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Charlotte Link – erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart

Charlotte-LinkCharlotte Link – erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart

Es ist an der Zeit, eine deutsche Autorin des Spannungsgenres auch auf dem Geisterspiegel vorzustellen. Grund dafür sind gewiss nicht schlechte Verkaufszahlen oder der Bekanntheitsgrad der Autorin, sondern die schlichte Tatsache, dass viele junge Leute, die ich kenne, diese Autorin nicht lesen wollen, weil ihr ihrer Meinung nach der Ruf anhaftet, sie sei was für ältere Leute zum Lesen. Auch ich muss gestehen, dass ich mich lange gescheut habe, ein Buch von Charlotte Link in die Hand zu nehmen. Der Grund war der Gleiche, den ich eben nannte, denn in meiner Zeit im Buchhandel haben in der Tat viele Frauen die Bücher von Charlotte Link gekauft, die sich auch an Büchern von Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström erfreuen. Also eigentlich nichts, was man als Thriller- und Krimileser in die engere Wahl zieht.

Nun kommt vielleicht noch erschwerend hinzu, dass die Sturmzeit-Trilogie (Sturmzeit, Wilde Lupinen und Stunde der Erben) durch die ZDF-Verfilmung und der Name Charlotte Link mit diesen Gesellschaftsromanen bekannt geworden ist. Doch Sturmzeit ist hier nicht das Thema, denn Charlotte Link hat mit ihren Spannungsromanen fast ein eigenes Genre begründet, welches nicht nur für begeisterte Krimi- und Thrillerleser eine echte Bereicherung ist, wenn man sich denn nur darauf einlässt. Ich habe es getan und die Romane binnen kürzester Zeit in einem Rutsch verschlungen.

Was kann man sich unter einem Spannungsroman vorstellen? Es ist kein Krimi, kein Thriller und doch gibt es Täter und Opfer. Interessant wird es aber durch die historischen Bezüge, die die Autorin in vielen der Romane herstellt, nicht selten verknüpft sie Ereignisse der Gegenwart mit Ereignissen aus dem 2. Weltkrieg, manchmal geht sie aber auch zurück in die Zeit der Kindheit einiger Protagonisten, manchmal, wie im zuletzt erschienenen Roman Die Betrogene kommt sie dem Thriller aber auch ganz nahe. Charlotte Link liebt die Abwechslung genau so sehr, wie ihre Leser es tun, und so hat sie es geschafft, dass jedes Buch eine völlig neue Geschichte erzählt, was Handlung, Protagonisten, Handlungsort und die Geschichte selbst betrifft. Ich konnte beim Lesen keine Wiederholungen entdecken, denn jede Person, jeder Ort und jede Story sind mit viel Liebe zum Detail und zur Einmaligkeit entwickelt.

Stellvertretend möchte ich einige Bücher kurz vorstellen.

Die Betrogene von Charlotte LinkDie Betrogene

Um ein glückliches Leben betrogen – so fühlt sich Kate Linville, Polizistin bei Scotland Yard. Kontaktscheu und einsam, gibt es nur einen Menschen, den sie liebt: ihren Vater. Als dieser in seinem Haus grausam ermordet wird, verliert Kate ihren letzten Halt. Da sie dem alkoholkranken Ermittler vor Ort nicht traut, macht sie sich selbst auf die Spur dieses mysteriösen Verbrechens. Und entlarvt die Vergangenheit ihres Vaters als Trugbild, denn er war nicht der, für den sie ihn hielt.

Kate ist eine recht komplexe Persönlichkeit, die den Umständen ihres Lebens aber einfach nicht gewachsen scheint. An der Wahrheit über ihren Vater zerbricht sie beinahe und doch blitzt immer wieder eine starke Persönlichkeit durch, die sich nicht unterkriegen lässt. Aber neben der Suche nach der Vergangenheit ihres Vaters entwickelt sich ein zweiter Handlungsstrang, der zunächst nichts mit Kates Geschichte zu tun hat. Der Drehbuchautor Jonas Crane steht kurz vor einem Burnout und nimmt auf Anraten seines Arztes eine Auszeit in einem abgelegenen Haus ohne Telefon, Fernseher und Internet, aber mit seiner Frau und seinem Adoptivsohn. Kurz vor der Abreise taucht die leibliche Mutter des Jungen auf und hinterlässt bei den Adoptiveltern ein ungutes Gefühl.

Zunächst scheinen die beiden Handlungsstränge nichts miteinander zu tun zu haben, doch ich erwähnte es eingangs ja schon, die Verknüpfung der Handlungsstränge ist fast schon Pflicht in den Romanen von Charlotte Link.

Das andere Kind von Charlotte LinkDas andere Kind

Eine alte Farm, eine einsame Landschaft, ein düsteres Geheimnis aus vergangener Zeit. Mit tödlichen Folgen für die Gegenwart.
In der beschaulichen nordenglischen Küstenstadt Scarborough wird eine Studentin grausam erschlagen aufgefunden. Monatelang tappen die Ermittler im Dunkeln, dann geschieht ein ähnliches Verbrechen. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Opfern ist dennoch kaum herzustellen. Die ehrgeizige Polizistin Valerie Almond klammert sich an das allzu Offensichtliche: an ein Zerwürfnis innerhalb der Familie des zweiten Opfers. Lange Zeit ist ihr der Blick jedoch verstellt für das Gift, das in dieser Familie wirkt, und dessen Ursprung sie bis weit in die Vergangenheit hinein zurückverfolgen müsste. Bis hin zu einer grausamen Entdeckung an einem kalten Dezembertag vor dreißig Jahren. Und sogar bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs, als ein Kind auf geheimnisvolle Weise verschwand …
Es dauert fast zu lange, bis Valerie Almond begreift, dass ein kranker Täter seinen Hass und seinen Rachedurst noch nicht gestillt hat. Entsetzt erkennt sie, dass es für ihr Eingreifen schon zu spät sein könnte …

In diesem Roman gelingt es der Autorin, dem Leser Schicksale nahezubringen, anhand derer aufgezeigt wird, dass Geschehnisse aus der Zeit des 2. Weltkriegs für manche Menschen nicht mit dem Ende des Krieges abgeschlossen waren, sondern noch viele Jahre später ihr Leben auf dramatische Weise beeinflussen können. So emotional diese Ereignisse auch von Charlotte Link geschildert werden, im Vordergrund steht doch immer die Ermittlung in den Mordfällen und damit die Polizistin Valerie Almond. Was mich an diesem Roman ganz besonders beeindruckt hat, war die Auflösung ganz am Ende, die ich hier natürlich nicht verraten werde.

Der Beobachter von Charlotte LinkDer Beobachter

Er beobachtet das Leben wildfremder Frauen. Träumt sich an ihre Seite, in ihren Alltag. Identifiziert sich mit ihnen und will alles von ihnen wissen. Als Beobachter. Auf der Flucht vor seinem eigenen Dasein, das aus Misserfolgen besteht. Nur aus der Ferne liebt er die schöne Gillian Ward. Die beruflich erfolgreiche Frau, glücklich verheiratet, Mutter einer reizenden Tochter, wird von ihm über die Maßen idealisiert. Bis er zu seinem Entsetzen erkennt, dass er auf eine Fassade hereingefallen ist. Denn nichts ist so, wie es scheint. Gleichzeitig schreckt eine Mordserie die Menschen in London auf. Die Opfer: alleinstehende Frauen. Auf eine rachsüchtige, sadistische Weise umgebracht. Die Polizei sucht einen Psychopathen. Einen Mann, der Frauen hasst.

Hier zeigt Charlotte Link, dass sie auch Psychothriller schreiben kann. Beim Lesen wird man zunächst in die Rolle der Gillian Ward versetzt, doch immer mehr weckt der Beobachter selbst das Interesse. Und dann ist da natürlich immer die Frage, ob und was die Morde mit den beiden zu tun haben. Wie ein Puzzle offenbart die Autorin Stück für Stück die Motive und Hintergrüne und führt am Ende wieder alles schlüssig zusammen. In diesem Roman wird Spannung ganz groß geschrieben!

 

***

 

Charlotte Links Romane haben eine Gesamtauflage von 26 Millionen längst überschritten. Glaubt man den Kritikern und Rezensenten, dürfte man diese Zahl für unvorstellbar halten. Sicherlich sind die Romane von Charlotte Link keine literarischen Meisterwerke, aber vielleicht macht eben die verständliche und einfache Sprache den Reiz mit aus, diese Bücher zu mögen. Beim Lesen eines solchen Romans möchte ich unterhalten werden, im günstigsten Fall sollen aus den Worten Bilder vor dem inneren Auge entstehen und dessen kann man sich bei den Geschichten von Charlotte Link gewiss sein. Aber ich denke eben auch, dass es der Genremix ausmacht, dessen sich die Autorin bedient. Sie beschränkt sich nicht auf das Schicksal oder die Geschichte eines Einzelnen, sondern verknüpft mehrere Schicksale und meist auch Handlungsorte und Zeiten zu einem großen Ganzen.

Die Autorin

Charlotte Link wurde am 5. Oktober 1963 in Frankfurt am Main geboren. Zunächst studierte sie Jura an der Universität in Frankfurt, wechselte dann aber an die Universität München und in die Fächer Geschichte und Literaturwissenschaft. Ihren ersten Roman Die schöne Helena veröffentlichte die Autorin bereits mit 19 Jahren.

Im Jahr 2014 starb ihre Schwester an Krebs. Ihr widmete die Autorin das Buch Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester, in dem sie einfühlsam von der Krankheit und dem Sterben ihrer Schwester berichtet, die sie auf dem schweren Weg begleitete.

Neben Spannungsromanen schreibt Charlotte Link auch Gesellschaftsromane, historische Romane und Jugendbücher. Viele ihrer Bücher, die meist auf der Spiegel-Bestseller-Liste zu finden sind, wurden erfolgreich verfilmt. Wenn Charlotte Link, die heute in Wiesbaden lebt, nicht schreibt, engagiert sie sich als aktive Tierschützerin.

Eine Auswahl empfehlenswerter Bücher:

  • Schattenspiel, 1993
  • Der Verehrer, 1998
  • Das Haus der Schwestern, 1999
  • Die Rosenzüchterin, 2000
  • Die Täuschung, 2002
  • Am Ende des Schweigens, 2003
  • Der fremde Gast, 2005
  • Das Echo der Schuld, 2006
  • Die letzte Spur, 2008
  • Das andere Kind, 2009
  • Der Beobachter, 2011
  • Im Tal des Fuchses, 2012
  • Die Betrogene, 2015

Quellen:

(ab)