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Der Welt-Detektiv Band 6

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Mit Zähnen und Klauen

Für Craig DiLouie sind Zombies Wesen, welche zuvor als ganz normale Menschen unter uns weilten und durch Krankheiten oder Organismen infiziert und zu gewalttätigen Monstren wurden, mit dem einzigen Ziel, ihre Opfer zu überwältigen, zu beißen und somit zu infizieren. Die Lebenden dienen ihnen dabei nicht als Nahrung. Dieses Szenario klingt für den Autor plausibler und gruseliger als andere.
Die Zombi-Thematik ist im Grunde genommen nicht tot. Sie ist keine Modeerscheinung, die dem Mainstream der großen Verlage folgt. Es sind gerade die kleinen Nischenverlage und Self-Publisher, die diese Thematik am Leben erhalten. So wie der Mensch von der Angst vor seiner eigenen Sterblichkeit fasziniert ist, so ist er gleichwohl vom möglichen Ende unserer Spezies fasziniert. In den Fünfzigern waren es außerirdische Invasoren, in den Siebzigern der ökologische Kollaps. Die Apokalypse wurde in den Achtzigern durch ein nukleares Armageddon und in den 90er Jahren durch Killerviren hervorgerufen. Nun sind es Zombies. Was uns in den nächsten Jahren als das Ende der Welt literarisch offenbart wird, weiß man heute noch nicht. Doch wie die Apokalypse in Mit Zähnen und Klauen endet, kann der geneigte Leser zusammen mit den »Ladys« des Second Platoon nach ca. 400 Seiten erfahren.
Es ist etwas Kathartisches im Überleben der Apokalypse, es ist ein Sieg über den Tod.

Das Buch

Craig DiLouie
Mit Zähnen und Klauen
Originaltitel: Tooth and Nail

Horror-Thriller, kartoniert, Luzifer-Verlag, Bochum, Februar 2014, 400 Seiten, ISBN: 9783943408232

Wie die Welt enden wird? Nicht mit einem Knall, nicht mit einem Wimmern, sondern in einem Gemetzel.

Als eine neue Pest in Form eines Tollwutvirus Millionen Menschen infiziert, holt Amerika seine Streitkräfte aus der ganzen Welt zurück, um seine Krankenhäuser und andere wichtige Gebäude zu schützen.

Die Infektion weitet sich unkontrollierbar aus, die tollwütigen Opfer werden extrem gewalttätig.

Lieutenant Todd Bowman führte seine Einheit durch die Schrecken des Krieges im Irak. Jetzt muss er seine Männer in New York durch einen Sturm der Gewalt führen, um eine Forschungseinrichtung zu sichern, die ein Heilmittel verspricht. Doch in dieser Mission sehen sich die Männer der Charlie Company einer schrecklichen Schlacht mit einer furchtlosen und endlosen Horde gegenüber – einer Horde, bewaffnet mit Zähnen und Klauen.

WAR IS HELL – dieses Sprichwort bekommt für die Jungs der Charlie Company in dieser Apokalypse eine ganz neue Bedeutung!

Der Autor

Craig DiLouie ist freiberuflicher Marketingberater und Schriftsteller, der mit seiner Familie in Calgary, Provinz Alberta lebt.

Er ist Autor der Bestseller-Zombie-Romane Tooth and Nail (Salvo Press, April 2010), The Infection (Permuted Press, Februar 2011) und dessen Fortsetzung The Killing Floor (Permuted Press, April 2012), darüber hinaus The Great Planet Robbery, eine militärische Sci-Fi-Komödie und Paranoia, ein Psycho-Thriller.
Als Fachbuchautor hat er mehrere Non-Fiction-Bücher über Beleuchtung und elektrisches Design geschrieben. Sein nächster Horror-Roman Suffer the Children wird im Simon & Schuster Verlag New York am 20. Mai 2014 veröffentlicht werden.
Mehr unter www.craigdilouie.com

Leseprobe

Hier kracht es schon fast wie in Bagdad

Am südlich gelegenen Kontrollpunkt wirft eine Traube von Zivilisten dem befehlshabenden Offizier des Zweiten Platoons vor, die Army halte einen geheimen Impfstoff der Regierung im Krankenhaus zurück.

Mit seinen hellblauen Augen und einem Blondschopf erinnert Second Lieutenant Todd Bowman aus Fredericksburg in Texas eher an einen Chorknaben, als an einen Soldaten. Bevor der große, aber schmächtige Junge der Armee beitrat, um hautnah zu erfahren, wie Geschichte geschrieben wird, studierte er sie als Fach am College. Obwohl er sich als fähiger Anführer bewies, hat er sich immer noch nicht abgewöhnt, verstohlene Blicke auf Sergeant First Class Mike Kemper zu werfen, einen 30-jährigen Veteranen aus Louisiana, ob dieser seine gewagtesten Befehle und tiefsten Ängste bestätigt. Kemper, seinerseits  klein und sehnig mit unproportional großen Händen, ein Typ, der zum Töten wie geschaffen scheint, zwinkert üblicherweise zur Antwort. Mit rasiertem Kopf und starrem Blick schüchtert sein ganz normaler Gesichtsausdruck jeden solange ein, bis er ein Lächeln bemüht, das seine Außenwirkung drastisch verändert. Für die Jungs im Platoon ist der Sergeant ein Fels in der Brandung. Sie nennen ihn Pops.

Auf der anderen Seite der Spiralen aus Stacheldraht, die über die First Avenue gelegt und mit Sandsäcken beschwert wurden, fleht eine dicke Frau den Lieutenant an, er möge welchen Impfstoff auch immer herausrücken, den die Streitkräfte im Krankenhaus bewachen.

»Ma’am«, erwidert der Lieutenant, »weshalb würden wir diese Masken tragen, wenn wir ein Gegenmittel hätten? Wissen Sie, wie unbequem es ist, die Dinger Tag und Nacht anzubehalten?«

Die Frau sieht ihn verunsichert an. »Na ja, das könnte nur Show sein.«

»Für mich ergibt das überhaupt keinen Sinn, was Sie da sagen, Ma’am.«

»Ich werde mich hier hinstellen und nicht von der Stelle rühren, bis ich was zum Impfen meiner Babys bekomme! Verstehen Sie mich?«

Ein Mann aus der Menge wirft ein: »Also hören Sie mal Officer …«

»Wie alt sind Sie überhaupt«, unterbricht die Frau. »Zwölf?«

Der Mann fährt fort: »Sehen Sie mich an, Officer … Danke! Der Präsident der Vereinigten Staaten behauptet, Sie hätten einen Impfstoff. Weshalb sollte der Präsident so etwas sagen, wenn es nicht stimmt?«

Bowman bleibt sachlich: »Sir, unser oberster Kommandant hat keine derartigen Informationen erhalten, denn davon hätte ich bestimmt Wind bekommen.«

»Hey, ich habe gefragt, ob Sie mich verstehen können«, stichelt die Frau.

Ein zweiter Mann mischt sich ein: »Meine Frau ist krank geworden, also bat ich ihre Schwester, zu uns zu kommen und zu helfen, aber jetzt hat sie es sich auch eingefangen, und ich kann sie nicht beide kontrollieren. Sie sind in meiner Wohnung und treiben Gott weiß was, nehmen die Bude auseinander oder so. Ich brauche Hilfe; was soll ich machen?«

»Das Beste, was Sie tun können«, antwortet Bowman. »Bringen Sie die beiden doch zur Behandlung her, bitten Sie einen Nachbarn um Unterstützung oder die Polizei, falls diese die Mittel dazu hat. Ich jedenfalls kann keinen einzigen Mann von diesem Posten abrücken, um Ihnen zu helfen. Tut mir leid, wirklich.«

Einzelne Schüsse, dann eine längere Salve, entheben sich dem steten Hintergrundlärm von New York, den Lauten von acht Millionen Menschen bei ihrem Kampf ums Überleben. Bowman erstarrt vorübergehend mit einer vagen Ahnung von Gefahr, bevor er sich in die Richtung umdreht, aus der die Schüsse erschallen. Wenige Augenblicke später übertönt ein Blackhawk-Helikopter das Geräusch, der rasch über die Häuserdächer fliegt.

Unterdessen ist Corporal Alvarez angetreten und lässt den Lieutenant wissen, im Krankenhaus wolle man ihn sprechen. Es sei dringend, schiebt er nach.

Der Mann auf der Straße redet immer noch: »Sie hören mir nicht …«

Bowman, der sein Unbehagen nicht abschütteln kann, nickt andeutungsweise und erklärt der Menge: »Wir sind hier fertig.«

Krankenhausleiter Dr. Linton und Winslow, einer von mehreren schwerbewaffneten Stadtpolizisten, die für Sicherheit im Gebäude sorgen, stehen an einem Linienbus vor der Notaufnahme des Trinity. Sie tragen Atemschutzmasken und sehen besorgt aus. Hinter ihnen warten mit dem Hong Kong Lyssa Infizierte und ihre Verwandten in einer Schlange darauf, in den Bus einsteigen zu dürfen. Man hustet viel und schnäuzt sich die Nase, während drinnen Krankenschwestern strikt militärisch selektieren, indem sie wirkliche Opfer des Virus von Patienten mit anderen Leiden beziehungsweise von Gesunden trennen, die bloß panisch sind und sich einbilden, krank zu sein.

Die Personen mit Lyssa werden mit farbigen Armbinden in Prioritätsstufen unterteilt. Leute mit Grün werden zur häuslichen Pflege heimgeschickt; wer Rot erhält, gilt als dringender Fall und kommt auf die Intensivstation, falls dort ein Bett frei ist; Gelb hingegen bedeutet, dass man auf alle Fälle bleiben darf und warten muss, aber nicht zwangsläufig auf die Intensivstation gelangt. Schwarz bedeutet: Sie lindern deine Qualen soweit wie möglich, bis du stirbst.

Die Wahrscheinlichkeit, an Hong Kong Lyssa zu sterben, ist hoch. Drei bis fünf Prozent aller Erkrankten überleben das Virus nicht, also doppelt so viele wie im Falle der Spanischen Grippe von 1918 und ’19. Hunderttausende Amerikaner sind bereits gestorben, und weitere zwei bis drei Millionen werden ihnen voraussichtlich folgen. Genaugenommen sterben gerade so viele Menschen, dass man die Leichname in Kühl-LKWs übereinanderlegt, die immerzu mit laufendem Motor auf der anderen Seite des Krankenhauses stehen, bis sie vollgeladen sind, und ihre Fracht nach New Jersey fahren, wo Massengräber für sie ausgehoben werden.

Doch nicht die Zahl der Toten ist das Problem, obwohl sie entsetzlich anmutet.

HK Lyssa ist ein neuartiges Virus, ähnlich der Grippe, und wird durch die Luft übertragen. Laut Seuchenschutzbehörde geht es wahrscheinlich auf den Indischen Flughund zurück und entwickelte sich so weit, dass es sich ohne Weiteres auch unter Menschen verbreitet. Es reißt dich von den Füßen wie die Grippe, äußert sich jedoch auch in weiteren Symptomen wie Zuckungen, Augenflimmern und einem strengen, milchig sauren Körpergeruch. Die meisten Betroffenen genesen zwar nach zwei Wochen, doch falls sie schwer infiziert sind und das Virus ins Hirn eindringt, führt es zum Schwachsinn: Dann findet man sie mit Schaum vor dem Mund, sie verweigern die Aufnahme von Wasser, werden paranoid und neigen zu unvermittelten Gewaltausbrüchen. Letztendlich verlernen sie das Sprechen; sie geben dann nur noch ein beunruhigendes Grollen von sich, das an ein Motorrad im Leerlauf erinnert. Seit jemand in den Fernsehnachrichten einen Vergleich mit tollwütigen Hunden gezogen hat, hat sich diese Bezeichnung eingebürgert. Sie sind gefährlich, und die Soldaten wissen, dass sie vorsichtig mit ihnen umgehen müssen. Tollwütige haben schon Menschen verletzt und umgebracht, sogar ihre eigenen Familienangehörigen. Man markiert sie stets mit Schwarz, und sie alle sterben in der Regel nach drei bis fünf Tagen.

Dass die geringe Zahl der Tollwütigen den Kampf gegen eine ohnehin bereits fürchterliche Epidemie erschwert, ist jedoch ebenfalls nicht das eigentliche Problem.

Die größte Herausforderung, vor der die Vereinigten Staaten stehen, besteht in der überwältigenden Zahl von Erkrankten, die nur noch bettlägerig sind und andauernde Fürsorge benötigen. Da das menschliche Immunsystem bislang nicht mit diesem Virus zu tun hatte, besitzt es keine natürlichen Abwehrkräfte, weshalb sich nahezu jeder anstecken kann. Folglich liegt die Zahl der betroffenen Bürger im achtstelligen Bereich, darunter auch viele der Behandelnden, Hüter der öffentlichen Ordnung, Hersteller und Lieferanten von Lebens- beziehungsweise Arzneimitteln, Handwerker und Arbeiter, die dafür sorgen, dass Wasser aus den Hähnen kommt, Licht und Klimaanlagen, Kühlschränke, Fahrstühle und Gasherde funktionieren. Amerika steht kurz vor dem Zusammenbruch.

Ein Sprichwort besagt, die Nation stehe jederzeit nur drei Tage vor einer Revolution. Man verhänge einen Lieferstopp für Lebensmittel an Supermärkte und sehe zu, wie ein Land mit 300 Millionen Einwohnern, die glauben, hohe Ansprüche stellen zu dürfen und über 250 Millionen Feuerwaffen verfügen, darauf reagiert. So hat die Regierung den nationalen Notstand ausgerufen und seine Militäreinheiten aus Übersee abgezogen – um Amerika vor sich selbst zu schützen.

»Bleib nahe bei mir, Mike«, bittet Bowman den Platoon Sergeant. »Ich ahne schon, was sie diesmal wollen.«

Kemper nimmt seine Feldmütze ab und fährt sich mit einer Hand über den geschorenen Schädel. »Aber darauf vorbereiten konnten wir uns nicht. Wir sind nicht entsprechend ausgerüstet. Da heißt es Ausbildung an nicht-tödlichen Waffen, und jetzt, da wir welche einsetzen müssten, sind keine aufzutreiben«, rekapituliert er, während er seine Mütze wieder aufsetzt. »Das ganze Training für nichts und wieder nichts.«

Linton, der sie bereits erwartet, schenkt sich das obligatorische Geplänkel, die Militärs freundlich zu begrüßen, die sein Krankenhaus bewachen, und kommt sofort zur Sache.

»Lieutenant, wir haben keinen Platz mehr, um neue Patienten aufzunehmen – weder Betten, noch Personal. Die Handschuhe, Kittelschürzen und Atemmasken gehen uns aus. Wir schließen die Pforten und werden uns in nächster Zeit auf die vorliegenden Fälle konzentrieren.«

»Verstehe«, antwortet Bowman.

Der Krankenhausleiter hält ihm mit Gummihandschuhen ein Klemmbrett vor. »Ich habe die Adressen mehrerer alternativer Pflegestätten auflisten lassen. Soweit ich hörte, sind sie nach wie vor in Betrieb. Auch Sterbekliniken für die … Tollwütigen.« Der Arzt räuspert sich beim Gebrauch dieses geläufigen, aber politisch unkorrekten Begriffs. »Ich möchte Sie bitten, den Leuten da draußen zu sagen, sie sollen eine der anderen Einrichtungen aufsuchen.«

Kemper nimmt das Klemmbrett entgegen, während Bowman sagt: »Wir kümmern uns darum.«

Linton öffnet den Mund, schnappt ihn aber gleich wieder zu und sagt dann schlicht: »Danke sehr, Lieutenant.«

Bowman beobachtet, wie die Männer zurück ins Gebäude gehen, und schüttelt den Kopf.

Kemper nickt zustimmend. »Ein Haufen Arschlöcher, Sir, soviel ist sicher«, stellt er trocken fest.

Bowman seufzt laut. »Ich muss Captain West darüber in Kenntnis setzen. Mike, gib mir das Funkgerät.«

Plötzlich erklingt Maschinengewehrfeuer von Westen her tief aus der Innenstadt. Verwirrt wenden sich die Soldaten dem Lärm zu und wechseln dann kurze Blicke. Von Tag zu Tag, so scheint es, häufen sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen. Dabei denken sie sich: Hier kracht es schon fast so wie in Bagdad. Und die Epidemie ist erst von wenigen Wochen ausgebrochen.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages

(wb)