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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl – Die einträchtigen Brüder

Rübezahl
Der Berggeist des Riesengebirges
Sagen und Schwänke neu erzählt nach R. Münchgesang
Die einträchtigen Brüder

Kriegsvölker sind in aller Zeit nirgends gern gesehen worden, auch auf dem Riesengebirge nicht. Die wilden Horden nahmen den armen Leuten oft das Letzte und scheuten sich nicht vor Mord und Gewalttat. Einmal zog eine versprengte Schwadron Kroaten über die Berge. Da sahen sie auf der Höhe drei Bauden und beschlossen, dort haltzumachen. Die Gebäude gehörten drei Brüdern, die sich nach dem Tod der Eltern da angebaut hatten. Nur der älteste Sohn bewohnte das alte väterliche Haus, die jüngeren Geschwister hatten neue Häuser. Die Brüder lebten in großer Eintracht, halfen sich gegenseitig aus, und auch die Frauen lebten in gutem Einvernehmen. Ihr Ackerland war nicht sehr groß, auch nicht besonders ertragreich, aber die Brüder hatten ihr Auskommen, besonders, da auch jeder von ihnen ein Handwerk erlernt hatte.

Als die wilde Kriegsschar herannahte, flüchteten die Frauen samt den Kindern alsbald auf den Berg in einen Unterschlupf, der für solche Zeiten von ihnen dafür ausersehen war. Die Männer aber blieben sorgenvoll zurück, denn sie hatten beileibe keinen Grund, auf Gutes zu rechnen. Der größte Teil der Reiter würdigte die drei Bauden kaum eines Blickes und ritt vorbei, an ihrer Spitze der Hauptmann. Aber unter den Nachzüglern fanden sich etwa zwanzig wilde Kerle, die nicht gesonnen waren, den Brüdern ihren Hausfrieden zu gönnen.

Sie verteilten sich auf die Gehöfte, blickten mit gierigen Augen überall umher und überschütteten die Eigentümer mit einer Flut von Befehlen und Fragen in ihrer Sprache. Als sie merkten, dass sie nicht verstanden wurden, gaben sie ihre Wünsche durch Gebärden kund. Geld wollten sie, Gold, Silber, Essen und Trinken, oder ihre gute Laune wäre dahin. Voller Ungeduld fingen sie an, in den Gehöften herumzusuchen. Sie kehrten das Unterste zu oberst, schlugen mutwillig alles kurz und klein, rissen Hühnern, Tauben und Gänsen die Köpfe ab, hängten sie an die Sättel ihrer Pferde und trieben Kühe und Ziegen weg. Dann steckten sie die Gehöfte an und freuten sich über den gelungenen Scherz.

Die beiden jüngeren Brüder wollten löschen, wurden aber daran gehindert, furchtbar durchgeprügelt und eine Zeit lang mitgeschleppt.

Jörg, der Älteste, hatte sich versteckt und wagte sich erst wieder heraus, nachdem die Unholde abgezogen waren. Dann fing er eifrig an zu löschen, wobei ihm auch die zurückgekehrten Frauen halfen. Es gelang ihm schließlich, das alte Haus zu retten, aber die Wohnungen der Brüder brannten samt den Wirtschaftsgebäuden nieder. Als die misshandelten armen Leute zurückkehrten, standen sie auf den rauchenden Ruinen ihres Besitztums als die ärmsten Menschen im Gebirge.

Da hielten sie Rat, was unter solch traurigen Umständen zu tun sei, und entschlossen sich, samt ihren Familien hinunter in die Stadt zu ziehen, um dort ihren Unterhalt zu erwerben. Nur Jörg konnte sich nicht entschließen, das väterliche Haus zu verlassen. Er blieb mit seiner Frau in seinem zertrümmerten Heim und nahm von den anderen unter vielen Tränen Abschied. Er besserte aus, was durch die Kroaten zerstört worden war, und hoffte auf günstigere Zeiten.

Einige Tage nachher kam Rübezahl in Gestalt eines kaiserlichen Rittmeisters mit drei Reitern und mehreren Pferden an der Stätte des Elends an. Jörg, der dem edlen Herrn gleich ansah, dass es hier nicht nötig war, zu flüchten oder sich zu verstecken, grüßte ihn und bastelte weiter. Da redete ihn der Berggeist an.

»Ich bin hierhergekommen, um einige gekaufte Pferde für die Armee abzuliefern, und da die Tiere müde sind, möchte ich hier ausruhen. Wollt Ihr mir gestatten, die Rosse in Eurem Stall und Schuppen unterzubringen und mir selbst und meinen Leuten für die kommende Nacht Unterkunft gewähren?«

»Recht gern, wenn es Euch genügt, gnädiger Herr. Ihr müsst aber bedenken, dass Ihr bei einem armen und nun ganz ausgeplünderten Mann zu Gast seid. Die Stallung wäre ja für die Gäule wohl groß genug, es sind auch noch ein paar Metzen Hafer vorhanden, die Eure Diener verbrauchen können. Die Burschen können sich auch für die Nacht im Stall einrichten. Für Euch ist die beste Stube ja wohl nur ein Notbehelf. Meine Frau wird Euch ein Mehlsüpplein kochen. Das ist aber auch alles, was ich Euch bieten kann.«

»Es genügt mir, Mann, aber um meine Beköstigung braucht Ihr Euch nicht zu bemühen, meine Leute sind darauf eingerichtet, mir die Mahlzeit zuzubereiten.«

So zog denn Rübezahl in das Haus des armen Mannes, und dieser hörte nichts mehr von ihm bis zum anderen Morgen. Da rumorte es in den Ställen, die Pferde wurden herausgeführt, und der Rittmeister verabschiedete sich.

»Ich danke Euch für die gute Herberge und die ehrliche Gesinnung, die Ihr mir gezeigt habt«, sagte er freundlich, »nehmt das für Eure Mühe!«

Dabei reichte er ihm einen kleinen, aber kostbaren Lederbeutel mit Münzen darin.

»Ach nein«, antwortete Jörg verlegen, »so war das nicht gemeint. Wie kann ich Bezahlung fordern, da ich Euch doch nichts, rein gar nichts geboten habe!«

»Nehmt nur!«, erwiderte Rübezahl noch freundlicher. »Ihr sagtet ja doch, dass Ihr ausgeplündert worden seid. Was Soldaten verdarben, müssen andere wieder gutmachen.«

Damit galoppierte er davon. Jörg öffnete nun das Beutelchen und fand darin ein Dutzend Doppeldukaten, alle neu und vollgewichtig. Da wurden die beiden armen Leute sehr froh, denn sie hatten eine solche Unmenge Geld noch nie gesehen, geschweige denn je besessen.

Jörg sprang voll Freude umher und rief: »Ach, wenn das der Franz und der Gottlieb wüssten und ihre Frauen! Frau, ich laufe hinunter und teile mit ihnen den Segen. Ich laufe hinunter! Fürwahr, ich laufe hinunter! Sie sollen keine Not leiden, wenn wir hier die Fülle haben. Ich laufe hinunter!«

»Dann laufe ich mit«, sagte die Frau, »denn so allein hier oben, das ist mir zu gruselig, und ich will doch auch sehen, wie sie sich freuen. Kinder haben wir ja nicht, denen zuliebe einer hierbleiben müsste, und verschließen brauchen wir auch nichts mehr.«

Die beiden Leutchen waren bald in der Stadt und fanden ihre Verwandtschaft schneller als sie dachten. Den armen Menschen war es inzwischen sehr schlecht gegangen. Sie hatten weder Arbeit noch Obdach gefunden und die Kinder zum Betteln schicken müssen, damit sie nicht verhungerten. Da ließ der brave Jörg erst Essen bringen, labte und tröstete sie und erzählte dann, wie er zu dem Reichtum gekommen sei.

»Und nun tut mir die Liebe«, sagte er, »und zieht wieder mit uns hinauf. Wir bauen eure Bauden gemeinsam auf, und solange ich Geld habe, sollt ihr keine Not leiden.«

Da waren die Brüder zufrieden. Jörg kaufte noch die notwendigsten Lebensmittel ein, und leichten Herzens wanderten die Familien einträchtig wieder auf den Berg.

Da waren alle ganz starr vor Staunen. Die abgebrannten Häuser der Brüder standen wieder da wie vorher, nur schöner und größer, ebenso die Wirtschaftsgebäude. Aus den Ställen tönte ihnen das fröhliche Blöken der Rinder, das Meckern der Ziegen entgegen, auf den Höfen gackerten die Hühner, schnatterten die Enten, watschelten die Gänse, gurrten die Tauben. Der Viehbestand war doppelt so groß wie vorher. In den Häusern war es wieder blank und freundlich. Die Möbel waren ersetzt, die Speisekammer gefüllt, und alles atmete Behagen und Gemütlichkeit.

Da wurden die drei Familien von Freude und dankbarer Rührung ergriffen, besonders auch deshalb, weil sie sich unter dem Schutz des mächtigen Berggeistes wussten, der ihre Redlichkeit belohnen wollte. Froh gingen sie von der Zeit an wieder an das gewohnte Tagewerk, und man hat nicht gehört, dass die Gehöfte durch feindliche Scharen noch einmal geplündert worden wären, solange die einträchtigen Besitzer lebten.