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Der Kartograph

Jiro Taniguchi
Der Kartograph

Manga, Graphic Novel, Softcover, Carlsen, Hamburg, September 2013, 220 Seiten, 16,00  Euro, ISBN: 9783551751027

»Sich treiben zu lassen, den Wind zu spüren, den Mond zu betrachten … Ich bin wunschlos glücklich.«

Kartograph Ino Tadataka

Edo zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Pensionär Ino Tadataka hat eine neue Aufgabe für sich entdeckt – Edo zu Fuß zu vermessen. Bei seiner Vermessung, bei der er den Ehrgeiz hat, sie immer genauer vorzunehmen, entdeckt er Edo aus seiner ganz eigenen Perspektive – und die ist nicht immer die eines Fußgängers: Aus der Sicht eines Vogels, einer Schildkröte, einer Katze, eines Elefanten, einer Libelle oder sogar eines Baumes betrachtet er Edo aus einem ganz neuen Blickwinkel. Außerdem lernt er Menschen kennen, die später berühmt werden, wie zum Beispiel Issa Kobayashi, der dritte große Haiku-Dichter neben Basho und Yosa Buson.

Wie in jedem von Jiro Taniguchis Mangas fallen die sehr detaillierten und realistisch gestalteten Zeichnungen positiv auf. Es ist immer wieder eine Freude, diese Zeichnungen zu begutachten und auf sich wirken zu lassen. Ebenfalls fällt auf, dass Taniguchi ein Faible für Spaziergänger hat: Nicht nur Der Kartograph behandelt dieses Thema, sondern auch Der spazierende Mann, Der geheime Garten vom Nakano Broadway, zum Teil Träume von Glück. Aber Ino, so wie Taniguchi ihn sieht, verweilt nicht in der Perspektive des Spaziergängers, sondern nimmt ein phantastisches Element zu Hilfe, um auch andere Sichtweisen einzunehmen: Ino wechselt in die Perspektive der Tiere, die, vermischt mit dem menschlichen Geist, aus ihrer Warte die Welt wahrnehmen. Die Sicht der Ameise zum Beispiel scheint ihm die eines Tunnelblicks, die so ganz anders ist als das, was er selbst beim Laufen erlebt. Besonders interessant ist dabei das Panel, das die Betrachtungsweise der vieläugigen Libelle zeigt. Dabei macht sich Tadataka Gedanken über die Freiheit.
Etwas Erotik findet sich auch, wenn Ino in der Perspektive eines Tiers zum Beispiel eine sich badende Frau sieht. Etwas befremdlich finde ich es allerdings, wenn Ino in Gegenwart seiner Frau die jungen Frauen auf ein Podest hebt – und sie ganz unbeteiligt wirkt. Vielleicht verstehe ich aber auch nicht die japanische Kultur dieser Zeit. Wobei diese aber auch nicht unbedingt frauenfreundlich ist. Überhaupt ist es schade, dass es Taniguchi es bisher nur einmal geschafft hat, einen Manga aus der Sicht einer Frau zu zeichnen (Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß). Wenn Frauen vorkommen, dann meist am Rande, und siewirken eher stereotyp.
Der Manga selbst ist mit Haikus von bekannten Haiku-Dichtern unterlegt, die zu den jeweiligen Episoden passen.
Als Extras gibt es ein hilfreiches Glossar, das die für Europäer fremden Begriffe erklärt, sowie ein Zitat Taniguchis, in dem er erklärt, wie er die Idee zu diesem Manga hatte.

Insgesamt wieder ein empfehlenswerter Manga aus der Feder des Meisters Taniguchi.

(ud)