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Schwäbische Sagen 19

Schwäbische-Sagen

Das Rockertweible
Mündliche Überlieferungen aus Gernsbach und Lossenau

1.

In Lossenau, Reichental, Gernsbach und noch weiter im Murgtal hinauf weiß man nichts vom ewigen Jäger. Dagegen spricht man um so mehr von dem Rockertweible, das von dem Wald »Rockert« seinen Namen hat. Es geht daher in ganz zerlumpten und zerfetzten Kleidern, trägt ein großes Gebund Schlüssel am Leibe und macht oft ein Geräusch, als wenn eine Ölmühle klopft. Dieses Klopfen soll übrigens immer ein fruchtbares Jahr anzeigen. Außerdem jagt das Rockertweible beständig mit mehreren Hunden im Rockertwald.

Einst hatten einige Wilderer in diesem Wald ein Feuer angemacht. Da hörten sie erst aus der Ferne ein wildes Jagen und Hetzen, und dann kam das Rockertweible selbst zu ihnen her mit drei Hunden, denen die Zunge aus dem Maul hing. Es breitete seine Beine auseinander, stellte sich über das Feuer, sah die erschrockenen Wilderer eine Weile an, lachte hell auf und ging weiter.

Als die Wilderer wieder zu sich kamen, fehlte dem einen der Hut, dem anderen das Gewehr, dem dritten das Messer.

2.

In dem Dörfchen Scheuren bei Gernsbach saß eines Abends ein Mann am Fenster und machte Weiden zurecht. Da kam das Rockertweible, hatte ein großes Gebund Schlüssel bei sich und mehrere Hunde, die sie beständig lockte: »Hu dock! Hu dock dock dock!«

Der Mann wusste nicht, was er machen sollte und warf eine Weidenrute zum Fenster hinaus. Die nahm das Rockertweible, band sie sich um den Leib und ging fort.

3.

Ein anderes Mal kam ein Mann durch das Murgtal bei Gernsbach und hörte am Fuß des Rockertwaldes auf einer Wiese das Rockertweible jagen.

Da rief er ihr zu: »Altes Schindluder, gib mir auch ein Stück von deinem Jagdrecht!«

Zum Glück war eine Heuscheuer in der Nähe, in welche der Mann eilig sprang, sonst hätte es ihm schlimm gehen können. Wer nämlich unter Dach ist, über den haben die Geister keine Macht mehr. Am anderen Morgen aber lag vor der Scheuer ein ganzer Haufen »Beiner« von Wild und Vieh, womit das Rockertweible nach ihm geworfen hatte.

4.

Der Grund dafür, dass diese Frau im Rockert umgehen muss, ist folgender. Sie war eine Gräfin von Eberstein und hat durch einen falschen Eid den Rockertwald an sich gebracht. Als sie in dem Wald selbst es beschwören sollte, dass er ihr gehöre, da tat sie zuvor Erde von ihrem Grund und Boden in die Schuhe und steckte heimlich einen Löffel, den man damals »Schöpfer« nannte, auf den Hut und schwur alsdann: »So wahr der Schöpfer über mir ist, so wahr stehe ich hier auf eigenem Grund und Boden!«

Sie glaubte so den falschen Schwur zu umgehen, aber ihrer Strafe ist sie nicht entgangen. Der Wald indes ist dadurch an die Herrschaft gekommen, die ihn noch jetzt besitzt.

5.

Gegen Morgen von Eberstein liegt der Schwann, ein hoher Bergwald , daran stößt der Rockert, der bis nach Reichental geht. Der Rockertwald hat drei Teile, den vorderen und hinteren Rockert. Darin geht seit manchem hundert Jahr eine Gräfin von Eberstein und klagt ihre Schuld. Viele Leute haben sie gesehen und nennen sie das Rockertweible. Ihr Mieder und Rock sind von schwarzer Seide, denn sie war damals in Trauer um ihren verstorbenen Mann. Auch trug sie eine Haube von schwarzem Samt mit einem schwarzen Federbusch. Diese Gräfin wollte den Rockert denen von Hilpertsau und Reichental entziehen und sprach ihn zu Eigen an. Es ward ein Manngericht von Grafen und Rittern berufen und sie sollte einen Eid schwören, dass der Wald ihr eigen sei. Nun trug sie einen Löffel in ihrem Federbusch versteckt, und weil man die Löffel »Schöpfer« hieß, so schwur sie: »So wahr mein Schöpfer über mir ist, so gehört der Rockert mir und meinen Söhnen!« Da ward ihr mit Urteil und Recht der Wald zuerkannt. Sie starb aber nach wenigen Tagen und geht seitdem im Rockert. Man hat sie oft gehört, wie sie mit vielen Hunden das Wild hetzte. Gewöhnlich aber hört man sie klagend Hu hu! rufen, sodass es in Tal und Berg vernommen wird. Wer ruhig vorübergeht, dem tut sie nichts. Wer sie aber ausspottet, dem sitzt sie auf den Rücken und er muss sie den Berg hinauf und hinab bis an den Bach tragen. Dort hört man sie dann wie einen Maltersack in das Wasser fallen. Sie hat auch schon einmal drei Männer in den Gumpen eingetaucht. Besonders spukt sie auf der Gättelwiese, die unten am Rockert liegt. Man hat sie auch ehemals sehen können, aber jetzt erscheint sie nicht mehr.


Das Wutesheer
Eine mündliche Überlieferung aus Heubach und Essingen

In Heubach, Lautern, Essingen und in manchen Orten auf dem Albuche hat man früher oft das »Wutesheer« (Wuotesheer) gehört. Es machte Musik und zog sausend und brausend durch die Luft. Dabei hörte man die verschiedensten Stimmen, hohe und ganz tiefe, die entsetzlich heulten. Wem es begegnete, den nahm es mit in die Luft, wenn er nicht zu rechter Zeit sich mit dem Gesicht auf die Erde warf. Dieses Wutesheer, sagt man, sei der Teufel mit seinen Scharen, nämlich mit Geistern, die aus dem Himmel verstoßen worden, und mit ungetauft gestorbenen Kindern.


‘s Wuotas
Eine mündlich aus den genannten Orten Oberschwabens

In einem Teil von Oberschwaben, in Altshausen, Wolperschwende, Blitzreute, Bergatreute, Baienfurt, Altdorf, Ravensburg, Tettnang, Wangen, Wurzach, Waldsee und anderen benachbarten Orten heißt das Mutesheer einfach »’sWuotas« (oder ‘s Wuotes, Wutes). In Leutkirch, Meratzhofen und den umliegenden Ortschaften aber sagt man »’s Muotas.« Man hört des Wuotas in der Luft sausen und oft eine wunderbar schöne Musik machen. Hinterher kommt immer ein heftiger Sturm. Daher sagt man auch sonst ganz gewöhnlich bei argem Lärm: »es tut wie ‘s Wuotas,« oder: »man sollte meinen, ‘s Wuotas sei da,« wofür man auf der Alb, im Schwarzwald und im ganzen Neckartal im gleichen Sinne »das Mutesheer« gebraucht.

Regelmäßig hört man zu Altdorf, beim Kloster Weingarten, ‘s Wuotas um Weihnachten und in den Nächten der übrigen großen Feste. Noch vor wenigen Jahren zog es einmal über Oberessendorf hin nach Wurzach und machte Musik und ein wildes Getöse.

Man glaubt, dass es Hexen und böse Geister seien, die unter Anführung des Satans umherziehen.

In Meratzhofen und bei Leutkirch kann man »’s Muotas« ^ in den heiligen Nächten saufen und musizieren hören, wenn man sich auf einen Kreuzweg stellt.


Das Mutesheer in Betzingen
Eine mündliche Überlieferung aus Betzingen

In Betzingen und der Umgegend lässt sich das Mutesheer gewöhnlich nur zweimal des Jahres hören, nämlich im Frühling und im Herbst. Es kommt, wie einige sagen, in einem großen Wagen, den weißscheckige Pferde ziehen, durch die Luft. In dem Wagen aber sitzt der Teufel mit seinem Reich und Gesinde und fährt spazieren. Dabei rasseln die Wagenketten gewaltig und eine laute Musik wird dazu gespielt. Ein Mann aber reitet voraus und warnt die Leute, indem er beständig ruft: »Außem Weg! Außem Weg !« Wer diesen Ruf hört, muss sich sogleich mit dem Gesicht auf die Erde werfen. Ist das Mutesheer dann vorbeigefahren, so kommt noch ein sausender Wind, der zuweilen nur über einen ganz schmalen Strich hinzieht, sodass jemand, der außerhalb des Zugs sich befindet, oft wenig oder gar nichts davon verspürt. Wen dieser Wind aber fasst, den reißt er gewöhnlich um. Ganz furchtbar saust und braust das Mutesheer, wenn es durch einen Wald zieht.

Einige alte Leute erzählen auch so: Das Muotesheer seien Menschen, die unten statt der Füße einen Fischleib hätten und so durch die Luft flögen. Der größte Fisch soll voranfliegen und die Leute warnen, aus dem Weg zu gehen. Das Heer selbst aber macht so wunderschöne Musik, wie kein Mensch sie machen kann. Kommt es recht zeitig im Frühjahr, so wird alles bald grün und es gibt ein fruchtbares Jahr, kommt es später, so gibt es einen späten Frühling.


Das Mutesheer auf dem Heuberg
Eine mündliche Überlieferung vom Heuberg

Bei Nusplingen auf dem Heuberg zog nachts einmal das Mutesheer über einen Schäfer hin, warf ihm seinen Karren um und nahm mehrere Schafe mit. An einem Nagel des Pferches aber hingen zwei Pfund Fleisch von so seltsamer Art, dass niemand es kannte. Es war weder roh, noch geräuchert, noch gekocht. Wahrscheinlich war es Hexenfleisch. Wäre der Schäfer nicht ein rechtschaffener Mann gewesen, so würde das Mutesheer ihn mit fortgenommen haben, denn er hatte, ohne es zu wissen, sein Nachtlager auf einen Platz aufgeschlagen, an welchen das Mutesheer Ansprüche hatte.

Übrigens zieht auch auf dem Heuberg ein guter Geist vor diesem Heere her und ruft beständig:

Außem Weg, außem Weg!
Dass niemand beschädigt werd!