Heftroman der Woche
 

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sagen- und Märchengestalten – Der Stein der Weisen – Teil 1

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Der Stein der Weisen – Teil 1

An die Vergangenheit knüpft sich der Menschen Wünschen, Sehnen und Hoffen. Aus dem Schatten dessen, was hinter ihnen liegt, webt ihre geschäftige Fantasie sich die Gestalt eines verlorenen Paradieses, eines goldenen Zeitalters.

Am lebendigsten prägt sich dies in den Formen des geheimnisvollen Verkehrs mit übernatürlichen Dingen aus. Aus den Tagen der Urväter drang nicht das ganze künstliche System desselben vollendet zu uns herab, sondern die Gegenwart schuf es nach eigenem Behagen und verwies es dann in die Jugendzeit der Völker, mit der es sich nach und nach fast untrennbar vermischte.

So entsprießen auch die goldenen Zweige, an denen eines der seltsamsten Erzeugnisse menschlicher Spekulation, die Idee des Steins der Weisen, wie ein Zauberapfel reifte. Vielleicht entstand dieselbe in den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung und die Sage führt ihr Entstehen auf die schimmernden Blüten jenes verhängnisvollen Baumes im Garten Eden zurück, der mit lieblicher Frucht die Sinne reizte.

Mit dem Bewusstsein der Sünde und der nur zu gerechten Strafe sollten die ersten Menschen auch die Kunde vom Lebensgeist mit sich hinweggetragen haben, der ihnen in kommenden Zeiten die so schnöde verlorene göttliche Jugend wiederzugeben bestimmt war. Allein das Böse hatte den Spiegel ihrer Seele getrübt, die kostbare Wissenschaft begann allmählich in den entarteten Gefäßen zu erlöschen.

Die Wenigen, denen es vergönnt blieb, des heiligen Geheimnisses zu pflegen, starben aus, nachdem sie ein überaus hohes Alter erreicht hatten. Nun begann ein rastloses Suchen und Forschen jüngerer Geschlechter nach dem Verlorenen: Elixier, Tinktur, Stein der Weisen, gesegneter Stein oder gesegnete Erde, Lebenswasser, Lebensholz, Goldsame, Jungfrauenmilch, Naturfeuer genannt.

Unendlich verschieden preisen die Anhänger der Kunst, jene untergegangene Essenz von Neuem hervorzurufen, ihre Bestandteile, Kraft und Aussehen. Köstliches Edelgestein sowie das lauterste Gold sollten die Elemente bilden. Zuweilen wurden Pflanzenstoffe dazu angegeben, etwa der Saft von Primeln oder Rhabarber.

Unmöglich ist es, alle die Irrwege zu bezeichnen, in denen die Verfertiger sich verloren. Die heterogensten Stoffe wurden versucht, selbst die ekelhaftesten. Glas von roten Kirchenfenstern, Rebenasche, Blut, Erde, Haare, Korn, Pech, Salpeter, Schwefel und Arsenik.

Man dachte sich einen beliebigen Grundstoff, mit dem gearbeitet werden musste, und nannte das erste Erzeugnis den grünen Löwen. Aus diesem entstand das Rabenhaupt. Dann flog der weiße Schwan auf, dem wieder der rote Löwe folgte. Eine andere Mischung hieß der graue Wolf.

Der zahllosen Vorschriften ungeachtet, welche alchemistische Werke über die Bereitung des Wundersteines gaben, gelang es nicht einmal, den Grundstoff aufzufinden. Außer der tabula smaragdina sollte die Memphitische Tafel sichere Unterweisung gewähren. Sie enthielt nun nichts als:

Himmel oben, Himmel unten –
Sterne oben, Sterne unten –
alles oben, alles dieses unten –
Dieses nimm und werde glücklich!

Andere Werke zeigten sich mitteilsamer. Doch aller Breite ungeachtet waren sie nicht minder unverständlich wie die eben angeführte Formel. Ein originelles Buch dieser Art enthielt gar keine Buchstaben, nur Bilder. Der Alchemist und sein Weib suchen den Grundstoff in den Perlen des Taues, die sie mit ausgespannten Tüchern auffangen, gleich wie die chinesischen Kaiser diese keuschen Tropfen der Natur in kupferne Becken sammeln ließen, um die Perlen des Paradieses in solchem Bad zu schaffen.

Es gab fast keinen Stoff, an dem die Alchemisten sich nicht versucht hätten. Das Misslingen ihrer Operationen schoben sie auf die erdenklichsten Ursachen, weil sie nicht begreifen mochten, dass die Sache an sich unmöglich war. Die Erfüllung ihrer Wünsche hing ja von so vielen Umständen ab, die außerhalb aller menschlichen Berechnung lagen. Da kamen körperliche und geistige Dispositionen des Experimentierenden in Betracht, die Stellung und der Einfluss der Gestirne und vor allem die göttliche Gnade, welche das große Geheimnis verlieh.

Um das Verfahren der Alchemisten zur Erringung des teuren Schatzes dem Leser anschaulich zu machen, mögen einige dieser seltsamen Berichte hier einen Platz finden.

Zu Leipzig lebte am Anfang des vorigen Jahrhunderts ein ergrautes Männlein, wohlbekannt unter den Kupferstechern, denen es allerlei hilfreiche Dienste bei ihrer Beschäftigung erwies. Die Leute hatten für den Alten einen Namen erdacht, der ihm absonderlich gutstand, man nannte ihn allgemein den Scheidewasserhans.

Zu ihm kam einst ein Alchemist und bat, es sich in seiner Werkstatt eine Weile gefallen zu lassen und ihm Beistand zu leisten, denn er habe den grünen Löwen in seinem Bad unter der Bernhardinischen Eiche.

Das gefiel dem Scheidewasserhans, dem das Geheimnisvolle gerade dasjenige Feld war, auf welchem er sich am liebsten bewegte. Er ging also mit dem Künstler und unterhielt ihm sorgsam das Feuer unter der Phiole, die im heißen Sandbad stand.

Als das Werk dem Abschluss nahe war, musste der Alchemist es auf einige Zeit verlassen, band dem Hans den köstlichen Schatz auf die Seele und fügte hinzu: »Gib wohl acht auf das Feuer und fürchte dich nicht, es möge im Laboratorium erscheinen, was da wolle, denn selbst der böse Feind wird dir nicht schaden können, so du nur deine Pflicht erfüllst.«

Damit entfernte er sich und Hans blieb allein, den beweglichen Ermahnungen nachzudenken, die er doch nicht ganz ohne Grauen vernommen hatte. Nach kurzer Zeit erschien in dem verschlossenen Gemach eine ungeheure Katze, sträubte den Rücken und setzte den guten Hans durch ihre langen Krallen und die großen rollenden Augen in nicht geringe Bestürzung. Er schürte sein Feuer jedoch weiter und gab sich das Ansehen, als inkommodiere ihn der eigentümliche Gast nicht im geringsten, worauf das Tier seltsam zu hüpfen und zu springen begann, die Phiole in immer engeren Windungen umkreiste und sich endlich in die wohlverlötete destillierende Masse stürzte, in der die gewaltigen Formen alsbald zu der Gestalt eines kleinen Wurmes zusammenschmolzen.

Als der Alchemist nach Hause kehrte und erfuhr, was sich zugetragen, rief er voll Entzücken aus: »So habe ich endlich den Schelm gefangen, nach dem ich lange getrachtet habe!« Aus diesen Worten entnahm der Scheidewasserhans, wie es dem Alchemisten nur um den bösen Geist zu tun gewesen, was ihn so verdross, dass er von Stund an das Laboratorium verließ und es nie wieder betrat.

Der Teufelsbeschwörung dieses Gold suchenden Laien steht die Geschichte eines geistlichen Alchemisten gegenüber, bei der leider Ort und Zeit nicht angegeben sind. Erasmus Franziskus in seinem Kunst- und Sittenspiegel erzählt folgendermaßen:

Es lebte ein überaus frommer Bruder, welcher Tag und Nacht auf den Knien lag und Gott bat, ihm das hohe Geheimnis zu offenbaren, wie der wunderbare Stein zu bereiten sei.

Einst, in der heiligen Christnacht, lag er auf den kalten Steinen des Kirchenflures hingestreckt und rang in inbrünstigem Gebet um die Erhörung seiner Bitte.

In dieser Sehnsucht, in der Aufregung seines Herzens kam es wie eine feierliche Weihestunde über ihn, sodass er plötzlich innewurde, sein Flehen müsse zu Gott gedrungen sein. Eine überaus liebliche Stimme ertönte aus der Höhe: »Christoph, stehe auf und preise Gott, denn dein Gebet ist erhört!«

Hierauf geriet er in eine Entzückung, ließ aber nicht nach mit Bitten, sondern forschte nur um so dringlicher, was es denn sei, woraus dieser teure Schatz bereitet werden müsse? Worauf die Stimme ihm entgegnete: »Brot! Brot! Brot!«

Nun erhob sich Christoph mit Preis und Dank und legte sich fröhlich zur Ruhe. Anderen Tags aber machte er sich zu einem der vielen deutschen Fürsten auf, an deren Höfen die alchemistischen Künste Schutz und Pflege fanden, und bat um eine Unterstützung zu seinem Vorhaben, welche ihm denn auch bewilligt wurde. Für das empfangene Geld kaufte er eine gläserne Retorte, so groß, dass sie zwei Tonnen Bier zu fassen vermochte und dazu eine große Menge des besten und schönsten Weizens.

Das Korn mahlte er selbst auf einer Handmühle, sammelte Maientau und läuterte ihn, formte aus dem Mehl, welches er damit anfeuchtete, große runde Brote, die in einem nicht gar zu heißen Ofen langsam gebacken wurden. Dann schälte er die Rinde von denselben ab, teilte sie den Armen aus und schüttete die noch warmen Brotsamen in den gläsernen Kolben, unter dem er Tag und Nacht ein gelindes Feuer unterhielt.

Während der ersten drei Tage, in welchen er die Glut unter dem Destillierkolben unterhielt, entfloss demselben ein gelbes Wasser von unangenehmem Geruch. Dann aber begann ein herrliches, saphirblaues Gewölk sich zu bilden, von Feuerstrahlen durchlodert, als ob ein Wetter durch den klaren, sternfunkelnden Nachthimmel blitze, und nun endlich tropfte aus der vollendeten Mischung in die bereitgehaltenen Gefäße eine rubinrote Flüssigkeit, deren Duft alle Wohlgerüche Indiens übertraf und deren Heilkraft so bedeutend war, dass einige Tropfen genügten, um Kranke, die seit vielen Jahren auf dem Siechbett lagen, mit neuem, frischem Lebenshauch zu durchströmen und selbst Totkranke wieder zu heilen.

Eine wunderbar heilende, verjüngende, das verstockte Herz zu frommer Buße leitende Kraft sollte dem großen Magisterium innewohnen, welches ja auch die Krankheit der Armut vernichtete.

Vielleicht hatte die bilderreiche Sprache des Orients selbst jene Annahme veranlasst, denn Geber sagt in einem seiner Werke: »Bringt mir herbei die sechs Aussätzigen, dass ich sie heile«, nämlich Silber, Quecksilber, Kupfer, Blei, Eisen, Zinn, welche in Gold verwandelt werden sollten, da die Araber unedle Metalle als kranke bezeichnen.

Späteren Alchemisten gilt die medizinische Eigenschaft des Steins der Weisen als eine evidente Wahrheit, und sie suchen durch eigene Erfahrung zu erhärten, was die Theorie anderer empfahl. Salomon Trismosin gab vor, dass er sich in seinem hohen Alter durch einen einzigen Gran der Tinktur vollkommen erneut habe. Sein gekrümmter Rücken richtete sich wieder auf, die gelbe gerunzelte Wange hob sich in blühender Fülle und die ergrauten Locken flatterten schwarz und kraus um die geglättete Stirn.

Johann Isaac Hollandus gebietet, von der Tinktur so viel wie ein Weizenkorn in Wein zu legen. Wenn der Kranke diesen Trank genießt, so dringe die Kraft desselben durch das Herz in alle Säfte und bringe eine stärkende Ausdünstung hervor. Wiederhole man dies während der nächstfolgenden neun Tage, so fühlen sich die Glieder leicht und luftig, wie abgelöst von allem irdischen Druck, und der Genesende vermeine, im Paradies zu atmen. Einem Gesunden erhalte das Wunderelixier das Leben in frischer Kraft bis zu dem Augenblick, der ihm von Gott gesetzt sei.

Nicht alle Alchemisten dachten gleich billig, vielmehr bildeten sie sich ein, dass der Stein der Weisen, gleich Nektar und Ambrosia der Götter, demjenigen ewige Jugend verleihe, der davon genieße.

So dachten die Derwische in Kleinasien, welche einem französischen Reisenden erzählten, dass wirkliche Adepten mindestens tausend Jahre alt würden. So glaubte auch Artephius im 12. Jahrhundert, der um das Jahr 100 unserer Zeitrechnung das Licht der Welt erblickt haben wollte, des venezianischen Rosenkreuzers nicht zu gedenken, dessen Lebensdauer seine Anhänger auf mehr denn vierhundert Jahre schätzten.

Der Glaube an das wirkliche Vorhandensein geheimnisvoller Kräfte, unter deren Einfluss große Schätze mit geringer Mühe zu erwerben seien, lockte nach allen Seiten hin zu kläglichem Verderben. In wilder Habgier ermordete einer den anderen. Fahrende Alchemisten fanden unter den Händen ihrer Diener oder den Dolchen neiderfüllter Kunstgenossen ein jähes Ende, wie Denis Hachaire 1556 zu Köln, oder wie der Mönch, den Hans von Dörnberg um das Jahr 1483 unweit Marburg erschlug.

So erwürgten drei Adepten 1570 zu Wittenberg den Sebastian Siebenfreund, um ihm die kostbare Tinktur zu entreißen, deren Bereitung ein alter Bruder seines Klosters ihm gelehrt haben sollte. Allein die Mörder fanden nichts und hatten die Blutschuld vergeblich auf ihr Gewissen geladen.

Diejenigen, welche ungestraft an den Höfen die Kunst der Verwandlung geübt hatten, denen ungemessene Habsucht kein gewaltsames Ende zu bereiten vermochte, starben in Armut und verwünschten in freilich zu später Reue die unfruchtbare Mühe, welcher sie ihr Leben geopfert.

Obwohl die Bereitung des Steins der Weisen nur mithilfe guter Geister und unter kräftigem Gebet sich vollziehen sollte, schloss sich doch der Glaube an dämonische Einwirkungen dem verhängnisvollen Wahn leicht an. Als im Jahr 1670 König Friedrich III. von Dänemark sein Laboratorium nach Kopenhagen verlegen wollte, musste es künstlich über Wälle und Gräben transportiert werden. Denn Homunkulus, der böse Geist, welcher dem Hofalchemisten Burrhus diente, war einst von diesem in den inneren Raum des Gebäudes gebannt worden und drohte zu entweichen, falls das Band der Mauern gelöst würde.

Ein Alchemist, Wilhelm Constantinus, war mit mehreren seiner Gesellen Tag und Nacht beschäftigt, die wunderbare Materie zu finden, aber vergebens. Endlich zitierten sie den Teufel, der zwar erschien, über die Bereitung des Elixiers aber nichts zu sagen wusste, als: »Arbeitet!«

Zu dem alten wackeren Herzog Erich von Braunschweig, demselben, der durch sein humanes Benehmen gegen Luther auf dem Reichstag zu Worms berühmt geworden ist, kam einst auch einer dieser fahrenden Sänger, der sich anmaß, den Fürsten lehren zu wollen, wie aus Kupfer Silber zu machen sei, damit er die auf seinem Land haftenden Schulden binnen kurzer Zeit tilgen könne. Da fragte ihn Erich, ob solches Silber auch wohl die Probe halten werde. Der Meister entgegnete ihm, das Silber bleibe gut bis in das neunte Feuer, das heißt, man dürfe es neunmal umschmelzen und verarbeiten, dann aber nehme es allmählich wieder ab und kehre zu seinen ursprünglichen Bestandteilen zurück. »Du, du!«, rief Herzog Erich dem Erschrockenen zu, »ich hab’ meinen grauen Kopf mit Ehren vor allen Fürsten des Reiches getragen und du willst mich zu einem Betrüger machen? Hebe dich weg von meinem Land oder ich lasse dir die Augen ausstechen!«

Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg zeigte dieselbe eherne Strenge, wenn auch nicht gepaart mit gleicher Rechtschaffenheit, denn er erlaubte einem Weib, Schlüters Ilse, Gold zu machen. Als es sich jedoch fand, dass ihre Tiegel doppelte Böden hatten, zwischen denen sie edles Metall verbarg, um den Betrug vollführen zu können, ließ der ergrimmte Fürst sie in einem eisernen Stuhl verbrennen.

Unter den Abenteurern, welche im 16. Jahrhundert das zivilisierte Europa durchzogen und sich den Ruf wirklicher Adepten zu verschaffen wussten, erscheint ein besonders gewandter Italiener, der mit frecher Stirn Kaiser und Fürsten betrog. Um das Jahr 1578 gesellte er sich auf der Landstraße zu einem Mönch, der in Angelegenheiten seines Ordens nach Rom reiste, und wanderte einige Tage mit ihm. Vielleicht gab die Unvorsichtigkeit des frommen Bruders ihm die gefährliche Kunde von dem Wunderelixier, das sich im Besitz desselben befand. Vielleicht erspähte es der Fremde, der sich Mamugnanus nannte. Genug, er erschlug im tiefen Wald den Arglosen, beraubte ihn seines Schatzes und zog von jener Zeit an als Adept im Land umher. In Venedig betrog er die Edlen der Stadt gröblich, verwandelte mithilfe der Tinktur vor ihren Augen Bleistangen in Gold, bis sie das Elixier selbst oder die Anweisung dazu ihm mit bedeutenden Summen abkauften. Dann verschwand er und das kostbare Rezept erwies sich als völlig unbrauchbar.

Zehn Jahre hindurch gelang es ihm, eine glänzende Existenz zu führen, bis das geraubte Mittel erschöpft war und der Betrüger es für gut fand, den Schauplatz seiner Taten zu wechseln. Unter dem Namen Antonius Bragadinus ging er nach Deutschland. Kaiser Rudolf II. empfing den Alchemisten besonders gnädig, der denn auch vor den Augen des hohen Protektors verschiedene Metalle in Gold verwandelte. Zwei Jahre später kam er auf seinen Kreuz- und Querzügen nach München und versuchte, den Kurfürsten durch eine Mischung von Kohlenstaub und Goldpulver zu täuschen. Der Betrug wurde nun entdeckt und Bragadinus musste, mit dem flittergoldenen Rock bekleidet, am Galgen büßen.

Besonders streng zeigten sich die Leipziger Rechtsgelehrten gegen betrügerische Adepten. Als der Hofalchemist Kurfürst Augusts, David Beuther, dieser Wissenschaft angeklagt wurde und man ihm schuld gab, dass er die Bereitung des Steins wohl verstehe, aber zum Schaden seines gnädigsten Herrn geheim halte, fällten sie das Urteil: Er sei mit dem Staupenschlag zu bestrafen. Außerdem solle ihm der Henker zwei Finger der rechten Hand abnehmen und ihn der peinlichen Frage unterziehen. Selbst nach abgelegtem Geständnis dürfe er nicht frei werden, sondern müsse, um Sachsen das geheimniss zu wahren, innerhalb der Landesgrenzen eingekerkert bleiben!

Wahrscheinlich wurde nur der Staupenschlag an ihm vollzogen. Der Unglückliche versprach, zu bekennen, und als man ihn hierauf entfesselte, wandte er sich um und sank tot zu Boden, durch ein schnell wirkendes Gift, das er verborgen bei sich trug, aus den Händen seiner grausamen Peiniger auf immer befreit.

Dieser europäischen Art, Alchemisten zu strafen, reiht sich die ergötzliche Weise eines morgenländischen Kalifen an, dessen Neigung zu dem Werk der Sonne allgemein bekannt war und einen seiner Ärzte bewog, die von ihm verfasste Schrift über Metallveredlung dem hohen Gönner vorzulegen. Der Kalif, entzückt über die Widmung, befahl, dem Arzt eine reiche Belohnung aus seinem Schatz zu spenden. Dann ließ er das angegebene Verfahren in seinem Laboratorium versuchen. Da es jedoch unglücklich ausfiel und nichts als die völlige Unzulänglichkeit der Theorie ergab, rief der Kalif: »Nehmt ihm das Geld und gebt ihm die Bastonade!« Und der erhabene Befehl wurde stracks vollzogen.

Das trübe Schicksal des Polen Sendivogius und seines Meisters Seton war nun nicht ohne Eindruck auf die Bedeutenderen unter der Gold bereitenden Schar geblieben. Von jener Zeit an tauchen sie auf, rätselvollen Erscheinungen gleich, um spurlos wieder zu verschwinden. Erst in weiter Ferne wagen sie es, das schützende Dunkel von Neuem zu verlassen. So der weise Philaletha, der von 1640 bis etwa zum Jahre 1688 wie ein Wundertäter die Welt in Erstaunen setzte. Auf sein Geheiß erschien vor Kaiser Ferdinand III., als er mit seinem Hofstaat in Prag weilte, ein Edelmann, der sich von Richthausen nannte, und übergab dem Herrn einen Gran rötliches Pulver, durch dessen Kraft in des Kaisers Gegenwart drei Pfund Quecksilber in zwei und ein halbes Pfund lauteres Gold sich verwandelten. Von dem gewonnenen Metall wurde eine Denkmünze gefertigt, welche auf der einen Seite den Sonnengott mit den Attributen Merkurs, des Götterboten zeigt, um die Verbindung des Goldes mit dem Quecksilber anzudeuten.

In buntem Gemisch mit wandernden Abenteurern neigen sich auch die den geheimen Wissenschaften zu, welche das System des Paracelsus weiter auszuführen bemüht waren. Hatte doch ihr Vorbild und Meister sich oft genug mithilfe des Schmelztiegels aus drückender Geldverlegenheit errettet! Im Württemberger Land war es, wo er seinem Diener befahl, einen Zentner Blei einzukaufen, dasselbe in Stücke zu zerlegen und in einem Gefäß über Kohlenfeuer zu schmelzen. Darauf warf Paracelsus ein blutrotes Pulver hinein, hieß den Diener die Mischung wohl umrühren und in eine eiserne Form gießen. Als es erkaltet war, glich es dem lautersten und schönsten Gold.

»Ja doch, es muss Gold sein«, rief Paracelsus, »mit Blei kann ich nichts anfangen«, schickte das Gold zum Münzmeister, dass er es prüfe, und ließ sich den Wert desselben in gemünztem Gold zahlen.

Reich an wunderlichen Schicksalen ist das Leben eines seiner Anhänger, des berühmten Leonhard Turneysser, geboren zu Basel 1531, Sohn eines Goldschmieds. Schon als Jüngling verriet er mannigfache Talente, die ihn auf das Studium der Alchemie hinzuweisen schienen, denn er wusste mit frecher Stirn vergoldete Bleistangen als gediegenes Metall an den Mann zu bringen. Die Behörden seiner Heimat, weit entfernt, diese Äußerung seines Genius mit günstigen Augen zu betrachten, leiteten vielmehr eine heftige Verfolgung gegen ihn, der er sich durch die Flucht entzog, indem er sich abwechselnd in England und Frankreich umhertrieb, Kriegsdienste nahm, dann wieder seinem früheren Beruf, der Goldschmiedekunst oblag, wie Zeit und Gelegenheit es eben forderten. Sein abenteuerndes Leben führte ihm Bruchstücke mannigfachen Wissens zu und er beschloss, die Summe desselben am Bergbau zu versuchen. In Tirol, wo er zu diesem Zweck sich aufhielt, erweckte er das Interesse Erzherzog Ferdinands, der ihn mit fürstlicher Huld zu weiteren umfassenden Studien ausrüstete, indem er ihn Reisen machen ließ durch fast ganz Europa, einen Teil Asiens und Afrikas. Indessen fand Turneysser Geschmack an der Medizin, und als er nach neunjähriger Abwesenheit zurückkehrte, wurde er Leibarzt des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg. In dieser Stellung befleckte der Abenteurer sich mit dem Blut des oben erwähnten Mönches Siebenfreund, den er und zwei andere zu Wittenberg ermordet haben sollen. Es gelang ihm nun, seinen Anteil an diesem Verbrechen von sich abzuwälzen und sich nach dem bald erfolgten Tod Joachims auch bei dem Nachfolger desselben in Gunst zu erhalten. Endlich als Betrüger entlarvt und schimpflich ausgewiesen, irrte er zwölf Jahre lang umher, meist in Italien, kehrte endlich als ein Bettler wieder und endete im Jahre 1596 sein viel bewegtes Leben.

Turneysser war einer jener Taschenspieler an fürstlichen Höfen, welche den Zorn der Ketzerrichter so lebhaft rege gemacht hatten. Er zeigte zu Berlin den Teufel in ein Gläschen gebannt. Nach seiner Verweisung erkannte man in dem zurückgelassenen Gefangenen einen in Öl aufbewahrten Skorpion.

Einer von der seinen verschiedenen Richtung folgten Libavius, van Helmont und andere, die, ihrer vielseitigen Bildung ungeachtet, doch als Kinder ihrer Zeit sich erwiesen, als sie dem allgemein herrschenden Wahn über Metallveredlung sich nicht zu entziehen vermochten. Libavius, anfänglich selbst Mediziner, später Sprachgelehrter und Historiker, glaubte fest an die Möglichkeit, unedle Metalle in Gold zu verwandeln, sowie aus diesem eine überaus heilkräftige Arznei zu mischen, obwohl ihm selbst das Experiment natürlich nicht gelang. Er starb 1616 zu Coburg als Direktor des Gymnasiums.

Dem ehrlichen deutschen Gelehrten reiht sich würdig der viel begabte phantastische Johann Baptist van Helmont, ein brabantischer Edelmann an. Sein zur mystischen Philosophie geneigtes Gemüt ließ ihn alle Eitelkeit verachten und ergoss sich dagegen im jugendlichen Strom seiner Gefühle. Aber unbefriedigt von ihren Offenbarungen, wendete er sich zur Magie, von dieser zur Theologie, die ihn mit hoher Begeisterung erfüllte. Freiwillig entsagte er allen Vorteilen seiner Geburt, trat die reichen Erbgüter, deren Besitz ihm zufiel, einer Schwester ab und versenkte sich mit schwärmerischer Innigkeit in den Dienst der Leidenden und Armen. Es begreift sich, dass er zu diesem Zweck auch die Heilkunde studierte.

Anfänglich bekannte van Helmont sich zu der alten Schule des Hippokrates und Galen. Erst als er deren Unzulänglichkeit erkannte, neigte er sich dem System des Paracelsus zu, dessen eifrigster Schüler er wurde. Seine Bildung vervollständigte sich durch die Erfahrungen, welche zehnjährige Reisen durch Frankreich und Italien ihn machen ließen. Da er später sich mit einer Dame vermählte, die ihm ein ansehnliches Vermögen zubrachte, vermochte er es, in der Zurückgezogenheit ganz seinen Neigungen zu leben. Dieser beneidenswerten Existenz machte der Tod im Jahre 1644 ein Ende.

Seiner gründlichen Bildung ungeachtet, blieb van Helmont fast in allen mystischen Irrtümern jener Zeit befangen. Gern versenkte er sich in die Betrachtung seines Ich und bildete sich ein, seine Seele in der Gestalt eines hell leuchtenden Kristalls erblickt zu haben. Fest stand ihm die Überzeugung von dem Dasein guter Geister, den Erdenpilgern zu Schutz und Schirm zugesellt. In frommer Entzückung meinte er den eigenen Genius in allen bedenklichen Lagen seines Lebens mit körperlichem Auge wahrgenommen, seinen himmlischen Ratschlägen gelauscht zu haben.

In den Ansichten dieses berühmten Mannes herrscht eine eigentümliche Mannigfaltigkeit, die sich nur durch die mystische Richtung einigermaßen erklärt. Wie Paracelsus liebte er es, mit seinen Mitteln geheimzutun, und wenn er die Bereitung einer Universalmedizin aus Gold leugnete, griff er dagegen die Einteilung der vier Elemente durch Aristoteles an, weil dieser ein Heide gewesen und darum kein Zutrauen verdiene. Den Stein der Weisen will er oft in Händen gehabt, auch Versuche damit gemacht haben. Auf sechzehn Lot erhitztes Quecksilber sei ein Viertelgran des Wunderpulvers, in Papier gewickelt, geworfen worden, worauf die flüssige Masse wie durch einen seltsamen Schlag Festigkeit gewonnen, ähnlich dem gelben Wachs, und nach der Umschmelzung des so erhaltenen Produktes hätten sich sechszehn Lot, weniger elf Gran, gediegenes Gold gefunden.

Van Helmont machte eine Menge wichtiger Beobachtungen. Ihm verdanken die Chemiker die erste Kenntnis der Gase und ihrer Wirkungen, die Ärzte umfassendere Kunde von der Säure in menschlichen Körpern und den Krankheiten, die ihr Übermaß erzeugt.

Wunderlich genug steht dem erfahrenen Mann der Glaube an die Geister, welche Regen, Donner und Blitz, Nordlicht und Regenbogen hervorbringen. Zur Heilung von Zahnweh empfiehlt er die Berührung mit dem Knochen einer Kröte. Ein unsauberes Hemd, mit Weizenmehl beschüttet und aufbewahrt, erzeugt nach seiner Vorstellung Mäuse.

Begeistert von einer in seinem Haus vorgenommenen Wandlung des Quecksilbers in Gold, trug van Helmont kein Bedenken, seinem neugeborenen Söhnchen den heidnischen Namen Mercurius zu geben. Mercurius wurde ein abenteuernder Anhänger dieser Schwärmerei, die in dem Vater durch den Einfluss gelehrter Bildung zurückgehalten und gemäßigt war. Der in wunderlichen Querzügen verbrachten Jugend, – man sagt, er habe lange unter wandernden Zigeunern gelebt, – folgte ein kaum mehr vernünftiges Mannesalter. Van Helmont der Jüngere beschäftigte sich bis an seinen Tod mit der Alchemie und erweckte durch Ausgaben, welche seine Einnahmen weit überstiegen, den Wahn, als habe er wirklich die Gold erzeugende Masse produziert. –

Vereinzelt und zerstreut, doch noch immer vertreten, erhielt sich die Idee der Golderzeugung bis in den Anfang 19. Jahrhunderts, und nicht die schlechtesten Köpfe waren es, welche dieses Lieblingskind grübelnder Spekulation zu neuem Leben zu erwecken suchten. So erbot sich im Jahre 1673 ein in Medizin und Chemie gleichberühmter Mann, Becher, aus dem Meersand an den holländischen Küsten jährlich für eine Million Taler Gold zu gewinnen. Anfangs zeigten sich die Generalstaaten nicht abgeneigt, auf diese lockende Aussicht hin mit dem projektierten Werk zu beginnen, und gestatteten dem Erfinder die Probe. Becher schmolz Meersand mit Silber und anderen Beimischungen und erzielte für eine Mark sechs Ass Gold, das sich dem Silber mitteilte.

Allerdings hätte man, um jährlich eine Million zu gewinnen, täglich eine Million verschmelzen müssen und das schreckte denn von weiteren Versuchen ab.

Die Mehrzahl der Alchemisten betrachtete den Stein der Weisen als ein Universalmittel, welches alle Metalle in jeder beliebigen Menge zu verwandeln imstande sei. Hin und wieder jedoch machte sich eine andere Meinung geltend. Wenn Einzelne die Wirkung der Substanz zu beschränken suchten, indem sie vorgaben, dass sie nur ein Metall und von diesem auch nur eine gewisse Quantität veredle, legten andere ihr erhöhte Kraft bei, welche Gold und Silber gewissermaßen aus dem Nichts zu erschaffen vermöge.

Als Vertreter dieser fast absoluten Macht des Steins zeichnete sich besonders Johann Georg Stahl aus. Er verwandelte im Jahre 1761 zu Koblenz in Gegenwart mehrerer Münzbeamten 167 Lot Kupfer, zu welchen er 7,5 Lot seines Pulvers gegeben hatte, in 232,5 Lot Mischung, die 65,5 Lot Silber enthielt. Bei einem zweiten Versuch schmolz er 25 Pfund Kupfer mit 2 Pfund Pulver, und in den erzeugten 48 Pfund und 8 Lot befanden sich 23 Pfund und 8 Lot Silber.

Diese außerordentlichen Proben erregten ein gewaltiges Aufsehen. Es war gelungen, ein wenig von dem Pulver beiseitezuschaffen. Die Münzbeamten untersuchten es genau, fanden indessen nichts Metallisches darin. Nun bot der Kurfürst von Trier dem Adepten eine ehrenvolle Stellung und reichen Lohn, wenn er ihm Silber verschaffen wolle. Stahl ging nach Trier, wo er ohne Erfolg arbeitete und seine Nächte in wilden Gelagen verbrachte. Endlich wurde der Kurfürst seiner überdrüssig, ließ ihn festnehmen und mit der Folter bedrohen, wenn er nicht gutwillig die Bereitung der Tinktur angehen werde. Als man ihn aus dem Gefängnis holen wollte, um ihn der peinlichen Frage zu unterziehen, war der Alchemist mit seinen Wächtern entflohen.