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Andreas Föhr – Totensonntag

andreas-foehr-totensonntagAndreas Föhr – Totensonntag

Im Herbst 1992 findet in einer Berghütte in Bayern, dem sogenannten Hirschberghaus, das Austrinken der Getränkevorräte statt, denn das Hirschberghaus schließt in diesem Winter ausnahmsweise wegen Renovierungsarbeiten, und der Wirt will nicht die ganzen Vorräte nach unten ins Tal schaffen müssen. Die Gäste dürfen also für zehn Mark so viel trinken, wie sie wollen, solange der Vorrat reicht.

Clemens Wallner, erst seit wenigen Monaten Kriminalkommissar bei der Kripo Miesbach, und die junge Staatsanwältin Claudia Lukas, Tochter des Leiters der Kripo Miesbach und zuständig auch für Miesbach, nehmen an dieser Veranstaltung teil, während der Polizist Leonhardt Kreuthner gezwungen ist, einen Gefangenen in seiner Arrestzelle zu bewachen, obwohl er sich sehr auf das Austrinken gefreut hatte. Der Gefangene, Thomas Dammerl Nissl, ein Obdachloser, lebt unter anderem von Einbruchdiebstählen und hat nach einigen Bewährungsstrafen dieses Mal eine Haftstrafe zu erwarten.

Kreuthner ist von seinem Kollegen Sennleitner, den er noch aus der Schule kennt, betrogen worden, sodass er jetzt den Gefangenen bewachen muss, obwohl eigentlich Sennleitner Dienst gehabt hätte. Dieser hingegen hat sich krank gemeldet und ist trotzdem zum Hirschberghaus hinaufgestiegen, um am Austrinken teilzunehmen.

Kreuthner telefoniert mit Wallner, der sich im Hirschberghaus befindet, und der Kommissar fragt ihn, wo er bleibt. Kreuthner erfährt von ihm, dass Sennleitner ihn betrogen hat und kündigt sein Kommen an. Er sperrt Nissl in die Arrestzelle und will ihn über Nacht dort allein lassen. Nissl aber beginnt zu randalieren und will Kreuthner an seinen Chef verraten, denn er kann es nicht aushalten, nachts allein in einer abgeschlossenen Zelle zu sein. So nimmt Kreuthner den Gefangenen schließlich mit zur Berghütte.

Im Hirschberghaus geht es hoch her, als die beiden dort ankommen. Die Leute sind betrunken und grölen Lieder. Nissl unterhält sich mit Wallner und Claudia Lukas über seine Vergangenheit und verrät ihnen Details über einen Mord, der lange zurückliegt.

Er hat eine Leiche in einem Sarg aus Glas liegen sehen, und zwar in einem Ort in der Nähe. Der Sarg ist gläsern, wie bei Schneewittchen und mit lauter Edelsteinen besetzt. Er befindet sich aber nicht auf dem dortigen Soldatenfriedhof der Amerikaner, sondern unter einer Kirche. Das Grab ist geheim und Nissl hat es nur durch Zufall entdeckt. Selbst der Pfarrer wusste nichts davon.

Nissl weiß sogar, dass die Tote in dem Sarg Frieda geheißen hat. Den Nachnamen weiß er allerdings nicht mehr. Er will den beiden die Leiche zeigen, wenn sie wieder im Tal sind. Claudia und Wallner glauben ihm seine Geschichte jedoch nicht.

Der Kommissar und die Staatsanwältin kommen sich näher, während Nissl mit Kreuthner spricht und erfährt, dass er diesmal wohl tatsächlich mit Haft rechnen muss. Er möchte gerne flüchten, aber da er einen verrenkten Fuß hat, würde er nicht weit kommen. So nimmt er in der Hütte eine Jagdbüchse des Wirtes an sich und die Gäste als Geiseln. Dann verlangt er von der Polizei einen Fluchtwagen, den man an die Talstation der Seilbahn bringen soll, die zur Hütte führt. …

Der Autor schildert in seinem Roman eine Geschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs, die sich im bayerischen Dürnbach und Umgebung abgespielt hat. Die Auflösung dieser Geschichte verlegt er in den Herbst 1992. Dabei verrät er bei seinen Rückblenden in den Mai 1945 nach und nach immer mehr über den Todesmarsch von KZ-Insassinnen von einem KZ an der Front ins Landesinnere, der von SS-Leuten überwacht wird, während die amerikanischen Truppen nur noch wenige Kilometer entfernt sind.

Die ermittelnden Beamten hingegen erforschen die Vorgänge in diesem Fall im Herbst 1992 anhand der offiziellen Unterlagen aus dem Mai 1945 und der Fotos und Aufzeichnungen eines Privatmannes namens Beck, der sich damals – wie heute sein Sohn – für alles rund um die Gemeinde Dürnbach und ihre Bewohner interessierte und auch Fotos von vielen Vorkommnissen machte.

Als die Beamten Wallner und Kreuthner, aber auch Staatsanwältin Lukas, in Uwe Becks Haus einbrechen, um den Aktenordner seines Vaters von 1945 in die Hand zu bekommen, den der Sohn ihnen bei ihrem offiziellen Besuch vorenthalten hat, erleben sie eine Überraschung.

Zusätzlich zu diesen ausgesprochen spannenden Vorgängen beschreibt der Verfasser noch die beginnende Liebesbeziehung von Kommissar Wallner und Claudia Lukas sowie die Beziehung von Wallners Großeltern, bei denen der Kommissar groß geworden ist. Dabei kann der Leser feststellen, dass Andreas Föhr es nicht nur beherrscht, Spannung aufzubauen und historische Ereignisse zu recherchieren und zu schildern, sondern dass er außerdem ein großes Maß an Einfühlungsvermögen besitzt und psychologisch bewandert ist.

Fazit:
Der vorliegende Kriminalroman ist ein kriminalistisches Filetstückchen, das historische Ereignisse angemessen aufarbeitet. Die Spannung der Geschichte wird von Kapitel zu Kapitel gesteigert, wobei der Autor das Mittel der Rückblende gekonnt einsetzt. Die Charaktere und zwischenmenschlichen Beziehungen sind realistisch geschildert. Selbst die Gefühle und Aktionen von Menschen in der Extremsituation des Krieges sind meines Erachtens sehr glaubhaft beschrieben.

Das Ende des Romans birgt noch einmal gleich mehrere Überraschungen, sodass der Leser bis zum Ende vorzüglich unterhalten wird. Ein Leckerbissen für den Freund des tiefgründigen Krimis.

andreas-foehrDer Autor:
Andreas Föhr wurde 1958 in Kreuzthal im Allgäu geboren und ist Jurist. Er arbeitete eine Zeit lang bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 schreibt er Drehbücher für das Fernsehen, vor allem im Bereich Krimi. So schrieb er für SOKO 5113, Ein Fall für zwei, Der Bulle von Tölz, Tatort und Rosenheim Cops. Für sein Krimidebüt Der Prinzessinnenmörder erhielt er den Friedrich-Glauser-Preis. Totensonntag war wochenlang in den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste. Der Autor lebt bei Wasserburg am Inn, östlich von München. Er ist verheiratet.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Knaur-Verlags.
  • Foto des Autors. Copyright: Torsten Silz. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Knaur-Verlags.

(ww)