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Gold Band 3 – Kapitel 1.3

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 3
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 1
Die mexikanische Flagge
Teil 3

Mrs. Hetson war in diesem Augenblick mit Manuela herangekommen und stehen geblieben, als ob sie mit ihrem Mann reden wolle. Dieser aber winkte ihr nur freundlich zu, in das Zelt zu gehen, und wandte sich dann wieder zu seinen Landsleuten, während Hale fortgesprungen war, um einen passenden Stock für die Fahne zu suchen. In wenigen Minuten kam er aber schon mit einer Stange zurück, die er aus dem eigenen Zelt gerissen hatte. Von verschiedenen Seiten stürmten jetzt die durch das Zeichen herbeigerufenen Amerikaner heran.

»Hallo, was ist da los?«, schrien die Burschen, während sie, glühend vom Laufen, in langen Sätzen angeflogen kamen.

»Wer hat die amerikanische Flagge gestrichen?«

»Ich, Ihr Leute«, erwiderte ihnen da der Alkalde vollkommen ruhig. »Wenn Euch die aufgerichtete mexikanische nicht an Eure Pflicht mahnte, hat es besser die niedergeholte amerikanische getan.«

»Zum Henker auch«, rief ein langer Kentuckier dazwischen, »von uns hat keiner auf die Spaniolen geachtet, und eben jetzt erst haben wir den bunten Lappen da drüben gesehen. Ich selber bin aber hierher gelaufen, dass mir die Luft ausgegangen ist. Hoho, da kommt Boyles und da Briars. Hierher, Boys, hierher!«

Mehr und mehr Amerikaner sammelten sich auf dem Platz, bis endlich ziemlich alle, die sich dort aufhielten, vor dem Zelt des Alkalden geschart standen. Hier aber machten sie in zorniger Rede und oft von wilden Flüchen unterbrochen ihrem Grimm Luft und stießen Drohungen gegen die Mexikaner aus.

Ein Jubelruf, der vom mexikanischen Lager herübergellte, und aus Hunderten von Kehlen zu kommen schien, unterbrach plötzlich die Tobenden.

Der Sheriff schrie: »Bei Gott, sie verhöhnen uns, dass wir unsere Flagge niedergezogen haben!«

»Und was wollt Ihr tun, Ihr Männer?«, fragte da Hetson, dessen Antlitz vollkommen weiß geworden war, während kein Muskel seines Gesichts verriet, was in ihm vorging. »Der Mexikaner sind etwa zweihundert dort versammelt, und mehr als die doppelte Anzahl von Indianern lagert an den Bergen, jeden Augenblick bereit, sich mit jenen zu vereinigen!«

»Schickt Boten zu den verschiedenen Minenplätzen in der Nachbarschaft!«, rief da Briars. »wenn nur noch zwanzig, dreißig entschlossene Burschen zusammenbringen, brauchen wir die ganze Bande nicht zu fürchten.«

»Und unter der Zeit haben wir ihnen die amerikanische Flagge zu Füßen gelegt«, knirschte der Sheriff zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch.

»Ich will nach Golden bottom hinüberreiten«, sagte da Mr. Smith, der entsetzlich bleich und unruhig aussah. »Ich habe ein sehr gutes Pferd und kann leicht morgen früh mit Verstärkung hier sein.«

»Zum Wetter auch«, rief da Boyles, »sollen wir uns indessen von den Spaniolen verhöhnen und von unseren Landsleuten nachher auslachen lassen, dass wir nicht einmal im eigenen Lager Ordnung halten können?«

»Aber was wollt Ihr tun?«, rief Smith dagegen, »wenn der ganze Schwarm von Mexikanern und Indianern über uns herbricht, drücken sie uns zusammen tot und plündern das ganze Nest – nachher sind wir gebessert.«

»Dann hätten wir auch die Flagge nicht niedernehmen sollen«, rief ein anderer. »Zum Teufel, Alkalde, bindet das Ding nicht gar hier unten fest und lasst es wenigstens wieder oben von seinem alten Platz aus wehen, dass die Schufte sehen, wir fürchten uns nicht vor ihnen.«

Hetson, ohne nur ein Wort auf die verschiedenen Vorschläge zu äußern, hatte indessen die amerikanische Flagge an die ihm gebrachte Stange befestigt. Diese ergreifend hob er sie empor und stieß das untere Ende auf die Erde, dass sie lustig im Wind auswehte.

»Landsleute«, rief er dabei mit seiner hellen kräftigen Stimme über die Schar hinüber. »Ich habe geschworen, dass, während ich hier Alkalde bei Euch bin, die Rechte unseres gemeinsamen Vaterlandes zu vertreten und zu schützen, keine andere Flagge der unseren auch nur eine Stunde lang ungestraft entgegenwehen soll. Wollt Ihr in die Nachbarminen schicken, dort unsere Kameraden mit dem bekannt zu machen, was uns hier droht, gut, ich habe nichts dagegen. Ich aber fordere Euch jetzt auf, alle, die eine Büchse führen oder ein Messer schwingen können, mir zu folgen. Mit Gottes Hilfe werfen wir die feindliche Flagge zu Boden, wie sie unsere Landsleute vor wenigen Monaten erst so oft und glorreich unter die Füße getreten haben. Wer geht mit mir?«

»Ei zum Wetter noch einmal«, rief Boyles, »ich denke wir alle; fragt lieber, wer bleibt hier?«

»Und wenn nun die Indianer von den Bergen nieder den Mexikanern zu Hilfe kommen?«, fragte der Sheriff. »Wir müssen wenigstens darauf gefasst sein.«

»Ich glaube es nicht«, rief Hetson. »Unsere einzige Hoffnung dieser Übermacht gegenüber bleibt, dass wir die Hauptpartei keck und ohne Weiteres angreifen. Unterliegen wir, so werden uns unsere Landsleute rächen, aber ich baue auf die Macht unserer Schießwaffen und mehr noch auf die Überraschung unseres Angriffs die ohnedies feigen Burschen einzuschüchtern. So auf denn und holt Euro Büchsen. In fünf Minuten brechen wir auf!«

»Hurrah!«, schrien die kecken Burschen, die dem Tod schon oft ins Auge geschaut hatten, wild durcheinander. »Hurrah für unseren Alkalden – und nun die Büchsen her. Huh – pih! Gegen die Mexikaner!«

Und fort stürmten sie nach allen Richtungen hin, aus den verschiedenen Zelten die Waffen herbeizuholen.

Den meisten war auch der tollkühne Angriff vollkommen recht, wie aus der Seele gesprochen. Die Wenigen, die mit ruhigerem Blut und weniger keckem Mut vielleicht gern zurückgeblieben wären, wagten es schon nicht den Kameraden gegenüber. Nur Smith, der keineswegs gewillt war, sowohl sein erbeutetes Gold als auch sein Leben solcher Art an eine Sache zu wagen, die ihm gar nicht am Herzen lag – die Ehre seines Vaterlandes, – hatte schon, wie er die mexikanische Flagge aufgehisst sah, sein Gold zusammengepackt und sein Pferd herbeigeholt, und beschloss jetzt, unter dem Vorwand, rasch Hilfe herbeizuholen, seine eigene Haut vor allen Dingen in Sicherheit zu bringen. War dann die Sache vorüber, die, wie er recht gut wusste, nur wenige Tage dauern konnte, so stand es ihm ja immer frei, hierher zurückzukehren, wo dann die von den Fremden gesäuberten Minen ein reiches Feld für seine Tätigkeit versprachen.

Mit Siftly hatte er deshalb auch schon Abrede genommen, und dieser war zu dem Zweck so früh am Morgen ausgegangen, sein Pferd zu suchen. Was lag dem Spieler an einem Kampf, bei dem nur Blei und kein Gold zu holen war? Die konnten sich schlagen, die kein erworbenes Gold zu hüten hatten. Er selber ging dem Streit indessen aus dem Weg.