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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang 6

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang
Ein Märchen von Gotthold Kurz
Nürnberg, bei Gottlieb Bäumler 1837

Sechstes Kapitel

Die Reise zur Frankfurter Messe

Wir haben schon lange nichts von seinem Freund Gottlieb vernommen. Dem war die ganze Zeit über das Herz nicht so leicht gewesen als ihm. Er hatte eine ehrsame Jungfrau, die Tochter eines wohlhabenden Bürgers lieb gewonnen. Aber die Eltern versagten sie ihm, weil er arm war. Er konnte es nun bald nicht mehr in Nürnberg aushalten, sondern wie im März das letzte Eis geschmolzen, die Knaben auf der Gasse zu schussern begannen, die lauen Lüfte und die Störche wiederkamen, bedankte er sich bei seinem Meister und gedachte weiterzuwandern. Aber es gab für ihn noch eine fromme Pflicht zu erfüllen, ehe es dahin kam, denn seinen wackeren Vetter, den Wachtmeister, hatte unvermutet der Schlag gerührt und auf das letzte Lager geworfen, wo ihn nun Gottlieb mit aller Sorgfalt pflegte, bis er verschied.

Jacob war im Innersten erschüttert, als er den alten Mann, seinen Wohltäter, Lehrer und Freund, so starr und kalt und bleich da liegen sah, den ersten Toten, der ihm vorgekommen war.

Als die Bahre nun von den ehemaligen Kameraden aufgehoben und unter gedämpften Trommelschlag der Grabstätte zugetragen wurde, o wie fühlte er sich in diesen Augenblicken so verlassen und arm in der einsamen Stube! Wie strömten die Tränen über den Verlust des treuen, heitern, väterlichen Freundes über seine Wangen. Wie fremd und drohend stand jetzt die riesenhafte Welt vor ihm. Wie fühlte er sich so klein, schwach und hilflos! Doch da er sich nun recht satt geweint datte, da dachte er an manches, was ihm der Selige von Gottesregiment und Walten in dieser Welt erzählt und gesagt hatte. Er sah im warmen Sonnenstrahl am Fenster eine zarte Fliege sich putzen, wohlgemut die Flüglein ausbreiten und davoneilen. Es fiel ihm ein, dass er ja doch viel größer und mehr als diese Mücke sei und der Vater im Himmel ja alles an sein Herz schließe, was er geschaffen hat, das Kleinste wie das Größte, und dass er aus jedem Tautropfen mit mildem Auge zum zaghaften zweifelnden Menschen blicke.

Als nun Gottlieb von der Beerdigung zurückgekommen war, erzählte er ihm dies alles und verkündete ihm seinen Entschluss, auch nicht länger hier zu bleiben, sondern mit ihm weiter zu wandern und Gott sein ferneres Schicksal anheim zu stellen. Gottliebs Bedenklichkeiten vermochten gegen seinen festen Willen nichts. Nach dem Palmsonntag wanderten beide mit neuem Mut und Lebensgefühl hinaus auf der Straße nach Frankfurt und legten bei mildem heiteren Frühlingswetter einen Marsch um den anderen zurück, bis sie die weit gedehnten Traubenhügel Würzburgs vor sich erblickten und zu ihren Füßen den breiten fröhlich belebten Strom.

Gottlied traf hier mit mehreren Kaufleuten aus Nürnberg und anderen Orten zusammen, welche zur Frankfurter Messe zu reisen gedachten. Einer derselben, der ihn kannte, bot ihm einen leeren Platz in seinem Wagen an. Des anderen Tages zog die ganze Karawane unter dem Schutz des berittenen Geleites weiter und gelangte ohne Abenteuer durch den berüchtigten Spessart, der mit seinen prächtigen Buchen und Tannen, mit seinen romantischen Gehegen und Schluchten wie ein weiter dunkler Mantel über verschiedener Herren Länder ausgebreitet dalag.

Nun war nur noch eine halbe Tagesreise von der durch schlechte Wege beschwerlichen Fahrt zu überstehen. Die Gesellschaft hielt zum letzten Mal an, um das Mittagsmahl einzunehmen. Der Gasthof, gleich am Eingang des Dorfes gelegen, bot eine anmutige Aussicht auf die benachbarten Fluren dar. Der Himmel war blau, die Sonne schien warm und freundlich, sodass man einhellig beschloss, die dumpfe Wirtsstube zu verlassen und auf den Bänken vor dem Haus das Mittagessen einzunehmen. So wurde denn der Tisch im Freien gedeckt und mit Speise und trefflichen Wein wohl versehen. Es war allen nach den überstandenen Mühseligkeiten und Gefahren wohl zu Mut! Man sprach lebhaft hin und her von diesem und jenem. Zuletzt kam auch die Rede auf unseren Jacob und seine Maus, die der gefällige Gottlied in einem kleinen Käfig die ganze Reise über mit sich getragen hatte. Alle wünschten die Bekanntschaft mit diesem wohldressierten Tierchen zu machen und drangen nach der Mahlzeit in den Kleinen, dass er ihnen seine Reiterkünste zeigen möchte. Jacob, der nicht ohne Eitelkeit war und wohl auch einen Fingerhut über den Durst getrunken hatte, ließ sich nicht lange bitten. Das Tischtuch wurde abgenommen, die Maus gesattelt, und in netter Reiteruniform, den Säbel an der Seite, bestieg sie nun der lebensfrohe Jüngling und zeigte seine Geschicklichkeit in künstlichen Volten und Traversalen, Courbetten und Kapriolen, unter großen Beifallsbezeigungen der dicht im Kreis umherstehenden Zuschauer.