Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Tod weint rote Tränen

Der Tod weint rote Tränen
Originaltitel: L’étrange couleur des larmes de ton corps

Koch Media, München, Januar 2015, 1 DVD im Amaray Case, Mystery, Thriller, ca. 98 Minuten, 12,99 Euro, Regie, Drehbuch: Hélène Cattet, Bruno Forzani, Darsteller: Klaus Tange, Ursula Bedena, Joe Koener, Birgit Yew, Hans de Munter, FSK: ab 18, Extras: exklusives Mediabook mit 20-seitigem Booklet, Original Kinotrailer
www.kochmedia-film.de

Als Dan Kristensen von einer Geschäftsreise zurückkommt, findet er seine Wohnung von innen verschlossen vor, jedoch ohne ein Lebenszeichen seiner Ehefrau Edwige. Den nicht abgehörten Nachrichten auf dem Anrufbeantworter zufolge ist sie bereits kurz nach seiner Abreise verschwunden. Eine Nachbarin erzählt Dan, dass ihr Ehemann ebenfalls verschwunden ist, als er einem Schrei aus der darüber liegenden Wohnung nachgegangen ist. Dan fühlt sich mehr und mehr beobachtet und gelangt zu der Überzeugung, dass jemand heimlich seine Wohnung betreten und verlassen kann, wie es ihm gefällt. Schließlich eröffnet ihm eine unbekannte Stimme das Geheimnis des Hauses.

Nach dem Erfolg ihres Neo-Giallos Amer schleudert das belgische Regieduo Hélène Cattet und Bruno Forzani den Zuschauer erneut direkt in einen barocken Mystery-Thriller-(Alb)Traum, der seinesgleichen sucht. Verläuft Der Tod weint rote Tränen zu Beginn in noch recht konventionellen Thrillerbahnen – alles deutet auf ein geheimes Leben der Ehefrau hin – wird die Realität schon bald aufgelöst, ohne dass man feststellen konnte, wo der Übergang stattgefunden hat. Der Auslöser für Dans Suche spielt bald nur noch eine untergeordnete Rolle, wenn er in das düstere und vermeintlich unendliche Labyrinth des überbordenden Mietshauses eintaucht, in dem offenbar etwas sehr Seltsames vorgeht. Auch die Filmsprache verändert sich ab hier phasenweise. Auf weite Strecken kommt Der Tod weint rote Tränen sogar ohne Dialoge aus, was die surreale Stimmung noch verstärkt. Dazu gesellen sich experimentelle Schnitte, Splitscreen-Szenen, ein meisterhaftes Spiel mit Licht, Schatten und Farben sowie die Einbeziehung der Hausarchitektur – eine Art Jugendstilprunk, die mit dem Plakatmotiv bereits angedeutet wird-, wie sie sonst nur Dario Argento bewerkstelligt hat. Suspira-Fans sollten auf jeden Fall einen Blick riskieren. Auf einem Nebengleis bietet Der Tod weint rote Tränen sogar eine ordentliche Portion (surrealen) Body-Horror, die brillant mit dem klassischen Doppelgängermotiv verheiratet wird. Die Effekte sind sehr ordentlich handgemacht und teils recht deftig, wirken allerdings eher verstörend als blutig. Hier ist wohl auch die FSK-Einstufung ab 18 zu suchen.

Mit all seinen Motiven, Mustern und filmischen Extravaganzen wirkt Der Tod weint rote Tränen am Ende wie ein Bastardkind von David Lynch und Jean-Pierre Jeunet, bei dem David Cronenberg als Pate diente. Am Ende gelingt es den Belgiern sogar, ihre überschäumende Geschichte wieder einzufangen und ein – im Kanon des Films – schlüssiges Ende zu präsentieren und damit sogar klassische Giallo-Ufer zu streifen. Da ist es fast schon Ehrensache, dass im Grunde die Form über den Inhalt siegt, doch nach der x-ten Fortsetzung und dem y-ten Remake stellt Der Tod weint rote Tränen eine außergewöhnliche und vor allem kompromisslose Wohltat dar.

Nicht unerheblichen Anteil an der Wirkung des Films hat der Soundtrack, für den Cattet und Forzani vorhanden Filmmusiken von Ennio Morricone (Short Night of Glass Dolls, Maddalena), Riz Ortolani (So Sweet … So Perverse) und einigen andere Größen des europäischen Genrekinos der 1960er und 70er recycelt haben. In einem Interview erklären die beiden auch die gelungene Symbiose, nämlich dass sie sich beim Filmen bereits vom Rhythmus des ausgewählten Musikstückes leiten lassen.

In der Hauptrolle brilliert der Däne Klaus Tange, den der anspruchsvolle Fernsehzuschauer unter anderem aus den TV-Produktionen Kommissarin Lund und Die Brücke – Transit in den Tod kennt, als verzweifelter kafkaesker Charakter. Er wird zwar immer wieder von gut ausgesuchten Kollegen unterstützt, doch insgesamt trägt er den Film fast im Alleingang.

Fazit:
Wie schon Amer ist auch Der Tod weint rote Tränen ein Film, auf den man sich einlassen muss. Wer dies tut, den erwartet ein surrealer, kunstvoll ausgestatteter Mystery-Trip, der sich nicht an moderne Sehgewohnheiten anbiedert und damit ein außergewöhnliches Seherlebnis bietet.

(eh)