

Dies war ein zureichender Beweis, dass sich der Drache, Plunkets Fregatte, nicht weit davon befinde. Jedermann riet Morgan, nicht auszusegeln, sondern die Ankunft eines englischen Kriegsschiffes abzuwarten. Aber sein Ungestüm überwältigte seine Klugheit. Obwohl Bradley sonst immer gern den ruhigeren und sichereren Weg einschlug, fügte er sich doch in gegenwärtigem Fall bereitwillig der Ansicht seines Freundes. Morgan bemannte daher auf eigene Kosten den Barbadier mit mehreren entschlossenen Leuten, füllte alle Pforten mit Geschütz und versah das Fahrzeug nicht nur reichlich mit kleinem Gewehr und Handgranaten, sondern auch mit aller Art von Munition. Indes war er doch nicht so übereilt, um einen Kampf zu suchen. Er wartete in der Bai bis zum Neumond, lichtete dann in einer sehr dunklen Nacht die Anker und steuerte mit aller Ruhe in die See hinaus. Wenn gute Wünsche und sogar Gebete ihm günstigen Wind verleihen konnten, so musste seine Fahrt wohl sehr glücklich ausfallen.

Der Meister des Barbadiers wusste, dass es Morgans Absicht war, lieber zu kämpfen, als sich zu ergeben, weshalb sie untereinander ausgemacht hatten, dass das Kommando des Schiffes auf unseren Helden übergehen sollte, sobald sie zum Gefecht gezwungen würden. Während des verzögerten Aufenthalts im Hafen hatte Letzterer seine Leute an dem Geschütz eingeübt und sie gelehrt, im Einklang zu handeln und dem Kommando zu gehorchen.

Als sie vom Land abgestoßen waren, rief er alle seine Leute auf das Deck und forderte sie auf, ihm nur für diese einzige Nacht ihre Ruhe zu opfern. Sie sollten stets für ihre Posten vorbereitet sein und für ihr Wachen sowohl in Branntwein als auch in Gemächlichkeit reichliche Entschädigung finden, sobald sie die Gefahr überstanden hätten. Die Matrosen gaben bereitwillig ihr Versprechen und waren augenscheinlich Leute, auf die man sich verlassen konnte.

Das Schiff kam im Laufe der Nacht weit in die See hinaus. Morgan und Bradley gingen stets auf den Decken umher, spähten in der sie umgebenden Dunkelheit und unterhielten sich bald wohlgemut, bald ängstlich über die drohende Gegenwart und die verheißungsvolle Zukunft. Bradley war nicht so sanguinisch wie sein Gefährte, nahm aber doch die Gefahr ziemlich leicht und wünschte nur, dass das Gefecht vorüber sein möchte, da nichts so ärgerlich sei wie die Ungewissheit.

Als der Tag zu grauen begann, hatte alles ein günstiges Aussehen gewonnen. Das Schiff warf die Wellen lustig vor seinem Bug her und kam rüstig vorwärts unter einer unsteten Brambrise, welche auf die Steuerbordvierung blies.

Als Morgan den Horizont mit seinem Glas musterte, bemerkte er zu seinem Verdruss die kleine Schaluppe, welche mit auf das Deck niedergelassenen Rahen unmittelbar im Kurs des Barbadiers lag. Sie war in der Tat ein Seeskorpion, der auf diesem wässerigen Pfad lag, und sah auch wie ein solcher aus. Um der niedrigen Masten willen war sie in dem grauen Morgennebel kaum sichtbar, und die Leute an ihrem Bord schienen keine Ahnung zu haben, dass Morgans Schiff so rasch herankomme.

In Anbetracht der schlechten Mannszucht unter den Piraten und des Umstandes, dass dieses Schiff nicht unter dem wachsamen Auge Plunkets und seiner Hauptoffizieren stand, konnte es kaum einem Zweifel unterliegen, dass nicht an Bord alles, selbst den Ausguck mit eingeschlossen, schlafe. In der Tat konnte sie auch nichts als ihr Pflichtgefühl wach erhalten; denn da die Schaluppe keine Segel aufgezogen hatte, so rollte sie ganz gemächlich, die Breitseite vor dem Wind, in den Wellentrögen umher.

Morgan kommandierte augenblicklich seine Leute auf die Posten, sprang auf die Hütte und rief dem Mann am Steuer zu, auf ihn zu achten, worauf er den Schiffskurs anzudeuten begann. Sein Gesicht wurde starr und schrecklich finster. Der Barbadier hüpfte geraden Wegs auf die kleine Felucke zu. Dem Schiffsmeister, ein zu schwacher Mann, um den schrecklichen Zufälligkeiten des Schiffslebens jener wilden Tagen ins Auge zu sehen, vermochte kein Wort hervorzubringen, sondern faltete seine Hände und blickte flehend zu Morgan auf; aber da war kein Erbarmen.

»Ums Himmelswillen, Heinz, schicke die armen Teufel nicht schlafend zu ihrer letzten Rechenschaft«, sagte Bradly sehr aufgeregt, »und noch obendrein ein so kleines Fahrzeug.«

»Ruhe!«, lautete die Antwort. Dann rief Morgan mit lauter Stimme: »Noch einen Mann an die Steuerseile – ein wenig Backbord. Sehr gut so – stetig, so!«

Die Männer am Steuer konnten den Gegenstand, nach welchem sie so sorgfältig hinfahren sollten, nicht sehen. Morgan rief den Ausguck vom Vorderschiff weg – sein Zweck war gänzliche Vernichtung. Ihn zu erfüllen, stürzte das rüstige Schiff munter vorwärts, als teile es den wilden Geist seines Lenkers.

Als der Barbadier noch etwa vierhundert Ellen von der Schaluppe entfernt war, erwachten die Insassen der Letzteren plötzlich zu einem Gefühl der ihren bevorstehenden Gefahr. Die auf dem Deck begannen augenblicklich mit der bitteren Energie der Verzweiflung an dem Ziehtau ihres Focksegels wegzubausen, während die im Raum unten auf das Geschrei ihrer Kameraden zum Teil nackt heraufsprangen; aber ihr Abstand von der Ewigkeit war bald zurückgelegt. Das flatternde Focksegel hatte eben seine weiten Falten zu blähen begonnen. Der Schiffsschnabel drehte langsam ab und eine große Kanone wurde als Notsignal gelöst, als das hohe Brustholz des Barbadiers in Berührung mit der gebrechlichen Seite der Schaluppe kam. Sämtliche Insassen des dem Untergang geweihten Fahrzeugs hatten sich auf die Knie geworfen und blickten mit gerungenen Händen zu dem Zerstörer auf. Kein Laut ließ sich vernehmen. Die plötzliche Furcht hatte sie gelähmt, und sie blieben in ihrer flehenden Lage. Ehe noch der Ton ihres Geschützes über dem Gewässer zu zittern aufgehört hatte, schien das schwere Schiff auf das kleine Fahrzeug loszustürzen. Letzteres überhielt, riss mitten auseinander, und im nächsten Augenblick war nichts mehr sichtbar als einige Spieren und da und dort, weit voneinander getrennt, viele menschliche Wesen, welche hoffnungslos mit dem erstickenden Wasser kämpften.

Nachdem dieses zerstörende Werk, welches nicht mehr als zehn Sekunden gedauert hatte, vorüber war, wandte sich Morgan zu Bradly und sagte kaltblütig: »Was hast du Besseres wünschen können, Joe? Alle diese Schurken sind betend gestorben.«

»O Morgan, ist es nicht schrecklich? Aber sie sind nicht alle tot – nicht alle – schau dahin und dorthin! Lege bei und mildere diese schreckliche Tat mit ein wenig Erbarmen.«

Aber der Knall einer schweren Kanone, ein zweiter und ein dritter unterbrach diese Bitte. Die Morgennebel rollten rasch dahin, und unmittelbar an ihrem Auge bemerkten sie dieselbe Fregatte, welche sie so ängstlich zu vermeiden gesucht hatten, unter vollen Segeln. Sie steuerte fast denselben Kurs wie der Barbadier, nur einen halben Strich näher am Wind, sodass sie nach Letzterem abhalten konnte, ohne etwas von ihrer Distanz zu verlieren. Sie hatte ihren Gefährten nicht gesehen, wohl aber deutlich den letzten Schuss vernommen, den derselbe je abzufeiern bestimmt war.

Es kam nun zu einem scharfen Rennen, in welchem aber der Kauffahrer, obwohl er alle tunlichen Segel aufgezogen hatte, von seiner Geschwindigkeit nicht viel hoffen durfte. Die Fregatte kam allmählich näher, ohne in den Stern zu fallen, und so liefen sie ungefähr eine halbe Stunde fort.

»Na,« sagte Morgan wohlgemut sich die Hände reibend, »habe ich nicht gutgetan, diesen kleinen Feuerdrachen im Salzschaum zu ersticken?«