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John Sinclair Classics Band 11

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 11
Der Gnom mit den Krallenhänden

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 30.01.2018, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 12.11.1974 als Gespenster-Krimi Band 61.

Kurzinhalt:
Ein unheimlicher Mörder treibt in einem französischen Dorf sein Unwesen. Niemand hat ihn gesehen, doch hinter vorgehaltener Hand flüstern die Menschen nur einen Namen: CASCABEL – der Bucklige.

Selbst John Sinclair, der berühmte Geisterjäger vom Scotland Yard, scheint dem Buckligen nicht gewachsen zu sein, denn Cascabel hat einen mächtigen Verbündeten bekommen: Magier und Höllenfürst Sourette.

Wird es John Sinclair gelingen, die grausame Mordserie zu beenden?

Leseprobe:

»Halt! Was machen Sie hier?« Überlaut hallte die Stimme des Museumswächters in dem großen Raum wider. Gleich­zeitig durchschnitt der starke Strahl einer Taschenlampe die Dunkelheit.

Der Mann stand genau im Zentrum des grellen Lichtkegels. Er wirkte wie ein bösartiger Gnom, war kleinwüch­sig, und deutlich war sein Buckel zu erkennen.

Der Wächter kam ein paar Schritte vor.

»Was haben Sie hier zu suchen? Sie « Die weiteren Worte blieben ihm im Hals stecken.

Der Verwachsene fasste nach hin­ten und hielt plötzlich ein Beil in den Händen.

Die scharfe Schneide blitzte im Strahl der Lampe.

Der Bucklige zögerte nicht eine Sekunde. Er sprang vor und schlug gnadenlos zu.

Die höllisch scharfe Schneide des Beils traf den Schädel des Museums­wächters!

Der Bucklige kicherte, als er auf den Leichnam blickte. Er bückte sich und nahm die Lampe des Toten an sich.

Die brennende Lampe in der Hand, hinkte er auf den großen Glasschrank zu, der in der Mitte des Raumes stand.

Endlich konnte er seine Arbeit begin­nen – und hoffentlich ungestört.

Der Verwachsene ließ den Lampen­strahl an der großen Scheibe entlangwandern. Allerlei ausgestopfte Tiere wurden aus der Dunkelheit gerissen.

Eulen und Uhus, deren Augen selt­sam leuchteten, Eidechsen, Schlangen, Ratten und Frösche. Sie hockten oft auf knorrigen Ästen und sahen so lebendig aus, dass man meinen konnte, gleich würde ein Tier losspringen und sich seine Beute suchen.

Doch das alles interessierte den Buckligen nicht. Für ihn war nur eins wichtig.

Der Totenschädel!

Er stand auf einem grauen vierecki­gen Stein, in der Mitte des Glaskastens.

Der Schädel war noch gut erhalten, zeigte keinerlei Risse. Selbst die Zähne waren noch vorhanden.

Wieder kicherte der Bucklige. Seine strichdünnen Lippen formten unhör­bare Worte.

Er griff in die Tasche seiner weiten Jacke und brachte einen Glasschnei­der zum Vorschein. Ihn setzte er an der Scheibe an, zog einen Kreis, und schon konnte er das runde Stück Glas herausnehmen. Vorsichtig legte er es auf den Boden.

Der Weg zu dem Schädel war nun frei.

Der Verwachsene – er hatte über­lange Arme – griff durch die entstan­dene Öffnung in den Schaukasten.

Seine Fingerkuppen streichelten den Schädel. Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Es erinnerte an elektrische Strom­stöße, die auf einmal durch seinen Kör­per zu rasen schienen.

Ja, das war der richtige Schädel.

Der Schädel von Jean Sourette, dem Magier!

Vorsichtig holte der Bucklige den Schädel aus dem Kasten. Dann steckte er ihn in eine Plastiktüte, die er sich anschließend um den Hals hängte.

Bevor er ging, warf er noch einen Blick auf die Leiche.

»Du hast es nicht anders gewollt«, flüsterte der Verwachsene.

Lautlos verließ er den großen Raum. Auf leisen Sohlen huschte er durch den Korridor, erreichte eine der breiten Treppen, gelangte in den Keller und schließlich zu dem kleinen Fenster, durch das er auch eingestiegen war.

Geschickt kletterte er nach draußen.

Feuchtkalte Nachtluft empfing ihn.

Der Verwachsene blieb stehen und lauschte. Doch der kleine Ort Beaumont schlief. Noch nicht einmal das Jaulen eines Hundes war zu hören.

Der Bucklige kicherte wieder. Der erste Teil seines Planes hatte geklappt. Jetzt musste er nur noch die Hilfe der Geister erflehen. Der Bucklige blickte auf das Beil. Und er wusste auf einmal, dass die Geister ihm helfen würden. Dafür war er bereit, jedes Opfer zu bringen.

Der Museumswächter war das erste gewesen.

Weitere würden folgen …

 

 

Gilbert Ruminski war sechsunddreißig Jahre alt und Lehrer an der einzigen Schule in Beaumont. Warum er sich hier in die Provinz hatte versetzen las­sen, wusste er selbst nicht mehr genau. Aber wahrscheinlich war es die Land­schaft der Provinz Calvados, die es ihm angetan hatte.

Die Dorfbewohner waren damals froh gewesen, überhaupt eine Lehrper­son gefunden zu haben, und so hatten sie Ruminski ein Haus als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Es war zwar schon uralt und nicht sehr komfortabel, aber es ließ sich darin leben.

Gilbert Ruminski war Frühaufste­her. Jeden Morgen um fünf Uhr sprang er aus den Federn, ging zu dem kleinen Brunnen, holte sich dort eiskaltes kris­tallklares Wasser und wusch sich die Müdigkeit vom gesamten Körper.

Anschließend schlüpfte Ruminski in seinen Trainingsanzug und unternahm seinen drei Kilometer langen Morgen­lauf.

Als Ruminski an diesem Donnerstag aus der Tür trat, lag ein leichter Nebelfilm über dem Dorf. Von der See her wehte ein rauer Wind und zerzauste ihm das Haar.

Bevor Ruminski anfing zu laufen, machte er noch ein paar Turnübungen.

Dann setzte er sich in Bewegung.

Zuerst lief er die Hauptstraße hoch, bis zum Ende des Dorfes. Dann bog er in einen schmalen Feldweg ein, der zwischen taunassen Wiesen hindurch­führte, und lief schließlich ein Stück in den Mischwald, wo er auf einer kleinen Lichtung seine Freiübungen wieder­holte.

Mittlerweile zog die Morgendämme­rung herauf und übergoss den Himmel im Osten mit einem blutroten Schein.

Dieses Schauspiel nahm Gilbert Ruminski jedes Mal gefangen. Etwa fünfzehn Minuten lang beobachtete er den Sonnenaufgang. Dabei bemerkte er nicht, dass er selbst beobachtet wurde.

Es war der Bucklige, der seine fun­kelnden Augen auf den Rücken des Lehrers gerichtet hielt.

»Du wirst mein nächstes Opfer sein«, flüsterte der Verwachsene unhörbar und zog sich wieder tiefer in das Ge­büsch zurück.

Gilbert Ruminski hatte inzwischen seine Gymnastik beendet und sich auf den Rückweg gemacht.

Er lief jetzt von der anderen Seite her auf das Dorf zu. Zu den ersten Häusern, die er erreichte, gehörte auch das kleine Museum. Wieso der Ort, der kaum tausend Einwohner zählte, ein Museum besaß, konnte niemand sagen. Es war eben so.

Plötzlich fiel dem Lehrer ein, dass er für die heutige Biologiestunde noch das Anschauungsexemplar einer Kreuzot­ter brauchte. Es war sinnvoll, wenn er es sich jetzt holte. Normalerweise war das Museum um diese Zeit noch ge­schlossen, aber Ruminski wusste, dass der alte Perell hier nachts seinen Dienst als Wächter versah. Warum, das wusste niemand. In dem Museum war noch nie etwas gestohlen worden.

Der Lehrer lief um das aus dicken Steinen erbaute Haus herum und klopfte gegen die Eichentür.

Die Schläge hallten dumpf über die Straße. Sogar ein Tauber musste sie hören.

Doch der Wächter rührte sich nicht.

Der wird bestimmt eingeschlafen sein, dachte Ruminski. Aber dann ver­warf er den Gedanken. Der alte Perell warf zuverlässig wie eine Schweizer Uhr.

Ob etwas passiert war? Ruminski wusste nicht, wieso ihm plötzlich der Gedanke gekommen war.

Beunruhigt ging er um das Haus herum.

Mittlerweile war es heller geworden, und Ruminski konnte alles genau er­kennen.

Prüfend tasteten seine Blicke die ab­geblätterte Fassade ab. Er ging langsam weiter und gelangte an die Hintertür.

Sie war abgeschlossen.

Ruminski biss sich auf die Unter­lippe. Noch einmal rief er nach dem alten Perell.

Keine Antwort.

Der Lehrer wollte schon gehen, da fiel sein Blick auf die blinden Scheiben der drei Kellerfenster.

Eine Scheibe war zerbrochen.

Die Glassplitter lagen nicht außen, sondern in dem Keller. Also musste jemand eingebrochen sein.

Ruminski war kein Feigling. Er wollte der Sache sofort auf den Grund gehen.

Mit einiger Mühe gelang es ihm, sich durch das Fenster zu winden. Ziemlich verschmutzt landete er im Keller des Museums. Seine Finger suchten nach einem Lichtschalter. Sie fanden keinen, dafür aber die Tür, die offen stand.

Ruminski setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderer und gelangte schließlich an eine Treppe, die nach oben führte und vor einer anderen Tür endete, die ebenfalls offen stand.

Das machte Ruminski stutzig. Der alte Perell war ein ordentlicher Mensch.

Zum ersten Mal überkam Gilbert Ruminski das Gefühl, dass etwas pas­siert sein musste.

Er hatte mittlerweile das Erdge­schoss des Museums erreicht und konnte endlich Licht machen. Es waren nur trübe Funzeln, die aufflackerten.

Ruminski erreichte den großen Raum, in dem der Schrank mit den ausgestopften Tieren stand.

Noch einmal rief er nach dem Nacht­wächter.

Wieder erhielt er keine Antwort.

Ruminski stieß die Tür zu dem Raum auf. Sie ließ sich nur schwer bewegen und quietschte in den Angeln.

Der Lehrer trat über die Schwelle – und erstarrte.

Vor dem großen Schaukasten lag der alte Perell in seinem Blut.

Personen:

  • Museumswächter
  • Cascabel, der Bucklige
  • Gilbert Ruminski, Lehrer
  • Perell, Nachtwächter
  • Arthur, Dorfgendarm
  • Bürgermeister
  • Arzt
  • Hausmeister der Schule
  • Sourette, der Magier
  • Marion Nelson
  • Kitty Jones
  • Taxifahrer
  • John Sinclair, Inspektor bei Scotland Yard
  • Inspizient des James-Coll-Theaters
  • Sir James Powell, Superintendent
  • Harold Pinter, Agent, Tourneemamager
  • rothaarige Frau
  • hellblonder Mann
  • Inspektor Torringham, Leiter der Mordkommission London Mitte
  • Professor James P. Lowell, Leiter des Instituts für Archälogie und Völkerkunde in Dover
  • Mr. Haggerty, Versicherungsabteilungsleiter
  • Flora, Mitarbeiterin der Versicherung
  • Pierre, Wirt in Beaumont

Orte:

  • Beaumont
  • London
  • Dover

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 11. Bastei Verlag. Köln. 30. 01. 2018
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog.Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000