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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Herzlfresser

Der Herzlfresser

Ein Prozess im Landesgericht Wieden bei Kapfenberg erregte 1786 das Interesse der Öffentlichkeit. Paul Reininger, ein 32-jähriger Knecht aus Kindberg war des Mordes angeklagt.

Das kleine Dorf Kindberg im Mürztal, Steiermark, wo Reininger aufwuchs, war im 18. Jahrhundert geprägt von der Landwirtschaft und der Handwerkszunft.

Paul Reininger war drei, als sein Vater starb. Seine Mutter gab ihn zu Dienstboten, wo er ein schweres Leben führte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Erwachsener als Knecht und gab sein weniges Geld im Spiel und für Alkohol aus.

Am Fronleichnamstag 1779 nahm er an der Fronleichnamsprozession teil und zechte danach in den Gasthäusern. Nachmittags machte er sich auf den Nachhauseweg und traf eine Bauernmagd, die ihm eine Eifersuchtsszene machte. Er besänftigte sie und überredete sie zu einem Stelldichein im Wald. Die Magd ließ sich umgarnen. Nach dem Rendezvous erstach er die Frau, versteckte die Leiche und ging unbekümmert nach Hause.

Beim Prozess gab er an, er hatte Sorge, dass sie schwanger werden könnte.

Zwei Jahre später, an einem Sonntag im Fasching, fasste er den Plan, eine ihm bekannte Näherin zu berauben, nachdem er sein gesamtes Geld vertrunken und verspielt hatte. Als er nachts in das Zimmer der Frau eindrang, erwachte sie. Das war ihr Todesurteil. Einen ganzen Gulden fand er bei ihren Habseligkeiten.

Drei Monate später traf er auf seinen Wegen ein Mädchen, das Schafe und einen Ziegenbock hütete. Der Bock kam ihm gerade recht für eine neue Lederhose. Er erzählte dem Mädchen, er habe den Ziegenbock vom Bauern gekauft, nahm das Tier, führte es weg und erstach es. Unglücklicherweise folgte die Achtjährige dem Knecht und beobachtet ihn. Aus Furcht, sie könne ihn verraten, erstach er sie mit demselben Messer, mit dem er den Bock geschlachtet hatte. Er schnitt den Körper der Toten auf, nahm die Eingeweide heraus und steckte das Herz ein. Er erinnerte sich an die Mär, dass der Verzehr mehrerer frischer Herzen von Jungfrauen Glück im Spiel und Unsichtbarkeit brachte. Die Leiche und den Ziegenbock, dem er die Haut abzog, versteckte er. Das Herz aß er zur Hälfte auf, die andere Hälfte fand man Jahre später unter seinen Habseligkeiten.

Im November 1783 arbeitet er im Wald, als eine fünfzigjährige Magd vorbei kam. Die geistesschwache Frau folgte ihm tiefer in das Dickicht, wo er sie tötete. Seine Beute waren 45 Kreuzer.

Fünf Tage später begegnete Reininger in einem Nachbardorf einem siebzehnjährigen Mädchen, das er mit Liebesanträgen verfolgte. Da sie ihn abwies, lauerte er ihr am Heimweg auf. Diese Novembernacht war der Todestag der jungen Frau.

Am 15. Jänner 1786 zechte er nach dem Gottesdienst in einem Wirtshaus, vertrank und verspielte sein weniges Geld. In der Abenddämmerung traf er eine junge Frau, die ebenfalls auf dem Heimweg war. Er vermutete, dass sie außer ihrem Brautkranz, den sie in einer Schachtel mit sich trug, auch Geld bei sich hatte. Für Magdalena Angerer war die Begegnung mit Reininger die letzte in ihrem jungen Leben. Er erstach sie, entkleidete die Leiche, schnitt ihr Herz heraus und zerstückelte ihren Körper. Ihre Kleidung, den Brautkranz und das Herz nahm er mit.

Zwei Wochen später wurde ein Bauer durch das Gekrächze von Raben auf die Leichenteile aufmerksam. Das Gericht untersuchte die Tat, vernahm Zeugen, die Reininger in der Nähe des Tatortes gesehen hatten. Bei der Durchsuchung seiner Habseligkeiten wurden die blutigen Kleider der Toten, ihr Kranz und die Hälfte eines menschlichen Herzens gefunden.

Er wurde ins Landesgericht zu Wieden bei Kapfenberg gebracht, wo er einer peinlichen Befragung unterzogen wurde. Ob er gefoltert wurde oder die Angst vor Folter ihn zu einem Geständnis verleitete, ist nicht bekannt. Er gestand nicht nur die jüngste Tat, sondern weitere fünf Morde.

Das Gericht verurteilte ihn zum Tode. Zuerst sollte er am Richtplatz auf beiden Wangen gebrandmarkt, danach Riemen aus seinem Rücken geschnitten werden, bevor er von unten hinauf gerädert würde.

Im Zuge der Abschaffung von Folter und Todesstrafe änderte Kaiser Joseph II. das Urteil »zur besseren Erspiegelung anderer« dahingehend, dass der Angeklagte an drei Tagen hintereinander je hundert Stockstreiche erhalten sollte. Danach sei er nach Graz in die Schlossfestung zu überführen, dort anzuschmieden bei Wasser und Brot. Alle Vierteljahre solle er 50 Stockstreiche erhalten. Dies war die schwerste Strafe und kam einer langsamen Todesstrafe gleich. Die Inhaftierten wurden in kleine Verliese an Eisenringe geschmiedet und vegetierten im Dunkeln ihrem Tod entgegen.

Vom 4. bis 6. Juli 1786 wurde die Züchtigungsstrafe in Kapfenberg vollzogen. Der Scharfrichter persönlich prügelte ihn, wobei er mehrere Stöcke abschlug. Da eine solche Strafe üblicherweise dem Delinquenten den Tod brachte, war ein Geistlicher anwesend. Mehr tot als lebendig überstand Reininger die Tortur. Einige Wochen später wurde er nach Graz gebracht und hinter den Mauern des Schlossberges angekettet. Nur wenige Monate später, am 11. November 1786 starb er in seinem Gefängnis.

Durch seine abscheulichen Taten ging er als Herzlfresser in die Geschichte ein. Als Gedenkstätte wurde ein Marterl an einem der Tatorte errichtet. Wer dorthin gelangen will, muss eine steile Straße vorbei am Schloss Oberkindberg gehen, die in einen Hohlweg mündet. Der Herzlfresserweg endet an einer kleinen Lichtung, wo das Marterl steht.

 

70 Jahre später, nur wenige Kilometer von Kindberg entfernt, in dem kleinen Dorf Krieglach …

Am Fronleichnamstag 1856 wurden die Leichen von zwei Mädchen in ein gemeinsames Grab gelegt. Da der Totengräber unmittelbar nach dem Begräbnis bei der Prozession als Fahnenträger fungierte, hatte er keine Zeit, das Grab zuzuschaufeln. Als er dies gegen Abend erledigen wollte, fielen ihm Hobelspäne, die den Toten als Kopfkissen dienten, neben den Särgen auf. Als er die Sargdeckel hob, waren die Leichen verschwunden. Am nächsten Tag fand ein Bauer die beiden Leichen, denen Herzen und Leber herausgeschnitten waren. Behördliche Nachforschungen brachten keine Ergebnisse.

Ein Mann namens Matthias Bruggraber, der »Tiger« genannt, soll auf seinem Totenbett die Leichenschändung gebeichtet haben. In jenen Tagen herrschte der Aberglaube, der Verzehr von mehreren frischen Herzen von Jungfrauen, brachte Glück im Spiel, Unsichtbarkeit und die Macht das Wetter zu beeinflussen.

Er war 1849 zu zehn Jahre schweren Kerkers wegen Ermordung seiner Ehefrau verurteilt worden. Anlässlich der Entbindung Ihrer Majestät der Kaiserin Elisabeth im April 1855 wurde er begnadigt. Sein Sterbetag ist in keiner Sterbematrik in den Pfarren des Tales registriert.

Folgende Generationen, di nach Bruggraber auf demselben Hof lebten, erzählten von einem »Wettermacher«.

Mehr ist über diesen Fall nicht bekannt. Das einzige Zeugnis aus dieser Zeit ist ein schlichtes Holzkreuz im Wald, wo die beiden Mädchenleichen gefunden wurden.

Quellen:

(ah)