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Hessische Sagen 19

Der Schatz unter dem Kirchturm

Unter dem Turm einer alten Kirche in der Niddagegend (Wetterau) lag ein Schatz und der konnte nur zu einer gewissen Zeit im Jahre um Mitternacht gehoben werden. Nun war ein Mann, der wollte ihn heben, ging vor Mitternacht hin mit Pickel und Spaten und brach auf und grub aus. Schon war er bis auf den Schatz gekommen und sah die Goldstücke blinken, aber da war es ihm auf einmal, als müsste er über sich sehen. Und wie er über sich sah, da ließ sich die große Glocke vom Turm herunter, tiefer und immer tiefer, als wenn sie sich über ihn stürzen wollte, dass er unter ihr eingesperrt sitzen müsste, und sie war ihm schier nah am Kopf. Da wurde es dem Mann so angst und bange, dass er einen Schrei ausstieß, alles liegen ließ und fortlief. Wäre er geblieben und hätte ohne Angst vor der Glocke den Schatz ganz still herausgeholt, so hätte er ihn gehabt, denn die Glocke hätte sich gar nicht über ihn stürzen können. So aber war der Schatz wieder fortgerückt, tiefer in die Erde und die Glocke wieder hinauf auf den Turm an ihren alten Platz.


Schatz heben

In einer Mühle bei Niederbeerbach brannte oft auf dem Hof ein Feuerchen, sodass kein Zweifel blieb, es müsse ein Schatz da vergraben sein. Man ließ einen Schatzgräber kommen und der sprach, er bedürfe, um den Schatz zu heben, zwölf kühner und unerschrockener, kräftiger Männer. Diese fanden sich und er stellte sie am folgenden Abend um die Stelle herum in einem Kreis auf, befahl ihnen kein Wort zu sprechen, sich nicht von der Stelle zu rühren und ja beileibe keine Furcht zu haben, möge nun kommen, was da wolle. Alsdann ging er in die Mühle und begann seine Beschwörungen.

Bald flog das Hoftor auf und es fuhr ein Heuwagen herein, der hochbeladen war, aber nur ein Rad hatte, sodass es jeden Augenblick schien, er falle um. Er fuhr auf die zwölf Männer zu, und als sie so starr dastanden, hart an ihnen vorbei, aber sie ließen sich nicht schrecken und hielten aus.

Darauf kam eine andere Erscheinung, die noch viel gefährlicher aussah. Man wusste sie mir nicht mehr zu nennen. Aber die Männer ließen sich auch da nicht irremachen.

Endlich sprang der Teufel selbst in den Hof und rief: »Ihr wollt den Schatz nehmen, ihr habt recht, aber dafür muss ich einem von euch den Hals umdrehen.« Da liefen sie aber alle Zwölf, was sie konnten, der in die Mühle, der in die Scheune, jener in den Stall und verkrochen sich, während der Teufel ein Hohngelächter anschlug, denn nun versank der Schatz tiefer als er vorher gelegen hatte und alle Mühe, ihn zu heben, war umsonst.


Die Baumkletten

Eine Frau von Gelnhaar hütete auf den Flächen einer langen Berghöhe in der Nähe des Orts gegen Bergheim zu, ihre Kühe. Da tat sich vor ihr ein Topf mit Baumkletten (Maikäfern) aus dem Boden auf. Darüber erschrocken rief sie ihren Bruder, der sich nicht weit von ihr befand, aber zugleich verschwand der Topf wieder, ohne dass man die leiseste Spur hätte erkennen können, wohin er gekommen war.


Schlangen ausgegraben

Einem Mann in Gedernheim träumte es zu mehreren Malen, er solle hinausgehen auf sein Baumstück und am dritten Kirschbaum linker Hand ein Loch hacken, so werde er ein Fässlein voll Geld finden. Anfangs kehrte er sich nicht an seinen Traum, doch als derselbe jede und jede Nacht wiederkam, ging er endlich hinaus und fing an, an dem beschriebenen Ort zu hacken. Es dauerte nicht lang, so stieß er auf etwas Hartes, und als er es herauszog, so war es richtig ein kleines Fässlein. Er schlug den Boden ein – da sah er, dass es ganz voll Blindschleichen war. Da wurde er sehr zornig und trug die Schlangen allesamt in den Bach. Eine davon war auf die Erde gefallen, die packte er, ohne es zu bemerken, mit einigem alten Reisig auf seinen Schubkarren und fuhr heim. Zu Hause aber, als er seinen Schubkarren ausleerte, fiel mit dem Reisig eine Geldrolle heraus und brach auf, dass die silbernen Taler auf dem Boden umherrollten. Da lief er schnell zurück an den Bach und suchte einen ganzen Tag lang nach den übrigen Schlangen, konnte sie aber nicht mehr finden. Die Taler hat er noch lange Zeit aufgehoben, und niemand kannte das Gepräge, das darauf war.


Schatz verschwindet

Eine Frau in Niedernhausen arbeitete im Frühjahr in ihrem Garten und traf auf ein Plätzchen, was gerade wie ein Maulwurfshügel aussah. Als sie da hinein hackte, kam ihr plötzlich eine Menge von Goldstücken entgegengerollt. Schnell rief sie ihrem Vater, der ebenfalls im Garten arbeitete zu: Vater, sieh doch das Geld!«

Doch im selben Augenblick verschwand der Schatz, und als der Vater kam, fand er nichts und sagte, sie sei eine Närrin und ging wieder an seine Arbeit. Da hackte sie noch einmal in den Maulwurfshügel, die Goldstücke rollten ihr abermals zu Füßen und sie rief wieder: »Vater, kommt schnell, da ist es wieder!«

Aber zugleich verschwand der Schatz wie beim ersten Mal. So ging es ihr noch ein drittes Mal. Da sagte der Vater, dem die Sache doch bedenklich wurde, sie solle jetzt schweigen und nur winken, wenn es wieder käme, und sie hackte noch viele Male, aber sie hatte gut hacken, der Schatz ließ sich nicht wieder blicken.


Schätze auf dem Tannenberg

Ein Bauer aus Seeheim ging auf den Tannenberg, um Holz zu holen und traf einen alten Stock, der ihm am ersten Tage reichlich lieferte. Als er am folgenden Morgen wieder an demselben hackte, fand er plötzlich eine Röhre, die sehr schön gearbeitet war, gerade wie eine Stuckarbeit, und in derselben lag ein Regenmohr. Er warf das Tier hinaus in den Wallgraben, aber ehe er sich versah, war es wieder in der Röhre. Darüber ärgerlich schmiss er es abermals heraus, aber im selben Augenblick saß es auch wieder da, und. So ging es ihm wohl fünfzigmal hintereinander, sodass er dessen müde heimging. Am anderen Morgen trieb ihn die Neugier herauf, um zu sehen, ob das Tier noch da sei. Es war aber verschwunden und er griff darum rüstig zur Axt und schlug an dem alten Stock weiter. Doch da flog ihm eine Wespe um den Kopf herum und ließ ihm keine Ruhe, wie oft er auch nach ihr schlug, sodass er wohl merkte, es sei nicht geheuer an dem Ort und ein Schatz müsse da vergraben sein. Als die Wespe ihn endlich zu sehr belästigte, schlug er mit einem kräftigen Fluch nach ihr und da war sie verschwunden, aber auch die Röhre war weg und keine Spur mehr sichtbar, wo sie gewesen.

Zwei Buben weideten ihre Ochsen in der Nähe der Burg gegen Seeheim hin, vor der dicken Mauer außerhalb des Vorhofes. Da sprach einer zum anderen: »Du sag, hier ist der Keller, wo all der Wein in seiner Haut liegt und die Schätze stecken. Wollen wir einmal hier graben?«

Im selben Augenblick tat es einen gräulichen Schlag, es rollte gerade wie Donner in der Erde und die Ochsen brachen ein, sodass sie nur mit Mühe wieder herausgezogen werden konnten.


Der Geldkessel

Zwischen Staden und Untermockstadt in den Wiesen, welche nach althessischer Seite die Nidda begrenzt, liegt Gemeindegelände, der Einhof genannt. Es gehört zu Stade und man erzählt, dass dort vorher ein Kloster gestanden habe, von welchem sich noch lange ein Keller erhalten haben soll.

Vor alters nun ging eine Magd einmal in den Einhof graben. Ais sie eine Weile gegraben hatte, so bleibt ihr auf einmal die Schippe an etwas hängen, gerade so, als ob sie unter eine Wurzel geraten wäre. Sie guckt nach und findet die Schippe an einem Kesselhenkel hängen, an dem ein Kessel schwer von Geld war. Da hebt sie und hebt und hebt, aber sie bringt den Kessel nicht herauf, er ist ihr zu schwer. Sie besinnt sich nicht lang und ruft den Leuten zu, die in der Gegend auf ihren Stücken Land sind.

»Ihr Leut’ helft!«

Aber wie das Wort zum Maul heraus war, rappelte es in der Erde und der Kessel war versunken und sie hatte den Henkel an der Schippe hängen. Hätte sie geschwiegen und immer fort gehoben, so hätte das Geld gehabt.


Die zwölf Apostel

In der Burgkapelle auf Starkenburg an der Bergstraße standen einst die Bilder der zwölf Apostel aus purem Silber. Es war aber einmal ein schwerer Krieg, der sich über die ganze Gegend hinzog, und darin wurde die Starkenburg belagert. Als der Schlossritter sie nicht länger halten konnte und die Eroberung und Plünderung voraussah, nahm er die Apostelbilder aus der Kapelle und begrub sie an einem verborgenen Ort. Da liegen sie noch heut zutage, denn wie viele auch danach gegraben haben, gefunden hat sie keiner.

Einmal waren mehre Männer schon bis zu dem Gewölbe gedrungen, worin die Kiste mit den Bildern steht, aber da sahen sie auf der Kiste einen Hund mit feurigen Augen und liefen erschrocken von dannen.


Der Schatz im Schloss zu Darmstadt

Landgraf Ludwig VIII. lag eines Nachts in seinem Bett, da hörte er ein Geräusch in dem Zimmer. Und als er um sich schaute, sah er einen geisterhaften Mann, der vor seinem Bett stand und ihm mit der Hand winkte, mit ihm zu gehen. Obgleich nun, wie jedermann weiß, der Landgraf ein Herr war, der keine Furcht kannte, so zögerte er doch und schlug es dem Geist ab.

Am anderen Morgen ließ er seinen Hofprediger kommen und erzählte demselben von der Erscheinung, fragte ihn auch, ob er der Aufforderung des Geistes folgen solle. Der Prediger stimmte ein, sofern der Geist kein böses Begehren an ihn stelle, vielleicht sei ja der Landgraf zu dessen Erlösung berufen. Als nun in der folgenden Nacht der Geist sich abermals zeigte, erhob sich der Landgraf, zog sich an, nahm seinen Stock, ein schönes spanisches Rohr, und folgte ihm. Da führte ihn der Geist in die Gewölbe unter dem Schloss, die so ausgedehnt sind, dass sich einmal ein Maurer darin verirrt hat und lange nicht herauskommen konnte. Auch sagt man, es führe aus ihnen ein unterirdischer Gang bis in die Tanne, nach anderen bis an den Herrgottsberg, wo man noch heutzutage die Öffnung eines Ganges sieht. Lange gingen sie in den Gewölben fort, da wurde es lichter um sie, ohne dass der Landgraf unterscheiden konnte, woher das Licht kam. Er stand aber in einem großen, runden Gewölbe und rings an den Wänden sah er große Fässer stehen, welche mit Geld gefüllt waren. Da lehnte er den Stock an die Wand und ging umher, sich die Fässer näher anzuschauen.

Das dauerte eine Weile, da sprach der Geist: »Siehe, dieser ganze Schatz ist deinem Sohn bestimmt, du genießt nichts davon. Jetzt aber komm, denn meine Zeit ist abgelaufen.«

Der Landgraf ging mit dem Geist zurück, vergaß jedoch in der Eile, seinen Stock wieder zu nehmen und kam also auf sein Schlafzimmer, wo der Geist verschwand.

Morgens wäre er fast versucht gewesen, die ganze Geschichte für einen Traum zu halten, wenn ihm nicht sein spanisches Rohr gefehlt hätte. Das aber war verschwunden und nirgends zu finden. Er ging nun, von mehreren Maurern begleitet in die Gewölbe und suchte, ob er den Weg, den er nächtens gegangen war, wiederfinden würde. Doch das war unmöglich. Da hat er denn die ganze Sache zu Protokoll gegeben und dazu gesetzt, er könne sie mit einem Eid bekräftigen.

Sein Sohn und Nachfolger, Ludwig IX., war zwar ein vortrefflicher Fürst, hatte aber nicht des Vaters Mut und Entschlossenheit. Weil er nun die Geschichte von dem Geist wusste, hat er nie auch nur eine Nacht in dem Schloss schlafen wollen, sondern meist in Pirmasens und anderswo gewohnt.


Reise nach Venedig

Zum Müller in Flarsheim bei Westhofen kam jedes Jahr im Mai ein schöner Mann mit einem Maulesel, der zwei Fässchen trug. Dann freuten sich die Knechte und Mägde, denn dann gab’s Trinkgelder vollauf, und auch sonst belohnte der Mann jeden Dienst, als ob er ein Prinz gewesen wäre. Da kam auch einmal die Rede auf Venedig und der Müller meinte, das müsse doch eine schöne Stadt sein.

»Das glaube ich auch«, sprach der Fremde und erzählte so viel von den Herrlichkeiten Venedigs, von seinen schönen Kirchen und Schlössern.

Des Müllers Sohn rief ein über das andere Mal aus: »Ei, das möchte ich doch sehen, da möchte ich auch einmal hin.«

»Das kannst du haben«, sagte der Fremde, »und es kostet dich selbst nicht einen Heller. Aber du musst erst trocken hinter den Ohren sein.«

Der Sohn wuchs heran, der alte Müller starb. Einige Jahre danach heiratete der Sohn, und wie der Fremde vorher bei dem Alten eingekehrt war, so kam er jetzt mit seinem Maulesel und den zwei Fässchen zu dem jungen Müller.

Eines Tags sagte er: »Nun, habt Ihr noch Lust, einmal nach Venedig zu reisen?«

»Ja, wer dazu Geld hätte«, erwiderte der Müller.

»Wie ich Euch schon früher sagte«, antwortete der Fremde, »es soll Euch nichts kosten und Ihr logiert bei mir.«

»Ei, dann nehm’ ich’s mit Dank an«, meinte der Müller.

Als nun die Zeit herankam, wo der fremde Mann gewöhnlich wegzugehen pflegte, fuhr der Müller eines Morgens früh mit Mehl nach Alzey. Unterwegs musste er über einen Kreuzweg, an dem ein Birnbaum steht. Aber an der Stelle erhob sich plötzlich ein Wind, ergriff ihn und führte ihn durch die Luft fort. Ehe sich’s der Müller versah, stand er in einer prächtigen Stadt vor einem Marktbrunnen, der von purem Marmor war. Auf dem Brunnen stand aber mit großen Buchstaben geschrieben: Venezia. Noch stand er da und betrachtete den Brunnen und die Schlösser, welche um den Markt herum lagen, als ihn jemand hinten an den Schultern packte, ihn nach einer Straße zu drehte und so vor sich hin schob. In der Straße ließ dieser ihn los. Als der Müller aber umschaute, war der Mann verschwunden. Er ging in der Straße weiter und sah ein stolzes, prächtiges Schloss, so schön, wie ihm noch keines vor die Augen gekommen war.

Daraus trat ein schöner Herr in prächtigen Kleidern, welcher ihn fragte: »Nun, Müller, wen sucht Ihr?«

»Ja, wen ich suche«, sagte der Müller.

Aber da lachte der Herr laut auf und fragte: »Kennt Ihr mich denn nicht?«

»Ich wüsste nicht«, antwortete der Müller, »ich komme eben aus dem Reich und weiß nicht, wie ich hierher geführt worden bin.«

»Kennt Ihr denn den Mann nicht mehr, der Euch jedes Jahr besucht hat?«, fragte der Herr. Da schaute der Müller ihm schärfer ins Gesicht, aber er konnte sich doch nicht erinnern, ihn gesehen zu haben, er war auch noch allzu sehr verwirrt.

»Dann geht mal mit mir in mein Haus«, sprach der Herr und führte ihn in einen prächtigen Saal, ging aber selbst in ein Nebenzimmer, aus dem er gleich danach in seinem linnenen Kittel wieder hervorkam.

»Aha«, rief der Müller erfreut, »jetzt kennen wir uns«, und schüttelte ihm treuherzig die Hand.

Der Müller blieb vier Wochen bei ihm, und der Herr zeigte ihm die ganze Stadt und fuhr mit ihm in der ganzen Gegend herum, wo nur etwas zu sehen war. Er sagte ihm auch, jetzt komme er nicht mehr ins Reich, denn er habe sich in den Jahren bisher Gold genug da geholt, mehr als er verbauen und verzehren könne.

Als der Müller fragte, wo das Gold denn liege, sprach der Herr, das sei ein Geheimnis, aber im Reich stecke noch mehr Gold in der Erde, als man denke und er sei es nicht allein, der seinen Reichtum da geholt. Dann beschenkte er ihn reichlich und führte ihn eines Morgens wieder auf den Platz vor den Marktbrunnen. Als der Müller nach den Bildern an dem Brunnen schaute, warf der Herr ihm rasch einen Sack über den Kopf, der Wind erhob sich wieder und etwa eine dreiviertel Stunde später fand der Müller sich unter dem Birnbaum wieder. Er traute anfangs seinen Sinnen nicht und rieb sich lange die Augen. Als er aber, um der Sache ganz gewiss zu werden, in seine Taschen griff, da waren Hände voll Gold darin. Er eilte Hals über Kopf nach Hause, wo ihn seine Frau, welche ihn bereits für tot geglaubt hatte, mit freudigem Erstaunen empfing. Da erfuhr er auch, dass er nicht vier Wochen, sondern vier Monate unterwegs gewesen war. Vom Gold, welches er mitgebracht hatte, baute er die alte Mühle neu auf und behielt noch ein solches Sümmchen übrig, dass er für den wohlhabendsten Mann in der ganzen Gegend galt.