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Detektiv Schaper – Falsches Geld – 4. Kapitel

Detektiv-SchaperM. v. Neuhof
Detektiv Schaper
Erster Teil
Falsches Geld
4. Kapitel
Eine Maus, die die Wand durchknabbert …

Zwei Tage später.

Über der Reichshauptstadt spannte sich ein wolkenloser, tiefblauer Himmel aus, von dem die Sonne mit ihren erwärmenden, belebenden Strahlen freundlich auf das unendliche Häusermeer herablachte, dessen Bewohner bereits am frühen Morgen in Scharen in die Umgegend gepilgert waren, um diesen herrlichen Sonntag draußen im Freien zuzubringen.

Auch die drei Geschwister Molnar hatten schon am Sonnabend den Plan gefasst, eine längere Wanderung zu Fuß zu unternehmen. Und bei der Beratung dieser Idee, der auch die stolze Maximiliane beiwohnte, war Horst-Günther dann etwas zögernd mit der Frage herausgerückt, ob man nicht Ernesto Sagnali und Mariette bitten solle, sich ihnen anzuschließen.

Niemand widersprach. Im Gegenteil, alle nahmen diesen Gedanken bereitwilligst auf.

Besonders Maximiliane, die sonst sehr zurückhaltend war, äußerte so mancherlei, was bei dieser Unterredung den Ausschlag gab. Sie meinte, eigentlich sei man doch dem Italiener, der sich so viel Mühe um Horst-Günthers Sprachkenntnisse gebe, sehr zu Dank verpflichtet. Und er sei doch auch ein durchaus gebildeter Mensch, mehr Künstler als bloßer Kaufmann.

So kam es, dass um zehn Uhr vormittags die fünf jungen Leute, wohlversehen mit Proviant, zum Ringbahnhof Schöneberg pilgerten und von dort weiter nach Wannsee fuhren, von wo aus sie zu Fuß durch den Wald und am Rand der idyllisch gelegenen Seen entlang zur Residenzstadt Potsdam gehen wollten. Die Majorin blieb daheim. Derartige Anstrengungen vertrug sie nicht mehr. Außerdem hatte sich auch bei ihr für den Nachmittag ihre intime Freundin, die gleichfalls verwitwete Frau Hauptmann von Lostrau, zu einem Plauderstündchen angemeldet.

Fritz Schaper erfuhr von Astrid, die ihm wie immer den Morgenkaffee ins Zimmer brachte, von dieser gemeinsamen Partie.

»Viel Vergnügen, gnädiges Fräulein«, sagte er herzlich zu dem jungen Mädchen, mit dem er sich dank seiner heiteren Liebenswürdigkeit schnell auf kameradschaftlichen Fuß gestellt hatte.

»Sie sollten auch einmal hinaus ins Freie, Herr Marlow«, meinte Astrid mit strahlenden Augen, die schon die Vorfreude auf den Ausflug verrieten. »Sie haben’s doch schwer. Da müssen Sie sich etwas Erholung gönnen, wirklich, Locken denn die Sonne und die frischen, harzduftenden Wälder Sie gar nicht?«

Der freundliche alte Herr nickte eifrig. »Freilich, freilich. Ich möchte schon auch so hin und wieder mir die Welt außerhalb dieser Steinkolosse von Häusern beschauen! Aber – heute geht es nicht. Ich habe eine wichtige Arbeit vor.«

Astrid von Molnar ahnte nicht, welcher Art diese Arbeit war.

Dann war Fritz Schaper wieder allein.

Sinnend schaute er vor sich hin. »Also die Sagnalis machen mit! Eigentlich eine selten gute Gelegenheit. Ob ich’s wirklich wagen soll? Das Einzige, was mich stört, ist die Sorge, dass der geheimnisvolle Freund des Italieners sich in der Wohnung befinden könnte. Das wäre fatal, mehr als fatal!«

Gleich darauf machte er sich zum Ausgehen fertig. Wie er dann an dem Nebenhaus vorüberschritt, in dem sich eine Kneipe befand, blieb er plötzlich vor deren Schaufenster stehen und zündete sich umständlich eine Zigarre an. Hinter der Spiegelscheibe aber saß ein einfach gekleideter Mann vor einem runden Tischchen und hatte neben dem Weißbierglas ein Zeitungsblatt liegen, in dem er eifrig zu lesen schien. Ein aufmerksamer Beobachter hätte nun vielleicht bemerkt, dass der Detektiv mit diesem Mann, der schon am Sonntagmorgen seine Zeit im Restaurant totzuschlagen schien, ein paar Blicke wechselte, die bewiesen, dass die beiden sich wohl recht gut kennen mussten.

Schaper benutzte dann, um etwaige Aufpasser zu täuschen und ihnen zu entgehen, denselben Durchgang, den er schon damals durchschritten hatte, als er sich zu Geheimrat Winter begab.

Auch heute bestieg er wieder ein Auto und nannte dem Chauffeur als Ziel der Fahrt Dresdener Straße l. Hier verließ er den Wagen und ging zu Fuß bis zu seinem nahen Büro, dessen Eingang er nach vorsichtiger Umschau öffnete und eilig hineinschlüpfte.

Lemke, des Detektivs Vertrauter und rechte Hand, wunderte sich nicht wenig, als sein Herr hier so plötzlich auftauchte, wo er doch eigentlich als »Italienreisender« zur Zeit nichts zu suchen hatte.

Die beiden Herren, die schon so manchen harten Strauß gegen verbrecherisches Gesindel Schulter an Schulter ausgefochten hatten, besprachen dann mit jener angenehmen Kürze und Sachlichkeit, die sie sich im Verkehr miteinander angewöhnt hatten, alles Nötige.

»Ich habe Hiller, der in der Kneipe im Nebenhaus auf Posten saß, verständigt, dass er mich hier treffen soll«, erwähnte der Detektiv im Laufe des Gesprächs. »Hiller ist doch der Gewandteste von unseren Leuten, und die Sache, die ich für heute vorhabe, verlangt ebenso viel Unverfrorenheit  wie Geistesgegenwart.«

Wenige Minuten später erschien der Erwartete auch schon.

Schaper instruierte ihn genau, vergaß dabei auch nicht die geringste Kleinigkeit zu erwähnen und gab seinem Angestellten für jeden nur möglichen Fall die nötigen Verhaltensmaßregeln.

Zum Schluss sagte er dann: »So, nun wird wohl alles klappen. Auf Wiedersehen also.«

Schon vorher hatte er sich ein kleines Schächtelchen, das er seinem Schreibtisch entnahm, zurechtgelegt. Dies steckte er nun zu sich und verließ darauf das Büro.

Eine Viertelstunde später klingelte er in der eleganten Etage, die der Millionär Edgar Bornemann im eigenen Haus in der teuersten Wohngegend Berlins, in der Tiergartenstraße, innehatte.

Bornemann, der schon daran gewöhnt war, dass Fritz Schaper hin und wieder in den seltsamsten Verkleidungen bei ihm erschien, betrachtete den Freund erst eine Weile lächelnd von oben bis unten und sagte dann anerkennend: »Vorzüglich, Herr Bernhard Marlow, ganz vorzüglich! Der Hintertreppenkolporteur, wie er im Buche steht! Solide, vertrauenerweckend, freundlich, gesetztes Alter – alles da!«

Dann nahmen sie in dem Arbeitszimmer des jungen Millionärs, einem mit fürstlicher Eleganz, dabei keineswegs überladen eingerichteten Raum, Platz.

»Edgar«, begann Schaper sofort ohne Umschweife, »ich komme mit einer Bitte zu dir. Du kannst, wenn du Lust hast, mir auch bei dieser Sache, die mich augenblicklich beschäftigt, wieder hilfreich zur Hand gehen.«

»Aber gern, sehr gern sogar«, erklärte Bornemann, indem er die Likörgläser füllte. »Zunächst aber – prosit, Fritz! Freue mich, dass du mal wieder bei mir bist. Bei einem so vielgeplagten Menschen, wie du es bist, genießt man nicht oft dieses Vergnügen.«

Schaper erzählte dann, wie weit die Untersuchung seines neuesten Falles gediehen war.

»Ich möchte nun gern, dass jemand zur sächsischen Strafanstalt Dippoldsburg fährt und dort Nachfrage hält, mit wem der Italiener Sagnali damals in einer Zelle zusammengesessen, weiter, mit wem er sich so etwas angefreundet zu haben schien und ob und wer von den Gefangenen, die mit Sagnali zusammen ihre Strafe verbüßten, entlassen worden ist, und wann dies geschah.«

Der Millionär nickte. »Verstehe! Du willst auf diese Weise festzustellen versuchen, wer der merkwürdige Bekannte des Italieners ist, dieser Mann, der so ängstlich das Tageslicht scheut und offenbar doch ein Komplize Sagnalis zu sein scheint, als wir eben in diesem einen der Banknotenfälscher vor uns haben.«

»Stimmt, Edgar«, bestätigte der Detektiv.

»Du hast wie immer schnell begriffen.«

»Und ebenso schnell werde ich auch handeln, das heißt, nach Dippoldsburg reisen. Nur ein Bedenken habe ich. Wird die Direktion der Strafanstalt mir als Privatmann diese Auskünfte erteilen?«

»Natürlich nicht. Du wirst ja aber auch keineswegs dich als Millionär Edgar Bornemann dort vorstellen, sondern als Angestellter meines Detektivinstituts, wirst ein Beglaubigungsschreiben feierlich den hoffentlich recht gemütlichen Herren Sachsens überreichen und dann bei deiner Schlauheit bald alles wissen, was uns zu erfahren nottut.«

»Dann hat die Sache allerdings ein anderes Aussehen. … Gut, wird gemacht … Wo liegt eigentlich Dippoldsburg? Ich fahre natürlich mit meinem Mercedeswagen hin, bei dem schönen Sommerwetter das einzig Richtige.«

»Meinetwegen. Nur lasse bitte dein Luxusauto im Städtchen, das etwa zwischen Dresden und Leipzig an der Hauptchaussee in einem bewaldeten Tal gelegen ist, halten und begib dich zu Fuß zur Anstalt. Denn so elegante Autos kann ein Privatdetektiv sich nicht halten. Da würde dir kein Mensch den Angestellten Fritz Schapers glauben.«

Noch eine Stunde blieben sie zusammen. Dann verabschiedete der Detektiv sich, obwohl Bornemann ihn dringend bat, er möge doch bei ihm zu Tisch bleiben.

»Geht wirklich nicht, Freund Edgar, wirklich nicht! Ich bin jetzt als Bernhard Marlow verpflichtet, pünktlich zu den Mahlzeiten, die mir die brave Majorin zurechtbraut, daheim zu sein. Aber ein andermal sehr gern – das weißt du ja.«

»Ein andermal! Als ob man deiner so leicht habhaft würde!«, seufzte der Millionär.

Und dann trennten sie sich mit festem Händedruck, nachdem Schaper dem Freund noch das sogenannte Beglaubigungsschreiben aufgesetzt hatte, in dem natürlich kein Wort davon stand, dass es sich hier um Ermittlungen handelte, die die Aushebung jenes Fälschernestes bezweckten, von dem aus Deutschland seit einigen Monaten mit so vorzüglich nachgemachten Banknoten überschwemmt wurde. Hiervon durfte vorläufig niemand etwas erfahren. Fritz Schaper ließ sich nie vor dem letzten Hauptschlag in die Karten sehen. Das war auch eines seiner Prinzipien.

 

Zwei Stunden später.

Hiller, der Angestellte des Detektivinstituts, betrat wie ein harmloser Besucher das Haus Gerberstraße 14 und stieg mit sicheren Schritten die Treppe empor. Vor der Flurtür, an der das große Porzellanschild mit der Aufschrift. »E. Sagnali, Fabrik künstlerischer Schablonen« hing, machte er halt und drückte auf den Knopf der elektrischen Klingel.

Ruhig wartete er. Niemand öffnete. Nichts regte sich hinter der verschlossenen Tür.

Wieder läutete Hiller, nur anhaltender.

Da öffnete sich die andere Tür auf dem Treppenpodest und Frau von Molnar schaute heraus.

»Bei den Herrschaften ist niemand daheim«, sagte sie kurz. »Sie läuten vergebens.«

Hiller lüftete den Hut, murmelte ein leises »Danke« und schritt die Treppe wieder hinab.

Aber nicht ganz. Als er hörte, dass die alte Dame oben ihre Tür wieder ins Schloss gedrückt hatte, blieb er stehen und schlich nach einer Weile wieder zurück. Nachdem er aufmerksam gelauscht hatte, zog er einen komplizierten Dietrich aus der Tasche, schob ihn in das Schlüsselloch und befand sich wenige Sekunden später im Korridor von Sagnalis Wohnung.

Horchend verharrte er minutenlang an der Tür. Es wäre ja möglich gewesen, dass die Dame von vorhin ihn durch das Guckloch beobachtet hätte. Aber drüben regte sich nichts.

Nun begann er schnell die Zimmer oberflächlich zu durchsuchen. Er sollte ja nur feststellen, ob sich der geheimnisvolle Gast des Italieners zurzeit in der Wohnung verborgen hielt. Die Vermutung sprach zwar dagegen, weil der Unbekannte sich in den letzten Nächten nicht mehr hatte sehen lassen. Trotzdem wollte Fritz Schaper aber sichergehen, und zwar in jeder Beziehung.

Mit voller Berechnung hatte er angeordnet, dass zunächst Hiller das Terrain erkunden sollte. Wurde dieser bei dem immerhin waghalsigen Unternehmen von dem Freund Sagnalis abgefasst, so konnte doch niemand ahnen, dass auch der neue Zimmerherr der Majorin seine Hand mit im Spiel hätte. Und darauf kam es dem Detektiv hauptsächlich an. Seine Person durfte auf keinen Fall irgendwie beargwöhnt werden, sonst war es mit seiner Spürtätigkeit hier im Haus zu Ende und auch der Erfolg seiner bisherigen Arbeit infrage gestellt. Wurde dagegen Hiller von dem Fremden gesehen, so war tausend gegen eins zu wetten, dass jener den Angestellten des Detektivinstituts ruhig wieder fortlassen würde, da der Mann ja offenbar alle Ursache hatte, mit der Polizei in keine Berührung zu kommen.

Hiller hatte sich sehr bald überzeugt, dass in den Räumen der Wohnung außer einem Kanarienvogel kein lebendes Wesen sich augenblicklich aufhielt.

So trat er denn ebenso vorsichtig den Rückweg an. Als er an des angeblichen Kolporteurs Stubentür vorüberschritt, pfiff er sogar sehr sorglos ein paar Takte aus der Oper Carmen vor sich hin – laut genug jedenfalls, dass Schaper sie hören konnte.

Es war dies das zwischen ihnen vereinbarte Signal, dass alles sicher sei.

Nun konnte Schaper selbst in Aktion treten. Die Luft war rein. Die Ausflügler würden vor Einbruch der Dunkelheit sicherlich nicht zurückkehren und der zurzeit nicht anwesende heimliche Gast des Italieners war ja noch nie während des Tages im Haus aus- und eingegangen. Mithin konnte der Detektiv sich mit ziemlicher Ruhe an seine Aufgabe machen.

Mit einem ähnlichen Nachschlüssel, wie Hiller ihn benutzt hatte, ausgerüstet, verließ Schaper sein Zimmer und blieb erst eine Weile lauschend auf dem Treppenpodest stehen, bevor er die Tür der fremden Wohnung öffnete und blitzschnell dahinter verschwand.

Dann begann er ganz eingehend, jedes einzelne der vier Zimmer zu besichtigen. Mit dem ersten zur linken Hand begann er.

Aber all seine Mühe war hier vergeblich. Er fand auch nicht die geringste Kleinigkeit, die irgendeinen Schluss auf die Persönlichkeit des Bewohners dieses Zimmers zugelassen hätte.

Unzufrieden blieb er mitten in dem schmalen Gemach stehen und beschaute sich die eine Wand, die dieses Zimmer mit seinem eigenen, nebenan liegenden gemeinsam hatte. Plötzlich leuchteten seine Augen auf.

»Richtig – das darf ich nicht vergessen!«, murmelte er vor sich hin. »Wer weiß, ob ich sobald wieder eine Gelegenheit finde, die so günstig ist wie die heutige.«

Nun fing er mithilfe eines Maßes, das er sich aus einer zusammengelegten Zeitung provisorisch herstellte, an, diese gemeinsame Wand der beiden Zimmer in besonderer Weife auszumessen. Erst legte er die Entfernung von der Fensterwand zu einer auf einem großen Paneelbrett stehenden schweren Porzellanvase fest. Dann maß er wieder die Höhe genau, in der das Paneelbrett und die Vase sich über dem Fußboden befanden.

Die einzelnen Zahlen schrieb er in sein Notizbuch ein.

Hierauf nahm er die Vase herunter und schnitt an der Stelle, die bisher die Vase beschattet hatte, ein etwa acht Zentimeter großes, quadratisches Stück aus der Tapete mithilfe seines Federmessers heraus. Dies tat er mit größter Sorgfalt, um die Tapete, die zum Glück nicht allzu fest an der Mauer haftete, möglichst wenig zu beschädigen. Nachdem er so den Kalk der Wand freigelegt hatte, bohrte er mit seinem Messer in die auf die Ziegelsteine aufgetragene Mörtelschicht ein Loch von etwa drei Zentimeter Durchmesser. Hiermit fertig, machte er sich auf die Suche nach etwas Klebstoff. Diesen fand er sehr bald in einem Fläschchen vor, das auf Sagnalis Schreibtisch in dem gegenüberliegenden Vorderzimmer stand.

Jetzt bohrte er in das losgelöste Tapetenstück eine ganze Anzahl feiner Löcher, die so gelegt waren, dass der siebähnlich gewordene Teil dieses Tapetenfetzens nachher genau auf das in den Mörtel eingekratzte Loch passte und dieses wie das Schutzblech eines Telefonhörers überspannte.

Nachdem er die Tapete festgeklebt hatte, entfernte er mit größter Sorgfalt jedes Stäubchen des Mörtels, das bei seiner Arbeit auf das Paneelbrett gefallen war, stellte das Fläschchen mit dem Gummi Arabikum an seinen Platz zurück und brachte auch die große Vase wieder an ihren Standort auf dem Paneel, sodass schon ein sehr argwöhnisches und sehr scharfes Auge dazugehört hätte, um hier im Zimmer auch nur die geringste Veränderung zu bemerken.

Nochmals beschaute er sich sein Werk. Er konnte zufrieden sein. Dass das Tapetenstück wie ein Sieb durchlöchert war, konnte man nur erkennen, wenn man das Auge ganz dicht an jene Stelle heranbrachte.

Nunmehr widmete er sich den übrigen Räumen. Ganz eingehend beklopfte er möglichst leise alle Teile der Wände, die ihm geeignet schienen, dahinter ein Versteck anzubringen. Doch sein Suchen blieb umsonst. Selbst in Sagnalis Arbeitszimmer hatte er zunächst ebenso wenig Erfolg. Schon wollte er alle weiteren Bemühungen aufgeben, als er in einem Roman, der achtlos auf das Fensterbrett gelegt war, ein als Lesezeichen zusammengefaltetes Stück Papier bemerkte. Er nahm es heraus, glättete es. Da stutzte er schon beim ersten Hinsehen.

Es war eine Quittung, ausgestellt vom ersten Juni dieses Jahres, über »den Lagerspeicher Wendelholzgasse 3«. Unterzeichnet war die auf 125 Mark lautende Quittung mit »Robert Eichler« oder »Seidler«. Genau ließ der Name sich nicht entziffern. Der Bezahler aber war – und das blieb die Hauptsache! – Ernesto Sagnali gewesen, der mithin noch irgendwo einen Lagerraum für solche Zwecke gemietet hatte.

Fritz Schaper notierte sich den Inhalt der Quittung ebenso genau wie vorhin die Zahlen der Maße, die er festgestellt hatte und die jenen Fleck der Mauer betrafen, den er für einen bestimmten, sehr präzise arbeitenden kleinen Apparat derart vorbereitet hatte.

Fünf Minuten später befand er sich schon wieder in seinem eigenen Zimmer.

Als er nach der Uhr schaute, war er äußerst überrascht, dass ihm die letzten Stunden geradezu im Fluge vergangen waren. Nicht weniger als drei und eine halbe Stunde hatte er in der Wohnung des Italieners zugebracht.

Gleich darauf finden wir Fritz Schaper, der Weste und Jackett abgelegt und es sich möglichst bequem gemacht hatte, dabei beschäftigt, in ähnlicher Weise die Verbindungswand der beiden Zimmer auszumessen, wie er dies soeben drüben in dem Schlupfwinkel des geheimnisvollen Fremden getan hatte.

Mit Leichtigkeit gelang es ihm so, die Stelle zu treffen, die genau derjenigen entsprach, vor die er die durchlöcherte Tapete geklebt hatte, nachdem der Mörtel zu einem Loch entfernt worden war.

Diese Stelle lag hier in seinem Zimmer unter seinem schon etwas stark ramponierten Zigarrenschränkchen, was für seine Zwecke recht geeignet war. Nachdem er das Schränkchen von seinem Haken abgehoben und beiseitegestellt hatte, suchte er aus seinem verschlossenen Koffer einen sogenannten Mauerbohrer hervor, mit dem es ihm leicht wurde, durch die Ziegel ein kreisrundes Loch bis an die durchlöcherte Tapete im Nebenraum zu treiben.

Seine Abmessungen stimmten so tadellos, dass das Loch wirklich genau vor dem derart präparierten Tapetenstück endete.

Den entstandenen rötlichen Ziegelstaub entfernte er sehr vorsichtig aus der Öffnung mit einem langstieligen Pinsel.

Dann befestigte er das hier ebenfalls herausgeschnittene Tapetenstück mit Hilfe von Wachs an der alten Stelle, hängte das Zigarrenschränkchen auf den Haken und packte seine Instrumente wieder weg.

Aufatmend ließ er sich nun in den am Fenster stehenden Schaukelstuhl fallen. Ihm war doch warm bei der Arbeit geworden. Besonders die geräuschlose Handhabung des Mauerbohrers hatte manchen Tropfen Schweiß gekostet. Als dann aber erst seine Zigarre brannte und er die ersten Rauchwölkchen voller Behagen von sich blies, fühlte er sich so recht von Herzen zufrieden. Dieser Tag hatte ihm doch einen gewaltigen Vorteil über die gesichert, die er um jeden Preis entlarven wollte. Er brauchte nur die kleine Messingröhre, die einen sogenannten Schallverstärker enthielt, in das Mauerloch zu schieben, auf die Röhre den Trichter aufzuschrauben und sein Ohr daran zu halten, so konnte ihm auch nicht ein Wort von dem entgehen, was drüben in dem anderen Zimmer gesprochen wurde.

Ja, diese Amerikaner! Dieser Schallverstärker war auch so eine von ihren feinen Erfindungen, die man im Kampf gegen Verbrecher vorzüglich ausnutzen konnte. Freilich, die kleinen Nebenanlagen, die dazugehörten, die durchlöcherte Tapete usw., die hatte Fritz Schaper selbst ausprobiert und ausgeklügelt. Und darauf war er nicht wenig stolz.