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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Vierundzwanzigste Erzählung

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil
Vierundzwanzigste Erzählung

Von einer Teufelserscheinung, welche zu Aix-en-Provence den versammelten Magistrat in Angst und Schrecken setzte

Ein katholischer Priester zu Aix-en-Provence, mit Namen Gaufrid, hatte im Jahr 1711 das Unglück, seinen abergläubigen Grübeleien über Bündnisse mit dem Teufel so lange ängstlich nachzuhängen, bis darüber sein Geist völlig zerrüttet ward. Er bildete sich ein, der Teufel sei sein guter Freund, und es sei ihm gelungen, sich ihm zu verschreiben, und ein Bündnis mit ihm zu errichten. Jeder Vernünftige sah wohl, dass der arme Mann am Geiste krank war. Aber zu seinem Unglück kam er zuletzt auf den Einfall, sich selbst bei den Gerichten zu Aix-en-Provence als einen förmlichen Teufelsbeschwörer, Geisterkenner und Zauberer anzuklagen.

Dies geschah Anfang des 18. Jahrhunderts, wo man die Vernunft noch nicht häufig auf dem Richterstuhl sitzen sah. Die damaligen Parlamentsräte zu Aix-en-Provence zweifelten keinen Augenblick, dass es mit Gaufrids Einverständnis mit dem Teufel seine völlige Richtigkeit habe. Und da der Selbstankläger noch dazu in den mit ihm angestellten Verhören aussagte, er habe unter anderen auch dem kränklichen Fräulein von Palu, mithilfe seines guten Freundes, eine ganze Legion Teufel angezaubert, wie hätten, bei solcher Bewandtnis der Sachen, die Herren Räte ihn nicht des Feuers schuldig finden sollen?

Um indessen doch ein Übriges zu tun, mussten einige Ärzte das bezauberte Fräulein besichtigen und ihre Entzauberung und Heilung versuchen. Falls dies mittelst natürlicher Arzneien bewerkstelligt würde, sollte das Verdammungsurteil über den Teufelsbanner Gaufrid noch ausgesetzt werden.

Die beiden Ärzte, die mehr Vernunft hatten als die ganze Sammlung von Parlamentsräten, taten ihr Möglichstes, um den armen Gaufrid den Flammen zu entreißen. Aber ungeachtet sie alle ihre Kräfte aufboten, um das Fräulein von Palu gesund zu machen, so wurden doch ihre gut gemeinten medizinischen Bemühungen nur mit wenig gutem Erfolg gekrönt, weil es äußerst schwierig war, die epileptischen Krämpfe, an welchen das Fräulein litt, und die noch dazu schon sehr überhandgenommen hatten, sobald zu heben.

Die Ärzte versicherten nun zwar in ihrem medizinischen Gutachten mit den triftigsten und einleuchtendsten Gründen, dass das Fräulein weder von einer Legion Teufel noch auch nur von einem bösen Geist besessen sei, sondern vielmehr an einer namhaften, ganz natürlichen Krankheit darnieder liege, bei welcher indessen die Arzneigelehrtheit nur wenig zu leisten imstande sei. Allein diese aufrichtigen Versicherungen waren so gut wie in den Wind geredet. Die abergläubigen, und man sollte beinahe denken – mordsüchtigen Herren des Rats glaubten vielmehr in dem schlechten Erfolg, den die Bemühungen der Ärzte gehabt hatten, einen unumstößlichen Beweis für die Richtigkeit der Aussage des irren Gaufrids zu finden.

Am 30. April versammelte sich deshalb der Rat, um über den Wahnsinnigen das Endurteil zu fällen. Bei einigen von Gaufrids Richtern glimmte zwar ein kleiner Überrest von Vernunft und Menschlichkeit auf, der sie vielleicht gestimmt hätte, den Versicherungen der Ärzte noch zu rechter Zeit Gehör zu geben, und den Angeklagten von der Schuld einer teuflischen Zauberei loszusprechen. Allein ein unglückliches Ungefähr erstickte auch diesen aufglimmenden Funken von Vernunft. Indem sie nämlich vor dem versammelten Parlament begannen, sich zugunsten des Angeklagten zu erklären, entstand auf einmal ein fürchterliches Gepolter im Kamin des Gerichtssaales. Die ganze Versammlung von Räten erschrak heftig darüber und glaubte nichts Gewisseres, als dass der Teufel, von Gaufrid herbeizitiert, soeben durch die Öffnung des Schornsteins herabfahre und mittelst der Kaminröhre in ihre Versammlung dringen werde, um sich, vielleicht auf ihre Kosten, seines guten Freundes tätigst anzunehmen. Sie waren daher auch keineswegs gewilligt, die sichtbare Erscheinung dieses unberufenen Sachwalters abzuwarten, sondern dachten beizeiten auf Rettung durch Flucht, konnten sich aber doch nicht enthalten, fliehend einen schüchternen Seitenblick zu dem Kamin zu werfen und – o Himmel! Welch ein schrecklicher Anblick! Da sahen sie den Teufel in seiner furchtbarsten Gestalt: schwarz am ganzen Leib, mit funkelnden Augen im Kopf, mit langen Ziegenbockhörnern, starr der Hände Klauen mit fürchterlichen Krallen und unten einen Pferdefuß.

Wie Rasende, und unter einem betäubenden Schrei, stürzten die Herren zur Tür hinaus. Unglücklicherweise blieb der arme Parlamentsrat Thoran über die zu große Eilfertigkeit, womit er sich retten wollte, mit dem Ärmel seiner weiten Amtskleidung an einer Bank hängen und schlug sehr unsanft zu Boden. Da lag er nun halb tot, voller Angst und Entsetzen. Mit Recht ergriff ihn die Besorgnis, er allein werde nun das Opfer des bösen Feindes werden und seine Kollegen loskaufen müssen.

Aber der großmütige Teufel, den die unbeschreibliche Eilfertigkeit der flüchtenden Versammlung spaßhaft vorkommen mochte, ging nicht von der Stelle. Thoran regte ebenfalls weder Hand noch Fuß, und bloß der Zeigefinger seiner Rechten war unwillkürlich in beständiger Bewegung, idem er unzählige Kreuze schlug, das Einzige, womit die heilige Einfalt sich vor den Klauen des Teufels zu sichern glaubte. Endlich fasste er Mut und wagte es, behutsam den Kopf ein wenig zu drehen, um einmal zu der Gegend des Kamins hinzuschielen. Da dem Teufel auch diese geringe Bewegung des Kopfes nicht entging, so begegnete sein Blick dem schielenden Seitenblick des bangen Tropfes mit der blutenden Nase.

Und sonderbar! Auch der Teufel zitterte am ganzen Leib und fragte Thoran mir weinerlicher Stimme: »Ach Herr! Wo bin ich?«

Diese Frage gab Thoran sein entflohenes Herz wieder. Er raffte sich auf, sah dem Fragenden ziemlich beherzt ins Gesicht und erkannte in demselben einen ehrlichen Savoyarden, der als Knecht bei einem Schornsteinfeger diente. Dieser arme Kerl war in einen Schornstein gestiegen, der mit der Kaminröhre des Gerichtssaales zusammenhing, und, aus Unvorsichtigkeit und Mangel an Übung, durch Letztere in den Parlamentssaal heruntergefallen.

Dieser zufällige Umstand hatte nun eigentlich die Richter überzeugen sollen, dass man oft Teufel und Teufelswirkungen da sieht, wo wirklich keine sind. Allein anstatt so dem unglücklichen Gaufrid das Leben zu retten, brachte er bei den wohl weisen Herren des Rats vielmehr den ebenso unmenschlichen wie unvernünftigen Entschluss zur Reife, mit Gaufrids Verurteilung zum Feuer und mit Vollstreckung ihres die Menschheit entehrenden Beschlusses zu eilen. Denn ein solcher Zufall gerade zu einer solchen Stunde, meinten sie, könne unmöglich anders als die Wirkung des Teufels und von Gaufrid veranlasst worden sein.

Dieser sauberen Schlussfolge gemäß wurde der Verurteilte Tages darauf lebendig verbrannt.

Freuen Sie sich mit mir, meine Leser, dass für Deutschland die grauenvollen Zeiten vorüber sind, wo blinde Religionsverfolgung und heilige Einfalt Feueraltäre für schuldlose Bürger bauten, und wo Menschen von Gerichts wegen die privilegierten Mörder ihrer Brüder sein durften.