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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 37

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Blutige Rache

Die großen Freveltaten Hiesels, die Klagen, welche von allen Seiten einliefen, die beständigen Niederlagen der gegen ihn ausgesandten Streifen, die strengsten Befehle von oben, hatten endlich alle Gerichtsbehörden des unteren Schwabens, welches der Schauplatz von Hiesels Unternehmungen war, zu rastloser Wachsamkeit und zu den kräftigsten Maßregeln, ihm einmal das Handwerk zu legen, getrieben.

Hiesel sah ein, dass er hier keinen Tag mehr sich aufhalten, keine Nacht mehr in Sicherheit schlafen könne und beschloss daher, in die oberen Gegenden Schwabens zu ziehen.

Hier drohten ihm aber keine minderen Gefahren. Die Soldaten und Jäger waren in diesen Gegenden noch nicht durch Hiesels Grausamkeiten entmutigt. Das Landvolk zeigte sich ihm aber auch hier ergeben, teils aus Furcht, teils aus Dankbarkeit, weil er ihnen das schädliche Wild von den Feldern wegschoss. Er ergriff jede Gelegenheit, den Bauern zu erklären, dass er ihr größter Wohltäter sei, und dass es ihr eigener Vorteil erheische, ihn nach allen Kräften zu unterstützen.

Da erfuhr er denn auch bald, dass ein gewisser Gustach Bitsch, landvogtei’scher Revierjäger, an der Spitze derjenigen stehe, die es auf sein Leben oder auf seine Freiheit abgesehen hatten.

Diesen wählte er unter allen heraus, um an ihm ein für andere abschreckendes Beispiel aufzustellen. Ein für Bitsch unglücklicher Zufall führte ihn eines Tages mitten im Wald dem Hiesel und seinen vier Kameraden, die eben bei ihm waren, gerade in den Weg.

Hiesel kannte ihn nach einer genauen Personalbeschreibung, die er sich zu verschaffen wusste, hetzte also ohne Weiteres seinen Tiras auf ihn, der den Unglücklichen zu Boden riss und mit seinen Zähnen zerfleischte.

Die Wut des Hundes war gestillt; die des Hiesel nicht. Kaum richtete sich der blutende Bitsch mühsam auf, als Hiesel mit den Wildschützen dem Widerstandslosen mit blanken Hirschfängern tiefe Wunden versetzte, sodass dieser in seinem Blut schwamm.

Bitsch faltete seine Hände wie zum letzten Gebet, um seine Seele dem allmächtigen Schöpfer zu empfehlen, und warf einen stehenden, sterbenden Blick, in welchem keine Spur von Hass oder Rachsucht lag, sondern vielmehr eine Bitte zu Gott um Verzeihung für seine Mörder.

Da wurde Hiesels Herz plötzlich erweicht, und von einiger Reue ergriffen. Der letzte Rest von Menschlichkeit erwachte in seinem verwilderten Gemüt. Er kniete vor Bitsch nieder, streute Pulver aus seinem Pulverhorn auf die Wunden des Leidenden, zerriss sein eigenes Hemd in Stücke und verband die Wunden mit seinen Händen.

Auf dem bleichen, sterbenden Antlitz des Jägers lag ein Ausdruck des Dankes, der dem Hiesel Tränen des Mitleids und der Reue auspresste.

»Lass mich jetzt ruhig sterben. Ich verzeihe dir, Hiesel«, seufzte der Arme.

»Du sollst nicht sterben, Bitsch. Ich lasse dich ins nächste Dorf bringen und bezahle den Bader im Voraus für deine Heilung. Es tut mir wahrhaft leid, Bitsch, dass dir so weh geschah, aber bedenke, dass mein eigenes Leben davon abhängt, wenn ich euch ungestraft alles Feindselige gegen mich unternehmen lasse. Nicht aus Grausamkeit handle ich so, ich tue es nur aus Notwehr. Bitsch, wenn du sterben solltest, so stirb ohne Groll auf mich. Ich mag diese Blutschuld nicht auf meinem Gewissen tragen.«

Bitsch drückte ihm versöhnt die Hand, und die Wildschützen trugen ihn fort in das Dorf, wo er jedoch erst nach vielen Wochen wieder genas. Seinen Grundsätzen treu ließ ihm aber Hiesel dennoch die Kugelbüchse und den Hirschfänger abnehmen und drohte ihm mit dem Tode, wenn er ihn jemals wieder als seinen Feind antreffen sollte.

Fest entschlossen, um jeden Preis Schrecken um sich her zu verbreiten, damit es keiner wage, seinen Jagdzügen etwas in den Weg zu legen oder etwa gar Streifen gegen ihn mitzumachen, zog er überall Erkundigungen ein, wer zu seinen Feinden zu zählen sei. Obgleich er viele von diesen erfuhr, so wurde doch auch hier wieder seine Leichtgläubigkeit missbraucht und seine Rache gegen Unschuldige aufgereizt, an welchen Privathass durch Hiesels mörderische Anfälle blutige Genugtuung sich zu verschaffen suchte.

Ein Bauer, der nicht gerne einen Zoll bezahlte und wegen Umgehung der Zollstätte zu Unterkirchberg schon öfter von dem Zöllner Johann Hildebrand daselbst bestraft worden war, bezeichnete diesen dem Hiesel als einen seiner heftigsten Gegner, der alle Zollpflichtigen nach dem Aufenthalt Hiesels frage, um den Streifen gelegenheitlich Auskunft geben zu können.

Ohne Weiteres machte ihm Hiesel mit bewaffneten Kameraden einen Besuch, drang mit Ungestüm in seine Wohnung und hetzte den Hund auf ihn, der ihn zu Boden riss und bald mit blutenden Wunden bedeckte.

Hildebrand wusste sich die Ursache einer so unmenschlichen Behandlung gar nicht zu erklären, und obgleich er immer jammerte und schrie: »Lasst mich doch los ums Blut Christi willen, ich hab’ euch ja nichts getan!« So wurde er doch mit Hieben und Kolbenstößen so misshandelt, dass er ohnmächtig und anscheinend tot auf dem Boden liegen blieb.

»Gegen Ohnmachten ist nichts besser als frisches Wasser«, sagte hohnlachend Hiesel, schlang einen Strick um Hildebrands Füße und schleppte ihn so über den steinigen Boden auf die Illerbrücke hinaus, um ihn geraden Weges zur Stärkung in den Strom zu werfen.

Der Bub riet dem Hiesel, nicht aus Mitleid, sondern aus Vorsicht, dies ja nicht zu tun, weil sonst das Aufsehen zu groß, und gewiss eine allgemeine Landstreife gegen ihn angeordnet würde. Sie ließen ihn also liegen und zogen weiter.

Auf gleiche Weise wurde der landvogtei’sche Streifer Bernhard Merk misshandelt, den die Bande bei dem sogenannten Spitalschneider zu Leutkirch überfiel, und Joseph Gallosch, Bauer zu Rieden, Gräflich-Zeil-Wurzachischer Herrschaft, welcher im Verdacht stand, der Augsburgischen Regierung den Antrag gemacht zu haben, den Hiesel gegen eine gute Belohnung lebendig oder tot einzuliefern, hatte es nur dem glücklichen Zufall seiner Abwesenheit zu danken, dass er von Hiesel nicht auf die grausamste Art gepeinigt und vielleicht getötet wurde, der nun aus Zorn über den Entgang seines Opfers, alle Gerätschaften des Hauses zertrümmerte und die Bäuerin sowie den alten Vater mit fortgesetzter Androhung des Todes peinigte.

Hiesel hatte einen Hirsch angeschossen und trotz aller Mühe nicht mehr gefunden. Nun wurde verraten, dass Anton Werz, reichsgräflich-Wurzachischer Jäger, denselben in sein Haus gebracht habe. Hiesel hielt dies für einen Diebstahl, den er bestrafen zu müssen glaubte.

Er überfiel also das Haus des Werz, wo niemand als ein alter Knecht zu treffen war. Hiesel durchsuchte alle Ecken des ganzen Hauses, ohne den Hirsch zu finden, den der Jäger bereits abgeliefert hatte. Um sich für den Verlust seines vermeintlichen Eigentumes zu rächen, nahm er einen Kugelstutzen, eine Flinte, eine Hirschfängerkuppel, ein Paar Handschuhe, einen Schrotbeutel samt einem wohlabgerichteten Schweißhund mit und schrieb mit Kreide an die Tür, dass er den Hirschdieb gelegenheitlich totschießen wolle.

Diese Gewalttaten Hiesels und die damit häufig verbundenen Räubereien brachten ihm eine Menge Streifen über den Hals, sodass er gezwungen war, sich nach anderen Gegenden zu wenden, welche gleichfalls gar bald den furchtbaren Wildschützen- und Räuberhauptmann kennenlernten.

 

***

 

Lange Zeit beschränkte sich Hiesel auf Wildschießen, und die Notwehr zwang ihn, gegen Jäger grausam zu sein, ja sogar ihnen ihre Gewehre abzunehmen, um sie von weiteren Unternehmungen gegen ihn abzuschrecken. Als er aber auch nach und nach förmlichen Raub erlaubte, verlor er bedeutend in der Meinung der Landleute, die nicht mehr bloß den hilfreichen Schützen und Vertilger des schädlichen Wildes in ihm sahen, sondern ihn auch als Räuber fürchteten, der nach und nach seine Hände wohl auch nach ihrem Eigentum ausstrecken konnte.

Auch die vielen hin- und herziehenden Streifen, die nicht selten zu erduldende rohe Behandlung vonseiten der missmutigen Soldaten und so manches andere damit verbundene Ungemach, verleideten dem Landvolk endlich die ganze Wirtschaft des Hiesel, und obgleich sie ihm eben nichts Böses wünschten, so wäre es ihnen doch lieb gewesen, wenn er für immer ihre Gegenden verlassen hätte.