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Sagen- und Märchengestalten – Aus dem Leben berühmter Astrologen

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Aus dem Leben berühmter Astrologen

Nicht zu trennen sind die Lehre und ihre Bekenner, die Kunst und ihre Ausübenden. Alle Zeiten haben Sternkundige hervorgebracht, unter diesen aber manche, deren Neigung zu mystischen Begriffen sie von der reinen Wissenschaft ab, über die Grenze des klaren Verstandes hinaus in die nebelhaften Fernen fantastischer Deutungen verlockte. Bedeutend in beide Richtungen war Claudius Ptolemäus, möglicherweise in Ptolemais Hermeiou in Ägypten geboren. Seine Lebenszeit fällt in das 2. Jahrhundert nach Christi Geburt. Eine Zierde der alexandrinischen Schule, von den späteren Griechen mit übertriebener Huldigung der »Göttliche und Weiseste« genannt, gilt er für einen der größten Astronomen des Altertums, dessen umfassender und starker Geist nicht bloß die Sternkunde und ihre Abzweigungen, sondern auch die mathematischen Wissenschaften mit wahrem Feuereifer ergriff. Eines seiner Hauptwerke, von den Arabern Almagest genannt, besteht aus vielen Büchern, welche beinahe vierzehn Jahrhunderte lang die Hauptquelle aller Astronomie bildeten. Der wenigen, zu seiner Zeit bekannten Hilfsmittel ungeachtet verstand er es, durch sorgfältige Beobachtungen der Sonne und des Mondes die Größenverhältnisse dieser Gestirne und ihre Bewegungen zu bestimmen, wenn sich auch in diese Lehrsätze mancher Irrtum mischte. Er stellte die Regeln auf, nach denen Sonnen- und Mondfinsternisse und ihre Phasen zu berechnen waren, während er aus den teilweisen Verfinsterungen auf den eigentlichen Durchmesser der Gestirne sowie auf die Gründe der Ab- und Zunahme der Mondscheibe schloss. Er glaubte, die Erde sei als eine schwere, unbehilfliche Masse keiner Umdrehung fähig und bilde die Mitte des Weltalls, während alle Planeten, Sonne und Mond nicht ausgeschlossen, sich um dieses Zentrum her bewegen.

Sein Katalog der Fixsterne ist die älteste Aufzeichnung dieser Art, welche bis auf unsere Zeiten aufbewahrt wurde, er handelt von 1022 Sternen. Das zweite Hauptwerk des Ptolemäus ist eine Geografie, in welcher er, so weit dies mit den unsicheren und mangelhaften Hilfsmitteln überhaupt möglich war, die Lage aller bekannten Orte auf der Erdoberfläche nach den Graden der Breite bestimmte.

Seine Verdienste um die Sternkunde sind zu groß, die Irrtümer, denen er in der Sterndeutung unterlag, zu tief in den Anschauungen seiner Zeit begründet, als dass man den gelehrten Ägypter mit der Masse abergläubischer Nachahmer vermengen dürfte. Indessen erschien doch auch ihm wahrscheinlich und glaubwürdig, was Pythagoras über die Musik der Sphären annahm. Er vermochte seinen philosophischen Geist nicht zu der Überzeugung zu erheben, dass die tausend und aber tausend strahlenden Weiten, welche durch den dunkelklaren Äther ihre ungeheuren Schwingungen vollenden, ihren Schöpfer in erhabenem Schweigen anbeten. Ein drittes Werk handelt von der Macht und dem Einfluss der Gestirne auf die Atmosphäre, den Zustand und das Wirken des Menschengeschlechtes sowie auf das Leben der Erde. Diese Kunde schöpfte er aus den wunderbaren Wissensquellen seiner Heimat, wo der Strahl der Sonne selbst den empfindungslosen Stein der Memnonssäule zu Liebesgruß und Schmerzensruf entzünden konnte. Ptolemäus hinterließ in seinen hundert Sprüchen ein deutlicheres Bild der ernsten, nachdenklichen Sternphilosophie, als vielfache Beschreibungen es zu geben vermöchten. Es erscheint daher berechtigt, einige derselben hier folgen zu lassen.

»Bei der Wahl der Tage und Stunden gebrauche feindselige Gestirne, wie ein guter Arzt zur Kur sich der Gifte, wiewohl mäßig, bedient. Liebe und Hass, wenn sie in die Tat ausbrechen, verhindern die Urteile. Sie mindern das Große und vergrößern das Kleine. Wenn du ein Urteil über das Leben eines Greises fällest, urteile nicht, bevor du ermessen hast, wie viele Jahre er noch leben kann. Die Sonne ist Quelle der lebenden Kraft, der Mond jene der natürlichen. Die Sterne, welche durch zehn geteilt werden können, zeigen die Anlagen eines Geborenen zur Kunst an. Meteore und Haarsterne haben nur untergeordneten Einfluss. Ein Geist, zur Erkenntnis geschickt, erreicht mehr als einer, der sich auch noch so viel in der Wissenschaft geübt hat. Niemand vermag die Mischungen der Gestirne zu verstehen, wenn er nicht zuvor die natürlichen Unterschiede und Mischungen erkannt hat.«

Unter den Anhängern der alexandrinischen Schule befanden sich außer und nach Ptolemäus manche der Sterndeutung kundige Männer. Keiner errang einen bedeutenden Namen, und als die Araber endlich Ägypten mit ihren zahlreichen Scharen überfluteten, schien es, als wären die letzten Überreste des geheimnisvollen Wissens von ihnen nach Ost und West mit fortgerissen worden. Eine kurze Blütezeit der Astrologie unter der Herrschaft der Kalifen erschuf neue Sekten der sterndeutenden Chaldäer, bis sie endlich dort zu Grabe getragen wurde, wo ihre Wiege stand.

Während die Astrologie im Osten allmählich erlosch, wanderte sie im 8. Jahrhundert mit den Mauren gen Westen, überschiffte die Säulen des Herkules und gewann neuen Boden in dem Reich, wo der Lorbeer grünt, Myrten und Orangen ihre würzigen Düfte zu der tiefen Himmelsbläue und der glühenden Sonne emporsenden. Dort an den Höfen der maurischen Könige in Spanien entwickelte sich ein vielfarbiges und viel gestaltetes Zauberwissen – schlechtes Metall in edles Gold umzuwandeln, Wunden mittelst Spruch und köstlicher Salbe über Nacht zu heilen, die Schrift der Sterne zu enträtseln. Von Spanien aus verbreitete sich dieses Wissen nach Frankreich, Italien und Deutschland, drang selbst in die nordischen Reiche, nach England, Dänemark und Schweden.

Am 24. September 1501 gebar Clara Micheria in der norditalienischen Stadt Pavia einen Knaben, dessen Leben und Charakter sich so wunderlich gestalten sollten, wie die Anzeichen bei seiner Geburt. Der seltsame Mann, der an jenem Tag das Licht der Welt erblickte, war Gerolamo Cardano (lateinischer Name: Hieronymus Cardanus), derselbe, dessen wir oben erwähnt haben. Er selbst erzählt, dass sein Vater und seine Mutter nicht eher beisammen wohnten, bis er sein 7. Lebensjahr überschritten hatte. Der Vater trieb zu Mailand das Gewerbe eines Advokaten und rühmte sich eines besonderen Schutzgeistes. Als aber der junge Gerolamo einst gefährlich erkrankt war, wurde er von den Seinen dem heiligen Hieronymus geweiht, und diese Verleugnung des Spiritus familiaris trug ihre guten Früchte, denn der Knabe genas wider alles Erwarten. In einem Alter von 20 Jahren begann er in Pavia seine Universitätsstudien, vollendete dieselben in Padua und errang ein Diplom als Meister der Künste. Bald darauf empfing er von der Fakultät die Würde eines Doktors der Medizin. Gerolamo hielt sich abwechselnd in Mailand und Pavia auf. Das gelehrte Kollegium der Ärzte, in das er aufgenommen werden wollte, wies ihn anfänglich unter dem Vorgehen zurück, dass seine Herkunft keine legitime sei. Obwohl er jener berühmten Vereinigung späterhin angehörte, weiß man doch nicht, ob er imstande gewesen ist, diesen beleidigenden Zweifel zu lösen. Sein unruhiger Geist trieb ihn zu mannigfachen Studien. Er war nicht nur Professor der Mathematik, sondern beschäftigte sich auch ziemlich eingehend mit der Astronomie, deren mystischer Teil einen mächtigen Reiz auf sein Gemüt ausübte. Im Jahr 1547 wurde ihm durch die Vermittelung eines Freundes die Übersiedlung an den Hof des Königs von Dänemark unter überaus günstigen Bedingungen angeboten. Gerolamo lehnte jedoch unter dem Vorgehen ab, dass ihm die nordische Luft nicht zusage und er als Katholik in lutherischen Ländern nicht leben wollte. In Wirklichkeit mögen jedoch andere Gründe seinen Entschluss bestimmt haben, denn der große Gelehrte, der in seinen Werken wahrhaft abscheuliche Gedanken über das Wesen der menschlichen Seele aufstellt, war als arger Gottesleugner geradezu verschrien.

Eine Reise nach Schottland entfernte ihn 1552 auf beinahe Jahresdauer von seiner Heimat. Der Erzbischof Hamilton von St. Andrews, Primas des Reiches, litt seit Jahren an heftigen Atmungsbeschwerden, die ihm das Leben zu einer unerträglichen Pein machten. Vergebens boten die Ärzte des Königs von Frankreich und die Leibmediziner des deutschen Kaisers ihre Geheimmittel auf, um dem hohen Kranken Linderung zu verschaffen. Das Übel verschlimmerte sich immer mehr, die Pausen, welche zwischen den einzelnen Anfällen lagen, verkürzten sich fort und fort in gefahrdrohender Weise. Endlich wendete sich der hoffnungslose Erzbischof an den Italiener Gerolamo. Schon die ersten Medikamente, welche dieser seinem Patienten mit eigenen Händen fertigte, schienen Wunder zu wirken, die furchtbaren Beängstigungen ließen nach, der Atem wurde frei, und binnen zwei und einem halben Monat war der Prälat so weit hergestellt, dass ihn Gerolamo verlassen konnte. Ehe er schied, überlieferte er ihm die Arzneien, welche das Übel in der Wurzel auszurotten fähig waren. Er soll bei dieser Gelegenheit seinem hohen Pflegling eine Deutung der ihm noch bevorstehenden Schicksale gegeben und gesagt haben: »Von dem Erstickungstod, gnädiger Herr, sofern er in den Fehlern Eurer Organisation begründet war, vermochte ich Euch zu befreien. Doch ist es nicht in die Hand schwacher Sterblicher gelegt, ein unerbittliches Schicksal von dem Bedrohten abzuwenden. Euer Los ist unwandelbar, so steht es in den Sternen geschrieben, die Euch das schmählichste Ende, nämlich dasjenige durch Strick und Henkershand, verkünden.« Achtzehn Jahre später erfüllte sich die unheilvolle Prophezeiung. Der allzu ehrgeizige Hamilton wurde von einer Kommission, welche Maria de Guise, die Regentin Schottlands, gegen ihn ernannte, zum Tod durch den Strang verurteilt und im Jahre 1570 gehenkt.

Von Schottland kehrte der astrologische Arzt durch die Niederlande heim, begrüßte im Vorüberziehen die deutschen Gauen am Ufer des Rheins und betrat endlich wieder die italienische Erde, auf der ihn mancherlei Verdrießlichkeiten erwarteten. Gerolamo war ein seltsames Gemisch von frommem Aberglauben und früher Verleugnung aller Gebräuche, aller Sitten, jedes christlichen Bewusstseins. Besser, als Schilderungen von unmöglichem Inhalt, zeichnen sein fratzenhaftes Bild seine eigenen Berichte und das, was die Zeitgenossen von ihm erzählen.

»Der Schmerz«, lautet sein Selbstbekenntnis, »ist meinem Leib ein Bedürfnis, welches ich befriedigen muss, wenn die Natur es mir versagt. Ich biss mich in den Arm, nagte meine Lippen blutig oder zerrte meine Finger, bis die Empfindung des Wehs sich in Tränen löste. Der Schmerz an irgendeinem Teil meines Körpers leitete die heftigsten seelischen Erschütterungen ab, die mich oft so peinigten, dass ich mein Leben gewaltsam zu enden beschloss. Während der Geist mit den Verfinsterungen rang, die sich seiner zu bemächtigen trachteten, und eine verzehrende, alles menschliche überwältigende Unruhe mich durchraste, geißelte ich meinen Leib mit Peitschenhieben.« Diesen Stimmungen gegenüber, aus denen einzelne Züge dem Bild Torquato Tassos zum Modell gedient zu haben scheinen, als der unglückliche Dichter, vom Wahnsinn halb geheilt, Italien durchirrte, machten sich in Gerolamos leidenschaftlichem Gemüt furchtbare Reaktionen geltend. »Die Seele«, sagt er, »ist nichts anderes als das Element des Verstehens in den Erdregionen. Es tritt in die Menschen ein, soweit es die Materie, aus der sie gebildet sind, zulässt, und führt sie auf Schlüsse und zu Handlungen, welche man verständig nennen kann. Wäre der Stoff, aus dem die Tiere bestehen, ein zur Aufnahme dieses Elementes geeigneter, so würden sie nicht minder verständig handeln. Wie die Dinge aber nun einmal liegen, strahlt der Verstand in den Menschen von innen heraus, während er die Tiere gewissermaßen nur umleuchtet.«

Dieser Satz, der an sich nur überspannt oder höchstens paradox zu sein scheint, enthielt eine entschiedene Verachtung aller Menschenwürde, die sich allerdings aus den Seltsamkeiten des gelehrten Mannes erklärt. So wäre es nach ihm nur der Ton, der Grundstoff, dessen größere oder geringere Feinheit den Menschen oder das Tier ausmacht, einer der gefährlichsten Lehrsätze, da hiernach die Seele eines Hundes von gleichem Wert mit der Seele eines Menschen erscheinen würde. Dessen ungeachtet wies er alle Gunst des Königs von England zurück, weil er ihm nicht die Ehre jener Titulaturen erzeigen wollte, die der Papst ihm abgesprochen hatte. Noch erstaunlicher lautet das eigene Bekenntnis des philosophischen Mannes über ein Gebet, zu welchem er die Anweisung im Nachlass seines Vaters fand. Wer am ersten Tag des April, früh um acht Uhr, eine Bitte an die Heilige Jungfrau richtet und diese mit einem Paternoster und einem Ave Maria begleitet, darf der Erhörung sicher sein. Gerolamo will dieses Gebet in besonders dringlichen Fällen mit gutem Erfolg gesprochen haben.

Nicht zu verwundern ist, dass seine Grundsätze ihm viele Feinde schufen, dass Verfolgung über ihn hereinbrach und er endlich, im Jahre 1570, in Bologna eingekerkert wurde. Nach einigen Monaten ließ man ihn zwar wieder frei, doch nur, um seine Kette zu verlängern, denn obwohl ihm gestattet wurde, in seinem eigenen Haus zu leben, blieb er doch unter strenger Aufsicht. Im Jahre 1571 entwich er nach Rom und lebte dort bis an seinen Tod 1575. Sein Dasein fristete er durch Unterstützungen des Papstes, der sich des völlig Mittellosen erbarmte.

Üble Nachrede beschuldigte den mit wahrhaft glänzenden Geistesgaben ausgestatteten Mann eines leichtfertigen Wandels, und er selbst gesteht zu, dass ihm in seinem 74. Lebensjahr die Galanterie gegen schöne Frauen Magenweh verursacht habe. Seine weißlichen Augen erlaubten ihm, in der Nacht so sicher wie am Tag um sich zu schauen. Er bedurfte noch im spätesten Alter keiner Brille, obwohl er in den Zeiten seiner Jugend die nächtlichen Ruhestunden oft zu wilden Gelagen benutzt hatte. In Gesellschaft machte es ihm Vergnügen, durch unangenehme Erörterungen alle Anwesenden verdrießlich zu stimmen, und er erzählte zu passender oder unpassender Zeit alles, was ihm einfiel, unbekümmert um die Folgen. Das Spiel liebte er leidenschaftlich. Tage lang überließ er sich demselben und verlor mitunter nicht nur alles Geld, sondern auch die nötige Kleidung, den Schmuck und die Geräte seiner Frau. Einst völlig entblößt von Mitteln, legte er, um öffentlich erscheinen zu können, ein Kostüm an, welches er in Schottland gekauft hatte, und stolzierte nun vor den Augen der erstaunten Römer im wollenen Plaid mit nackten Beinen durch die Stadt. Ganz Bologna setzte er einst dadurch in Aufruhr, dass er auf einem dreirädrigen Karren durch die Straßen fuhr. Zuweilen schritt er langsam, ernst und feierlich daher, wie ein gelehrter Mann, der in tiefe und geistreiche Gedanken versunken ist. Dann fuhr er plötzlich auf und rannte wie toll davon.

Gerolamo hinterließ zahlreiche Werke, in denen er von den wunderbaren Dingen redet, welche ihm begegnet sein sollen. Wie sein Vater, behauptete auch er, einen Schutzgeist um sich zu haben, der ihn im Traum von den nahenden Ereignissen unterrichte oder ihn dieselben wie in einem Zauberspiegel schauen lasse.

Überdies rühmte er sich der Kunst, aus den Flecken der Fingernägel die Zukunft deuten zu können, und verfiel in prophetische Entzückungen, wann und wo es ihm beliebte. Diese großen Vorzüge vor anderen gewöhnlichen Sterblichen schützten jedoch weder seine Person, noch die Glieder seiner Familie vor Unglücksfällen, die, zumeist durch eigene Schuld herbeigeführt, oft genug über sie hereinbrachen.

Sein ältester Sohn, Giovanni Battista, war zum Doktor der Medizin promoviert worden und vermählte sich mit einem jungen Mädchen, welches ihm nicht nur kein Heiratsgut zubrachte, sondern ihn überdies noch in Bezug auf ihre Unbescholtenheit betrog. Wild und ungebärdig, wie sein Vater, benutzte der junge Gerolamo die Kenntnis der Arzneimittel, die ihm zu Gebote stand, und vergiftete sein Weib. Er wurde eingezogen, in das Gefängnis gesetzt und einem Verhör unterworfen. Er leugnete sein Verbrechen auch keineswegs, rühmte sich desselben vielmehr als einer Sühne der seiner Ehre angetanen Kränkung. Anders sahen jedoch die Richter, unter denen sich persönliche Feinde des alten Gerolamo befanden, die Sache an. Ihren Hass besänftigte kein Milderungsgrund, und sie verurteilten Giovanni Battista zum Tod. Er wurde im Alter von 25 Jahren um Mitternacht in seinem Kerker enthauptet. Als Hieronymus Cardanus diese Nachricht empfing, geriet er in einen Zorn, der an Wahnsinn grenzte. Er sah das, was sein Sohn getan hatte, als einen von der Ehre gebotenen Racheakt an, als das einzige Mittel, die ihm zugefügte Schmach zu tilgen. Und er sprach jedem Richter der Welt das Recht ab, in einem solchen Fall einen freien Mann zu verurteilen. Indessen verhallten die Ausbrüche seines Schmerzes und seines Unwillens fruchtlos, denn die Mitwelt hatte sich gewöhnt, ihn als einen Magier und Abtrünnigen zu betrachten und keine Stimme erhob sich zur Unterstützung des beleidigten Vaters.

Ebenso wenig Freude erblühte ihm aus seinen anderen Kindern. Der zweite Sohn war ein entschiedener Taugenichts, dessen leichtsinnige Handlungen ihn häufig ins Gefängnis führten. Der eigene Vater sendete ihn dorthin, in der vergeblichen Hoffnung, durch einsame Stunden den verirrten Geist zum Nachdenken zu führen. Selbst der Umstand, dass ihm ein Ohr abgeschnitten wurde, blieb ohne alle Wirkung auf den jugendlichen Verbrechen, der endlich enterbt und auf immer aus dem elterlichen Haus gestoßen wurde. Außer diesen beiden Söhnen hatte Gerolamo noch eine Tochter, welche aller Wahrscheinlichkeit nach dem gelehrten Mann sehr unbedeutend erschien, denn er weiß von ihr nur zu sagen, dass ihn zweierlei an ihr geärgert habe: erstens, dass er ihre Aussteuer bezahlen musste, und dann, dass sie ihn nicht durch Enkel belohnt habe.

In seinen Werken springt er oft von dem Gegenstand ab, den er behandelt, sobald in seinem raschen Geist ein anderer Gedanke sich Bahn bricht. Niemals gab er sich die Mühe, Übergänge für den Leser zu vermitteln und ließ schwierige Punkte, die ihm völlig geläufig waren, unerörtert, was seiner Schreibart etwas Verworrenes gibt. Zuletzt sank er zu einem Verfertiger kleiner Kalender herab. Er soll sein Ende aus den Sternen auf das Jahr 1575 oder 1576 vorhergesagt haben.

Nicht minder romantisch gestaltete sich das Leben eines anderen berühmten Astrologen. Im Jahre 1546 wurde dem Herrn Otho de Brahe auf Kund-Strup in Schonen ein Sohn geboren, welchen er Tycho nannte und dem Rang seines Hauses gemäß zu erziehen beschloss. Deshalb sollte der Knabe die Rechte studieren. Wenn nun auch die Lehrer über des Vaters Wahl die Köpfe schüttelten, weil der aufgeweckte Knabe ein seltenes Vermögen bewies, schwere mathematische Lehrsätze zu fassen und große Aufgaben zu lösen, so dachten sie doch, dass, was in einem so heiklen Punkt des Wissens sich frühzeitig biege, auch im Jus ein Häkchen werden und was Rechtes lernen werde. Tycho bewegte nun gar andere Dinge in seinem Kopf. Auf das Jahr 1560 hatten die gelehrten Sternseher eine Sonnenfinsternis angekündigt. Monat, Tag und Stunde, und selbst die Minute vorherbestimmt.

So war denn endlich von nichts anderem mehr die Rede, als von dem bevorstehenden Ereignis. Staunend und mit weit geöffneten Augen sog der 14-jährige Tycho die Kunde all der Dinge ein, die sich vor seinen begierigen Sinnen ereignen sollten. Als nun wirklich zu der so lange vorher festgesetzten Zeit und im bezeichneten Augenblick der düstere Mondschatten das helle Sonnenlicht zu verdunkeln begann, gelobte er sich mit teuren Eiden, dass er sein Leben und alle Kräfte seines Geistes daransetzen wolle, einer jener Männer zu werden, denen der Himmel ein offenes Buch ist mit deutlich lesbaren, goldenen Lettern der Sternenschrift.

Die kalte Jurisprudenz vermochte nicht, ihn der göttlichen Wissenschaft zu entfremden. Er bezog die Universität zu Leipzig, auf welcher alle berühmten Rechtsgelehrten jener Zeit studiert hatten, zeigte sich aber als ein unbegabter, lauer Schüler der Themis. Dafür oblag er heimlich um so inniger der Sternenkunde.

Reisen durch Italien und Deutschland, welche er demnächst unternahm, füllten seine Seele mit neuen Vorstellungen und machten seinen Willen unlenksamer. In die nordische Heimat zurückgekehrt, gab er sich ohne Rückhalt seinen Neigungen hin und führte dadurch eine gewisse Spannung mit seiner Familie herbei, die sich zu einem förmlichen Bruch gestaltete, als er bald darauf ein Liebesverhältnis mit der schönen Tochter eines Bauern zu Kund-Strup anknüpfte und in der Reinheit seiner Empfindung die Jungfrau zur ehelichen Gemahlin erkor. Er trug den Hass seiner Familie wie ein Mann und lebte der Wissenschaft und seiner Gattin, bis König Friedrich II. von Schweden den Zwist schlichtete und die Parteien versöhnte.

Kaiser und Fürsten hatten vergebens den raschen, ehrgeizigen Tycho zu fesseln gesucht. Er wusste sich frei zu erhalten inmitten der glänzenden Anerbieten und blieb seinen nordischen Eilanden treu. König Friedrich schützte diese Anhänglichkeit nach Gebühr, er überließ dem Herrn von Brahe die Insel Ven, deren steile Ufer hoch aus dem Öresund emporsteigen, und wies ihm genügende Mittel an, anzubauen. Dort erstand die glänzende Sternwarte, welche Tycho aufrichten ließ und der himmlischen Muse zu Ehren Uraniborg nannte. Neben dem Schloss ragte der Stjerneborg in die Lüfte empor, ein gewaltiger Turm, auf dessen Höhe in klaren Nächten das Fernrohr den Himmel nach allen Richtungen zu durchforschen vermochte. Dort soll Tycho mit seiner Schwester Sophie, welche in sein Haus gezogen war, aus den verschiedensten Stoffen im chemischen Prozess die große Medizin gesucht, aber nicht gefunden haben. Dort folgte sein Auge den leuchtenden Schweifsternen, wenn sie wie eine Kriegesrute hoch und drohend am Himmel standen, in ihrem regellosen Gang, in Kern und Wesen seinem eigenen Sinn nicht allzu unähnlich, wie die Zeitgenossen behaupten wollen. Dort schuf er aus dem alten System des Ptolemäus ein neues, zwar nicht minder geistvoll, aber eben so irrig. Auch ihm erschien der Erdball feststehend, unbeweglich, Sonne, Mond und Sterne im abweichenden Reigen um ihn her. Neues fand er in den Bewegungen des Mondes. Neues in der Berechnung der Sternenbahnen, viele Gestirne entdeckte sein Auge mithilfe der Instrumente, welche er dazu fertigte. Gern teilte er von den wunderbaren Rezepten mit, die er in seinem chemischen Laboratorium gegen Krankheiten erfand, welche bis dahin für unheilbar galten, und, ein echter Ritter seines Heldenlandes, trieb er in mäßigen Stunden Poesie und schöne Wissenschaften.

Seiner lebhaften Fantasie, dem feurigen Drang, der ihn beseelte, ein Adept zu sein, mussten Alchemie und Astrologie gleich verderblich werden. Wer einmal den Vorhang zu lüften wagt, der die Geisterwelt von der Wirklichkeit scheidet, vertraut sich dem ungewissem Meer an, ohne zu ahnen, wohin die Wogen ihn schaukeln werden, und lädt nicht selten den Fluch des Lächerlichen auf das Werk, dem er sich allzu bereit hingegeben hat. Bald klagten Spötter den gelehrten Astronomen an, dass ihm die Sterndeutung den Kopf verdreht habe. Er glaube an Gespenster, an Ahnungen, an üble Vorbedeutungen in solchem Grad, dass der Anblick eines alten Weibes genüge, ihn von einem Ausgang zurückzuhalten, möge der Zweck, den er verfolge, auch noch so dringend und wichtig sein. Eine Mühe, die ihn von ihrem luftigen Sitz herab mit ihrer unschönen Stimme begrüße, ein Hase, der über seinen Weg laufe, seien dem großen Mann sichere Verboten eines nahenden Missgeschicks.

König Friedrich starb, ihm folgte Christian IV. Unglückseligerweise hatte Tycho, der in seiner heftigen, spöttischen Weise manchen Feind gewann und manchen Freund verlor, viele Widersacher bei Hof. Es hielt nicht schwer, den Astronomen zu verunglimpfen, dessen Horoskope nicht immer eintreffen mochten, der aber eine beträchtliche Pension bezog, welche auf die beschränkten Mittel des königlichen Haushaltes einen ziemlich drückenden Einfluss übte. Dem jüngeren Fürsten gegenüber zeigte sich das Wesen Tychos auffahrend und undankbar, der Same der Zwietracht, der längst ausgestreut war, begann aufzugehen, und endlich entzog der erzürnte König dem Gelehrten Geld und Schutz und zwang ihn auf diese Weise zur Wanderung in die Fremde. Im Jahre 1598 verließ Tycho de Brahe sein geliebtes Dänemark für immer. Er wandte sich zunächst Deutschland zu, und folgte dann einer Einladung Kaiser Rudolphs II. nach Prag. Königlich empfangen und kaiserlich gehalten, mit reichen Geschenken und hohen Ehren überhäuft, starb er bereits im Jahre 1601, wie man sagt, an den Folgen einer Erkältung. Zeitgenossen berichten, was ebenso unzuverlässig ist, er habe im fürstlichen Kreis nicht gewagt, die Tafel zu verlassen, um einem natürlichen Bedürfnis zu genügen, und sei an den Folgen davon gestorben.

Tycho wird uns geschildert als ein schöner, wohlgewachsener Mann mit dunklem Haar und Bart, mittelgroß, feurigen Auges, edelmütig und wohltätig, solange er nicht gereizt wurde. Er dichtete, ohne sich an die Regeln des Versbaues zu kehren, scherzte gern, ertrug aber selbst keinen Scherz, bestand hartnäckig auf der einmal gefassten Meinung und duldete niemals Widerspruch.

Ein ganz anderes Verhältnis als diese gelehrten Männer Gerolamo und Brahe nahm Nostradamus zur Astrologie ein, im vollsten Sinne ein Jünger derselben. Michel Nostradamus oder de Nostredame wurde 1503 in Saint-Rémy-de-Provence, im Land der Troubadours, geboren. Sein Leben verfloss zum größten Teil in abenteuerlichem Umherziehen. Obwohl Doktor der Medizin, beschäftigte er sich viel und leidenschaftlich mit den geheimen Wissenschaften, besonders mit der Astrologie, dichtete zu Salons seine prophetischen Zenturien und erwarb sich durch allerlei Künste das Wohlwollen Heinrichs II. und seiner Gemahlin, der Ränkevollen, abergläubischen Katharina von Medici. Mit den natürlichen Gaben eines Hofpropheten mehr als hinreichend ausgestattet, unverschämt und kriechend zugleich, bewahrte er den Fürsten gegenüber eine gewisse äußere Würde, unter der sich die schlaueste Berechnung und tiefe Kenntnis der menschlichen Schwächen verbargen. Ein besonderer Zufall kam ihm sehr zustatten.

Der unerwartete Tod Heinrichs in der Blüte seines Lebens schien mit allen Nebenumständen von Nostradamus vorherverkündet zu sein. Der König veranstaltete zu Paris glänzende Feste zu Ehren der Vermählung seiner Schwester, der Prinzessin Margarethe, mit dem Herzog von Savoyen, Emanuel Philibert. Bei dem Turnier ritt er selbst gegen den Führer seiner schottischen Garde, den alten, wackeren Gabriel de Montgommery, dessen Lanze zersplitterte, während die des Königs unversehrt blieb. Erhitzt vom Wein spornte Heinrich sein Ross und wiederholte den Stoß, ehe der überraschte Gegner Zeit gewann, eine frische Lanze zu ergreifen. Montgommery behielt in der Verwirrung den zersplitterten Schaft in der Hand und traf damit das Helmgitter des Königs so unglücklich, dass er ihm das Auge durchbohrte und Heinrich an der empfangenen Wunde starb. Dieses traurige Ereignis soll im 35. Quatrain der ersten Zenturie ungefähr so vorausgesagt worden sein: »Den jungen Löwen übermag der alte auf kriegerischem Feld. Seltsamer Streit! Die Augen ihm durchs goldne Gitter raubend, zwei Wunden eine, sterbend dann, – grausamer Tod!«

Die Herzogin Margarethe und ihr Gemahl verschmähten von jener Zeit ab den Rat des wunderbaren Propheten nicht. Katharina und Karl IX., ihr Sohn, würdigten das bescheidene Haus zu Salons ihrer hohen Gegenwart, und es schien sich für Nostradamus eine Reihe der herrlichsten Aussichten zu eröffnen, als er plötzlich im Jahre 1566 starb.

Bedeutender und berühmter war Jean Baptiste Morin. Geboren am 23. Februar 1583 in Villefranche, offenbarte er frühzeitig glänzende Anlagen des Geistes, welche zu Aix in der Provence, wo er Philosophie studierte und zu Avignon ausgebildet wurde. Auf der gelehrten Schule dieser alten und berühmten Stadt widmete Morin seine Zeit der Medizin und wurde zum Doktor promoviert, als er sein dreißigstes Jahr vollendet hatte.

Der Erzbischof von Boulogne, Claude Dormi, nahm ihn wenige Monde später in seinen Schutz und sendete ihn von Paris aus, wohin Morin inzwischen gegangen war, in die ungarischen Bergwerke, um dort wissenschaftliche Untersuchungen über die Natur der geförderten Metalle anzustellen. Indessen mochte der wiederholte Aufenthalt in den tiefsten Schächten dem gelehrten Mann eine Neigung zu seltsamen, wenn nicht gar übernatürlichen Dingen eingeflößt haben, denn er veröffentlichte bei seiner Rückkehr ein Buch über die drei Regionen der Erde. Dieser Lehrsatz fand manche Anhänger und unter ihnen war Herr du Vair, anfänglich erster Präsident des Gerichtes zu Aix und in reiferen Jahren Schüler des ehemaligen Mathematikers, später, unter Ludwig XIII., Großsiegelbewahrer von Frankreich. Diese gewichtige Persönlichkeit munterte den Schriftsteller auf, sich seinem früheren Studium wieder zuzuwenden, und das würde geschehen sein, wenn nicht eine neue Verbindung, welche Morin in dem Haus seines Gönners, des Erzbischofs, angeknüpft, ihn mit dem Hofastrologen dieses geistlichen Herrn in mannigfaltigen Verkehr gebracht hätte.

Dieser, der Schotte Davison, war zu jener Zeit nichts mehr und nichts weniger als ein Hofastrologe, dürftig in Bildung, reich an Intrigen und beständig auf der Hut, durch seine Prophezeiungen die Gunst des Hochmögenden nicht zu verscherzen. Die medizinischen Kenntnisse seines neuen Freundes weckten in der Seele des Astrologen eine lang schlummernde Begier und eine unbezwingliche Sehnsucht, seine bisherige Beschäftigung beiseite zu werfen, um in tüchtigem und nützlichem Studium einen neuen Lebensquell zu finden. Die späte Arbeit wurde glänzend gekrönt. Davison hielt in der Folge besuchte Vorträge über Chemie, welche ihm einen so großen Ruf brachten, dass er erster Leibarzt der Königin von Polen wurde. Wie den Schotten die Unzuverlässigkeit der Astrologie zur Medizin hinüberführte, schreckte die Unsicherheit der Arzneikunde Morin zurück und warf ihn in die Arme der trügerischen Sterndeutung. Im Jahr 1617 fand er das erste wichtige Resultat in der neuen Wissenschaft und eilte, seinen Herrn davon zu benachrichtigen, dem Erzbischof drohe eine große Gefahr, Tod oder mindestens Gefängnis. Der Prälat, obwohl nicht unempfänglich gegen die Macht der Gestirne, lächelte spöttisch über eine Warnung, die seines hohen Amtes unwürdig schien. Er wurde kurz darauf in der Tat verhaftet und in den Kerker geworfen, weil er sich in verschiedene Staatsintrigen eingemischt hatte. Von diesem Zeitpunkt an, nämlich vom Jahr 1617 bis 1621, fand Morin eine Zuflucht bei dem Abbé de la Bretonniere und widmete sich wiederum der Medizin als einer Wissenschaft, die im gemeinen Leben sichere Basis hat. Erst 1621 bot sich dem Astrologen ein neuer Beschützer in der Person des Herzogs von Luxemburg, der von Morin nicht gerade günstig geschildert wird. Die besonderen Wohltaten des astrologischen Wissens gingen an diesem kriegerischen Herrn verloren, und der fortgesetzte Undank desselben trieb endlich Morin aus seinem Palast. Durch den Tod des Professors Sainclair war eine überaus günstige Stellung frei geworden, um welche Morin sich mit Erfolg bewarb, wie man sagt, begünstigt durch Maria von Medici. Im Jahr 1630 wurde er als königlicher Professor der Mathematik vereidigt.

Freunde suchten ihn zu einer Ehe mit der reichen Witwe seines Vorgängers zu bewegen. Er empfand jedoch eine natürliche Abneigung gegen jede Heirat, weil er in den Sternen gelesen hatte, dass Venus ihm Unglück bringt. Mancherlei Widerwärtiges hatte sich für ihn auch aus dem Verkehr mit Frauen ergeben. Einst empfing er sogar in einem wegen einer Frau veranlassten Streit mehrere schwere Wunden. Als er endlich, dem Drängen nachgebend, sich im Feierkleid, mit Degen und Perücke zur Wohnung der Frau Sainclair begab, fand er die Türen geöffnet und alle Räume schwarz ausgeschlagen, die gute Dame war mittlerweile gestorben und sollte eben zu ihrer letzten Ruhestätte geführt werden. Diese Bestätigung des astrologischen Urteils erschien Morin wie ein Zeichen seines guten Engels, und er fand darin die Kraft, allen Überredungskünsten zum Trotz unvermählt zu bleiben.

Bevor der Sterndeuter das Hôtel Luxemburg auf immer verließ, schleuderte er eine böse Prophezeiung in das Herz des undankbaren, fürstlichen Bewohners, dem er tödlichen Ausgang einer Krankheit, die ihn ergreifen sollte, binnen zweier Jahre verhieß.

Als das Ende des Fürsten zu der vorher bestimmten Zeit wirklich eintrat, wollte man behaupten, dass Morin in diesem Fall mehr als Arzt, denn als Sternkundiger gesprochen habe. Indessen war der Herzog nicht der Einzige, den der Unwille des Astrologen traf. Man berichtet gleichzeitig, dass der allmächtige Minister Frankreichs, der Kardinal von Richelieu, das Missgeschick hatte, Morins Zorn zu erregen. Die seefahrenden Mächte, von der Wichtigkeit der Mathematik für Seekarten und neu entdeckte Länder durchdrungen, hatten nämlich einen bedeutenden Preis für denjenigen ausgesetzt, dem es gelingen würde, die geografische Länge genau zu berechnen. Morin glaubte, das Problem gelöst zu haben, und erhob Ansprüche auf die hunderttausend Livres, welche Holland, so wie auf die dreimal hunderttausend, welche Spanien für den Entdecker hinterlegt hatte. An dem Kardinal war es, durch seine Vermittelung den Preis für Morin zu erwirken, als es sich unglücklicherweise herausstellte, dass die Berechnung des Letzteren unrichtig sei. So lange Richelieu lebte, durfte der ergrimmte Astrologe nicht wagen, seinem Zorn Luft zu machen. Er musste wider seinen Willen das Horoskop des mächtigen Mannes stellen, andere kleine Dienste nicht zu erwähnen, welche der Kardinal von ihm forderte und Morin nicht abzulehnen wusste.

Die einzige Befriedigung seiner rachgierigen Laune bestand in einer empfindlichen Kälte und Zurückhaltung, die Richelieu nicht einmal zu bemerken schien. Im Palast der Eminenz war es auch, wo Morin dem edlen, jugendlichen Schwärmer, dem Marquis von Einqmars, begegnete, ohne ihn zu kennen. »Dieser bleiche Jüngling«, sagte der Astrologe, nachdem er ihn eine Weile aufmerksam betrachtet hatte, »wird durch das Schwert des Nachrichters sterben.« Einqmars, der Liebling des Königs, ging mit dem verwegenen Plan um, Richelieu, den Erbfeind des französischen Adels, von seiner usurpierten Höhe herabzustürzen. Der Anschlag misslang, und Einqmars wurde, von dem feigen Ludwig XIII. verleugnet, ins Gefängnis gesperrt und enthauptet.

Nach dem Tod des Kardinals gab der gekränkte Mathematiker allen Empfindungen des Hasses Ausdruck, welche er so lange in seines Herzens Tiefen verschlossen hatte. Er warf dem allgewaltigen Minister vor, dass er die Übel heraufbeschworen habe, welche die europäischen Staaten zerfleischten. Mit gerechtem Unwillen verweilte er bei der Kriegserklärung, welche Frankreich im Jahre 1635 an Spanien machte. Keiner der gesetzgebenden Faktoren war dabei zurate gezogen worden, weder Adel, noch Geistlichkeit, noch Generäle, – nicht einmal die Sterne! Sehr viel günstiger urteilte Morin über den Nachfolger Richelieus, den Kardinal Mazarin, der seine Dienste mit einer pünktlich ausgezahlten Rente von zweitausend Franken jährlich belohnte.

Der Astrologe schwang sich durch glückliche Prophezeiungen zu hohen Ehren auf, am meisten durch sein Horoskop Ludwigs XIII. Der König lag zu jener Zeit schwer krank in Lyon, und die Königin Mutter, Maria von Medici, forschte angstvoll nach dem Ausgang des Leidens. Die Astrologen stimmten darin überein, dass Ludwig sterben würde. Da beauftragte sie den Kardinal von Berulle, das Horoskop noch einmal durch Morin stellen zu lassen, und die Antwort lautete beruhigend: Zwar sei die Krankheit des Königs von schwerer und bedenklicher Art, doch werde er genesen.

Als diese Vorhersagung sich wörtlich erfüllte, wurde Morin fürstlich belohnt, die falschen Propheten aber auf die Galeere geschickt. Zu gleicher Zeit wusste er sich durch einige nützliche Winke bei Vautier, dem ersten Leibarzt des Königs, dergestalt in Gunst zu setzen, dass dieser seine förmliche Anstellung als Hofastrologe und Beirat der königlichen Leibmedici beantragte. Die Sache zerschlug sich zwar, doch blieb der gelehrte Astrologe in steter, unmittelbarer Verbindung mit dem Hof. Eines Morgens ließ er den König ersuchen, sein Gemach nicht zu verlassen, weil ihm ein Unglück drohe, und die Achtung vor den Aussprüchen des Mannes war so groß, dass Ludwig dieser Warnung Folge zu leisten beschloss. Nach aufgehobener Tafel von Langeweile geplagt, stieg er jedoch in den Garten hinab, um Vögel zu fangen, fiel auf der Treppe und verletzte sich. »Sagt es nur Morin nicht«, schärfte er seiner Umgebung ein, »er triumphiert zu sehr.«

Richelieu wünschte dringend zu wissen, wie lange der große Feind der katholischen Liga, Gustav Adolf von Schweden, leben werde. Er sendete daher einen Zettel an Morin mit dem Auftrag, ihm das Horoskop der Person, deren Geburtsstunde sich darauf verzeichnet fand, zu stellen. Die Berechnung wäre richtig ausgefallen, wenn nicht die Angabe des Kardinals einen Fehler enthalten hätte, denn es war zwar die Stunde, doch nicht die Minute der Nativität bemerkt. Nach dem Tod des schwedischen Helden gelang es Morin, wie er selbst behauptet, das erbeutete Schwert desselben in seine Hände zu bekommen, auf welchem er talismanische Zeichen enträtselt haben will.

Im Ganzen glücklich, unterlag die prophetische Gabe des viel gesuchten Mannes doch auch manchem Irrtum. Als er den Tod Richelieus voraus verkündete, fand sich eine Differenz von zehn Stunden. Seine Gönnerin, Maria von Medici, musste den Verfolgungen ihrer Feinde weichen, ungewarnt von Morin, der ihr Horoskop erst auszuarbeiten begann, als die hohe Frau Frankreich für immer verließ. Weder ihre tränenreiche Flucht noch ihr klägliches Ende zu Köln wusste Morin vorherzusagen, obwohl er ihrer Huld einen großen Teil seines Glücks verdankte. Es schien zuweilen eine gefährliche Blindheit über ihn zu kommen.

Wie mancher andere unternahm der Staatssekretär Graf Chavigny nichts ohne den Beistand seines getreuen Astrologen und Freundes, der von jedem Besuch Chavignys bei dem allvermögenden Kardinal eine Art Prognostikon stellen musste. Mit der ängstlichsten Treue befolgte der Graf jede Anweisung, die er von Morin erhielt, und es schien in der Tat, als könnten die Sterne günstige Stunden für politische Unternehmungen, für Heiraten und Reisen, kurz für alle wichtigen Momente des Lebens schaffen und erforschen helfen. Endlich verhieß Morin dem Staatssekretär eine Krankheit, welche nicht eintrat. Stattdessen wurde Herr von Chavigny verhaftet und ins Gefängnis geworfen.

Der Todestag Ludwigs XIII. sollte eine Quelle schwerer Anfeindungen und bitterer Kränkungen für den Propheten werden.

Damals lebte der berühmte Pierre Gassendi in Paris, Professor der Mathematik, Philosoph, Astronom und Astrologe zugleich. Gassendi zeigte schon als Kind, kaum vier Jahre alt, die reichsten Anlagen.

Eines Abends stritt der kleine Sternseher, dem es leicht wurde, stundenlang unbeweglich zu liegen, wenn er dabei nur den Nachthimmel unverhüllt über sich sah, mit seinen Gefährten über die Bewegung der Wolken und des Mondes. Als dieselben behaupteten, die Wolken ständen still, der Mond ziehe vorüber, führte Gassendi sie unter einen Baum und hieß sie durch die Zweige emporschauen, um sich zu überzeugen, wie das Gewölk in raschem Zug seinen Stand verändere und die Mondscheibe immer den gleichen Ort behaupte. In der Folge wurde der sanfte, geistvolle Jüngling mit den Würden der gelehrten Welt überschüttet, sodass er in einem Alter von 16 Jahren Professor der Redekunst, mit 24 Jahren Professor der Philosophie und Theologie, Probst zu Digne, seiner Heimatstadt, und nebenher ein tüchtiger Astronom war. Anfänglich trieb er die Sternkunde nur aus Vorliebe für die Deutung derselben. Da ihm aber früh genug die Richtigkeit der Astrologie klar wurde, gab er das unnütze Studium auf. Indessen befähigten ihn die einmal erworbenen Kenntnisse zu mannigfachen Verbindungen mit den Astrologen seiner Zeit, besonders mit Morin, der den Glauben an die Unfehlbarkeit der prophetischen Kunst bis zum Fanatismus trieb.

Gegen Ende des Monats April 1643 kam der Astrologe zu Gassendi und teilte ihm mit, dass er das Horoskop des kranken Königs durchforscht habe. Der 3. Mai sei ein gefährlicher Tag für denselben, aber erst am 8. werde er sterben. Ludwig XIII. war zu dieser Zeit von den Ärzten bereits aufgegeben und sein Tod für die ersten Tage des Mai vorhergesehen. Gassendi hatte zu viel von den Einflüssen der mystischen Wissenschaft in sich aufgenommen, um ganz vorurteilsfrei zu sein. Ihm schien es nicht unmöglich, dass die Astrologie einen Triumph feiern könnte, und er harrte deshalb auf den Tod des Königs mit jener Spannung, welche der Lösung eines wichtigen Problems notwendig vorhergeht. Ludwig überlebte das von Morin gesteckte Ziel um sechs volle Tage, und hierauf erwies sich die Unzulänglichkeit seines Horoskops.

Im Jahr 1642 hatte Gassendi zwei Briefe gegen die Anhänger des ptolemäischen Systems geschrieben und veröffentlicht.

Morin fühlte sich dadurch getroffen und beleidigt. Ein von ihm verfasstes Buch erging sich in den heftigsten Ausdrücken gegen Gassendi, der zwar eine Erwiderung schrieb, aber, nachdem er sich mit Morin ausgesöhnt hatte, versprach, sie nicht drucken zu lassen.

Weniger mild dachten hierüber seine Anhänger. Sie versahen das Buch noch mit einer fulminanten Vorrede und gaben es ohne Wissen und Willen Gassendis heraus. Dieser richtete sofort ein entschuldigendes Schreiben an Morin, dessen Empfindlichkeit aber in einem Grad verletzt war, dass er die Unziemlichkeit beging, das Schreiben Gassendis, von einer Schmähschrift begleitet, zu veröffentlichen. Ein zweiter Brief Gassendis hatte dasselbe Schicksal, und nun brach dieser allen Verkehr mit einem Mann ab, der so wenig philosophische Würde zeigte. Dafür überschütteten heißblütige Freunde Morin mit Spott und witzigen Parodien, bis der aufs Äußerste gereizte Astrologe seinem Gegner für das Jahr 1650 eine tödliche Krankheit verhieß. Die Drohung der Sterne blieb jedoch unerfüllt, Gassendi befand sich gerade zu dieser Zeit wohler denn je. Über Morin ergoss sich aber infolgedessen eine wahre Sintflut boshaften Humors, mit so viel Ernst vermischt, dass er fast um seinen ganzen früheren Ruhm gebracht wurde.

Für den Ärger, welchen ihm diese Federkriege verursachten, suchte ein günstiges Geschick den Philosophen zu entschädigen, indem es ihn ab und zu in seinen Berechnungen unterstützte. Die Königin Christine von Schweden erklärte ihn für den gelehrtesten Astrologen der zivilisierten Welt, und Maria Luise von Gonzaga glaubte um so bereitwilliger an ihn, da er ihr eine Königskrone verhieß. Sie bezahlte mit fürstlicher Freigebigkeit die Kosten seines Werkes über die Astrologie, an das er dreißig Jahre seines Lebens gewendet hatte. Die Veröffentlichung desselben war ihm aber nicht völlig beschieden, denn kaum verließen die ersten Druckbogen die Presse, als er 1656 starb.

In seinen hinterlassenen Werken entwickelt Morin viel angefochtene und wunderliche Theorien, z. B. die Lehre von den Atomen, kleinen, schimmernden, einzeln kaum sichtbaren Stäubchen, aus denen sich nach einem festen Gesetz die ganze Schöpfung von selbst zusammenfügt. Wie Gerolamo versteht er es, sich in so überschwänglichen Ausdrücken zu preisen, dass selbst dem begeisterten Anhänger die Worte des Lobes dadurch von den Lippen genommen werden. Jedoch teilt er auch die Selbstanklage des ihm in vielen Dingen so ähnlichen Kollegen, indem er Ungünstiges berichtet, aber in einer Weise, welche eben nur die Genialität seiner Natur bis in die Schattenpartien erläutern soll. Er ist es, von dem eine bekannte Geschichte anekdotengleich erzählt wird.

Vater und Mutter erkrankten einst zur selben Zeit an gefährlichen Übeln, und man verzweifelte an ihrem Auskommen. Der kleine Jean Baptiste lag mit dem Bruder in einem Bett und beide sprachen, wie Kinder es pflegen, von dem schlimmen Ereignis, welches sie bedrohte, ohne nur daran zu denken, dass die Eltern ihre Worte vernehmen möchten.

»Höre«, sagte der künftige Philosoph zu seinem Bruder, »wenn einer sterben muss, so wäre es mir lieber, wenn es die Mutter träfe.« Dieser kindliche Wunsch wurde von der Mutter belauscht, die seit diesem verhängnisvollen Augenblick den Knaben mit solchem Hass verfolgte, dass sie ihm ihren Fluch gab, ihn enterbte und der Beichtvater sie nur mit äußerster Mühe dazu vermochte, die Verwünschung zurückzunehmen und Jean Baptiste ein kleines Legat auszusetzen.

Umfangreich, aber durchaus wertlos würde eine Geschichte aller jener wunderlichen Gestalten des 16. und 17 Jahrhunderts sein, die von Land zu Land zogen, immer aber, im Gefühl der Nichtigkeit ihrer Kunst, mit zweideutiger Treue verschiedenen Parteien zu dienen wussten. Für sie gab es, wie für die Jünger der Alchemie, gewisse Stationen, an denen sie nicht zu landen wagten, andere, wo sie, mit offenen Armen empfangen wurden, reicher Belohnung sicher waren. Von dem Hoflager des freigebigen, ritterlichen Königs der Ungarn, Matthias Corvinus, lockten reiche Versprechungen den stattlichen Galeotti Martivalle zu den Franzosen hinüber, wo er seine hochgespannten Erwartungen nicht sonderlich befriedigt sah, denn Ludwig XI. war ein Fürst, der es liebte, wohlfeile Hoffnungen statt klingender Münze auszusäen. Er hielt den gefangenen Astrologen eng im goldenen Käfig, scheinbar frei, doch gut bewacht. Mehr als einmal hing das Leben des Sterndeuters an dem Seidenfädchen seiner Prophezeiungen, mehr als einmal streckte des Königs guter Freund und Gevatter, der furchtbare Tristan L’Hermite, seine blutige Hand nach ihm aus. Das hinderte nun den schlauen Italiener nicht, Intrigen anzuspinnen und sich den Zufall, der nicht selten die Schurken unterstützt, dienstbar zu machen, sodass Galeotti aus den mannigfachen Gefahren siegreich hervorging und sich den Ruf eines weisen und gelehrten Mannes bewahrte.

Nicht minder ränkevoll und eben so glücklich durchschiffte William Lilly, der berühmteste englische Astrologe, das stürmische Meer der politischen und bürgerlichen Kriege. Heute richtete er das Horoskop seines unglücklichen Fürsten, König Karls I., und verhieß ihm, dass er mit starker Hand das rebellische Parlament besiegen werde. Morgen sendete er den Führern eben jenes Parlaments die Nachricht, dass sie über den König triumphieren würden, und strich dann frech die Belohnungen ein, die ihm von beiden Seiten geboten wurden. Dieser ehrenwerte Mann starb 1681 in Ruhe und Frieden auf einem hübschen Landgut, zu welchem ihm seine Verrätereien die Mittel geliefert hatten.

Wie Lilly zwischen Karl I. und dem Parlament seine Rolle spielte, wie Galeotti Ludwig XI. an den Kardinal Balue und diesen wieder an Karl den Kühnen von Burgund verkaufte, so verriet auch Battista Seni, der Astrologe des Herzogs von Wallenstein, seinen Herrn an den Kaiser. Er las aus den Sternen das Los des ehrgeizigen Mannes und deutete es auf ein selbstständiges Reich, auf ein mächtiges Königtum, diesen heißesten Wunsch des verblendeten Herführers. Er war es ohne Zweifel, der in Wallensteins Gemüt die verderbliche Idee entzündete, sich von dem Kaiser loszureißen, und der ihn verriet, als seine Einflüsterungen Früchte zu tragen begannen.

Mitten in jene Zeit fällt die Erscheinung des großen Kepler, der in der Selbstverleugnung des wahren Genius jenen goldgierigen Betrügern ehrgeiziger Fürsten gegenübersteht. Johannes Kepler war der Sohn adliger Eltern, deren Vermögen durch allerlei Unglücksfälle verloren gegangen war, sodass ihm als einziges Erbe eine reine Frömmigkeit, reiche Anlagen des Geistes und Herzens und jenes Missgeschick verblieb, welches oft ohne erklärliche Ursache eine Familie Jahre hindurch verfolgt und zugrunde richtet. Keplers Eltern lebten zu Wiel in Württemberg, von dort ging der Jüngling nach Tübingen, um zu studieren, und wurde 1591, in einem Alter von zwanzig Jahren, Magister. Zwei völlig heterogene Wissenschaften, Theologie und Mathematik, reizten sein empfängliches Gemüt, sodass er einige Zeit lang zwischen beiden schwankte. Doch, obgleich er mit entschiedenem Talent mehrere gute Predigten verfasste und auch hielt, gewann endlich die Mathematik das Übergewicht und er folgte gern einem Ruf, der ihm die Professur zu Grätz in Steiermark verlieh. Ein Kalender, den er in jener Zeit verfertigte, erwarb ihm großen Ruhm, und er hätte für sich und seine Familie einer sorgenfreien Zukunft entgegensehen können, wenn nicht die religiösen Streitigkeiten jener Zeit eine so drohende Gestalt angenommen hätten, dass an Ruhe oder Frieden gar nicht zu denken war. Im August des Jahres 1600 mussten mehr als tausend protestantische Bewohner von Grätz unter ihnen auch Kepler mit Weib und Kind, Stadt und Land verlassen.

Tycho de Brahe lud ihn ein, nach Prag zu kommen, und machte ihm Hoffnung, dass der Kaiser ihm ein gutes Jahresgehalt aussetzen würde. Nach vielfachen Unterhandlungen ging Kepler auf den Vorschlag ein. Rudolf II., der seinen Wert nicht entfernt zu schätzen wusste und ihn nur als Gehilfen und Schreiber des dänischen Astrologen betrachtete, ernannte ihn zwar zum kaiserlichen Mathematiker, zahlte ihm aber so wenig, dass Kepler, der in Grätz das Eingebrachte seiner Frau verloren hatte, nicht selten mit der bittersten Not zu kämpfen hatte. Dazu kam, dass er auf der Reise von Grätz nach Linz und von dort nach Prag an einem bösartigen Wechselfieber erkrankt war. Ehe noch Tychos hochmütiges und verschlossenes Wesen sich der unbestreitbaren Größe seines bleichen, schüchternen und doch so überaus standhaften Gefährten ergab, starb er, und Kepler verfasste eine Elegie auf seinen Tod.

Nun war der deutsche Gelehrte der kaiserlichen Huld gänzlich anheimgegeben, welche ihm jährlich eine sehr geringe Summe versprach und auch diese nur höchst unpünktlich zahlte. Kepler verstand nicht in hochtönenden Worten zu lügen, noch weniger aus Blei Silber und aus diesem Gold zu zaubern! Diesem Mann, einem unserer größten Astronomen, erging es so dürftig, dass er wörtlich schrieb: »Ich befinde mich in der Notwendigkeit, um Ihro Kaiserlichen Majestät nicht Schande zu machen, prophetische Almanache zu verfertigen und am Hofe zu verkaufen, die einzigen Bücher, die man daselbst kauft und liest.« Diese prophetischen Almanache kamen so sehr in Aufnahme, dass sie lange Zeit einen bedeutenden Handelsartikel ausmachten. Das Volk nannte sie »Planeten«, jeder Jahrmarktskrämer in Dörfern und kleinen Städten hielt deren feil, und man konnte sie noch lange auf Jahrmärkten um einen Silbergroschen das Stück kaufen. Leider erging es dem genialen Mann nicht besser unter Kaiser Matthias und nach diesem unter Ferdinand II., denn er klagte beständig, dass ihm nur ein kleiner Teil dessen ausgezahlt worden, was man ihm schuldete. Im Jahr 1613 musste er auf dem Reichstag zu Regensburg erscheinen, um an den Verhandlungen über Kalenderverbesserung teilzunehmen. Kepler zeigte sich gleichtüchtig in Physik und Optik, ausgezeichnet in der Astronomie. Er fand die nach ihm benannten Regeln von der Bewegung der Planeten. Ihm gebührt das unbestrittene Verdienst, die Wissenschaft von der Bahn abergläubischen Wahnes einem würdigeren Ziel zugelenkt zu haben. Die Horoskope, welche er von Zeit zu Zeit stellen musste, machten ihm wenig Freude, obwohl er Ansichten hegte, die ihn der Astrologie nicht ganz abhold zeigen.

Nach ihm hat die Sonne eine Seele, zwar keine denkende, doch eine vegetierende. Sie zieht, sich immer um sich selbst drehend, die Planeten an, welche sich gleichfalls um ihre eigene Achse bewegen und deshalb nicht in die Sonne geraten, sondern sie in einer Ellipse umkreisen, wobei sie ihr abwechselnd eine freundliche und eine feindliche Seite zuwenden. Diese wird angezogen, jene abgestoßen. So ahnte er in diesem wenig philosophischen Raisonnement die Rotation der Sonne um sich selbst, die Galilei, sein berühmter Zeitgenosse, 15 Jahre später durch das Teleskop wirklich sah.

Keplers Entdeckungen erfüllten ihn selbst mit einer so hohen, reinen Freude, dass er sprach: »Ich wollte ganz Kursachsen nicht dafür nehmen, wenn ich das alles nicht sollte gefunden haben.« Dieses Bewusstsein erhob ihn über das Elend seiner Existenz.

Im Jahr 1629 bot ihm die Universität Rostock die Professur der Mathematik. Gleich darauf ernannte Wallenstein ihn zu seinem Astrologen, doch Kepler, der eben im Begriff war, sein letztes Werk, eine Mondbeschreibung, »Keplers Traum«, erscheinen zu lassen, und sich überdies zum Reichstag nach Regensburg begab, um die rückständigen Gelder des so schlecht gezahlten Jahresgehaltes in Empfang zu nehmen, starb dort 1630. Nach ihm betrieb sein Schwiegersohn, Jakob Bartsch, die Herausgabe des Buches, welche jedoch durch den Tod desselben abermals verzögert wurde. Erst auf die dringendsten Bitten seiner Mutter entschloss sich der älteste Sohn Keplers, Ludwig, ein schon berühmter Arzt zu Königsberg, die verhängnisvolle Mondwelt endlich an das Licht zu fördern.