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Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 2

Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 2
und deren Entstehen in vorchristlicher Zeit durch die Verehrung des Melybogs und der Frau Holle
Historische bearbeitet von Ludwig Wilhelm Schrader

Kapitel 4

Die Sage von den Hexen kann daher in jenen Zeiten auf die angegebene Art nicht entstanden sein. Sie ist vielmehr älteren Ursprungs, wie sich dies schon daraus mit Gewissheit ergibt, dass Hexerei schon im Jahr 742 der Gegenstand eines verbietenden Gesetzes der fränkischen Gesetzgebung ist. Karl Wilhelm Ideler bemerkt in seiner Abhandlung über die Dämonomanie namentlich über den Ursprung des Hexenwesens Folgendes: »Horst leitet den Ursprung des christlichen Zauber- und Hexenglaubens aus dem Orient ab, dessen religiöse Weltanschauung Zarathustra in das dualistische System eines guten Prinzips, Ormudz, und eines bösen, Ahriman, brachte. Die Juden, deren mosaischer Monotheismus kein böses Prinzip anerkannte, nahmen Letzteres seit ihrer babylonischen Gefangenschaft in ihren Glauben unter dem Namen Satan auf, der bei ihnen noch eine Menge anderer Benennungen als διάβολος, βεελξεουβ, βελιαλ, Samoel oder Leviathan führte. So fand dieser Begriff, aus dessen weitverbreiteter Herrschaft im jüdischen Volk besonders das Vorkommen der vielen Besessenen erklärt werden muss, deren das neue Testament gedenkt, auch Eingang in das Christentum, und zwar in dem Sinn, dass Jesus das Reich des Teufels zerstört und die Gläubigen gegen die Versuchung desselben geschützt habe. Der heftige Kampf des Christentums mit den heidnischen Religionen während der ersten Jahrhunderte hatte die natürliche Folge, dass von den Bekennern des Ersteren die Götter des Letzteren für jene bösen, unseligen Wesen erklärt wurden, welche der Welt, den Menschen und ihnen selbst so viel Leid und Ungemach zufügten. Aber vom 4. Jahrhundert an, als der direkte Gegensatz zwischen Heidentum und Christentum aufhörte und die Götter der Heiden nachgerade als eine historische Vergangenheit zu existieren anfingen, bildete sich allmählich der Glaube an das Dasein höherer, böser Naturen so aus, dass aus den früheren Dämonen oder heidnischen Götzen unsere jetzigen bösen Engel oder Teufel und aus den ehemaligen von den Dämonen unfreiwillig Besessenen oder Geplagten zuletzt freiwillige Teufelsverbündete wurden. Hier ist also der erste bestimmte Ursprung des Glaubens an Zauberei und Hexen im späteren Sinne dieses Wortes.«

Es lässt sich nun zwar nicht leugnen, dass auf die angegebene Weise das Hexenwesen Deutschlands einen Einfluss erlitten hat. Allein der Ursprung desselben kann dennoch nicht in die angeführten Umstände gesetzt werden. Denn zunächst ergibt schon das, was in Kapitel 3 gesagt ist, dass die alten heidnischen Bewohner Deutschlands bei Einführung des Christentums nur ihren Namen änderten. Sie blieben in der Sache selbst noch sehr lange vollständige Heiden, ungeachtet sie getauft waren. Das Wesentliche in der Veränderung ihres Gottesdienstes war wohl das, dass nun mehr Gebäude vorhanden waren, in welchem er ausgeübt wurde, wogegen früher die göttliche Verehrung unter freiem Himmel stattfand. Ja, man behielt sogar die heidnischen Namen der Götter für die christlichen Personen der Gottheit bei. Denn das deutsche Wort Gott ist nur die Benennung des heidnischen Gode, und der Heilige Geist unterschied sich in seiner Benennung halogan Gast auch nur wenig von Götzen, die ebenfalls Gast hießen, wie zum Beispiel der Radegast. Die Annahme erscheint daher bedenklich, nach welcher die alten Götter der Westgermanen die in dem Hexenwesen verkommenden Unholde sein sollen. Sie waren den Westgermanen viel zu lieb, als dass sie, so lange sie Germanen von ursprünglichem Schrot und Korn blieben, je gelitten hätten, dass ihr Ruf verdunkelt und deren Wesen mit dem der Unholde vermischt wurde. In dem Benehmen Karls des Großen finden wir zwar, dass die Götter der Sachsen Unholde genannt werben. Wir wissen aber auch, was für Schwierigkeiten es gegeben hat, die Sachsen zu besiegen, und diese würben gewiss viel geringer gewesen sein, wenn man mit mehr Vorsicht verfahren wäre, und mehr Nachsicht gegen die Religion der heidnischen Sachsen bewiesen hätte. Wir wissen ferner, dass alle Strenge Karls des Großen den gewöhnlichen Gang der Dinge dennoch nicht geändert hat, dass die Sachsen vielmehr Heiden blieben, ungeachtet sie getauft waren.

Nicht durch das Christentum entstand daher der Glaube an Hexerei in Deutschland, sondern dieser herrschte schon lange vorher unter den heidnischen Sachsen, namentlich auch am Harz. Denn aus der Gesetzgebung Karls des Großen ersehen wir schon, dass es ein heidnischer und kein christlicher Gebrauch war, die Hexen zu verbrennen, oder – verspeisen zu lassen! Einen selchen unchristlichen Gebrauch verbot daher Karl der Große den heidnischen Sachsen, die nur dem Namen nach Christen geworden waren. Sie konnten diesen Gebrauch nicht aus dem Judentum kennengelernt haben, weil er sich in diesem gar nicht befand. Die Hexen der Sachsen waren daher auch keine jüdische Dämonen, noch Personen, die von diesen besessen waren. Das Christentum war vielmehr auf das Schicksal der Hexen von günstigem Einfluss und bewirkte ihnen eine mildere Behandlung. An die Stelle des Verbrennens und Verspeisens trat der gelinde Spruch des christlichen Strafrichters: »Sie soll in der Gemeinde nicht geduldet werden.« Nur dem Geist der Zeit des Papstes Innozenz VIII. war es vorbehalten, zu den Gräueln der Heiden wieder zurückzukehren und über die Hexen den Feuertod zu verhängen.

Das bei den Sachsen herrschende Verfahren gegen die Hexen lässt ferner annehmen, dass die Hexerei kein germanisches ist. Denn unter den westgermanischen Völkern herrschten im Ganzen ähnliche Gebräuche und Sitten. Es lässt sich daher nicht annehmen, dass irgendein germanischer Stamm eine Einrichtung gehabt hatte, die ein anderer für so abscheulich gehalten habe, dass er die Anhänger derselben verbrennen oder verspeisen zu müssen geglaubt habe. Der Ursprung des Hexenwesens ist daher offenbar bei einem anderen Volk zu suchen.

Kapitel 5

Dieses muss jedenfalls auch den Harz bewohnt haben, weil sonst der Brocken nicht der Ort der Ausübung einer ihm eigentümlichen Feierlichkeit hätte sein können. Die Quelle der Hexerei ist also aufgedeckt, wenn deutlich gemacht werden kann, welche Völker und Stämme den Harz bewohnt haben. Die älteste, den Harz speziell angehende Nachricht ist die, welche Claudius Ptolomäus uns gibt, der im 2. Jahrhundert in Alexandria lebte und geografische Nachrichten über Deutschland hinterlassen hat. Er nennt den Harz den semanaischen Wald. Nach seiner Angabe bewohnten damals Cherusker und Campsani die nördliche Seite des Harzes bis an den Brocken, auf der anderen Seite hatten die Katten (später als Chatten genannt) ihre Sitze. Cherusker und Katten sind nach den Berichten der Römer bekannte germanische Völker, die schon zu Tacitus Zeiten in Deutschland wohnten und schon lange ihre Wohnsitze in diesem Land gehabt haben. Gleicher Gestalt mag es sich wohl mit den Campsani verhalten. Bei diesen Völkern ist daher der Ursprung des Hexenwesens nicht zu suchen. Nach dem 2. Jahrhundert ein anderes Volk am Harz anzunehmen, dafür ist kein Grund vorhanden. Es bleibt daher nichts weiter übrig, als diese Bewohner des Harzes in den Zeiten vor Christi Geburt zu suchen. Bis dahin reichen nun sicherlich die überlieferten schriftlichen Nachrichten über Deutschland nicht. Allein nicht selten lassen sich aus späteren Tatsachen Ereignisse der früheren Zeit schließen, und auf diese Weise soll daher der Versuch gemacht werben, dieses Volk zu entdecken, welches vor Christi Geburt den Harz bewohnt hat.

Kapitel 6

Schon im Jahr 781 drang Karl der Große bis an die Elbe vor und legte insbesondere in Wolmirstedt eine Feste an. Wir wissen ferner, dass er seine Eroberungen später bis über die Elbe ausdehnte. Nach seiner Zeit findet sich nirgends eine Nachricht, zufolge der nichtgermanische Völker zwischen der Elbe und dem Harz festen Fuß gefasst hätten. Dies hat daher gewiss auch nicht stattgefunden, weil ein so wichtiger Umstand der Geschichte gewiss nicht würde unaufgezeichnet geblieben sein. Dennoch finden wir nach Karl dem Großen im Harzbereich fremde, nichtgermanische Völker ansässig. Das Dorf Leimbach wurde überwiegend im Jahr 973 von Sorben bewohnt, die uns als ein Zweig des großen slawischen Volksstammes bekannt sind. Der Sage nach soll ferner die zerstörte Burg Wendthal bei Thale vom Kaiser Heinrich I. gegen die Wenden erbaut worden sein, die ebenfalls zu den Slawen gehören. Mag diese Sage nun auch nicht richtig fein, wie wohl zu glauben ist, so lässt sie doch wenigsten so viel vermuten, dass in der Gegend von Thale Wenden wohnten, zu deren im Zaume halten diese Burg diente. Solche slawische Völker finden sich nun in den bekannten Zeiten der Geschichte mehrere in Deutschland, ohne dass man Nachricht darüber findet, woher sie gekommen sind. Über ihr Erscheinen oft mitten in Deutschland sind daher von den Geschichtsschreibern verschiedene Vermutungen aufgestellt worden. Einige leiten sie von denjenigen ab, die zur Zeit der sächsischen Kaiser in die Sklaverei verkauft wurden. Allein diese Meinung ist schon deshalb nicht haltbar, weil sich zu viele der slawischen Völker bereits in Deutschland befinden, als dass man die Möglichkeit der Nichtigkeit jener Annahme zugeben könnte. Überdies finden sich schon lange vor der Zeit der sächsischen Kaiser, besonders Anfang des 8. Jahrhunderts, Slawen in Hessen. Andere, wie zum Beispiel Peter Wilhelm Behrend in seiner Chronik des Kreises Neuhaldensleben. Teil 2. Seite 235, halten dafür, dass die slawischen Völker im 9. und 10. Jahrhundert häufige Einfälle in das Land am linken Ufer der Elbe unternommen hatten und dort selbst Niederlassungen gegründet hätten. Letzteres konnten diese nur, wenn sie einen Teil des linken Elbufers als Sieger zu behaupten vermochten. Und dieser Teil kann anschließend nicht gering gewesen sein, weil man nicht nur im Mansfeldischen, sondern auch in der Gegend um Helmstedt Slaven findet. Es lässt sich aber gar nicht annehmen, dass die Eroberung eines so bedeutenden Teils eines christlichen Landes von heidnischen Völkern in Vergessenheit geraten sein sollte. Deshalb scheint auch diese Annahme nicht haltbar zu sein. Von den Sorben, die im Jahr 973 im Dorf Leimbach vorgefunden wurden, kann man daher nicht etwa annehmen, dass sie sich nach Karl dem Großen dort niedergelassen haben.

Kapitel 7

Von jenen Sorben kann man vielmehr mit mehr Grund glauben, dass sie die Urbewohner jener Gegend gewesen sind und solche schon vor den germanischen Völkern bewohnt haben. Denn Forscher in der Geschichte der slawischen Völker haben zu jener Zeit zum Ausdruck gebracht, dass dieses Volk nicht etwa erst um die Zeit des 5. Jahrhunderts in Europa eingewandert und sich darin verbreitet, sondern dass dieses schon seit Urzeiten, vermutlich wenigstens 3000 Jahre vor Christi Geburt einen bedeutenden Teil von Europa, und wie ich glaube, wenn nicht ganz Deutschland, doch den größten Teil davon bewohnt hat. Aus diesem Grund führten sie daher den Namen slaw, was so viel wie Bewohner heißt, und im Gegensatz zu ihnen die Sueben als Umherschweifende genannt wurden, weil diese nicht, wie die Ureinwohner, ein Ackerbau treibendes, sondern ein nomadisierendes Volk waren. Die Urbewohner wurden aber die Knechte der Westgermanen und erhielten daher den Namen servi, was Knechte, Sklaven bedeutet. Daraus wurde vermutlich surbi, Sorben, oder man verband dies mit dem Namen slaw, womit sie sich selbst benannten, den Begriff der Knechtschaft. Und so könnte das Wort Sklav nicht erst im 10. Jahrhundert, wie man glaubt, sondern schon lange vorher, in der Bedeutung von Knecht (servus) entstanden sein.

Kapitel 8

Der Umstand nun, dass die Sorben die eigentlichen Landesbewohner, die Germanen aber gleichsam ihre Einquartierung waren, hat uns eine nicht unbedeutende Quelle für den Beweis ihrer Existenz im Harzbereich erhalten. Es liegt nämlich in der Natur der Sache, dass die Bewohner einer Gegend mehr Veranlassung haben, den Bezirken und Orten derselben Namen zu geben, als diejenigen, welche bloß darin umherschweifen. Wenigstens ist zu erwarten, dass die Namen der Ersteren sich fester erhalten als die der Letzteren. Dies um so mehr, wenn die Fremden häufig vertrieben waren, die eigentliche Bewohner aber durch neue Fremde nur neue Herren bekamen. Ein Verhältnis, das unter Berücksichtigung der Germanen und Slawen gewiss häufig stattgefunden hat. Wenn daher, wie bereits behauptet worden ist, die Slawen die eigentlichen Urbewohner des Harzbereiches sind, so darf auch man mit Recht fordern, dass sich in demselben slawischen Namen für Bezirke vorfinden. Dies ist nun, wie später gezeigt werden soll, allerdings der Fall. Wenn indes die Zahl der anzuführenden slawischen Namen nicht so groß ausfällt, wie man wohl erwartet, so ist hierbei zu berücksichtigen,

1. dass dem Autor nicht alle im Harzbezirk vorkommenden Lokalnamen vorliegen. Mancher Berg, mancher Feld- und Waldbezirk und manches Wässerchen dürfte dann noch später einen unverkennbaren slawischen Namen haben und so die Anzahl derselben vermehren.

2. Die Zahl der slawischen Namen ist aber auch durch den Umstand verringert, dass seit mehr als 1000 Jahren der Harzbereich von Deutschen bewohnt ist. Dies musste natürlich das Entstehen von neuen deutschen Namen zur Folge haben. Am meisten wurden aber die slawischen Namen dadurch vermindert, dass die Sprache der Burgbewohner durch die der deutschen Bevölkerung verdrängt wurde. Dies hatte zur Folge, dass die slawischen Namen nunmehr in die deutsche Sprache übersetzt wurden. Noch im 16. Jahrhundert findet man daher zum Beispiel den Namen Hilhoff neben dem deutschen Namen Hilzbach in Gebrauch. Hinzu kommt noch

3. dass zum Auffinden der slawischen Namen nicht nur die Kenntnis sämtlicher slawischen Sprachen, sondern auch der älteren erforderlich ist. Wenn es aber ohne diese Kenntnis gelingt, eine einigermaßen bedeutende Anzahl von slawischen Namen nachzuweisen, so muss die Richtigkeit der Behauptung, dass Slawen die Ureinwohner des Harzes sind, umso einleuchtender sein.

Kapitel 9

Die Gesichtspunkte, von welchem aus man die lokalen Namen hernahm, waren in älteren Zeiten nicht von großem Umfang. Es konnte daher nicht fehlen, dass mehrere Gegenstände dieselben eigenen Namen erhielten. Der Ort, wo sich zum Beispiel der Herr der Knechte (Sorben) niederließ, wurde Herrnfeld genannt. Da sich nun in einer Gegend mehrerer Herren niederließen, so mussten natürlich mehrere Orte diesen Namen erhalten. Und daher Zweideutigkeiten zu vermeiden, schlug man zu der Zeit, als die deutsche Sprache die slawische verdrängte, das Verfahren ein, dass man doppelt oder mehrfach vorhandenen Namen teils ganz, teils nur halb übersetzte. Deshalb ist die der vollständigen slawischen Namen viel geringer ausgefallen. Zu den Ersteren darf man zum Beispiel nennen:

1. Ratibor, welches der ältere Name des unweit Wernigerode gelegenen Dorfes Reddeber ist.

2. Radau, womit noch heute ein Bach benannt wird, der unweit des Brockenfeldes entspringt und unterhalb des Ortes Ocker in die Ocker fließt. Die Endung au ist, wie später gezeigt werden soll, ohne Zweifel ein slawisches Wort, und von Rad ist dies umso sicherer anzunehmen, dass es sich nicht selten in slawischen Namen befindet. Denn auch schon im Ratibor ist es zum Beispiel in Radegast, dem Namen eines slawischen Götzen, enthalten. Zu den vollständigen slawischen Namen darf man ferner rechnen:

3. den Namen des Flusses Ilse. Nicht die verwünschte Prinzessin Ilse gab diesem den Namen, sondern Ilse ist ein »nomen appellativum«, und das auch in der Form von Asle, Else, Olse und Ulse in älteren Zeiten sehr oft vorkommt. Man benennt mit diesem Wort ursprünglich die Gegend, wo zwei Flüsse zusammenfließen, und drückt sich zu diesem Behufe aus durch in oder auf der Ilse. Diese Benennung ist seit den ältesten Zeiten in Deutschland sehr häufig gewesen. Die Römer fanden sie am Zusammenfluss des Mains in den Rhein vor und übersetzen sie in ihrer Sprache durch Confluentia (Koblenz). Sie fanden sie ferner am Zusammenfluss der Lippe in den Rhein. Um nicht zwei Orte am Rhein mit den Namen Confluentia zu haben, wie hielten sie den vorgefundenen Namen bei. Diesen hieß ursprünglich Alisow, wurde aber von den Römern in Aliso (Wesel) umgewandelt. Die in der deutschen Sprache herrschenden Neigung zur Abkürzung der Worte hatte mit der Zeit zur Folge, dass der Name Alisow in Alsow (Elsoff, Ilsoff) verwandelt, auch halb in Alsbach, Elsbach, Ilsbach usw. übersetzt wurde. Die Endung ow findet sich sehr häufig in au und dann in a verwandelt. So entstand neben Elsoff, Ilsoff usw. An anderen Orten auch Ilsau, dann Ilsa und endlich Ilse. Die ursprünglich in dem Wort Ilse enthaltene Endung ow ist ohne Zweifel ein slawisches Wort, das Bach bedeutet; und das Wort Alis in Alisow hat die Bedeutung des Zusammenfließens. Dies beweist nicht nur der Umstand, dass Alisow die Gegend am Zusammenfluss zweier Flüsse bezeichnet, sondern wird auch durch die lateinische Übersetzung Confluentia oder Confluens bestätigt. Es bezeugt dies ferner, dass das griechische Wort αλιξω, das ebenfalls Zusammenfließens bedeutet und offenbar das Gleiche ist, was in Alisow enthalten ist. Der Wortteil Alis in letzterem Worten kann aber umso weniger für ein deutsches Wort erwartet werden, als wir es ursprünglich nur mit einem slawischen Wort zusammengesetzt finden. Der Name des Flusses Ilse ist daher ein ganzes slawisches Wort, das ursprünglich den Ort nennt, wo dieser Fluss in die Ocker fließt, dann aber auf den Fluss selbst, wie dies mehrfach der Fall ist, übergegangen ist. So führt diesen Namen zum Beispiel auch ein Fluss, der in der ehemaligen Grafschaft Wittgenstein beim Weiler Feudingerhütte in die Lahn sich ergießt. Auch hier gibt es ein Ilsetal, obgleich man von einer verwünschten Prinzessin Ilse nicht weiß.

4. Zu den slawischen Wörtern darf man ferner den Namen einer, in das Clausthaler Bergamtsrevier gehörenden Meierei Camschlacken (richtigerweise Kamschlacken) hinzurechnen. Dass der Wortteil Kam der slawischen Sprache angehört, dürfte kein Zweifel sein. Dieses Wort findet sich in der polnischen Sprache in Kamien und im Wendischen in Chem, Kem zum Beispiel in Chemnitz, Kemnod usw. Die Bedeutung dieses Wortes ist Stein. Man darf um so sicherer annehmen, dass der Wortteil Kam in Kamschlacken mit dem polnischen Kamien und dem wendischen Chem identisch ist, wie man die Bedeutung Stein mehrfach in Ortsnamen im Harz vorfindet. Ich erinnere nur an Steina, Steinbrücken, Steinkirchen, Steinmühle, Steinrennerhütte usw. Allem Anschein nach ist das Wort Stein in all diesen Namen eine Übersetzung von Kam. Keinen Bedenken kann es beim Wort Steinlacken geben, dem früheren Namen der Oder, nachdem sie bei Pöhlde die Sieber aufgenommen hat.

Das Wort Laake hat zwar in der deutschen Sprache das Bürgerrecht erhalten und findet sich in manchen Gegenden in der Form von Lache, in anderen von Lacke (lateinisch lacus, französisch lac). Dennoch darf man es als der alten slawischen Sprache angehörig betrachten, weil es

1. in der deutschen Sprache eine engere, als die ursprüngliche Bedeutung hat. Letzterer ist nämlich Wasser, in der deutschen Sprache dagegen bezeichnete es ein stehendes Wasser. Hinzu kommt noch

2. dass man dieses Wort schon sehr früh in Zeiten mit echt slawischen Worten zusammengesetzt findet, besonders in Larphe (Lachesphe, Lachsphe, heute Laasphe). Der Wortteil phe ist nämlich entstanden aus owe an, sodass Larphe ursprünglich Lachsowe hieß. Im Harznamen Lasfelde ist daher der Wortteil Las nichts anderes als das Wort Lache (Lacke) im Genitiv. Kamschlacken ist deshalb ins Deutsche durch Steinwasser zu übersetzen, und diese Übersetzung erhält daher auch der Name Steinlaken.