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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 11

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 11

Die Khoikhoi konnten über die Nachricht, dass die Expedition ihren Rückweg antrete, ihre Freude nicht verbergen und taten in demselben Grade tapferer, als sie sich von der Gefahr entfernten. Wir dürfen übrigens nicht alle Khoikhoi in diese Bemerkung einschließen, da Bremen, Swanevelt und noch ein paar andere wirklich mutige Männer waren, sondern meinen damit nur den großen Haufen mit dem großen Adam an der Spitze, der nun umherflunkerte und pustete, als hätte er allein die ganze Armee des gefürchteten Quitu in Kochstücke zusammenhauen und auffressen wollen.

Da unsere Reisenden im Sinn hatten, auf ihrem Zug zum Gebiet der Buchmänner und Korana über das Mambukie-Gebiet zu setzen, so kehrten sie nicht auf demselben Wege zurück, auf welchem sie hergekommen waren, sondern zogen mehr westlich durch das Land der Tambukie-Xhosa, ohne das Gebiet der Amakos, über welches Hinza herrschte und von wo aus sie die Xhosa-Krieger mitgenommen hatten, zu betreten.

Busani, der Häuptling der Tambukie benahm sich sehr freundlich und hatte nichts dagegen, dass sie auf ihrem Vorrücken durch einen Teil seines Landes gingen. Sie verloren nun keine Zeit mehr, sondern setzten ihre Reise so schnell fort, wie sie konnten, obschon sie den Tag über viel Wild sahen und fast jede Nacht durch das Gebrüll der Löwen begrüßt wurden.

Nach acht Tagen gelangten sie an die Ufer des weißen Kae-Flusses, von wo aus das Gebirge, durch welches sie zu ziehen gedachten, nicht mehr weit entlegen war. Sie machten Halt und wollten einige Tage an Ort und Stelle bleiben, um ihre Wagen ausladen, das Gepäck ordnen, die nötigen Ausbesserungen vornehmen und um sich mit mehr Ochsen und Schafen für die Wanderung in das unfruchtbare Gebiet der Buschmänner versehen zu können.

Auf ihrem ganzen Weg vernahmen sie unaufhörlich Gerüchte über das Vorrücken von Quitus Armee. Er hatte den Leutnant Farewell und seine Leute, welche sich auf einer Handelsexpedition ins Innere des Landes befanden, angegriffen, sie insgesamt ermordet und die Wagen samt dem Gepäck in Besitz genommen. Glücklich im Bewusstsein eines Sieges über Weiße, die mit Musketen bewaffnet waren, hatte Quitu nun beschlossen, seine Armee in den Süden zu führen und sowohl die Stämme der Amaponda-Xhosa, die unter den Häuptling Feku standen, als auch die Missionsstation Morley anzugreifen, welche erst kürzlich zwischen dem St.-Johann- und dem Umtata-Fluss in der Nähe der Küste errichtet worden war.

In dieser Absicht wütete Quitu zuerst unter den kleineren Stämmen, welche Feku zinsbar waren, ermordete alles ohne Unterschied, trieb das Vieh hinweg und verbrannte die Kraals, worauf er sein Heer zum Missionsposten vorrücken ließ, sodass die Missionare entweichen und sich zum St.-Johann-Fluss zurückziehen mussten.

Einer von den Männern, der zu dem Stamm in der Nähe von Morley gehörte, kam zu dem Platz, wo unsere Reisenden haltgemacht hatten, und erwiderte auf die Frage, welchen Verlust sie erlitten hätten: »Fragt nicht, wie viele gefallen sind, sondern wie viele sich gerettet haben. Unsere Frauen – wo sind sie? Und unsere Kinder, seht Ihr etwas von ihnen?«

Aber Feku, der Häuptling der Ameponda hatte sich aufgerafft und sein Heer gesammelt, um dem Feind eine Schlacht zu liefern. Die Amaquibi hatten sich in einem Wald gelagert, und er umzingelte sie mit einer überlegenen Streitkraft. Auch wusste er sie durch Angriffe und scheinbare Rückzüge in eine Stellung zu bringen, von der aus sie nur durch den Pass, durch welchen sie eingedrungen waren, entkommen konnten, und diesen hielt er vollständig mit seinen eigenen Streitkräften blockiert.

Da sich die Amaquibi nicht zurückziehen konnten, so fand nunmehr ein wütender Kampf statt, in welchem Quitus ganze Armee zugrunde ging. Quitu selbst war nicht zugegen, da er noch immer an den Wunden darniederlag, welche er früher in einem siegreichen Gefecht davongetragen hatte. Feku schickte nun einen Teil seines Heeres gegen ihn aus, und der Amaquibi-Führer musste alles Vieh und die gesammelten Schätze im Stich lassen. So war denn endlich die Einfallsarmee gänzlich zerstreut und man hörte nie wieder von ihr.

Diese Kunde war unseren Reisenden sehr angenehm, da sie doch nicht wissen konnten, ob sie für ihre Vorbereitungen Zeit genug fanden, wenn Quitus Armee siegte. Noch mehr waren übrigens die Khoikhoi erfreut, die nun noch viel wackerer wurden, als zuvor und insgemein beklagten, dass sie nicht an den Ufern des Umtata-Flusses, wo der Kampf vorgefallen war, geblieben seien, um an der Vernichtung der Eindringlinge mithelfen zu können.

Es wurde Ende August, bis unsere Wanderer mit ihren Vorkehrungen fertig und zum Aufbruch bereit waren. Sie hatten sich vorgenommen, den Pass durch das Membukie-Gebirge ostwärts zu dem, welches den Namen Stormbergen führt, zu versuchen. Da sie sich auf manche Schwierigkeiten gefasst halten mussten, so beschlossen sie, die Xhosa-Krieger erst zu entlassen, wenn sie in dem Gebiet der Buschmänner angelangt wären. Sie gedachten, sich sodann nordwestlich zu wenden, um auf jenen Zweig des Oranje zu treffen, welcher den Namen Vaal führt. Zuvor aber hatten sie den schwarzen oder Nu Gariep zu überqueren.

Sie trafen diese Übereinkunft, um in ein Land zu gelangen, wo es größeren Überfluss an Wild und mehr Wasser gab, als an jedem anderen Teile der unfruchtbaren Wüsten, die sie zu durchziehen hatten. Nachdem sie wie gewöhnlich den Sabbat gefeiert hatten, brachen sie am Montagmorgen wohlgemut und mit einem vortrefflich geordneten Viehstand auf. Der Zug durch den Engpass war sehr schwierig. Sie mussten Löcher auffüllen, Steine wegrollen und sehr oft das Gespann ihrer Wagen verdoppeln.

Am ersten Tag wurden nur vier Stunden zurückgelegt. Auch fanden sie die Nacht nach der Hitze, der sie Tags ausgesetzt gewesen waren, empfindlich kalt. Der Marsch des zweiten Tages war gleichfalls mit viel Mühe und Gefahr verbunden, aber am dritten ging es abwärts, und das ganze Land der Buschmänner lag vor ihnen ausgebreitet. Der Weg talwärts war übrigens noch gefährlicher, als der bergan, und es kostete sie viele Anstrengung, zu verhüten, dass ihre Wagen nicht über die Abstürze hinunter fielen.

Am vierten Tag hatten sie das Gebirge gekreuzt und befanden sich nunmehr an dem Fluss desselben auf der Westseite. Nur mit Not brachten sie Holz genug zusammen, um für die Nacht ihr Feuer anzuzünden. Das beharrliche Gebrüll sagte ihnen, dass sie sich im Bereich des Löwen und seiner Satelliten befänden. Unsere Abenteurer erhoben sich mit Tagesanbruch, um sich das Land, das sie zu durchziehen gedachten, zu betrachten. Es war eine einzige wilde Wüste von Sand und Gestein, da und dort kleines Gesträuch und mitunter ein Strich niedrigen Gebüsches – kurz, eine weite, dürre, trockene Ebene, die infolge der Hitze in einen gelblichen Nebel gehüllt war. Für diese Veränderung schenkten jedoch unsere Abenteurer anfangs kein Augenmerk, denn ihre Blicke waren auf die Gruppen von Quaggas und verschiedenen Antilopen gerichtet, die über das ganze Land hinzogen. Sie nahmen ihr Frühstück ein und bestiegen sodann ihre Pferde, um die Jagd zu beginnen. Sie hatten beabsichtigt, an diesem Morgen die Xhosa zu entlassen, aber der Häuptling des Haufens hatte darauf hingedeutet, dass es ratsam sein dürfte, wenn sie zuvor einiges Wild schössen, um sich für den Rückweg mit Mundvorrat zu versehen – ein Vorschlag, auf den unsere Reisenden gerne eingingen, da sie dadurch ihre Schafe sparen konnten.

Alexander und der Major brachen mit Bremen, Swaneveld und Omrah zu Pferd auf, während ihnen die Xhosa zu Fuß folgten. Die übrigen Khoikhoi erhielten die Weisung, mit Swinton im Lager zu bleiben, da die Beschädigungen ausgebessert werden mussten, welche die Wagen auf dem Zug über das Gebirge erlitten hatten.

Omrah hatte sich bisher so nützlich erwiesen, dass man ihm eine Vogelflinte, die Kugeln verschoss, überließ. Auch wusste er dieses Gewehr recht gut zu handhaben. Er ritt auf dem zweiten Pferd des Majors, damit es Henderson benutzen konnte, wenn sein erstes Schaden nahm, denn Omrahs Last war für nichts zu rechnen.

Im Jagdplan war verabredet worden, dass die Xhosa sich in einen Halbkreis zerteilen und sich so viel wie möglich verstecken sollten, während die Reiter die Tiere aufzujagen und sie in die Richtung der Hinterhalte zu treiben gedachten. Als sie weiter auf die Ebene vorrückten, entdeckten sie, was sie früher im Nebel nicht gesehen hatten, dass nämlich der Boden mit allerlei schönen Amaryllis- und anderen Blumenarten bedeckt war. Auch wimmelte es von Ameisenhaufen und Löchern der Ameisenfresser, welch Letztere den Pferden sehr gefährlich zu werden pflegten.

Die Sonne entsendete eine glühende Hitze, obwohl es noch früh am Tage war. Als sie zum Gebirge zurückschauten, waren sie über die Großartigkeit der Szene sehr erstaunt. Felsen und Klippen in wildem Chaos, kahle Berggruppen und turmartig ansteigende Spitzen, kurz die seltsamsten Bildungen, die sich bald wie Kastelle ausnahmen, bald sonstige abenteuerliche Gestalten zeigten und der Fantasie die Trümmer einer früheren Welt zu vergegenwärtigen schienen. Mit Ausnahme einer Lagune in der Nähe des Punktes, wo die Karawane haltgemacht hatte, war nirgends auch nur eine Spur von Wasser zu sehen. Das ganze Land war eine einzige, baumlose Ebene, die erst am Horizont endete und nur durch Tiergruppen oder durch die langen Hälse eines ferm dahineilenden Rudels von Straußen unterbrochen wurde.

Wenn es übrigens auch an Vegetation fehlte, so war dafür das Tierreich um so reichlicher präsent, und Alexander war mit dem Major bald hinter einem Trupp von Quagga und Zebras her, welche sie den Xhosa zutrieben. Sobald die Tiere in die Radien des Halbkreises gelangt und in geeigneter Entfernung waren, zügelten unsere Gentlemen ihre Pferde und eröffneten ihr Feuer auf sie. Zu gleicher Zeit zeigten sich die Xhosa, und das Wild geriet für einige Zeit in große Verwirrung, als es sich also umringt sah.

Während die Tiere noch zögerten oder da und dort durchzubrechen suchten, wurden mehrere durch die Schüsse der Reiter erlegt. Endlich aber schienen sie zu einem Entschluss gekommen zu sein, denn die ganze Herde, von einem prächtigen Männchen angeführt, schoss dicht an den Reitern vorbei und entkam in einer Staubwolke aus dem Kreis, auf der Flucht Steine hinter sich schleudernd.

Die Xhosa eilten nun auf das angeschossene Wild zu und machten dessen Leiden dadurch ein Ende, dass sie den verwundeten Tieren die Assagaien in die Wirbelsäule bohrten und so den augenblicklichen Tod derselben herbeiführten. Die Jagdbeute bestand aus drei Zebras und Quaggas. Swinton hatte gebeten, man möchte das geschossene Wild nicht zerlegen, bis er sich überzeugt habe, ob er die Häute nicht brauchen könne, weshalb Omrah losgeschickt wurde, um ihn herbeizuholen.

Der Naturforscher war bald herbei und Alexander sagte zu ihm: »Nun, Swinton, lasst uns wissen, ob Ihr für Euer Museum die Haut eines dieser Tiere brauchen könnt.«

»Nein«, versetzte Swinton, »denn ich bin bereits damit versehen. Ich hielt es aber für möglich, dass Euch ein Zebra in den Wurf kommen könnte.«

»Wie, sollte dies nicht der Fall gewesen sein? Da sind ihrer drei.«

»Nein, mein lieber Freund, dies ist nicht die wahre Zebra-Spezies. Die Tiere, welche Ihr hier habt, gehören zu einer Klasse, welche von dem Reisenden Burchell beschrieben wurde und den Namen »gestreiftes Quagga« führt. Das Quagga und das gestreifte Quagga, beide haben, wie Ihr sehen könnt, die Ohren eines Pferdes, während das Zebra die eines Esels hat. Das echte Zebra kommt nur höchst selten in die Ebenen herunter und hält sich meist im Gebirge auf. Allerdings findet man es hin und wieder und dies ist der Grund, warum ich gekommen bin, um mich persönlich zu überzeugen.«

»Sind diese Tiere gut zu essen?«

»Das Fleisch des Quagga ist ziemlich schlecht, während das des gestreiften Quagga angeht. Wenn ihr also unser Diner damit beschicken wollt, so möchte ich bitten, dass Ihr die letztere Sorte Wild wählt. Seid Ihr für heute fertig mit Jagen?«

»Ja«, versetzte der Major, »wenn anders Wilmot meiner Ansicht ist. Ich glaube, es ist gut, wenn wir unsere Pferde nicht weiter anstrengen, denn die Ebene ist voll großer Löcher. Bremen sagt, es seien die Löcher der Ameisenfresser.«

»Ja, sie rühren von diesen Tieren her und sind sehr gefährlich, denn ich habe schon welche gesehen, die mehrere Fuß tief waren. Wenn wir heute nicht aufbrechen, so will ich die Khoikhoi auffordern, nachzusehen, ob sie mir keinen Ameisenfresser erwischen können, da ich ein ausgestopftes Exemplar zu besitzen wünsche.«

»Wir ziehen erst morgen weiter«, entgegnete Alexander, »müssen aber heute noch unsere Xhosa verabschieden, damit auch sie morgen ihren Rückweg antreten können. Sie werden jetzt Mundvorrat genug haben.«

Unsere Reisenden ritten wieder zu den Wagen zurück und überließen es den Xhosa, das Fleisch nachzubringen. Sobald sie gespeist hatten, wurde der Kriegerhäuptling mit allen seinen Leuten vorgefordert, und Alexander machte nun jedem ein schönes Geschenk aus Rauch- und Schnupftabak, Tuch, Messern und Glasperlen. Der Häuptling erhielt dreimal so viel wie die übrigen, und für ihren König Hinza wurde eine sehr schöne Sammlung von allerlei Gegenständen beigefügt. Alexander bedeutete dem Führer des Haufens, er möchte dem König mitteilen, dass er sehr wohl zufrieden gewesen sei mit dem Benehmen der Leute. Er danke Seiner Majestät, dass sie ihm dieses Geleit geborgt hatte, und bitte, allerhöchst dieselben möchten das angefügte Paket von Geschenken huldreichst anzunehmen geruhen.

Dann dankte er den Leuten für ihr gutes Verhalten, forderte sie auf, so viel Fleisch mitzunehmen, wie sie für ihre Reise wünschten, und bedeutete ihnen, dass es ihrer Willkür überlassen bleibe, noch am gleichen Abend oder erst am anderen Morgen ihre Rückreise anzutreten. Die Xhosa waren mit Alexanders Freigebigkeit vollkommen zufrieden, und der Häuptling hielt zur Erwiderung eine kurze Rede, worauf er sich mit seinen Leuten zurückzog.

»Es tut mir in der Tat leid, dass uns diese wackeren Burschen verlassen«, sagte der Major.

»Mir gleichfalls«, versetzte Alexander. »Aber ich konnte sie nicht wohl zurückhalten, da sie mir erklärten, sie dürften ohne die Erlaubnis des Königs nicht weiter gehen.«

»Das ging freilich nicht an«, entgegnete der Major, »doch wie dem sein mag, mein Bedauern über ihre Abreise ist um deswillen nicht geringer. Sie haben sich eben so treu und tapfer, wie rührig und bereitwillig erwiesen, und ich glaube nicht, dass wir mit unseren Khoikhoi so gut bedient sein werden.«

»Es ist gut, dass Ihr dies nicht erwartet, Major«, erwiderte Swinton, »da Ihr Euch anderenfalls kläglich getäuscht sehen würdet. Ich stehe dafür, sie ließen uns schon jetzt im Stich, wenn sie wüssten, wohin wir zu ziehen gedenken. Die einzige Gewalt, welche wir über die Mehrzahl haben, wird uns durch ihre Furcht gesichert. Sie ziehen vorwärts, weil sie sich scheuen, zurückzugehen. Aber wenn sie sich unserer Pferde bemächtigen könnten, so würden sie mit ihren Gewehren und ihrem Schießbedarf uns verlassen, sobald wir in die Wüste verrücken.«

»Ich fürchte, Ihr habt recht. Indes sind doch einige wackere Burschen unter ihnen, wenigstens zwei, auf die wir uns verlassen können – Bremen und Swanevelt . Wie weit ist es von hier bis zu dem schwarzen Fluss?«

»Ungefähr sechzehn Stunden. Vielleicht nicht ganz so weit bis an das Flussbett – aber wir haben wenigstens diese, wo nicht eine größere Entfernung zurückzulegen, ehe wir in dieser Jahreszeit auf Wasser treffen.«

»So dürfen wir nicht versäumen, vor unserem Aufbruch von hier unsere Wasserfässer zu füllen.«

»Freilich, wenn wir anderes Wasser haben wollen, denn soviel ist gewiss, dass wir morgen Abend kein Wasser finden können. In einem Land wie dieses können wir nicht mehr als acht Stunden am Tag zurücklegen, denn man muss den Löchern und Ameisenhaufen so oft ausweichen, dass aus den acht Stunden wenigstens zwölf werden«, sagte Swinton. »Ich muss übrigens jetzt den Khoikhoi sagen, sie sollen mir aussuchen, was ich gern haben möchte. Ich zweifle nicht, dass ein Pfund Tabak ein geeigneter Ansporn sein wird.«

»Aber ich zweifle sehr daran«, bemerkte der Major, nachdem sich Swinton entfernt hatte. »Wir sind der Lagune zu nahe und werden heute Abend von Löwen umringt sein. Die Khoikhoi tun vielleicht, als ob sie gingen, werden es aber gewiss bleiben lassen.«

»Ich möchte es ihnen nicht einmal zum Vorwurf machen, denn ich bin überzeugt, ein Pfund Tabak würde mich nicht bewegen, meinen Kopf in den Rachen eines Löwen zu stecken. Übrigens teile ich Eure Ansicht, dass wir zu nahe an der Lagune sind, und da wir das Vieh sammeln müssen, um es die Nacht über anzubinden, so glaube ich, wir tun besser, wenn wir unsere Wasserfässer füllen, unsere Wagen einspannen und etwa ein Viertelstündchen weiterziehen. Doch da kommt Swinton, der uns Rat erteilen kann.«

Da Swinton mit ihnen einverstanden war, so wurden die Ochsen eingespannt und die Wagen eine Viertelstunde weitergeführt. Dann band man das Vieh an und umgab das Lager mit großen Feuern.

Der Major hatte ganz recht, als er meinte, die Khoikhoi würden es bleiben lassen, Swinton einen Ameisenfresser zu suchen. Sie wollten nicht von den Feuern weichen, und der Umstand, dass im Laufe der Nacht stets Löwen in der Nähe des Lagers kamen, bewies, dass sie daran recht wohl taten. Die Löwen brauchten nicht zu brüllen, denn das Stöhnen der Prinzessin Begum und ihr Anklammern an den Major, desgleichen das Zittern der Hunde und die Unruhe des Viehs bekundeten unabänderlich, wenn eines dieser Tiere in der Nähe war. Man gab die ganze Nacht über Schüsse ab, um sie fernzuhalten. Im übrigen aber lief alles ungestört ab.

Am folgenden Morgen setzte sich die Karawane mit Tagesanbruch in Bewegung, und um dieselbe Zeit brachen die Xhosa in ihrer Heimat auf. Der Boden war nun steinig und abwechselnd sandig. Auch waren sie noch nicht weit gekommen, als sich wieder Massen des verschiedenartigsten Wildes in der Ebene zeigten. Unsere Reisenden machten jedoch keinen Versuch, den Tieren nachzusetzen, denn es war ihnen daran gelegen, so weit wie möglich zu kommen, um ihren Ochsen gegen Mittag Gelegenheit geben zu können, ihr spärliches Futter zusammenzusuchen. Um dieselbe Zeit wollten der Major und Alexander sich der Jagd widmen. Aber ehe sie noch drei Stunden gewandert waren, wurden sie durch eine Staubwolke überrascht, die in der Richtung ihres Weges den Horizont verdunkelte.

»Was mag dies sein?«, fragte Alexander.

»Ich glaube, es ist der Springbock«, sagte Bremen, der Khoikhoi.

»Der Springbock? Es müssen ihrer Tausende und Abertausende sein.«

»Ich glaube, Bremen hat recht«, sagte Swinton. »Wahrscheinlich ist es eine wandernde Springbockherde. Ich habe sie bisher noch nie gesehen, mir aber oft von ihnen erzählen lassen.«

Der Antilopenschwarm näherte sich der Karawane und behielt stets die eingeschlagene Richtung bei. Ihre Zahl anzugeben, wäre unmöglich gewesen, denn es konnten ebenso gut fünfzig- bis hunderttausend oder darüber sein. Soweit das Auge in der Richtung reichen konnte, traf es auf eine einzige sich bewegende Masse, welche die ganze Ebene bedeckte. Als sie sich der Karawane näherten, drängten sich die Vordersten auf die Seite und machten gelegentlich jene merkwürdigen Sprünge, von denen das Tier seinen Namen hat. Sie springen nämlich nicht auf der Erde, sondern aus Mangel an Raum auf den Rücken ihrer Kameraden, in deren Reihe sie sich sodann eindrängen.

Ein nebeliger Dunst stieg über dieser zahllosen Herde auf, als sie sich weiterbewegte, und mehr als einmal deuteten die Khoikhoi, welche auf den Wagen standen (denn man hatte Letztere bei der Annäherung der Springböcke halten lassen), auf einen Löwen, der unter dem Haufen wanderte, um mit Gemächlichkeit sein Mahl halten zu können. Die Tiere waren sehr zahm und mehrere wurden neben den Wagenrädern zum Nachtessen geschossen. Aber obgleich sich die Herde so schnell weiterbewegte, stand es doch mehr als zwei Stunden an, ehe sie ganz an der Karawane vorbeigekommen war.

»Jetzt kann ich doch sagen«, bemerkte Alexander, »dass ich mich überzeugt habe, es fehle in Afrika nicht an Wild. Wohin ziehen wohl diese Tiere?«

»Sie gehen unmittelbar nach Süden«, versetzte Swinton. »Die Wanderung der Springböcke ist einer der merkwürdigsten Beweise von der Fruchtbarkeit des tierischen Lebens. Gleich den Ameisen verzehren sie alles vor sich her, und wenn wir in die Richtung reisen, aus der sie gekommen sind, so werden wir, ehe es wieder regnet, kein Futter für unser Vieh finden. Ist ein Regen gefallen, so kehren die Springböcke wieder zu ihren früheren Weideplätzen zurück, denn nur der Mangel an Nahrung hat sie so weit nach Süden geführt.«

»Ihre Spur geht augenscheinlich von Norden nach Osten«, sagte der Major. »Würden wir nicht besser tun, unsere Richtung mehr nördlich zu halten?«

»Nein, ich glaube nicht. Sie sind wahrscheinlich auf dieser Seite des Nu Gariep oder des schwarzen Flusses gewandert. Wir haben heute Abend weder Wasser noch Futter für unser Vieh, und es dürfte daher geraten sein, wenn wir in unserer Richtung fortfahren, um doch wenigstens morgen auf Wasser zu stoßen. Es ist nutzlos, jetzt zu halten und die Ochsen weiden zu lassen. Wir tun daher besser, bis auf den Abend geradeaus zu gehen. Wir kommen dadurch nur um so früher zum Fluss, und dies ist schon ein Gewinn.«

Erst eine halbe Stunde vor Einbruch der Nacht wurden die müden Ochsen ausgespannt. Es war weder Wasser noch Gras vorhanden. Aber ein weiteres Ungemach bestand darin, dass nicht zureichend Holz zusammengebracht werden konnte, um für die Nacht die nötigen Feuer zu unterhalten. Das, was sich vor dem Dunkelwerden herbeischaffen ließ, reichte nur für ein einziges Feuer aus, weshalb sie sich wohl oder übel mit diesem begnügen mussten.

Die Wagen wurden in einem Viereck aufgefahren und im Innern desselben die Pferde angebunden. Die Ochsen erhielten ihren Platz außen, die Schafe aber trieb man unter die Wagen. Das Nachtessen bestand aus dem köstlichen Fleisch der Springböcke. Aber den armen Lasttieren konnte nach der schweren Mühe des Tages weder Futter noch Wasser gereicht werden. Sobald das Nachtessen eingenommen war, begaben sich unsere Reisenden zu ihren Wagen zurück, während die Khoikhoi bei dem Feuer blieben, das nur spärlich unterhalten werden konnte, wenn es bis zum Morgen brennen sollte. Dass übrigens Löwen in der Nähe umherstreiften, ließ sich aus der Unruhe der Ochsen entnehmen, welche die Lederriemen, mit welchen sie angebunden waren, zu zerreißen versuchten.

Der Mond war aufgegangen und warf ein unbestimmtes Licht über die Gegend, als sich mit einem Mal zwischen dem Lager und dem Horizont die Körper einiger Tiere unterscheiden ließen. Sie schienen, wie es stets in unvollkommenem Licht der Fall ist, sehr groß zu sein, und die Khoikhoi machten bald ausfindig, dass es fünf oder sechs Löwen waren, die in einer Entfernung von nicht vierzig Schritten standen. Die Wahrheit dieser Vermutung wurde bald durch das zornige Brüllen des einen bestätigt, und die meisten Khoikhoi nahmen daraus Anlass, zu ihren Gewehren zu greifen, während ein Teil derselben unter die Wagen kroch.

Die Ochsen kämpften nun wütend, um loszukommen, denn das Gebrüll der Löwen hatte die größte Angst unter ihnen verbreitet. Unsere Reifenden hörten, was vorging, und waren in einer Minute mit ihren Gewehren draußen. Endlich riss sich einer der Ochsen los, und während er drei oder vier Schritte hinter den übrigen hinlief, als suche er ein sicheres Versteck, ließ sich ein abermaliges Gebrüll vernehmen, dem der Sprung eines Löwen folgte. Der Ochse lag am Boden.

Der Major und Wilmot gingen auf das Feuer zu, um von dort aus einen Angriff beginnen zu können. Der Löwe ließ für eine Weile seine Beute los, als habe er es zum Sprung auf die beiden Gentlemen abgesehen. Bremen rief ihnen zu, sie sollten sich schleunigst zurückziehen, und sie ließen sich dies nicht zweimal sagen, da das Tier Schritt um Schritt ihnen näher kam.

Sobald sich der Löwe von ihrem Rückzug überzeugt hatte, machte er sich wieder über seine Beute her und schleppte sie etwa fünfzig Schritte weit, wo er sein Mahl begann. Unsere Reisenden hörten deutlich – obwohl der Gesichtssinn nicht mehr viel unterscheiden ließ – das Zerren am Fleisch und das Krachen der Knochen, während der Ochse selbst aufs Kläglichste stöhnte.

Sie feuerten nun in die Richtung, aus der sie die Töne vernahmen. Der Löwe dagegen erwiderte die Salve mit einem donnernden Gebrüll und stürzte auf etwa zwanzig Schritte an die Wagen heran, sodass man ihn deutlich sehen konnte. Bremen bat unsere Reisenden, das Tier nicht zu belästigen, da es augenscheinlich sehr hungrig und wild sei. Man habe sich daher zuverlässig eines Sprungs zu versehen, der die unseligsten Folgen nach sich ziehen könne.

Da die übrigen Löwen nun gleichfalls das Lager umstreiften, so luden unsere Gentlemen die Gewehre aufs Neue und verhielten sich still, indem sie sich begnügten, den Löwen zu beobachten, welcher seine Beute verzehrte.

»Wir müssen uns hier ganz ruhig verhalten«, sagte Bremen zu Alexander, »denn es sind viele Löwen um uns, und unser Feuer reicht nicht aus, sie wegzuscheuchen. Es ist leicht möglich, dass sie uns angreifen.«

»Würde es nicht besser sein, wir feuerten unsere Gewehre ab? Dies müsste sie doch einschüchtern.«

»Vielleicht wäre es bei den anderen Löwen der Fall, Sir, aber den, der uns so nahe ist, würde es zuverlässig in Wut setzen und zu seinem Angriff reizen. Es dürfte zweckmäßiger sein, hin und wieder etwas Schießpulver in die Asche zu streuen, denn da wir nur ein kleines Feuer haben, ist vielleicht das Aufblitzen imstande, sie für eine Weile zu verjagen.«

Mittlerweile pflegte sich der Löwe an dem armen Ochsen und wollte sich darin nicht stören lassen; denn so oft sich einer seiner hungrigen Kameraden näherte, stürzte er auf denselben zu und verfolgte ihn einige Schritte mit so schrecklichem Gebrüll, dass nicht nur die armen Ochsen, sondern auch die Menschen darüber schauderten.

In dieser Weise entschwand die Nacht, während welcher jeder mit seinem Gewehr für einen plötzlichen Angriff gerüstet war. Endlich aber dämmerte zur großen Beruhigung für alle der Morgen auf. Die Bestien waren verschwunden, und als unsere Reisenden zu der Stelle hinausgingen, wo der alte Löwe sein Mahl gehalten hatte, fanden sie, dass er fast den ganzen Ochsen verzehrt hatte. Die Kraft seiner Kinnladen war so ungeheuer gewesen, dass die Rippenknochen sämtlich zermalmt und die Markknochen der Extremitäten wie mit einem Hammer zerbrochen waren.

»In der Tat«, bemerkte der Major, »ich kriege mehr und mehr Respekt vor einem Löwen, je näher ich mit Seiner Katzenmajestät bekannt werde.

»Gott Lob, dass er fort ist«, bemerkte Swinton. »Auch denke ich, es wird am besten sein, wenn wir uns gleichfalls auf den Weg machen.«