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Wave and smile

Arne Jysch
Wave and smile

Comic, Graphic Novel, Softcover Carlsen, Hamburg, Mai 2014, 202 Seiten, 12,90 Euro, ISBN: 978355171372, ab 14 Jahren

Kunduz, 2009: Hauptmann Chris und Hauptfeldwebel Marco haben erst kürzlich erlebt, wie Kameraden bei einem Einsatz ums Leben gekommen sind. Das geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Dementsprechend skeptisch sind beide, als Fotoreporterin Anni über den Einsatz in Afghanistan berichten will. Da Anni aber einiges wegstecken kann, darf sie sogar bei einem gefährlichen Einsatz mitkommen. Allerdings wird der Helikopter der Einheit abgeschossen und muss notlanden. Einer der Kameraden stirbt aufgrund der Schusswunden. Die anderen finden vorübergehend Schutz bei einem der Warlords, die für die Amerikaner arbeiten. Aber auch das Dorf des Warlords wird angegriffen und Hauptfeldwebel Marco entführt. Chris erhält den Befehl, umzukehren und Marco zurückzulassen. Das aber kann er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und macht sich ein paar Monate später privat auf die Suche nach seinem Kameraden. Er gibt sich als deutscher Journalist aus und erhält über Annis journalistische Kontakte Zugang zu den Taliban. Als er endlich mit einigen Leuten der Taliban reden kann, wird Chris von einem Bombardement der Amerikaner überrascht. Er überlebt den Angriff, wird von den Amerikanern aber für einen Taliban gehalten und inhaftiert.

Zunächst zu den negativen Kritikpunkten: Die deutschen Soldaten werden vom Körperbau eher wie klischeehafte amerikanische Soldaten dargestellt, also mit aufgeplusterten Muskeln. Die Reporterin ist (wie meist in Comics, die von Männern gezeichnet werden), jung, hübsch, vollbusig. Der Versuch, sie tough darzustellen, wirkt schematisch. Beides wird einer »echten« Frau nicht gerecht und ärgert mal wieder Leserinnen, die allmählich die Nase voll von solchen einseitigen Frauendarstellungen haben. Die Story selbst erinnert ein wenig an Indiana Jones: Selbst bei der vielbeschworenen Kameradschaft wird es nur selten jemanden geben, der sich, wohlbehalten zuhause angekommen, freiwillig wieder zurück in tödliche Gefahr begibt. Der Mythos des Helden verklärt eher als dass er nützt bzw. der Realität gerecht wird. Auf der anderen Seite, und da kommen wir zu den positiven Kritikpunkten, verarbeitet der Autor vieles, was Bundeswehrsoldaten erzählt haben und was er bei seiner Recherche herausgefunden hat. Er bemüht sich dabei, ein differenziertes Bild zu gestalten, was aber trotzdem etwas flach ausfällt. Die Amerikaner werden als von 9/11 Traumatisierte dargestellt, die erst handeln und dann nachdenken, wenn sie denn nachdenken. Das mag in Teilen stimmen, wird aber sicher nicht jedem amerikanischen Soldaten gerecht. Dass Soldaten nach Kriegseinsätzen traumatisiert sind und dabei Schwierigkeiten mit Beziehungen und dem Alltag im Allgemeinen haben, liest oder hört man öfter in Medien. Auch das verarbeitet Jysch durch seine Hauptfigur Chris. Allerdings werden solche Menschen wohl eher nicht weiterhin den Helden spielen. Dass das eine unglaubwürdige Story ist, lässt Jysen sogar in seinem Comic selbst amerikanische Soldaten sagen: »Do you think he‘s telling the truth?« »Definitely not!« (Die englischsprachigen Passagen werden nicht ins Deutsche übersetzt.) Kritisch angesprochen werden folgende Punkte: Das sinkende Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in die Bundeswehr, die Kritik der Soldaten an den Vorgaben der Regierung und die darauf folgende Demotivierung der Soldaten, Vertuschung und Beschönigung der Realität in Afghanistan. Diese Punkte werden aufgegriffen und dargelegt, hätten aber noch etwas mehr herausgearbeitet werden können. Zum Titel des Comics Wave and smile: »Winken und Lächeln war die Strategie der ISAF-Patrouillen in Afghanistan, wenn sie ihre Camps verließen.« (Zitat auf der Rückseite des Comics) Extras: Glossar, Danksagung mit Hintergrundinfos, Quellen, Karte, Infos zum Autor.

Insgesamt merkt man dem Comic an, dass sich der Autor kundig gemacht hat und wirklich willens war, die realen Storys in seinem Comic zu verarbeiten. Das gelingt ihm bis zu einem gewissen Grad gut. Aber die Hauptfigur handelt insgesamt doch zu sehr wie Indiana Jones, um ernst genommen zu werden. Einen besseren Einblick in die Situationen von Soldaten in afghanischen Krisengebieten verschafft hier eher der Comic Krisenzeiten von David Schraven und Vincent Burmeister – dieser Comic ist auch als Reportage ausgelegt. Wer mehr Wert auf eine Geschichte mit Spannung und Liebe legt – die mit realen Hintergrundinfos garniert ist – ist aber auch mit dem vorliegenden Comic gut bedient.

(ud)