Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Interessante Abenteuer unter den Indianern 12

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Shen-an-do-ah

Der Teil des Landes um die blühende Stadt Utica, im Staat New York, durch welche nun die Eisenbahn geht, wurde früher Whitesboro genannt. Daselbst befindet sich noch heute eine kleine Stadt dieses Namens, die an Utica grenzt. Der erste Ansiedler in diesem Teil des Landes war ein Herr White, nach welchem dieser Platz benannt wurde. In der Zeit, von welcher wir sprechen, lebte eine große Anzahl Indianer in dieser Gegend, mit welchen er oft Unterredungen hatte und wechselseitige Besprechungen von Freundschaft austauschte. Er rauchte die Friedenspfeife mit ihnen, um den Vertrag feierlich zu bestätigen.

Doch waren die Indianer immer misstrauisch. »Die Weißen«, sagten sie, »sind betrügerisch, und wir müssen Beweise von ihrer Zuverlässigkeit haben.«

Demgemäß gingen drei Indianer in Herrn Whites Abwesenheit eines Tages in dessen Haus. Im ersten Augenblick waren Frau White und ihre Kinder sehr erschrocken. Aber als sie unter denselben einen mit Namen Shen-an-do-ah erkannten, der ein milder, menschlicher Mann war, wurde ihre Furcht einigermaßen besänftigt.

Beim Eintritt in das Haus sagten sie zu Frau White: »Wir sind gekommen, um Euch zu bitten, Eure kleine Tochter Jane mit uns für diese Nacht zu unserer Wohnung gehen zu lassen.«

Solch ein Belangen mochte wohl die gute Frau erschreckt haben. Sie wusste keine Antwort zu geben. Durch Zurückweisung  fürchtete sie ihren Zorn zu erregen. Durch Gewährung  ihres Verlangens mochte die Freiheit oder das Leben ihres Kindes gefährdet werden. Zum Glück, während die Indianer auf eine Antwort von Frau White warteten, kam der Vater des Kindes an. Das Verlangen wurde erneuert und er hatte genug Geistesgegenwart, es sogleich zu erfüllen. Die Mutter war voll Bestürzung und fühlte all den Schrecken, der sich denken lässt. Aber sie schwieg, denn sie wusste, dass Widerstand vergeblich war. Das kleine Mädchen wurde geholt und den Indianern überliefert, die zehn oder zwölf Meilen davon entfernt wohnten.

Shen-an-do-ah nahm das Kind bei der Hand, führte es durch die Wälder hinweg, nachdem er dem Vater gesagt hatte: »Morgen, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, werden wir sie zurückbringen.«

Frau White hatte oft gehört, dass die Indianer betrügerisch sind, ebenso kannte sie dieselben als grausam. Deswegen betrachtete sie ihre kleine Tochter als verloren und als eine Art Opfer zur Rettung der Familie. Herr White bemühte sich, sie zu trösten, denn er war überzeugt, dass das Kind am nächsten Morgen unversehrt wieder zurückgebracht werden würde. Der armen Mutter war die Nacht lang und schlaflos. Ihre Angst wuchs, als die versprochene Zeit herannahte. Wohl bildete sie sich ein, dass die Indianer ihr Wort halten und das Kind zurückbringen würden, aber sie glaubte fest, sie würden es nicht lebend zurückbringen. Mit klopfendem Herzen blickte sie auf die Sonne. Gerade als sie am höchsten Punkte des Himmels stand, rief sie ihrem Manne zu: »Dort sind sie.«

Shen-an-do-ah und seine Begleiter waren ihrem Versprechen  getreu. Sie kamen mit der kleinen Jane zurück, welche mit allen Zierraten eines indianischen Wigwams wunderschön geschmückt war, bestehend aus Muschelhalsbändern, gefärbten Federn, Mokassins und den Stacheln des Stachelschweines. Sie war sehr erfreut über ihren Besuch und die vielen erhaltenen Geschenke. Die nächste Folge von Herrn Whites Betrauen war, was er gerade erwartet haben mochte. Von dieser Zeit an waren die Indianer seine Freunde. Hätte er furchtsam gehandelt und ihr Verlangen zurückgewiesen, so würden sie ihm nicht getraut haben.

Shen-an-do-ah war ein berühmter Oneida-Chief, der im Revolutionskrieg auf Seite der Amerikaner focht. Er lebte hundert Jahre. Obwohl er in seiner Jugend wild und dem Trunk ergeben war, so lebte er durch die Kraft seiner eigenen guten Natur und die Ermahnungen eines christlichen Missionars als ein gebesserter Mensch mehr als 60 Jahre.1 Er war unerschrocken im Krieg, aber mild und freundlich zur Zeit des Friedens. Seine Wachsamkeit rettete einst die jungen Niederlassungen der deutschen Ebenen am Mohawk River vor grausamer Vernichtung durch einen indianischen Stamm.

Sein Einfluss bewirkte, dass sein eigener Stamm die Amerikaner unterstützte. Durch eine Menge solcher freundschaftlicher  Handlungen erhielt er unter den indianischen Stämmen den Namen Des Weißen Freund.

Kurze Zeit vor seinem Tod erwiderte er einem, der ihn oft besuchte: »Ich bin ein alter Eichbaum. Die Winde von hundert Wintern haben durch meine Zweige gesaust, am Gipfel bin ich tot. Das Geschlecht, zu dem ich gehörte, ist dahin und ließ mich zurück. Warum ich noch lebe, weiß allein der große Geist. Doch bete ich zu ihm, er möge mir die Gnade schenken, die Zeit meines Todes mit Geduld abzuwarten.

Show 1 footnote

  1. Beim Abschluss eines Vertrages in Albany im Jahre 1775 war Shen-an-do-ah gegenwärtig. Am Abend desselben Tages war abscheulich betrunken, und am folgenden Morgen fand man ihn, aller seiner Ornamente und Kleider beraubt, auf der Straße liegen. Über diese sich selbst zugefügte Erniedrigung kam er zu dem heroischen Entschluss, sich nie wieder von der Kraft des Feuerwassers beherrschen zu lassen.