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Sagen- und Märchengestalten – Die Magie – Teil 2

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Die Magie – Teil 2

Magische Verbindungen

Eine neue, für das Studium der menschlichen Charaktere unendlich wichtige Seite der Magie bildete die Hinneigung ihrer Bekenner zu geheimnisvollen religiösen Bräuchen. Der ermüdende Zeremoniendienst der christlichen Kirche genügte jenen schwärmerischen Geistern nicht mehr, weil ihre Fantasie in überhitzter Regsamkeit durchaus eine unmittelbare Verbindung schaffen wollte, wenn nicht zwischen Gott und Menschen, so doch wenigstens mit den Engeln und allem dem, was sie sonst noch Ungekanntes und Wunderbares zwischen Himmel und Erde sich dachten. In höher gestimmten, aufgeklärteren Gemütern begann ein Verlangen rege zu werden, die Lehre des Glaubens mit den Lehren der Philosophie in Einklang zu bringen und dadurch nicht bloß das Herz zu erbauen, sondern auch den Geist zu befriedigen.

So schlossen sich Verbindungen, deren Glieder in geheim gehaltenen Sätzen, welche immer mehr entwickelt werden sollten, das gesteckte Ziel zu erreichen hofften: die Brüder des freien Geistes, die Jünger der ewigen Weisheit, die Gottesfreunde und andere, sämtlich als Mystiker bezeichnet.

Die mystischen Bestrebungen mussten, der Richtung der Zeit nach, endlich auch in alle jene Gesellschaften dringen, deren Zweck die Magie nicht war, welche nun aber, ergriffen von der Bewegung der übrigen, sich nicht länger gegen diese fremden Einflüsse abzuschließen vermochten. So erging es den Freimaurern, so den Illuminaten. Die Ersteren hatten sich eine edle und hohe Aufgabe gestellt. Sie wollten inmitten der Welt den Tempel des reinsten christlichen Kults neu erbauen und sahen sich bald darin von der Begierde gehindert und gehalten, das Geisterreich zum Dienst menschlicher Habsucht und sträflichen Ehrgeizes herabzuwürdigen.

Mannigfach wurde mit den Maurern der ihnen in seinen Bestrebungen verwandte Illuminatenorden verwechselt, und man behauptete, dass ein berühmter französischer Staatsmann Mirabeau, der wackere Verteidiger des Thrones Ludwig XVI., sich einige Zeit mit dem Gedanken getragen habe, beide Verbindungen in seinem Vaterland miteinander zu verschmelzen.

Verschiedenartige Zwecke trennten endlich auch die Anhänger der magischen Theorien in mehrere Gesellschaften, welche unaufhörlich im Zunehmen begriffen waren, solange die Herrschaft dieser Theorien währte. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts bildete sich die Vereinigung der Rosenkreuzer, um deren Entstehung es eine eigentümliche Bewandtnis hatte.

Johann Valentin Andreae, ein württembergischer Geistlicher 1654 zu Stuttgart gestorben, dessen Bedeutung für die damalige Zeit hoch anzuschlagen ist, ließ im Jahre 1603 eine handschriftliche Abhandlung zirkulieren, welche den Titel Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz führte und bald gedruckt in zahlreichen Exemplaren verbreitet wurde. Dieses Schriftchen war eben nichts weiter als ein Scherz, eine Sonne, welche Andreae gegen das ihm bekannte tolle Treiben der Goldmacher schleuderte.

Ein gewisser Christian Rosenkreuz, hieß es darin, sei um 1378 in den Orient gereist, habe dort die magischen Geheimnisse erkundet und einige der köstlichsten Rezepte mit sich zurück ins Abendland gebracht. Den Grundsätzen der Alchemisten getreu teilte er seine wunderbaren Entdeckungen nur Wenigen mit. Als er starb, schienen die wichtigen Besitztümer für die Forschenden so gut wie verloren. Erst jetzt sei es gelungen, der seltenen Schätze sich von Neuem zu versichern. Einer der Wissbegierigen hatte das wunderbare Glück, alles, was Rosenkreuz von seinen Erfahrungen und Erlebnissen aufgezeichnet hinterließ, in dem Grab des weisen Mannes zu entdecken. Die herrlichsten Geheimnisse, wie der mit allmächtiger Kraft gesegnete Stein der Weisen zu bereiten und der vielgepriesene Wundertrank des lebensverlängernden Elixiers zu mischen sei, befanden sich nun in den Händen der Auserwählten, der Stifter einer magischen Gesellschaft, die Rosenkreuzer genannt. Der Eintritt in dieselbe sollte nur den Weisesten und Würdigsten ihrer Zeit gestattet sein.

Das Büchlein wusste Ton und Meinung aller über die halbe Welt verstreuten Anhänger der magischen Künste so gut zu treffen, dass niemand an der Echtheit der mitgeteilten Tatsachen zweifelte, jeder nach der Ehre strebte, für einen wirklichen Rosenkreuzer gehalten zu werden, und sich demgemäß dafür ausgab. Zahllose kleinere Gesellschaften bildeten sich, denen Alchemisten, Ärzte und Geistliche beitraten. Bald fanden sich auch solche, welche zu den Oberen des Bundes zu gehören vorgaben, neue Mitglieder annahmen und huldvoll verhießen, in kurzer Frist auch denen das große Geheimnis mitzuteilen, die zwar erst die niederen Grad erworben, in ihren Bestrebungen aber rühmlichen Eifer an den Tag gelegt hätten.

Bald jedoch entstanden Differenzen zwischen den verschiedenen Gesellschaften. Sie begannen einander mit missgünstigen Augen zu betrachten und den bald auch ausgesprochenen Verdacht zu hegen, dass der eine und der andere wohl nicht zu den eigentlichen Rosenkreuzern gehören würde. Allmählich sank das Ansehen dieser berühmten Verbindung. Betrüger trieben ein freches Spiel mit den vermeintlichen Geheimnissen des Ordens und suchten diese um Geld an leichtgläubige Personen zu verkaufen.

Alle diese magischen Bestrebungen fanden schriftlichen Ausdruck, eine Menge Broschüren und Bücher von jedem Umfang erschien, die interessante Materie zu behandeln, und wenn es untunlich ist, die Fülle derselben zu besprechen, ist es doch von Wichtigkeit für die Geschichte jener Tage, einer der berühmtesten unter ihnen Erwähnung zu bringen.

Der Schlüssel Salomonis, des weisen Königs, möge, in gedrängtester Kürze behandelt, hier einen Platz finden. War er doch bestimmt, alle Geheimnisse der Natur zu erschließen und den Wissbegierigen in jene wunderbaren Kreise einzuführen, mit denen die Geisterwelt wie mit einer Mauer sich umgürtet hat.

Der höchsten göttlichen Geheimnisse, sagt der Verfasser desselben, sind sieben. Diese bestehen aus der Kenntnis, wie alle Krankheiten zu heilen, wie das Leben zu verlängern, die Geister in den vier Elementen zu unterwerfen sind, auf das sie dem Fragenden willig mitteilen, was sie nur wissen und vermögen. Den Schlussstein dieses höchsten Grades bildet eine ungehemmte Erkenntnis der Dreieinigkeit.

Die sieben mittleren, natürlichen Geheimnisse begreifen in sich die Lehre von der Verwandlung der Metalle, Heilung der Übel durch den Stein der Weisen oder durch metallische Arzneien, ferner die Kunde von den Einwirkungen und Kräften der Gestirne, überhaupt von allen Künsten, wie verborgen und geheim sie immer sein mögen.

Auch der kleinen, menschlichen Geheimnisse enthält der Schlüssel sieben, und diese erteilen theoretische Anweisungen zur Erlangung von Geld und Gut, Ehre, Gelehrsamkeit. Wer sie recht besaß, dem konnte es sicher nicht fehlen. Indessen gründeten alle diese Geheimnisse und ihre Anwendung sich hauptsächlich auf ein frommes, gottesfürchtiges Leben und fleißiges Gebet. Diese Art der religiösen Magie nannte man Theosophie.

Die heilige Siebenzahl, abwechselnd mit der Dreiheit, regiert das ganze System, nach welchem das Buch zusammengesetzt ist. Sieben Engel beherrschen die Planeten, bereits ebenfalls sieben angenommen sind. Sie dürfen nur in der ersten Stunde des Tages, der ihnen gehört, unter langen und inbrünstigen Gebeten herbeigerufen werden.

Einst besaß ein Geisterkundiger, der zu Neapel lebte, drei Wundergaben, welche ihres Gleichen nicht kennen. Da fand sich ein Zauberbuch mit den Zeichen aller Geister, der guten wie der schädlichen. Ein Horn, dessen Klang mit der Macht ausgerüstet war, alles zum Gehorsam zu nötigen, was außer Gott im Himmel und auf Erden lebt, und endlich ein Stein, der Stein der Weisen, erfüllt mit göttlicher Kraft. Neidische Bosheit eines anderen, unbekannt gebliebenen Magiers beraubte jenen seiner kostbaren Schätze, und der Schlüssel Salomonis empfiehlt, nach denselben zu suchen, weil ihr Besitz Fülle und langes Leben sichere.

In weiterer Folge werden die heiligen Zeichen und Namen mitgeteilt, der Inhalt des Gebetes an die Planetengeister, sichere Kunde von den sieben Himmeln und ihren Beherrschern gegeben.

Auch praktische Winke fließen ein: gegen jedermann zu schweigen von den Geheimnissen, fleißig die empfangene Unterweisung zu wiederholen und dem Gedächtnis einzuprägen, auch die Geister nicht länger als eine Stunde zurückzuhalten, damit ihre Ungeduld nicht rege werde.

Wie verloren unter allen den häufigen Wiederholungen findet sich die Episode von einem italienischen Magier, dessen Verwünschung den angestammten König Neapels von Thron und Land vertrieben haben soll, weissagend, dass kein eingeborener Fürst Neapel jemals wieder beherrschen werde.

Mit einem Anflug von Geist zitiert der Verfasser die Geschichte jener besessenen Magd zu Frankfurt an der Oder, welche vorgab, überall Geld zu erfassen, wohin sie auch greife. Allein der ihr innewohnende böse Geist zwang sie, die Münzen zu essen! Diese Krankheit nun dient dem Autor zu einer Parallele, welche zwar ein wenig weit in die Vorzeit zurückreicht, allein darum nicht minder richtig ist. Sie geht bis zu dem phrygischen König Midas mit den langen Ohren. Dieser Tor äußerte den Wunsch, dass alles, was er berühre, zu Gold werden möchte. Nun verwandelten Trank und Speise sich auf seinen Lippen in glänzendes Metall, und er hätte Hungers sterben müssen inmitten aller Schätze, wenn nicht der milde Spruch der Götter ihn von dem schrecklichen Segen wieder befreit hätte.

So dürfen auch die Menschen, nach der Warnung des salomonischen Schlüssels, von den Geistern nicht goldene Berge begehren, durch welche ihnen in schnöder Habgier Leib und Seele erdrückt werden würden.

Den Schluss der kleinen Abhandlung bilden die Namen von zweiundsiebzig Völkerschaften, welche das göttliche Wesen nur mit vier Buchstaben schreiben und nennen sollen.

Das Blatt zu dem magischen Kreis musste von gutem, geschlagenen Gold oder von gereinigtem, noch nie benutztem Blei oder aus Jungfernpapier gefertigt sein. Zur Schrift diente nur eine neue Feder, mit neuem Messer geschnitten, und es war dazu Tauben- oder Drachenblut nötig.

Bedeutend für den Erfolg erwies sich der Freitag vor Sonnenaufgang, wenn der Mond neu ist, im Zeichen der Zwillinge, des Löwen (Schlange) oder der Jungfrau.

Das Täflein mit dem Kreis erwirkte dem, der es bei sich trug, günstigen Urteilsspruch vor Gericht, erweckte beständige Liebe und befreite den Missetäter, dem der Besitzer es darreichte, vom drohenden Tod.