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Fantomas – Kapitel 10.2

Prinzessin Sonia versuchte, ein Lächeln zu erzwingen. Sie hatte ihre Selbstbeherrschung wiedergewonnen und überlegte, mit welcher Art von Mann sie es zu tun hatte, mit welcher es sich auseinanderzusetzen galt. Sie schien immer noch nicht ganz davon überzeugt, dass es sich dabei um keinen gewöhnlichen Dieb handelte. Auch wenn sie für sich selbst ein wenig Bewunderung für dessen Berufsstand aufbringen konnte, ergriff sie immer mehr die Idee, mit einem Wahnsinnigen allein zu sein. Der Mann schien ihre Gedanken und lächelte ebenfalls ein wenig.

»Ich bin froh zu sehen, Prinzessin, dass Sie nun ein wenig mehr Vertrauen haben. Wir werden in der Lage sein, die Dinge viel besser zu ordnen. Sie wirken nun viel gelassener, nicht mehr so unruhig. Oh ja, Sie sind es!«, fügte er hinzu, ihren Protest Einhalt gebietend. Warum? Es sind gerade mal fünf Minuten vergangen, seitdem Sie das letzte Mal versucht hatten, um nach Hilfe zu läuten. »Wir sind vorangekommen. Außerdem kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass die Prinzessin Sonia Danidoff, die Frau des Großkämmerers und Cousins seiner Majestät des Kaisers aller Russen, sich erlaubt, mit einem Mann allein zu sein, welchen sie nicht kennt. Würden Sie läuten, und jemand käme, wie würde die Prinzessin demjenigen erklären, dass sie ihm eine Audienz in dem schönsten, aber sicherlich privatesten von all ihren Apartments gewähren?«

»Aber sagen Sie mir«, bat die unglückliche Frau, »wie sind Sie hier hereingekommen?«

»Das ist nicht die Frage«, antwortete der Fremde. »Das Problem, vor welchem wir tatsächlich stehen, liegt darin, wie wir wieder hinauskommen. Selbstverständlich möchte ich nicht so taktlos sein, Prinzessin, und meinen Besuch nicht in die Länge ziehen. Es wäre zu gütig von Ihnen, wenn Sie mir gestatten, diesen bald an einem anderen Abend zu wiederholen.« Er drehte den Kopf, griff mit einer Hand in das Bad und nahm das Thermometer, welches auf dem parfümierten Wasser schwamm. »Dreißig Grad Celsius, Prinzessin! Ihr Bad wird kalt. Sie müssen es verlassen!«

Voller Verwunderung wusste die Prinzessin nicht, ob sie lachen oder schreien sollte. War sie mit einem Monster allein, welches, nachdem er mit ihr wie eine Katze mit einer Maus gespielt hatte, sich von ihr plötzlich abwenden und sie töten würde? Oder war es lediglich ein verantwortungsloser Wahnsinniger, den der Zufall es ermöglicht hatte, in ihr Zimmer zu gelangen? Was auch immer die Tatsache sein könnte, die letzten Worte des Mannes hatten ihr bewusst gemacht, dass ihr Bad wirklich kalt war. Ein Schauer schüttelte ihren ganzen Körper, und doch …

»Oh, gehen Sie, bitte gehen Sie!«, flehte sie ihn an.

Er schüttelte den Kopf, mit einem ironischen Lächeln in seinen Augen.

»Um Himmels willen«, bat sie ihn nochmals dringend, »haben Sie Erbarmen mit einer Frau – einer guten Frau!«

Der Mann schien zu überlegen.

»Es ist mir sehr peinlich«, murmelte er, »doch müssen wir uns bald entscheiden, weil ich sehr besorgt bin, dass Sie sich erkälten könnten. Oh, es ist sehr einfach, Prinzessin: Natürlich kennen Sie sich hier am besten aus, sodass Sie Ihren Morgenmantel sofort finden könnten, indem Sie nur danach zu fühlen brauchen. Wir werden das Licht löschen, und Sie werden imstande sein, im Dunkeln ohne die geringste Angst aus dem Bad zu steigen.«

Er war gerade im Begriff, das Licht auszuschalten, als er plötzlich stoppte und ins Bad zurückkam.

»Ich vergaß diese ärgerliche Glocke, sagte er. »Eine Bewegung Ihrerseits ist sehr schnell gemacht. Angenommen, Sie würden durch eine bloße Unachtsamkeit klingeln und es danach bereuen?«

Seinen Gedanken in die Tat umsetzend, machte der Mann einen Schnitt mit dem Rasiermesser und durchtrennte die beiden Drähte mehrere Fuß über dem Boden. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Da ich zudem nicht weiß, wohin die anderen zwei Kabel führen, welche die Wand entlang laufen, scheint es mir besser, auf der sicheren Seite zu sein. Könnte es noch eine weitere Alarmglocke geben?« Einmal mehr hob er sein Rasiermesser und versuchte, die Kabel zu durchtrennen. Doch als die Stahlklinge durch die Isolation schnitt, gab es einen verräterischen Lichtblitz. Der Mann sprang in die Luft und ließ die Klinge fallen.

»Gütiger Gott«, knurrte er. »Ich hoffe, das macht Sie glücklich, Madame. Ich habe mir gerade aufs Übelste die Hand verbrannt! Das müssen die Stromkabel gewesen sein! Sei’s drum. Noch habe ich eine unversehrte Hand und das wird mir genügen, um für die Dunkelheit zu sorgen, wie Sie es wünschen. Und außerdem, Sie können den Knopf ihrer Klingel drücken, so oft Sie wollen. Sie wird nicht läuten. So verschaffe ich mir ein paar Minuten mehr in Ihrer Gesellschaft.«

Plötzliche Dunkelheit senkte sich über den Raum. Sonia Danidoff zögerte einen Moment und erhob sich dann aus der Badewanne. Als große Dame rang sie mit ihrem Stolz. Wenn sie ihre Ehre und ihr Leben verteidigen musste, so war sie dazu bereit. Die Verzweiflung würde ihr Stärke verleihen, aber in jedem Fall war sie besser dran, wenn sie aus der Wanne stieg, vorbereitet und auf ihren beiden Füßen. Die Dunkelheit war undurchdringlich, sowohl im Badezimmer als auch im angrenzenden Schlafzimmer, und die Stille war absolut. In der Wanne stehend ließ Sonia Danidoff ihre ausgestreckten Arme kreisen, um nach Hindernissen zu tasten. Sie griff ins Leere. Sie setzte einen Fuß nach draußen , dann den anderen, sprang zu dem Stuhl, auf dem sie ihren Morgenmantel gelassen hatte und schlüpfte mit fiebriger Hast hinein. Sie ließ ihre Füße in die Pantoffeln gleiten und stand bewegungslos für eine Sekunde da, um dann in einer spontanen Entscheidung zum Lichtschalter an der Tür zu gehen und das Licht einzuschalten. Der Mann war aus dem Badezimmer verschwunden. Aber kaum war sie zwei Schritte in Richtung ihres Schlafzimmers gegangen, sah Sonia Danidoff, wie er sie vom anderen Ende des Raumes angrinste.

»Monsieur«, sagte sie »diese Scharade hat lange genug gedauert. Sie müssen gehen. Sie müssen und Sie werden!«

»Muss ich das«, echote der Fremde. »Das ist ein Wort, das mir gegenüber nicht oft benutzt wird. Aber das konnten Sie nicht wissen, daher vergebe ich Ihnen, Prinzessin. Ich vergaß für einen Moment, dass wir uns noch nicht vorgestellt wurden. Aber was geht Ihnen wohl gerade durch den Kopf?«

Zwischen ihnen befand sich ein kleiner Sekretär, auf dem der kleine Revolver mit Perlmuttgriff lag, den Sonia Danidoff immer bei sich trug, wenn sie nachts ausging. Wenn sie den in die Hände bekäme, dann wäre er ein gewichtiges Argument, um den Fremden zum Gehorsam zu zwingen. Die Prinzessin wusste zudem, dass sich in einer Schublade des Sekretärs, von der sie sah, dass sie halb offen stand, eine Brieftasche mit Banknoten im Wert von 120000 Francs befand. Diese Brieftasche hatte sie, kurz bevor sie ins Bad ging, dort abgelegt, nachdem sie das Geld am Morgen aus dem Tresor des Hotels genommen hatte, da sie im Laufe des Tages einige Rechnungen begleichen wollte. Sie sah nach der Schublade und fragte sich, ob die Brieftasche noch dort war oder ob ihr mysteriöser Bewunderer doch nichts weiter als ein vulgärer Hoteldieb war. Der Mann war den Bewegungen ihrer Augen zum Revolver gefolgt.

»Das ist ein ungewöhnliches Utensil für das Zimmer einer Dame, Prinzessin.« Er sprang vor, als sie einen Schritt zum Sekretär machte und nahm den Revolver in seinen Besitz. »Kein Grund zur Sorge«, fügte er hinzu, als er den Ausdruck von Furcht bei ihr bemerkte. »Ich würde Sie um nichts auf der Welt verletzen wollen. Ich werde Ihnen das in einer Minute mit Freuden zurückgeben, natürlich sobald ich es unschädlich gemacht habe.« Er ließ die sechs Patronen aus der Trommel gleiten und gab die nutzlose Waffe dann mit einer galanten Verbeugung der Prinzessin zurück. »Lachen Sie nicht ob meiner übertriebenen Vorsicht: Es kann so leicht zu Unfällen kommen!«

Vergebens versuchte die Prinzessin sich ihrem Schreibtisch zu nähern, um festzustellen, ob sich jemand an der Schublade zu schaffen gemacht hatte. Aber der Mann blieb die ganze Zeit zwischen ihr und dem Möbelstück, immer lächelnd und weiterhin höflich, aber jede ihrer Bewegungen beobachtend. Plötzlich zog er eine Uhr aus der Tasche.

»Schon zwei Uhr! Prinzessin, Sie werden sicher böse mit mir sein, dass ich Ihre Gastfreundschaft so im Übermaß beanspruche. Ich sollte gehen!«

Er schien ihren Seufzer der Erleichterung nicht zu bemerken, der ihr entfuhr, sondern fuhr im melodramatischen Ton fort: »Ich nehme meinen Abschied, aber nicht durchs Fenster wie ein Liebhaber oder durch den Schornstein wie ein Dieb, auch nicht durch die Geheimtür hinter dem Gobelin, wie ein romantischer Ritter, sondern wie ein Gentleman, der kam, um seine Hochachtung und seinen Respekt der anmutigsten Frau der Welt zu zollen – durch die Tür!« Er machte eine Bewegung, so, als ob er gehen wolle, kehrte aber zurück.

»Und was werden Sie jetzt tun, Prinzessin? Werden Sie womöglich böse mit mir sein? Möglicherweise könnte eine unliebsame Entdeckung, die Sie nach meinem Verschwinden machen, einen Zorn in Ihrer Brust gegen mich schüren. Sie könnten sogar, kaum dass ich Ihnen den Rücken gekehrt habe, das Personal herbeiklingeln, nur um mich in meinem Abgang zu blamieren und das ohne Beachtung eines möglicherweise folgenden Skandals. Das ist ein recht komplexes Arrangement von Klingeln und Telefonen neben ihrem Bett! Es wäre eine Schande, so eine hübsche Anlage zu beschädigen. Außerdem hasse ich es, unnötigen Schaden anzurichten!«

Die Augen der Prinzessin richteten sich einmal mehr zu der Schublade. Jetzt war es praktisch sicher, dass sich ihr Geld dort nicht mehr befand! Aber der Mann riss sie wieder aus ihren Gedanken.

»Was habe ich mir nur gedacht! Ich habe mich Ihnen immer noch nicht vorgestellt. Aber um ehrlich zu sein, ich will meinen Namen nicht laut aussprechen. Er ist von romantischer Natur, ganz und gar unpassend für diese moderne Umgebung, in der wir uns gerade befinden. Ach, wären wir nur auf einem steilen Bergrücken, mit dem Mond als große Lampe über uns oder am Ufer eines wilden Ozeans, dann hätte es einen gewissen Reiz, meinen Namen in der Stille der Nacht oder inmitten der von Blitz und Donner der sturmgepeitschten See zu verkünden. Aber hier – in einer Suite im dritten Stock des Royal Palace Hotels, umgeben von Telefonen und elektrischem Licht, an einem Fenster mit Blick auf die Champs-Élysées stehend – wäre das ein vollkommener Anachronismus!«

Er nahm eine Karte aus seiner Tasche und trat näher an den kleinen Sekretär heran. »Prinzessin, erlauben Sie mir, meine Karte in diese Schublade zu legen, die, wie mir scheint, absichtlich offensteht.«

Und während die Prinzessin einen Aufschrei nicht zu unterdrücken vermochte, setzte er seine Worte in die Tat um. »Und nun, Prinzessin«, fuhr er fort und zwang sie vor ihm bis zur Tür des Vorraums zurückzuweichen, der auf den Korridor führte. »Ich denke, Sie sind zu wohlerzogen, um einen Besucher nicht bis zur Tür ihrer Gemächer zu begleiten.« Dann änderte sich abrupt sein Tonfall und in einer tiefen, befehlsgewohnten Stimme, die die Prinzessin erschaudern ließ, forderte er: »Und jetzt kein Wort, nicht einen Mucks und keine Bewegung, bis ich draußen bin oder ich werde Sie töten!«

Die Fäuste ballend und all ihre Kraft zusammennehmend, um auf den Beinen zu bleiben, führte Sonia Danidoff den Mann zu der Tür des Vorraumes, entriegelte die Tür und hielt sie offen, während der Mann leise hindurch schritt. Im nächsten Augenblick war er verschwunden!

In ihr Schlafzimmer zurückeilend, brachte Sonia Danidoff jede Alarmglocke in Gang, geistesgegenwärtig rief sie sogar den Portier in der Halle an.

»Lassen sie niemanden nach draußen! Ich wurde beraubt!« Dann drückte sie energisch den speziellen Knopf, der die große Alarmglocke in Betrieb nahm Schritte und Stimmen erklangen auf dem Korridor. Die Prinzessin wusste, dass Hilfe auf dem Weg war und eilte, um die Tür zu öffnen. Der Nachtwächter und der für den dritten Stock zuständige Manager kamen herbeigelaufen und Dienstboten in großer Zahl erschienen am Ende des Korridors.

»Haltet ihn! Haltet ihn«, schrie die Prinzessin. »Er ist eben erst zur Tür hinaus, ein Mann in Abendgarderobe mit einem schwarzen Vollbart!«

 

***

 

Ein junger Mann huschte aus dem Aufzug.

»Was machst du da? Was ist geschehen«, fragte der Hotelportier, dessen Schalter am Ende der Lobby war, direkt neben dem Ausgang zum Hof. Diese Tür hatte er gerade verschlossen.

»Ich weiß es nicht«, antwortete der Junge. »Da ist ein Dieb im Hotel! Ich höre sie aus dem anderen Hotelflügel rufen.«

»Dann ist es nicht auf deinem Flur? Überhaupt, auf welchem Stockwerk bist du?«

»Auf dem Zweiten.«

»In Ordnung«, sagte der Portier. »Es ist im dritten Stock passiert. Fahr hinauf und sieh nach, was los ist.«

Der junge Mann wendete auf den Hacken und trotz des Verbotes für das Dienstpersonal, den Gästelift zu benutzen, eilte er wieder hinein und fuhr nach oben. Er war ein stämmig gebauter Bursche mit einem weichen Gesicht und rotem Haar. Er stieg im dritten Stock aus, gleich gegenüber Sonia Danidoffs Suite. Die Prinzessin stand vor ihrer Tür und ignorierte die Bemühungen des Wachmanns Muller, ihre Aufregung zu besänftigen, wobei sie immer noch mechanisch die leere Visitenkarte in ihren Fingern drehte, die der seltsame Besucher statt ihrer Brieftasche und der 120000 Francs zurückgelassen hatte. Da war kein Name auf der Visitenkarte.

»Also«, sagte Muller zu dem rothaarigen Burschen, »Wo kommst du denn her?«

»Ich bin der Neue aus dem zweiten Stock«, antwortete der Junge. »Der Hotelportier hat mich heraufgeschickt, um herauszufinden, worum es geht.«

»Worum es geht«, rief Muller. »Jemand hat die Prinzessin beraubt. Lass sofort nach der Polizei schicken.«

»Ich eile, Monsieur.« Da der Lift, statt in die Lobby, versehentlich ins oberste Geschoss geschickt worden war, rannte der junge Bursche im vollen Lauf die Treppe hinunter.

Während Muller den Hotelportier gerade telefonisch aufforderte, die Polizei zu rufen, erschien der Diener vom zweiten Stock in der Lobby und nahm ihn beim Arm, wobei er ihn vom Apparat wegzog.

»Um Himmels Willen, öffnen Sie die Tür. Ich muss doch zur Polizeistation!« Der Portier beeilte sich, ihm den Weg nach draußen zu erleichtern.

 

***

 

Im obersten Stock hörte man Ausrufe des Erstaunens. Die Dienerschaft, bereits durch die allgemeine Aufregung alarmiert, war überrascht, als ein Lift ankam, aber niemand ausstieg. Als sie den Fahrstuhl öffneten, fanden sie einen Haufen Kleidung, einen falschen Bart und eine Perücke. Zwei Zimmermädchen und ein Hausdiener starrten verblüfft auf die seltsamen Gegenstände, aber es kam ihnen nicht in den Sinn, Directeur Louis zu informieren. Augenblicklich eilte erwähnter Herr durch den Irrgarten der Hotelkorridore und hatte gerade den dritten Stock erreicht, als er von der Baronesse Van den Rosen, einer der ältesten Hotelgäste, aufgehalten wurde.

»Monsieur Louis«, rief sie und brach in Tränen aus. »Mein Diamantkollier wurde mir gestohlen. Ich hatte es in der Schmuckschatulle auf meinem Tisch, als ich nach unten zum Dinner ging. Als ich den Lärm hörte, sah ich in meiner Schatulle nach, aber das Kollier war nicht mehr da.«

Monsieur Louis war zu verblüfft, um zu antworten. Muller lief auf ihn zu.

»Prinzessin Sonia Danidoffs Brieftasche wurde gestohlen«, verkündete er, »aber ich ließ alle Hoteltüren schließen und wir sind zuversichtlich, den Dieb zu ergreifen.«

Die Prinzessin kam heran, um die Umstände zu erklären, aber in diesem Augenblick erschienen Diener aus dem oberen Stockwerk, mit der Verkleidung, die sie im Aufzug gefunden hatten. Ohne ein Wort legten sie die Dinge auf dem Boden ab, wo Monsieur Louis sie anstarrte. Dann hatte Muller eine plötzliche Eingebung.

»Monsieur Louis, wie sieht der neue Mann aus dem zweiten Stock aus?«

Genau in diesem Moment erschien ein Diener am Ende des Korridors, ein Mann mittleren Alters, mit weißem Schnauzbart und kahlem Schädel.

»Das ist er, der da gerade auf uns zukommt«, antwortete Monsieur Louis. »Sein Name ist Arnold.«

»Du lieber Himmel«, rief Muller, »Und dieser rothaarige Bursche, der Karottenkopf?« Monsieur Louis schüttelte verständnislos den Kopf. Muller riss sich los und rannte hinunter zum Hotelportier. »Ist er hier raus? Ist irgendjemand nach draußen gegangen?«

»Niemand«, sagte der Portier, »abgesehen von dem Diener aus dem zweiten Stock, den sie zur Polizei geschickt haben.«

»Ein karottenroter Bursche«, erkundigte sich Muller.

»Ja, mit karottenrotem Haar.«

Prinzessin Sonia Danidoff lehnte sich in einen Sessel zurück, von ihrem tscherkessischen Zimmermädchen Nadine umsorgt. Monsieur Louis hielt ihr Riechsalz unter die Nase. Die Prinzessin hielt immer noch die Visitenkarte in ihren Händen, die der mysteriöse Fremde zurückgelassen hatte, der sie gerade so mühelos um 120000 Francs erleichtert hatte. Als sie langsam wieder zu sich kam, starrte die Prinzessin die Visitenkarte in scheinbarer Faszination an und mit einem Mal weiteten sich ihre halb geschlossenen Augen vor Erstaunen. Auf der Karte, die bisher makellos weiß gewesen war, wurden nach und nach Zeichen und Buchstaben sichtbar und die Prinzessin las:

»Fan-to-mas!«