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Der Welt-Detektiv Band 6

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Timetraveller – Episode 13

Uriel oder Das Magische Licht

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Mort­la­ke, Ok­to­ber 1582

Die Wachs­ta­fel mit den ein­ge­ritz­ten Sym­bo­len lag in­mit­ten der 4 Ker­zen, die zu­gleich die ein­zi­ge Licht­quel­le des Stu­dier­zim­mers dar­stell­ten. Ne­ben den Ker­zen war die Kris­tall­ku­gel dra­piert, in wel­che der Mann ohne Oh­ren seit ei­ni­ger Zeit hi­nein starr­te. Der Mann war völ­lig in Tran­ce, sei­ne gan­zes Be­wusst­sein und Un­ter­be­wusst­sein kon­zen­trier­ten sich seit ge­rau­mer Zeit aus­schließ­lich auf das In­ne­re der Ku­gel.

Plötz­lich schoss Feu­er in den Mann, in sei­ne Au­gen, glaub­te der an­de­re an­we­sen­de Wis­sen­schaft­ler zu er­ken­nen. Der Mann ohne Oh­ren be­gann in ei­ner frem­den Spra­che zu re­den, es war eher ein Stam­meln, und dann zeig­te er nach­ei­nan­der auf ver­schie­de­ne Sym­bo­le und Buchs­ta­ben, die in die Wachs­ta­fel ein­gra­viert wa­ren. Der zwei­te Wis­sen­schaft­ler, eben­so kon­zen­triert wie der Mann ohne Oh­ren, je­doch bei vol­lem Be­wusst­sein, no­tier­te Buch­sta­be für Buch­sta­be mit.

Es war der En­gel Ave, so glaub­ten die Män­ner, der ih­nen eine ver­schlüs­sel­te Bot­schaft schick­te.

Der Mann ohne Oh­ren war völ­lig der Kris­tall­ku­gel ver­fal­len. Sein Blick kon­zen­trier­te sich auf den 6 cm gro­ßen Ge­gen­stand, in dem sich das Licht und die Schat­ten, die die Ker­zen ver­ur­sach­ten, zu ei­nem un­glaub­li­chen Far­ben­spiel bra­chen. Es sah bei­na­he so aus, als hät­te sei­ne See­le den Kör­per ver­las­sen und wäre in die Ku­gel ein­ge­drun­gen, denn in die­ser war­fen Licht und Schat­ten noch im­mer ge­heim­nis­vol­le Re­fle­xe.

Der Wis­sen­schaft­ler mit dem Spitz­bart war­te­te ge­dul­dig auf wei­te­re Zei­chen. Sein Blick hing eben­falls an der Ku­gel, doch er sah le­dig­lich ein far­ben­präch­ti­ges Licht­spiel – sonst nichts.

Es war der Mann ohne Oh­ren, der als Me­di­um für ihn dien­te und dem sich in die­sem Licht mehr of­fen­bar­te, als mög­lich zu sein schien.

Der in Tran­ce ver­fal­le­ne Mann reg­te sich wie­der, der Spitz­bär­ti­ge blick­te ihn er­war­tungs­voll an.

Die Ker­zen wa­ren zur Hälf­te he­run­ter ge­brannt, als der Kör­per des Me­di­ums in sich zu­sam­men­sack­te. Der En­gel hat­te den Kon­takt be­en­det. Der Wis­sen­schaft­ler schau­te auf sei­ne No­ti­zen und schüt­tel­te den Kopf. Er konn­te noch nichts von dem ent­zif­fern, was er auf­ge­schrie­ben hat­te.

»Es ist rück­wärts«, hauch­te der Mann, der als Me­di­um dien­te und all­mäh­lich in die Wirk­lich­keit zu­rück­kehr­te.

John Dee hat­te über sein Me­di­um Ed­ward Kel­ly eine Bot­schaft von den En­geln emp­fan­gen.

 

Burg Rau­en­fels, Pa­ral­lel­welt

 

Die Rück­rei­se ver­lief prob­lem­los und Dan und Clai­re hat­ten das Ge­fühl, als sei­en sie nur we­ni­ge Mi­nu­ten weg ge­we­sen. Nur Kens tief lie­gen­de Au­gen­rin­ge zeug­ten da­von, dass hier ge­nau­so viel Zeit ver­gan­gen war wie in Kan­sas City und dass der Ja­pa­ner in den letz­ten zwei Ta­gen kaum Schlaf ge­fun­den hat­te. Ent­spre­chend schlecht ge­launt war er nun und so war das Wie­der­se­hen da­von et­was über­schat­tet.

Clai­re saß an sei­nem Bett, nach­dem alle vier die letz­te Rei­se aus­führ­lich aus­ge­wer­tet hat­ten. Wor­te fan­den bei­de nicht. Es war wie ver­hext. Die jun­ge Frau merk­te, dass Ken ihr nach und nach ent­glitt. Sie dach­te, dass es an der Krank­heit lag und er sich des­halb von ihr zu­rück­zog. Sie ahn­te nicht, mit welch düs­te­ren Ge­dan­ken ihr Freund sich trug. Ken hat­te nicht ver­ges­sen, dass Dan vor we­ni­gen Wo­chen noch hin­ter Clai­re her war. Wie er es ihm übel ge­nom­men hat­te, dass er Clai­re für sich ge­win­nen konn­te. Und das, ob­wohl Dan der­je­ni­ge war, nach dem sich alle Mäd­chen um­dreh­ten. Doch Clai­re hat­te sich an­ders ent­schie­den, sie hat­te Ken in ihr Herz ge­schlos­sen, was da­rauf­hin zu klei­nen Un­stim­mig­kei­ten und Stim­mungs­schwan­kun­gen in der Grup­pe ge­führt hat­te. Le­dig­lich Mark­ui hat­te sich weit­ge­hend aus dem Di­lem­ma he­raus ge­hal­ten. Clai­re als Frau hat­te ihn nie in­te­res­siert. Dass er sich über­haupt für Frau­en in­te­res­sier­te, hat­ten die Ti­me­tra­vel­ler erst hier auf Rau­en­fels er­fah­ren, als Xa­ri­na auf der Bild­flä­che er­schien.

Und nun hat­te Clai­re eine gan­ze Nacht zu­sam­men mit Dan in ei­nem Zim­mer ver­bracht! Was dem Ver­letz­ten sei­ne Fan­ta­sie vor­gau­kel­te, nag­te an Kens Ver­trau­en zu Clai­re. An­de­rer­seits … nun saß sie hier, an sei­nem Bett. War es nur noch Mit­leid oder mein­te sie es wirk­lich noch ernst? Aber wie konn­te sie ei­nen Krüp­pel wie ihn denn noch lie­ben?

Kens Ge­füh­le wa­ren völ­lig aus dem Ru­der ge­lau­fen und des­halb hielt er es selbst für das Bes­te, sich in sein Schne­cken­haus zu­rück­zu­zie­hen.

Clai­re kam nicht an ihn he­ran und schwieg wei­ter. Es war bei­na­he un­er­träg­lich.

Die Er­lö­sung aus die­ser un­an­ge­neh­men At­mo­sphä­re kam in Ge­stalt von Mark­ui.

»Wir ha­ben die Tem­po­tro­nen ana­ly­siert«, sag­te er. »Macht euch be­reit für eine Au­di­enz bei Eli­sa­beth I.«

»Was?«, frag­te Clai­re er­staunt. Sie hat­te nur Eli­sa­beth ge­hört und dach­te zu­erst an die Kai­se­rin von Ös­ter­reich – Sis­sy. Sie woll­te sich schon freu­en, da die­se Frau sie sehr in­te­res­sier­te.

»Ja, es geht nach Eng­land. Naja, dass ihr die Kö­ni­gin ken­nen­lernt, be­zweif­le ich, aber zu­min­dest re­giert sie in die­ser Zeit, in die ihr als Nächs­tes rei­sen wer­det«, füg­te Mark­ui noch hin­zu.

»Ach so«, gab die Ge­schichts­stu­den­tin geis­te­sab­we­send zu­rück. Sie hat­te ein­fach kei­ne Lust mehr auf noch eine Zeit­rei­se. Aber sie wuss­te auch, dass sie kei­ne Wahl hat­te.

»Wir be­spre­chen al­les in 10 Mi­nu­ten. Dan wird bis da­hin auch hier sein«, schloss Mark­ui sei­ne An­kün­di­gung ab und ging wie­der hi­naus. Er woll­te ver­su­chen, ein paar In­for­ma­ti­o­nen über das Da­tum der an­ste­hen­den Zeit­rei­se zu fin­den. Er glaub­te aber nicht, dass es hier, in ei­ner Pa­ral­lel­welt, Hin­wei­se dazu ge­ben wür­de.

Dies be­stä­tig­te sich auch sehr schnell. Über die Ge­schich­te der Welt sei­ner Zeit­rei­se­freun­de war hier nichts zu fin­den. Aber viel­leicht wuss­te die Ge­schichts­ex­per­tin un­ter ih­nen ja et­was Gen­au­e­res.

Kur­ze Zeit spä­ter sa­ßen die Ti­me­tra­vel­ler im Kran­ken­zim­mer von Ken.

»So, ihr bei­den, macht euch be­reit für das Eli­sa­betha­ni­sche Zeit­al­ter. Es geht nach Eng­land, ge­nau­er ge­sagt nach Mort­la­ke, Sur­rey, ein Städt­chen, das heu­te zu Lon­don ge­hört. Ihr lan­det dort am 21. No­vem­ber 1582«, er­öff­ne­te Mark­ui das Ge­spräch. Da­bei schau­te er Clai­re an in der Hoff­nung, dass sie eine Re­ak­ti­on zeig­te, wenn er das Da­tum nann­te. Aber sie blick­te ge­nau­so fra­gend wie die an­de­ren auch.

»Und? Was er­war­tet uns dort?«, woll­te Dan wis­sen.

Mark­ui schüt­tel­te den Kopf. »Das weiß ich nicht. Ich konn­te über die­sen Tag nichts he­raus­fin­den und hoff­te, dass Clai­re et­was wüss­te.« Doch sie zuck­te nur die Ach­seln und ver­nein­te das.

»Nun, dann wird das wohl eine Fahrt ins Blaue«, stell­te Dan leicht­hin fest. »Wir wer­den schon he­raus­fin­den, wor­auf San­fold es ab­ge­se­hen hat.«

»Eli­sa­betha­ni­sches Zeit­al­ter, hm, das Gol­de­ne Zeit­al­ter der bri­ti­schen Ge­schich­te. Die Frau hat viel ge­tan für die Er­for­schung der Welt. Sagt euch der Name Fran­cis Dra­ke et­was? Er hat zu die­ser Zeit die Welt um­se­gelt und es gab die ers­ten Ver­su­che, bri­ti­sche Ko­lo­ni­en in Nord­ame­ri­ka zu grün­den. In die­ser Zeit wur­de der Be­griff Bri­ti­sches Em­pi­re ge­prägt und Shake­speare hat sei­ne welt­be­rühm­ten Wer­ke ge­schrie­ben – aber ich sehe kei­nen Grund, was die­ser ver­rück­te Pro­fes­sor dort will.« Clai­re hat­te ihr we­ni­ges Wis­sen preis­ge­ge­ben. Auch die jun­gen Män­ner konn­ten da­raus kei­nen Zu­sam­men­hang ab­lei­ten.

»Ich sag doch, eine Fahrt ins Blaue«, wie­der­hol­te Dan. »Ken, wir wer­den dich wie­der drin­gend brau­chen. Schlaf dich noch­mal rich­tig aus, da­mit du dann al­les im Griff hast.«

Der Ja­pa­ner quit­tier­te die Wor­te mit ei­nem bö­sen Blick, ob­wohl er wuss­te, dass Dan recht hat­te. Der Zeit­sprung in das Jahr 1582 soll­te am nächs­ten Mor­gen be­gin­nen. Sie alle nutz­ten die Zeit bis da­hin, um sich gründ­lich aus­zu­ru­hen.

Am nächs­ten Mor­gen stan­den Dan und Clai­re wie­der auf der Platt­form von Ro­ger Mül­lers Zeit­ma­schi­ne und harr­ten ge­spannt der Din­ge, die sie in Eng­land er­war­te­ten.

 

Mort­la­ke, Sur­rey, 21. No­vem­ber 1582

 

San­fold, Tay­lor und McCre­ry hat­ten Mort­la­ke am frü­hen Abend er­reicht. Es war noch hell, doch die Däm­me­rung kün­dig­te sich am öst­li­chen Ho­ri­zont be­reits an.

»Will­kom­men im Jahr 1582«, sag­te der Pro­fes­sor tri­um­phie­rend.

Die Zeit­rei­se ver­lief prob­lem­los, auch die An­kunft in der Ver­gan­gen­heit mach­te kei­ne Schwie­rig­kei­ten. Sie lan­de­ten re­la­tiv sanft, um­ge­ben von Käl­te und ei­nem kur­zen, blau­en, in­ten­si­ven Licht.

Da sie et­was ab­seits der Stra­ße an­ka­men, er­reg­ten sie kei­ner­lei Auf­merk­sam­keit und glaub­ten, dass ihre Lan­dung un­be­merkt ge­blie­ben war.

McCre­ry und Tay­lor konn­ten kaum glau­ben, dass sie sich in der Ver­gan­gen­heit be­fan­den, dass sie eine Zeit­rei­se hin­ter sich hat­ten. Ihr Vers­tand sag­te ih­nen, dass das schlicht un­mög­lich sei, doch ihre Au­gen zeig­ten ih­nen Bil­der, die San­folds Be­haup­tung be­stä­tig­ten.

Eine Kut­sche fuhr rat­ternd die Stra­ße ent­lang, die Häu­ser kün­de­ten eben­so von der Wahr­heit sei­ner Wor­te. Das hier war nicht ihre Zeit, in der sie leb­ten. Erst­aun­lich war, wie schnell die Bei­den die Si­tu­a­ti­on ak­zep­tier­ten.

San­fold blick­te sich zu­nächst schwei­gend um. Er wuss­te ge­nau, zu wem er woll­te, doch dazu muss­te er erst ein­mal he­raus­fin­den, wo die­ser je­mand wohn­te. Ir­gend­wo hier muss­te es sein, so sie denn tat­säch­lich in Mort­la­ke ge­lan­det wa­ren, und das exakt am 21. No­vem­ber 1582.

Tay­lor und McCre­ry schau­ten im­mer noch stau­nend in die Run­de, als San­fold sie aus ih­ren Ge­dan­ken riss.

»Wir müs­sen Kon­takt zu je­man­dem auf­neh­men, um he­raus­zu­fin­den, ob Zeit und Ort stim­men. Macht eure Um­hän­ge zu, Ka­pu­zen auf und lasst ja nie­man­den eure Waf­fen se­hen. Wir sind hier im 16. Jahr­hun­dert, ver­gesst das nicht.« Die Män­ner stülp­ten sich die Ka­pu­zen über und zo­gen sie so weit wie mög­lich in die Ge­sich­ter, und be­tra­ten die Stra­ße. In un­mit­tel­ba­rer Nähe war kein Mensch zu se­hen.

An ein be­lie­bi­ges Haus zu klop­fen, wag­te der Pro­fes­sor nicht, es könn­te zu viel Auf­merk­sam­keit er­re­gen. Man wuss­te ja nie, wer dort die Tür öff­ne­te.

Sie lie­fen lang­sam los, in die Rich­tung, in der die Häu­ser dich­ter zu ste­hen schie­nen. San­fold ver­mu­te­te dort das Zen­trum der klei­nen Stadt.

Sie wa­ren schon eine Wei­le un­ter­wegs, als drei Kin­der hin­ter ih­nen die Stra­ße ent­lang ge­rannt ka­men. San­fold hielt sie für zu klein, um sie an­zu­spre­chen. Sie wür­den be­stimmt schrei­end da­von­lau­fen und gleich al­len er­zäh­len, dass drei schwar­ze Män­ner je­man­den such­ten.

Die Zeit­rei­sen­den gin­gen zur Sei­te und lie­ßen die Pla­ge­geis­ter un­be­hel­ligt pas­sie­ren.


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