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Sagen- und Märchengestalten – Die Heinzelmännchen

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Die Heinzelmännchen

Eine gute Zeit war es für die Hausfrauen, als noch die gemütlichen Heinzelmännchen in stiller Nacht die sämtlichen Haus- und Küchengeschäfte besorgten, säuberten, fegten, bürsteten, waschen, scheuerten und mit Nadel und Schere sogar Arbeiten verrichteten, zu denen menschliche Hände zu ungeschickt waren.

Eines ist allen gemeinsam, ob sie als stille Hausgeister im verborgenen Kämmerlein walten oder als Polierer in den Schlafgemächern hausen oder in zwerghafter Emsigkeit des Menschen Tagewerk verrichten – die Scheu vor dem menschlichen Anblick! Selten nur gelang es denjenigen, welche sich besonders sympathisch zu den wunderlichen Gästen verhielten, diese zu Gesicht zu bekommen. Glaubte man sie zu sehen, starrte man auf einen Punkt hin, so verschwand der Spuk und ein spöttisches Gelächter belehrte die Leute, dass sie zwar ein Geschöpf der Laune des Kobolds, doch nicht diesen selbst gewahrt hatten.

Durch die Gasse eines Dorfes ritt ein seltsam gekleideter, kleiner, buckliger Mann. Schon dämmerte der Abend und die tiefen Schatten der Häuser ließen nur das spitze Mützchen auf dem gesenkten zottigen Haupt des Reiters und dessen blaues Wams und rote Strümpfe sowie das Gerippe seines mageren Rosses erkennen. Mitten auf dem Dorfplatz hielt er an und krächzte: »Wie ist’s, Herr Schultheiß, soll ich nicht Euren Bruder von Euch grüßen, den Pfarrer zu Mascon?«

Verwundert blickte der Schultheiß, welcher im Gärtlein vor seinem Haus der milden Abendluft sich freute, nach dem sonderbaren Reiter hinüber. Da er aber nicht sofort zu antworten wusste, kicherte das Männlein spöttisch in sich hinein und trabte hinweg.

Mit demselben Abend begann eine schlimme Zeit für das hübsche kleine Pfarrhaus zu Mascon. Es lief ein Etwas die Treppen auf und ab, polterte und tobte in allen Ecken, es pfiff, lachte und fing endlich auch zu reden an.

»Höre du, Pfarrer«, sagte eine krächzende Stimme plötzlich dicht neben dem Studierpult des frommen Herrn, »ich habe heut deinen Bruder gesehen. Er fuhr in einem Kahn mit Weib und Kind den Fluss hinab. Da erregte ich ein tüchtiges Unwetter, stürzte den Kahn um und wollte sie alle ertränken. Aber es ging leider nicht an.«

Der bestürzte Pfarrer machte sich sogleich auf den Weg zu seinem Bruder und fand diesen mit den seinen im besten Wohlsein. Die Erzählung von dem umgestürzten Kahn stellte sich als unwahr heraus. So erregte der Dämon durch seine Lügen mitunter große Schrecken, ehe der gute Pfarrer die Wahrheit erfuhr.

Zuweilen stellte sich der Geist ganz harmlos, verkündete nahenden Besuch, der auch wirklich eintraf, enthüllte den Täter irgendeines heimlichen Vergehens und suchte Verlorenes wieder auf. In seinem Wesen lag etwas Unbeständiges, Unstetes, Wechselvolles, er trat unter verschiedenen Rollen auf. Aber sein individueller Charakter blieb derselbe.

Ehrlicher und anmutiger als dieser, aus den verschiedenen Elementen der Teufelssage zusammengesetzt, war das Heinzelmännchen zu Hudemühlen, welches im Jahr 1584 daselbst sich aufgehalten haben soll.

Einst war Schloss Hudemühlen, so erzählten die alten Leute es, ein stattlicher Bau, fest und geräumig. Morast und tiefe Gewässer umgaben es schützend gegen feindlichen Überfall. Das Flüsschen, welches nahe vorüberfließt, heißt die Meiße und ergießt sich in die Aller. In das Schloss retteten bei Kriegsgefahr die Bewohner der Umgegend ihre Habseligkeiten, während sie selbst in die Wälder entflohen.

Die nachfolgenden Geschlechter teilten Äcker und Wiesen des reichen Grundbesitzes unter sich, jeder baute ein Wohnhaus auf das ihm zugefallene Gebiet und das Schloss verfiel. Noch zeigt man im Gemäuer der Ruine Heinzelmanns Kämmerlein. Das Schloss kam nach und nach in den Ruf, von Geistern bewohnt zu werden.

Als der Kobold seinen Einzug gehalten hatte, machte er ganz den Eindruck eines Menschen. Obwohl er nicht sichtbar wurde, redete mit feiner Stimme und gab gern Auskunft über die Familie, der er entsprossen war. Seine Mutter, sagte er, sei eine Christin im Böhmer Land, habe ihn aber vertrieben, weil er ihr gar zu winzig erschienen und unter einem besonderen Bann stehe. Zeigen dürfe er sich nicht, doch hoffe er, dereinst erlöst zu werden und dann werde man ihn sehen können. Sein eigentlicher Name sei Hinzelmann, auch Lüring, sein Weib heiße Hille Bingels.

Dem zeitigen Besitzer von Hudemühlen (etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts) war der neue Mitbewohner lästig, und nach mehreren vergeblichen Versuchen, sich desselben zu entledigen, wanderte er nach Hannover aus. Als er aber dorthin fuhr, schwebte ein weißes Federlein bald neben, bald vor oder hinter dem Wagen, eine Erscheinung, über welche der Schlossherr bald aufgeklärt werden sollte.

Gleich nach der ersten Nachtruhe in dem Gasthof, den der Ritter sich zum Aufenthalt erwählt hatte, vermisste er die schwere goldene Kette, welche er zu tragen pflegte, ein Gnadengeschenk Kaiser Rudolf II. Es gab dies Anlass zu einem argen Streit. Der Herr von Hudemühlen beschuldigte das Gesinde des Gasthauses, den Diebstahl verübt zu haben, und der Gastwirt, der seine Leute als ehrliche, brave Menschen kannte, geriet darüber in Wut. Mitten in dem Streit erklang dem Ritter das bekannte feine Stimmchen des Kobolds.

»Tröst’ Euch Gott, Herr! Weshalb seid Ihr entflohen von Eurem Schloss, da ihr mir doch nicht entrinnen könnt. Kehrt nur wieder heim, sonst will ich Euch noch schlimmeren Unfug anrichten. Die Kette, um die ihr so viel Lärm macht, liegt tief unter Eurem Hauptkissen.«

Der Ritter bequemte sich, nach Hudemühlen zurückzufahren. Er begriff nun, was das weiße Federlein zu bedeuten hatte, welches jetzt wieder vor ihm herschwebte und mit ihm in das Schloss seiner Ahnen einzog.

Der damals herrschende Teufels- und Hexenglaube brachte das Heinzelmännchen in schlimmen Verdacht. Man berief einen Beschwörer, der den armen Hausgeist bannen sollte. Anfänglich schwieg das Männlein, als lausche es voll Verwunderung den haarsträubenden Exorzismen des fremden Meisters. Als dieser jedoch, durch die eingetretene Stille ermutigt, dem Kobold stärker zuzusetzen anfing, wurde der Kleine unangenehm, nahm den Widersacher trotz des geweihten Kreises, in dem er stand, beim Schopf und warf ihn samt dem ganzen Apparat die Treppe hinunter.

Nicht selten bewies das Heinzelmännchen seine eigentümliche Art, zeigte sich hilfreich und gut, wie die Zwerge. Auf Hudemühlen pflegte manchmal ein Edelmann einzukehren, welcher der Jagd eifrig oblag, sonst aber, wohlwollend und gemütlich, wie er war, sich auch nicht abgeneigt fühlte, zuweilen mit dem Kleinen anzustoßen beim fröhlichen Mahl, etwa auf gute Kameradschaft oder auf eine hübsche Frau.

Eines Morgens weckte der Kobold den Jägersmann und warnte ihn vor Feuerwaffen. Doch der Nimrod achtete des Rates nicht, zog aus mit Pulver und Blei, der Spur des flüchtigen Wildes zu folgen. Da zersprang die Büchse und zerriss ihm die Hand.

Die Bewohner des Schlosses gewöhnten sich endlich an den seltsamen Gastfreund, wiesen ihm eine Kammer im obersten Stock an, wo er sein Wesen nach Behagen treiben konnte, und statteten dieselbe nach seinem Wunsch mit einem kleinen runden Tisch, einem niedrigen, äußerst kunstreich geflochtenen Strohsessel und einem ganz kleinen Bett aus, an welchem man niemals die leiseste Unordnung, zuweilen nur ein ganz leichtes Grübchen bemerkte. Auf den Tisch musste die Köchin ihm täglich eine Schüssel mit süßer Milch und eingebrocktem Weißbrot setzen. Am nächsten Morgen war diese regelmäßig geleert.

Anfangs war der Hausgeist sehr zurückhaltend, wenn einer des Gesindes ihn zu sehen begehrte. Er streckte höchstens eine seiner Kinderhände hinter Gerümpel hervor und verschwand eilig. Aber auch so zeigte er sich nur den Wenigen, denen er besonders günstig war.

Unbilden rächte das Heinzelmännchen auf mancherlei Art an Herrschaft oder Gesinde, indem es unter ihnen Zwietracht stiftete, ihnen die Sessel wegzog, auf ihre Füße trat, sie zerrte und zapfte.

Mit den Kindern spielte es gern in Gestalt eines kleinen blonden Krauskopfes in rotem Samtröckchen. Wollten Erwachsene es belauschen, so war es plötzlich verschwunden, stieg trällernd die Treppe hinauf und sang im großen Bankettsaal, dass man es auf dem Hofe hören konnte, etwa:

Ortgieß, lässt du mick hier gahn,
Glücke schaft du han.
Wultu mick aver verdrieven,
Unglück warst du kriegen.

Oder wie Prediger Feldmann berichtete, der als Knabe viel im Schloss war und das Heinzelmännchen selbst gesehen haben wollte:

Mien Duhme, mien Duhme,
Mien Ellboeg sind twei.

»Heinzelmann, wo hast du das gelernt?«, rief der künftige Seelsorger verwundert hinauf, von wo die feine scharfe Stimme erscholl.

»Wo soll ich es gelernt haben?«, erwiderte der Kleine, »hast du es nicht am verwichenen Sonntag selbst gesungen, als du auf der Kindtaufe so lustig warst?« Trillerte darauf munter fort, auch Schelmen- und Liebeslieder, wobei er die Stimme eines der Diener und Mädchen im Schloss so täuschend nachzuahmen verstand, dass diese in den Verdacht eines geheimen Einverständnisses gerieten.

Wie vertraut der Sagenkreis mit der Vorstellung vom Heinzelmann war, gelang es doch nicht, sie in ein bestimmtes Bild zu fassen. Die Neugier des Herrn zu Hudemühlen, der das Männlein bei Mondenschein zu suchen versuchte, blieb unbefriedigt.

Die Berührung des Geistes gab ein Gefühl der Kälte, wie die eines Toten.

Einer Magd, die ein gar zu großes Verlangen trug, den Geist zu sehen, gebot derselbe, schweigend zwei Eimer Wasser aus dem großen Ziehbrunnen auf dem Hof zu schöpfen und damit in den Keller hinabzusteigen, bevor der Tag graue.

Als sie diesem Befehl nachgekommen war und von der letzten Treppenstufe hinabstieg, erhellte sich der düstere Raum wie durch Zauber. Vor ihr stand eine hölzerne Mulde, in der ein nacktes, etwa dreijähriges Knäblein lag, die Brust durchbohrt von zwei kreuzweise gesteckten Schwertern, mit Blut überströmt. Das Mädchen sank vor Schreck ohnmächtig zu Boden, Heinzelmann nahm ihr nun kaltblütig die Eimer aus der Hand und goss ihr das frische Wasser über den Kopf – damit ihr das Abenteuer nicht schade! Unter dem Volk aber bildete sich der Glaube aus, Heinzelmann sei der Geist eines gemordeten Kindes, der nicht ruhen könne, bis der Mörder entdeckt und bestraft worden sei.

Den Elfen und Alpen gleich weilte der Kleine gern bei den Frauen. Auf Schloss Hudemühlen lebten noch zwei Fräulein des Geschlechtes, Anna und Katharina, in deren Gemach das Heinzelmännchen sich am liebsten aufhielt, ihnen wundersame Dinge erzählte oder gegen die Klage führte, welche ihm unbillig begegnet waren. Fuhren sie über Land, so begleitete er sie, wie er uns schon bekannt geworden ist, in Gestalt einer Feder. Nachts pflegte er auf der Decke ihres Bettes zu ruhen, hinterließ auch wohl eine kleine Einbuchtung auf diesem.

Zogen Freier in das Schloss, dann tobte das Heinzelmännchen wie unsinnig durch alle Gemächer, warf mit Tellern und Schüsseln und machte einen so furchtbaren Lärm, dass die Ritter in der Regel sobald wie möglich aus dem verwünschten Haus zu kommen suchten.

Fand sich aber ein Unerschrockener unter ihnen, so suchte der Kobold ihn zu verwirren, wenn er das entscheidende Wort zu sprechen im Begriff stand. Galt seine Werbung der Katharina, so flüsterte eine drohende Stimme in sein Ohr: »So lieb dir dein Leben ist, nimm Jungfer Annen und lass mir Katharinen.«

Begehrte der Freiersmann aber Anna, so klang es wieder umgekehrt.

So blieben beide Fräulein unvermählt und starben in hohem Alter als einsame Jungfrauen. Auf ihren Grabsteinen liest man noch heute die wunderliche Ursache ihres ehelosen Standes.

Auch des Ergötzlichen wussten die Alten viel vom Kobold zu erzählen. War in Hudemühlen etwas verloren oder verlegt worden, so suchte er es aus den verborgensten Ecken und Winkeln wieder hervor. Im Stall striegelte er die Pferde, kämmte und flocht kunstvoll Schweif und Mähnen. Unerledigt gebliebene Arbeit der Mägde führte er aus. Man hörte sein nächtliches Tun und Treiben, und am Morgen glänzten Teller, Schüsseln und Pfannen gleich poliertem Silber.

Kamen unvermutet Gäste, so zeigte es das Heinzelmännchen dadurch an, dass es in der Nacht zuvor eifrig beschäftigt war und die Mägde tüchtig zum Scheuern und Putzen anhielt. Dafür forderte es seinen Platz bei der Tafel inmitten der Gäste. Es musste ihm auch von allem mit vorgelegt werden, Wein, Fisch und Braten. Den Wein genoss es, nachdem es fein sittig mit den Gästen angestoßen hatte, die Speisen aber fand man später entweder unter dem Tisch oder in irgendeiner Ecke.

Henning Steinhoff, Schreiber des Ritters zu Hudemühlen, zeigte eine besonders feindselige Gesinnung, einen maßlosen Hochmut gegen das Männlein, und tat ihm allen möglichen Tort an.

Heinzelmännchen vergalt ihm das durch allerlei List und Tücke, deren er sich dann gegen die anderen rühmte, und forschte dem Treiben des Herrn Henning so eifrig nach, dass dieser keinen Augenblick vor ihm sicher war. Einst schlich der Schreiber in der Nacht auf Socken durch die Galerie, welche zum Stübchen der herrschaftlichen Kammermagd führte. Wie sacht er sich aber auch durch den stillen mondbeglänzten Gang stahl, Heinzelmännchen hatte ihn jedoch gehört und schlüpfte ihm verstohlen nach. Er ließ ihn auch ungestört in die Zelle der Liebsten eintreten, unterbrach dann aber die trauliche Schäferstunde mit entsetzlichem Gepolter. Am anderen Tag hatte der Kobold das Abenteuer Meister Hennings in höchst possierliche Reime gebracht und sang diese mit seiner hellen, durchdringenden Stimme in Halle und Saal fortwährend ab, dass die Leute im Schloss vor Lachen bersten und Herr Henning mit seinem Liebchen vor Scham fast vergehen wollten.

Viele Jahre lang hatte Heinzelmännchen zu Hudemühlen auf diese Weise strenge Zucht geübt. Da reisten die Edeljungfrauen Anna und Katharina einst zu ihren Verwandten nach Estrup in der Grafschaft Hoya. Als der Hausgeist die Vorbereitungen zur Abfahrt erblickte, nahm auch er Abschied von Schloss und Kämmerlein, versprach auch wieder zu kommen, hat aber nicht Wort gehalten.

Nach Art der Zwerge oder unterirdischen hinterließ das Männlein segenbringende Gaben, die es sorgfältig zu bewahren bat, damit die Nachkommen der Leute zu Hudemühlen ein blühendes Geschlecht bleiben möchten bis in die entferntesten Zeiten: ein wunderbar künstlich geflochtenes Kreuz, welches klang, wenn man es rüttelte, einen nicht minder seltsam geformten Hut aus Stroh, und endlich einen perlengestickten Handschuh. Geraume Zeit erhielten sich die Glück bringenden Geschenke im ungestörten Besitz der Familie. Dann kam das Kreuz abhanden, der Hut wurde dem Kaiser Ferdinand III. (etwa um 1645) verehrt, und nur den Handschuh bewahrt noch einer der Sprosse des weitverzweigten Geschlechtes.

Die Sage erzählt, dass Heinzelmann die Edelfräulein Anna und Katharina ebenfalls in Gestalt einer Feder, welche auf der Landstraße neben dem Wagen hinflog, auf ihrer Reise nach Estrup begleitet habe, dass er dort von der Frau vom Haus und ihrer eben erblühenden holden Tochter in einer Weise freundlich aufgenommen und verpflegt worden sei, dass er später, als Anna und Katharina ihre Heimreise antraten, es vorzog, sie allein ziehen zu lassen und seinen Wohnsitz in Schloss Estrup für die Dauer zu nehmen.

Die zu Estrup erzählten viel Gutes von ihm. Er pflegte das Vieh, dass es herrlich gedieh, hielt unter den Dienstleuten strenges Regiment und füllte Scheuern und Böden mit Korn und Früchten.

Einst klagte eine adelige Witwe bei Estrup, welche mit den Grafen von Hohn in einen bösen Prozess verwickelt war, dem Männlein vertrauensvoll ihre Not. Er erteilte ihr so vortrefflichen Rat, wie sie dem mächtigen Feinde begegnen solle, dass seine Klientin den Prozess gewann.

Dem jungen Fräulein verehrte er die wertvollsten Schmucksachen, ließ sich aber niemals vor ihr sehen. Nur den Kindern und ihrem Lehrer, einem stillen sinnigen Mann, ebenso der Magd, welche ihm aufwartete, zeigte er sich zuweilen im roten Samtröckchen, mit krausem gelbem Haar.

Der Gemahl der Edelfrau, ein tapferer Kriegsheld, tummelte sich draußen in der Welt. Er hatte seit langer Zeit keine Kunde von sich gegeben, und die Besorgnis der Edelfrau um den geliebten Gatten, von dem man nicht wusste, wie es ihm gehe und ob er überhaupt noch am Leben sei, steigerte sich mit jedem kommenden Tag. Das betrübte den Heinzelmann. Er tröstete die bekümmerte Frau und verhieß ihr, selbst auszugehen, um Nachricht über den Edelmann einzuholen. Nach zwei Tagen kehrte er zurück und berichtete umständlich, was der Herr getan und gesagt habe.

Bald darauf traf ein Schreiben von diesem ein, in welchem Heinzelmanns Angaben Wort für Wort bestätigt wurden.

Der Krieg nahm ein Ende und der Edelmann kehrte heim.

Als er innewurde, welcher Gast mittlerweile in sein Haus eingezogen war, machte er seiner Frau Vorwürfe und begann den armen Kleinen hart zu verfolgen, der kläglich bat, ihm nur ein Eckchen in dem großen weiten Schloss zu gönnen.

Einst in der Nacht, bei hellem Mondschein, erwachte das Fräulein. Es war ihr, als vernehme sie eine Stimme, die leise ihren Namen rufe.

»Heinzelmann«, fragte sie, in der Meinung, der Kleine habe sein Lager wie sonst zu den Füßen ihres Bettes gesucht, »bist du es?«

»Wohl bin ich es«, entgegnete er klagend, »dein Vater bedrückt mich schwer, und ich mag um deinetwillen nicht Rache an ihm nehmen. Darum ziehe ich aus, um nimmer wiederzukehren, und mit mir zieht auch das Glück von hier. Leb’ wohl, leb’ wohl!«

Immer leiser tönte die Stimme, sie entfernte sich mehr und mehr und schien zuletzt aus den Lüften herabzukommen. Dann wurde es still, und als das Morgenrot emporstieg und die von Tränen feuchten Wangen der jugendlichen Schläferin bestrahlte, war des Hausgeistes Segen von Schloss Estrup geschwunden.